Asiens Teams bei der WM 2018: Wohl mehr Schein als Sein

Die Zahlen sagen: Vier Siege, ein Team im Achtelfinale, zum fünften Mal in den letzten sieben Turnieren (also seit 1994) ein besserer Punkteschnitt als die Teams aus Afrika. Außerdem erreichte Japan das Achtelfinale und hatte dort die hoch gehandelten Belgier am Rande der Niederlage.

Ist Asien also nach dem Totalausfall von 2014 zurück? Nicht so schnell. Die Siege von Südkorea und Saudi-Arabien kamen, als die Teams bereits ausgeschieden waren. Jener des Iran war vom Spielverlauf superglücklich. Und Japan hat gegen Kolumbien 87 Minuten in Überzahl gespielt.

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LINK-TIPP: Asiens Teams bei der WM 2014

Japan: Grundsolide und kontrolliert

Vor vier Jahren war die Erwartung an die Japaner groß – geliefert haben sie ein müdes Vorrunden-Aus. Dieses Mal waren die Erwartungen gering, und siehr da: Viel hätte nicht zum Viertelfinale gefehlt.

Sicher, es war auch Glück dabei. Weil man gegen Kolumbien schnell in Überzahl war. Weil Senegals Torhüter daneben gegriffen hat. Weil zwei gelbe Karten über Achtelfinale und Ausscheiden entschieden haben. Das Spielprinzip von Trainer Akira Nishino, der erst zwei Monate vor der WM von Vahid Halilhodzic übernommen hatte, ist vornehmlich auf defensive Kontrolle und Stabilität im Zentrum ausgelegt. Das ist ein spürbarer Gegensatz zum offensiven Rochade-Spiel, welches Japan unter Zaccheroni spielte.

Der routinierte Hasebe und sein neuer Nebenmann Shibasaki (der sich für mehr als eine Teilzeitrolle in der spanischen Liga empfohlen hat) kontrollierten sowohl Ballbesitz-Phasen (wie vor allem gegen Kolumbien), also auch das Spiel gegen den Ball (wie vor allem gegen Belgien) auf gutem Niveau. In allen drei Vorrundenspielen hatte Japan zwischen 54 und 59 Prozenz Ballbesitz

Im Spiel nach vorne fehlte allerdings der Punch. Das wurde vor allem gegen die im Block verteidigenden Kolumbianer deutlich. Die Partie gegen Polen kann man kaum werten und die beiden Tore im Achtelfinale gegen Belgien waren Weitschüsse und/oder Zufallsprodukte.

Dies ist keine weltbewegende Mannschaft. Aber eine recht solide und stabile Truppe. Nicht nur wegen des Abschneidens bei der WM: Japan ist, wie über weite Strecken des letzten Jahrzehnts, die Nummer eins aus Asien.

Südkorea: Ein Highlight, sonst nichts gezeigt

Der 2:0-Sieg gegen Deutschland mit Toren in den Minuten 92 und 97 ist ein Erfolg für die Geschichtsbücher. Für den Halbfinalisten von 2002 war es aber andererseits der erste Dreier bei einer WM seit acht Jahren und er kam, als alles schon zu spät war.

Wie schon 2014 agierte Südkorea viel zu zaghaft und passiv und bekam als Quittung dafür das erneute, sang- und klanglose Vorrunden-Aus präsentiert. Sogar gegen die cleveren, aber nicht gerade zaubernden Schweden stellten sich die Koreaner bleiern hinten rein. Die angedachten Konter über Premier-League-Routinier Ki bzw. die schnellen Außenspieler mit Salzburgs Hwang, über Augsburgs Koo und mit Tottenham-Star Son kamen viel zu selten zustande. Der offensive Output war gleich Null.

Der einzige, der sich tatsächlich ins Rampenlicht spielen konnte, war Torhüter Jo Hyun-Woo, der schon in der heimischen Liga zum besten Keeper der Saison gewählt worden war – obwohl sein Klub 2017 beinahe abgestiegen wäre und 2018 aktuell Liga-Letzer ist. Seine Top-Leistung war auch nötig, weil die Abwehr viel zuließ.

Bei drei der vier Turniere seit der Heim-WM 2002 ist Südkorea nun in der Gruppenphase gescheitert. Die Zahl der Europa-Legionäre war schon mal höher als jetzt, vor allem jene mit echter Qualität. Das reicht innerhalb Asiens immer noch locker zu einer Führungsrolle, aber der Abstand zur internationalen zweiten Reihe wird mit der Arbeit der letzten zehn Jahre nicht kleiner.

Iran: Mehr erreicht als drin war

Viel hat nicht gefehlt, ein Meter vielleicht. Wenn der Schuss von Mehdi Taremi am Ende des dritten Gruppenspiels gegen Portugal nicht am Außennetz gelandet wäre, der Iran hätte im Achtelfinale als Gruppensieger gegen Russland gespielt. Aber, um auf dem Boden zu bleiben: Es wäre nicht korrekt gewesen.

Der Iran wurde von Marokko phasenweise vorgeführt. Wäre es nach 30 Minuten 0:3 gestanden, hätten die Iraner sagen müssen: Danke, dass es nicht 0:5 steht. Und am Ende gewinnen sie sogar, durch ein Eigentor in der Nachspielzeit. Gegen Spanien hielt man defensiv und destruktiv dagegen, ähnlich gegen Portugal. Dennoch hatte man in diesen Spielen sogar mehr und bessere Chancen als im Match gegen Marokko.

Das Personal von Teamchef Carlos Queiroz hat sich gegenüber 2014 (damals mit sechs Ü-30-Spielern und einem Altersschnitt von 28,9 Jahren) praktisch komplett geändert, die Spielweise gar nicht. Das mag nicht schön anzusehen sein, aber Queiroz ist Pragmatiker. Mehr gibt das qualitativ nicht besonders gute Personal nicht her. Da geht es bei einer WM eher darum, das Ausmaß der sportlichen Katastrophe in Grenzen zu halten. Dieses Ziel wurde mehr als nur erreicht.

Damit hat sich der seit sieben Jahren amtierende Queiroz (der damit schon seit geraumer Zeit längstdienender Trainer der iranischen Verbandsgeschichte ist) auch die Reputation verschafft, offen im TV seinen Intimfreind Branko Ivankovic anzugreifen. Der Trainer von Spitzenklub Persepolis (und Queiroz‘ Vorgänger als Teamchef) war in der Vorbereitung offenbar nicht gerade kooperativ. Ob der Portugiese bleibt, ist noch nicht fix. Der Verband hat aber schon angedeutet, Queiroz unbedingt halten zu wollen.

Saudi Arabien: Eh okay, aber mit klaren Defiziten

Eine Hochgeschwindigkeits-Liga ist jene aus Saudi-Arabien nun nicht gerade. Kann sie auch nicht sein, angesichts der klimatischen Bedinungen und der Qualität der beteiligten Spieler. So in etwa sah dann auch der Auftritt der Saudis bei der WM aus. Die würden schon spielen wollen, und wenn man sie lässt, sieht das auch nicht völlig unbeholfen aus. Aber wenn man an den Schrauben Tempo und/oder Körperlichkeit dreht, sind die Grenzen schnell erreicht.

Besonders auffällig war es in der zweiten Hälfte des Eröffnungsspiels, als Gegner Russland (aus welchen Gründen auch immer…) noch Vollgas geben konnte, als der Akku bei den Saudis längst leer war. Gegen Uruguay wurde einem zwar viel Ballbesitz erlaubt, gegen die routinierten Abräumer um Godín waren die Araber machtlos. Immerhin konnte man gegen die lustlose Truppe aus Ägypten den ersten WM-Sieg seit 24 Jahren einfahren. Wenn auch mit Hilfe des eher bockigen Referees.

Juan Antonio Pizzi, der neunte Teamchef in den letzten acht Jahren, verpasste dem Team eine aktive Spielweise, die so gut funktionierte, wie man das nach einem halben Jahr im Amt realistisch erwarten kann. Der Auftritt hat – wie auch das unglückliche 1:2 in Deutschland im letzten WM-Test – gezeigt: Es wäre schon das Potenzial da, wieder an die 1990er-Jahre anzuschließen, als man Asiens beste Mannschaft war. Man spielte nun nicht mehr, so wie beim Asiencup-Vorrunden-Aus 2015, „recht konsequent auf eigene Faust und recht gezielt aneinander vorbei“.

Langhaltigen Effekt wird Pizzis Arbeit aber nur haben können, wenn man ihm zumindest mittelfristig etwas Zeit gibt. Zu erwarten ist dies aber trotz seiner Vertragsverlängerung bis zum Asiencup im Jänner 2019 nicht zwingend. Länger als zwei Jahre durfte seit 1984 niemand als saudischer Teamchef wirken.

Australien: Farblos drübergerettet

System-Varianten von 4-2-3-1 (bei der WM 2014) über 4-3-3 (beim Asiencup-Sieg 2015) bis hin zu Spielereien mit Dreierkette, dazu positive Spielweise und voller Einsatz: Das waren die Socceroos unter Ange Postecoglou. Nachdem dieser kurz nach gerade noch geschaffter Qualifikation zurücktrat, engagierten die Australien Bert van Marwijk als Feuerwehrmann.

Den holt man sich, um ein Turnier wie die WM einigermaßen solide und ohne riskante Experimente zu überstehen. Das relativ starre 4-4-1-1 mit defensiver Ausrichtung brachte die Australier mit Anstand durch das Turnier, ohne einen Eindruck zu hinterlassen. Gegen gelangweilte Franzosen wurde nur knapp 1:2 verloren und gegen Dänemark ein solides 1:1 geholt. Aber als es noch eine theoretische Chance auf das Achtelfinale gab, wurde beim 0:2 gegen Peru sehr wenig Gegenwehr geleistet.

Im Nachgang wird in Australien debattiert, ob der Zugang zu negativ war oder ob das limitierte Personal nicht mehr erlaubte. Das eher wilde Spiel unter Postecoglou hat zwar oft Spaß gemacht, aber auch zu haarsträubenden Punktverlusten gegen Thailand und den Irak sowie einer Niederlage gegen Jordanien geführt. Sicher ist nur: Individuell kann die aktuelle Mannschaft jener von 2006 nicht das Wasser reichen.

Seither stagniert Australien. Das hat gereicht, um 2015 beim Asiencup als Einäugiger unter den Blinden den Titel zu holen. Aber wie bei den Kollegen vom Kontinent gilt auch hier: Die Entfernung zur Spitze wird seit geraumer Zeit eher größer als kleiner.

Wer hat gefehlt?

Niemand von sportlichem Belang. Zwei Teams müssen aber dennoch angesprochen werden: China, weil dort viel Geld in die Liga gepumpt wird. Und Katar, weil dort in vier Jahren die WM über die Bühne gehen wird.

Seit knapp zwei Jahren soll bei China nun Marcello Lippi für einen Aufschwung sorgen. Nach dem soliden, aber etwas uninspirierten Auftritt beim Asiencup 2015 (Aus im Viertelfinale) hätte man die WM-Quali beinahe schon vor der Finalrunde verbockt. Dort holte Lippi zwar elf Punkte aus sechs Spielen, den davor aufgerissenen Rückstand konnte er aber nicht mehr aufholen. Der Asiencup 2019 wird der Lackmustest sein, ob die teuren Stars in der Liga dem Nationalteam wirklich weiterhelfen. Das Viertelfinale (programmgemäß laut Auslosung gegen Iran oder Saudi-Arabien) darf da nicht die Endstation sein.

Ähnliches gilt auch für Katar, obwohl realistisch betrachtet schon das Erreichen des Viertelfinales eine Überraschung wäre. Als Trainer fungiert nun Félix Sánchez, ein Spanier, der schon in Barcelonas „La Masia“ und im katarischen Leistungszentrum „Aspire Academy“ gearbeitet hat, und mangels eigenem Talent wird fleißig eingebürgert. Der 2,03-m-Torhüter Ababacar kommt aus dem Senegal, Abwehchef Ró-Ró ist Portugiese, Sechser Karim Boudiaf ist Franzose, Linksaußen Boualem Khoukhi ist Algerier. Dazu kommen noch eine Handvoll Ägypter und ein Achter aus Bahrain, den man beim Liga-Klub Al-Sadd bei Xavi in die Lehre geschickt hat. Drei Kataris hat man beim belgischen Erstligisten KAS Eupen geparkt, der den Scheichs gehört.

Weiter als ins Viertelfinale (zuletzt 2011 unter Bruno Metsu) hat es für Katar beim Asiencup noch nie gereicht und die Zeit des Experimentierens ist nun langsam vorbei. Für die Handball-Heim-WM 2015 hat sich Katar zwölf Spieler eingebürgert und ist so bis ins Finale gekommen. Es ist zu vermuten, dass die FIFA – die dergleichen ja eigentlich nicht gerne sieht – im Falle des Falles das eine oder andere Einbürgerungs-Auge zudrücken würde. Als Gastgeber muss Katar ein Team stellen, das zumindest ins Achtelfinale kommen kann.

So geht es weiter

Im Jänner 2019, also in einem halben Jahr, findet der schon mehrfach angesprochene Asiencup in den Vereinigen Arabischen Emiraten statt. Wie beim Afrikacup wurde auch beim asiatischen Titelturnier von 16 auf 24 Teilnehmer erhöht. Im Unterschied zu Afrika wird dies dem Asiencup aber sehr wohl schaden. Schon 2015 konnte die Hälfte der 16 Teams keinen gerade Pass spielen und erst ab dem Viertelfinale wurden die Spiele einigemaßen vorzeigbar.

Australien ist Titelverteidiger, Favoriten sind die üblichen Verdächtigen (also die fünf asiatischen WM-Teilnehmer plus unter Umständen China). Da auch Fußballzwerge wie Turkmenistan, Kirgisien, Palästina und sogar der im Krieg zerrüttete Jemen dabei sein werden, sind zumindest in der Gruppenphase einige sehr einseitige Spiele zu erwarten.

Das Turnier von 2015 stand unter der Frage, inwieweit sich die geprügelten WM-Teilnehmer wieder erholen können und wie (vier Jahre nach dem recht ansprechenden Turnier von 2011) das sportliche Niveau sein würde (Antwort: Sehr bescheiden). Die Ausgangslage für den Asiencup 2019 lautet: Ist der Aufschwung echt oder waren es nur singuläre Ergebnisse?

Und: Wie schlägt sich Katar, dreieinhalb Jahre vor der Heim-WM?

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.