Archiv der Kategorie: Frauen-Fußball

Mit einem dicken blauen Auge: ÖFB-Frauen retten den Klassenerhalt

Als sich Österreichs Spielerinnen nach dem Abpfiff jubelnd in den Armen lagen, tönte „Wackelkontakt“ im Horr-Stadion. War es ein solcher, der im Hinspiel der Nations-League-Relegation in Tschechien zu einer haarsträubend schlechten Darbietung und einer eigentlich noch zu knappen 0:1-Niederlage führte? Ohne fehlte doch nur, wie Teamchef Alexander Schriebl es formulierte, der Mut?

Im Rückspiel jedenfalls folgte ein erstaunlicher Turnaround. Eine griffige, giftige und auch inhaltlich deutlich besser agierende österreichische Mannschaft erzwang einem 2:0-Erfolg gegen zunehmend entmutigte und dann auch dezimierte Tschechinnen. Man ist mit einem blauen Auge davongekommen und geht im Februar in der Top-Leistungsstufe in die WM-Qualifikation.

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13 Jahre danach: Wieder Wendepunkt für ÖFB-Frauen gegen Tschechien?

„Gratuliere, ihr habt’s das Playoff fix!“, rufe ich von der Tribüne in Richtung Seitenlinie, wo gerade Carina Wenninger vorbeigeht. „Naa, theoretisch brauch ma nu was, oder?“, antwortet sie nach dem 3:2-Sieg in Tschechien. „Nix“, sage ich, „Direktvergleich zählt, nicht Tordifferenz – die Tschechinnen können euch nimmer von Platz zwei verdrängen!“ Mit dieser frohen Kunde und einem „Haha, wirklich? Mega!“ ging die Verteidigerin zur österreichischen Bank, wo gerade der Sieg in der brütenden Hitze von Prag gefeiert wurde, in Ermangelung von Champagner mit Mineralwasser-Duschen.

Nun kommt es 13 Jahre später im Nations-League-Playoff erstmals seit diesem Spiel am 16. Juni 2012 im Stadion von Viktoria Žižkov wieder zu Pflichtspiel-Duellen der beiden Teams. Die Partie damals war ein Wendepunkt für beide: Zuvor war Tschechien stärker gewesen als Österreich, war in EM-Playoffs, hatte sich im zweiten Lostopf etabliert. Seither ist es genau anders. Österreich war im EM-Halbfinale 2017 und im EM-Viertelfinale 2022, hat sich in der A-Gruppe der Nations League etabliert, während Tschechien nie bei einem Turnier dabei war und nun zwischen A- und B-Gruppe pendelt.

Was die offensichtliche Frage aufwirft: Warum? Und könnten die kommenden Spiele – angesichts der Kreuzband-Verletzungen von Barbara Dunst, Sarah Zadrazil, Marie Höbinger, Lilli Purtscheller und Manuela Zinsberger – zum Wendepunkt in die andere Richtung werden?

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Proper England, Schweizer Aufbruch: So gehen die Teams aus der Frauen-EM

Wie ist die EM für die 16 Teilnehmer verlaufen, wer hat positiv überrascht, wer negativ? Um den Kreis zu schließen mit unserer Vorstellung der in der Schweiz vertretenen Teams, blicken wir zum Abschluss unserer Berichterstattung zur Frauen-EM 2025 noch einmal auf die Teams, ihre Performance bei diesem Turnier und auf den Ausblick auf deren unmittelbare bis mittelbare Zukunft.

England, wieder Europameister

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Volle Stadien, enge Spiele und ein Sieger mit Comeback-Qualitäten: Die Bilanz der Frauen-EM 2025

Die nüchternen Schweizer, traditionell nobel-zurückhaltend, als enthusiastisches Kollektiv? Nein, so richtig war nicht damit zu rechnen, was in den letzten drei Wochen zwischen Genf und St. Gallen passiert ist. Die Eidgenossen ließen sich von der EM mitreißen wie man es bei unseren Nachbarn sonst nur bei einer Alpinen Ski-WM oder den Odermatt-Siegen in Adelboden kennt.

Und so kennt diese Endrunde – mit einigen wenigen Ausnahmen, Salut France, Hej Sverige! – nur Gewinner. Die nicht niederzuringenden Engländerinnen natürlich, die sich nach dem im Elfmeterschießen errungenen Final-Sieg von Basel über die erfolgreiche Titelverteidigung freuen dürfen. Spanien, trotzdem, weil man wieder im Finale war und seinen Anspruch auf den Status als Klassenprimus glaubhaft untermauert hat. Semifinalist Italien, so gut wie seit drei Jahrzehnten nicht. Die UEFA, die mit den Bildern ausverkaufter Stadien ein optisch großartiges Produkt verkaufen konnte, dass vor allem in den Ländern der Favoriten auch im TV ein Quoten-Erfolg war.

Und die Schweiz selbst. Die mit der ehrlichen, positiven Begeisterung für dieses Turnier und für ihre Fußballerinnen einerseits diese EM vor Ort zu einem echten Fest gemacht haben. Spätestens mit dem emotionalen Last-Minute-Einzug ins Viertelfinale haben sie sich die Liebe der Schweizer gesichert und dank der vielen aufstrebenden Talente steht die Truppe vor einer vielversprechenden Zukunft.

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Vom Apenninen-Bergdorf zum Gipfel – die Frauen-EM und ihre Semifinals

Spanien und England – diese beiden Teams gingen siegreich aus dem 14. Semifinal-Paar hervor, sie werden am Sonntag in Basel den Europameister im Frauenfußball ermitteln. Es ist das selbe Duell wie im Endspiel der WM vor zwei Jahren.

England war schon vor 41 Jahren dabei, als zum ersten Mal das beste Frauen-Team des Kontinent gesucht wurde, Spanien noch nicht. 16 Teams hatten sich damals bei der UEFA für eine Teilnahme angemeldet. Das war nicht ausreichend, um den Status als offizielle Europameisterschaft zu bekommen, aber immerhin wurde ab Herbst 1982 erstmals ein Bewerb gestartet, der das beste Frauenfußball-Nationalteam Europas ermitteln sollte.

Italien gewann die Südeuropa-Gruppe, Schweden jene für die nordeuropäischen Lander, Dänemark die für Mitteleuropa und England jene für die britischen Inseln. Diese vier ermittelten in Semifinale und Finale den ersten Sieger, es wurde Schweden. Es war ein Nebenbei-Bewerb für die UEFA, sie hab halt ihren Sanctus, interessierte sich aber nicht weiter dafür. Das blieb auch noch länger so, ab 1987 ging es in einen Zwei-Jahres-Rhythmus, es gab zumindest ein Final-Four als Mini-Turnier (erst in Norwegen, 1989 in der BRD, 1991 in Dänemark).

Bei jenem im Juni 1993 wurde eines der Semifinals auf einem Bezirks-Sportplatz in einem Abruzzen-Bergdorf abgehalten. Nun, im Jahr 2025, verkauften sich die Stadien in Genf und Zürich aus. Die letzten zehn EM-Turniere und ihre Semifinals erzählen auch die Geschichte des europäischen Frauenfußballs in diesem Zeitraum.

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Fuck it up like France: Wenn Scheitern zur Identität wird

Ungeschlagen seit 2008 in regulären Qualifikationen für EM und WM. In (de facto) drei Durchgängen der Nations League stets Gruppensieger. Letztmals 2005 in einer Turnier-Vorrunde gescheitert. Frankreich gehört seit 15 Jahren zur absoluten europäischen Spitze und verliert so gut wie nie ein Pflichtspiel.

Außer, es steht „Viertelfinale“ drauf. Dann bricht Panik aus. Frankreich hat bei aller Klasse noch nie einen großen Titel gewonnen, dafür acht der letzten neun Viertelfinalspiele verloren. Fuck it up like France – ein Drama oder eine Komödie, je nach Sichtweise. So konsequent wie Frankreich scheitert wirklich niemand, hier wird das Versagen zur Kunstform erhoben.

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Frankreich hat’s verbaselt. Was heißt das für Les Bleues und die Deutschen?

Nach dem deutschen 1:4 gegen Schweden stand an dieser Stelle, dass die Deutschen vor dem Scherbenhaufen ihres Turniers stehen. Das passendere Bild wäre wohl gewesen: Die Tür zu ihrem Aus ist zerdeppert, hält zwar noch irgendwie zusammen, aber Frankreich muss sie nur noch durchtreten. Und dann das: Trotz 110 Minuten Überzahl streichelten die Französinnen diese Tür nur sanft, zerfressen von Versagensangst. Ja, es war bei zwei Abseitstoren und einer sagenhaften Berger-Parade auch ein wenig Pech dabei – aber das von Deutschland mit vollem Einsatz angebrachte Klebeband hielt die rissige Türe heil.

Es war DAS Match des Turniers bisher und das denkwürdige Spiel sagt über beide Teams sehr viel aus. Über das französische Panik-Orchester ebenso wie über die Deutschen, die zwar den Vorwurf des Schönwetter-Fußballs widerlegten – aber nach dem heroischen Kampf auch aufpassen müssen, dass die grundlegenden Fragen in der DFB-Frauensektion nicht in den Hintergrund treten. Diese wurden vom Spielverlauf in Basel nämlich nicht beantwortet.

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DFB nach 1:4-Debakel: Schönwetter-Fußball statt deutscher Tugenden?

„Schweden hat unsere linke Abwehrseite ständig überladen – deswegen wussten wir nicht so recht, wie wir es machen sollten!“ Janina Minge gab sich nach dem deutschen 1:4-Debakel gegen Schweden überrascht. Wie auch Bundestrainer Christian Wück: „Die Abwehrprobleme, die wir hatten, sind aufgrund der schwedischen Spielweise entstanden.“

Überraschende Aussagen aus dem Lager der DFB-Frauen. Denn das Qualitäts-Defizit, welches Wück auf dieser Abwehrseite ganz gezielt und ganz bewusst in Kauf genommen hat, ist seit Monaten das ganz große Bauchweh-Thema in der medialen Berichterstattung gewesen. Es wäre wesentlich irritierender gewesen, hätte Schweden dieses nicht angebohrt. Der Titel ist für Deutschland damit so gut wie ausgeschlossen.

Schweden – Deutschland 4:1 (3:1)
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Italia, cosa fai? Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben

Einfach die Pflicht erfüllen, Gruppenzweiter hinter Spanien werden. Dann im Viertelfinale ein bisher wirklich fürchterlich schlechtes Norwegen besiegen, das mit zwei erstaunlich unverdienten Siegen schon fix in der K.o.-Runde ist. Und schwupps, schon steht man im Halbfinale der Frauen-EM in der Schweiz.

Doch die Chance auf das beste Turnier-Resultat seit dem Final-Einzug von 1997 scheint Italien zu lähmen, nach dem Motto: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Gegen Belgien gab es ein äußerst harziges 1:0 und gegen ein an sich harmloses Portugal fürchteten sich die Azzurre so lange vor einem späten Gegentor, bis sie es sich tatsächlich einfingen – 1:1.

Aber warum?

Italien – Portugal 1:1 (0:0)
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Ist diesmal alles anders, Frankreich? Der Sieg gegen England und was er bedeutet

Mit überzeugenden Siegen in der Gruppenphase kennen sich die Französinnen aus. Das machen die nun mal so. Und doch: Ist nach dem 2:1-Auftakterfolg gegen England diesmal, bei der EM in der Schweiz, alles anderes? Bringt es Frankreich diesmal zusammen? Was nach den Erkenntnissen des bärenstarken Auftritts in Zürich dafür spricht, was dagegen – und eine historische Einordnung.

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