0:6 in 45 Minuten: Die Verprügelung von Favoriten und ihre Folgen

Im Horr-Stadion konnten die Fans kurze Messages einschicken, die dann in der Halbzeit auf den Vidiwalls gezeigt wurden. Eine dieser Messages war, in Anlehnung an den Mittelfeld-Muskel der Austria: „Barry rein und alles wird gut!“ Aber Laura Freigang umhacken ist auch keine Lösung. Zumindest nicht mehr bei einem Pausenstand von 0:6.

Wie einst bei Branko Elsner?

Als Branko Elsner im Frühjahr 1985 Teamchef wurde, lud er gleich mal die ganzen alten Helden von Córdoba wieder ein, die zuvor unter Erich Hof einer nach dem anderen aussortiert worden waren. Sie lieferten im WM-Quali-Heimspiel gegen Ungarn einer dermaßen katastrophale Leistung ab, dass allen klar war: Hier und jetzt ist Schluss, das war’s für sie. Es war der Beweis, den die Öffentlichkeit gebraucht hat. Das Team wurde zwar über Jahre nicht mehr wirklich besser, aber es konnte zumindest niemand mehr sagen, dass die Alten immer noch stärker wären.

Das 0:6 der ÖFB-Frauen gegen Deutschland fühlte sich so ähnlich an. Nach diesem Spiel – vor allem der ersten Halbzeit, nach der es eben bereits mit diesem Stand von 0:6 in die Kabinen ging – ist klar: Bei allen Verdiensten, die sich einige der verbliebenen Routiniers um den österreichischen Frauenfußball erworben haben, now’s the end of the line.

Continue reading

Ohne Rudi Assauer kein Hoffenheim und kein Rangnick bei Red Bull?

„Ich bin diese politischen Possenspiele leid!“ Ralf Rangnick war sichtlich emotionalisiert. „Ich werde meinen Vertrag nicht verlängern. Ich habe keine andere Wahl, als mich so zu entscheiden!“

Keine Angst, das hat der ÖFB-Teamchef nicht vor der nun gegen Rumänien beginnenden WM-Qualifikation gesagt. Und er sagte das auch nicht über das nun von Josef Pröll angeführte ÖFB-Präsidium, das nicht nur dem Teamchef in den letzten Jahren so viel Missvergnügen bereitet hat. Er sagte das vor knapp 20 Jahren mit Blick auf Schalke-Boss Rudi Assauer. Dieser den Trainer erfolgreich aus dem Amt gemobbt – mit dramatischen Folgen für den ganzen Fußball in Deutschland und in Österreich.

Die These: Hätte sich Assauer mit Rangnick arrangiert, wäre Hoffenheim niemals in die Bundesliga gekommen und der Schub bei Red Bull – und damit dessen großer Einfluss auch auf Österreich und das ÖFB-Team – vermutlich auch nicht.

Continue reading

Bundesliga-Bilanz 2024/25, Teil 2: Die Teams aus der Qualirunde

Und am Ende ist es Klagenfurt: Die Kärntner zogen in einem Abstiegskampf mit drei ziemlich ähnlich schlechten Teams den Kürzeren. Und es bleibt dabei: Wer in der Qualirunde nicht mindestens acht Punkte macht, steigt ab – das war seit Einführung des aktuellen Bundesliga-Modus immer der Fall. Klagenfurt holte sechs, gewann keines der letzten neun Saison-Spiele.

Was aber nicht heißt, dass die Konkurrenz in der Qualirunde wesentlich erquicklicher unterwegs gewesen wäre. Altach hat einmal mehr heftig um den Abstieg gebettelt, der GAK quälte sich und die Zuseher mit drei Trainerwechseln und einem haarsträubend schlechten Offensivspiel. Wattens wurde von drei Leuten getragen, behielt aber immerhin die Ruhe. Hartberg, durchaus interessant under Markus Schopp, wurde zum biederen Mitläufer und der LASK, naja, der LASK.

Individual-qualitiativ deutlich zu gut für die Bottom-6, cruisten die Linzer mit Halbgas zu sieben Siegen in den ersten sieben Spielen und lieferten dennoch zweischendurch den zweiten Trainer der Saison ans Messer und man zelebrierte den Konflikt zwischen organisierter Fan-Szene und dem Klub-Boss.

Continue reading

Bundesliga-Bilanz 2024/25, Teil 1: Die Teams aus der Meisterrunde

Von Salzburg abgesehen: Wer war der letzte Verein, der in Österreich seinen Bundesliga-Titel verteidgen konnte? Ja, ist schon ein bisserl her. Das war der FC Tirol vor mehr als zwei Jahrzehnten. Bis nun Sturm Graz nach 2024 auch 2025 den Meisterteller in Empfang nehmen konnte.

Nun gibt es zwei Lesarten für diese Saison und diesen Titel. Die eine ist, dass das Niveau an der Spitze spürbar gegenüber dem letzten Jahr abgefallen ist. Salzburg war noch verlorener als noch 2024, Rapid klappte nach einem starken Herbst komplett zusammen, die Austria war letztes Jahr noch Achter und wäre fast Meister geworden, und wenn der WAC nur ein einziges Tor vom DOUBLE entfernt ist, kann ja mit der Liga was nicht stimmen.

Einerseits: Ja, stimmt. Andererseits: Naja, Einspruch.

Continue reading

Drei Jahre danach: Die ÖFB-Spieler der U-19-EM 2022

„So konsequent selbst das Leben schwer gemacht hat sich wohl noch selten ein österreichisches U-Nationalteam!“ So konstatierten wir am 28. Juni 2022 – nach dem letzten Spiel der U-19-Burschen des ÖFB bei der EM in der Slowakei, dem Entscheidungsspiel um die WM-Teilnahme. Nach zwei Minuten verletzte sich Ervin Omic, nach 20 Minuten Justin Omoregie, der eingewechselte Florian Wustinger sah noch vor der Halbzeit Gelb-Rot. Auch mit zehn Mann war Österreich klar besser, belohnte sich nicht, verlor 0:1.

„Erinnere mich nicht dran“, stöhnt Trainer Martin Scherb, „das war eines der bittersten Spiele meines Lebens. Auch mit drei Jahren Abstand schmerzt das noch!“

Diesen Sommer jährt sich die bisher letzte österreichische Teilnahme an einer U-19-EM zum dritten Mal, die Spieler sind also mittlerweile 22 Jahre alt – da kann man schon einigermaßen seriös beurteilen, wohin die Reise geht.

Continue reading

Hut ab, Peter Pacult: Indian Summer in Klagenfurt

Vor mittlerweile 17 Jahren war Peter Pacult der letzte Meistertrainer von Rapid. Danach wechselten sich bei ihm moderate Erfolge mit Kurzzeit-Engagements ab, der bärbeißige Pacult schien keinen Platz mehr in der Welt der modernen Trainer und Trainingsmethoden zu haben. Dann ging er im Winter 2020/21 zu Austria Klagenfurt.

Auch, wenn es nun ein Ende hat: Pacult erlebte in Kärnten so etwas wie seinen Indian Summer. Unerwartet und deshalb umso erstaunlicher. Dafür gebührt ihm Respekt.

Continue reading

Liése Brancão: Von Novo Hamburgo nach Hamburg

Erste Juli-Woche 2004, Flughafen Lissabon-Portela: Eine 22-jährige Brasilianerin war von den portugiesischen Behörden am Umsteigen in die Maschine nach Wien gehindert worden.

Es dauerte einige Stunden, ehe die Einreisebeamten Zeit für die verängstigte junge Frau hatten, die erstmals in ihrem Leben alleine brasilianischen Boden verlassen hatte. Sie hielt ihnen ihren frisch unterschriebenen Vertrag beim österreichischen Frauenfußball-Meister SV Neulengbach unter die Nase und ein kurzer Anruf der Behörde beim damaligen Vereins-Obmann Bruno Mangl bestätigte ihre Darstellung: Célia Liése Brancão Ribeiro gehörte nicht zu den etwa 25 jungen Frauen, die aus Porto Alegre vermutlich als Objekt von Menschenhandel nach Europa geschleust wurden. Liése Brancão war tatsächlich Fußballerin mit einem gültigen Vertrag im Gepäck.

Zwei Jahrzehnte und 14,5 Meistertitel* als Spielerin und Trainerin später ist Li, wie sie von jedem genannt wird, immer noch in Österreich. Bald nicht mehr: Die mittlerweile 43-Jährige wird im Sommer neue Trainerin beim Frauen-Team des HSV. Am 22. Dezember 2024 war sie nach achteinhalb Jahren als inoffizielle bzw. offizielle Trainerin von Österreichs Abo-Meister SKN St. Pölten zurückgetreten. Exakt vier Monate später wurde sie als Nachfolgerin von Marwin Bolz in Hamburg vorgestellt.

Continue reading