Asien bei der WM 2014: 12 Spiele, 3 Remis, 9 Pleiten

Auf der fußballerischen Überholspur hat sich Asien befunden. Die Versprechen, die Afrika vor 20 Jahren abgegeben hatte, schienen von den Asiaten eingelöst zu werden. Aber: Keines der vier AFC-Teams in Brasilien konnte auch nur ein Spiel gewinnen. Vor allem die vermeintlich „Großen“ Japan und Südkorea enttäuschten auf der ganzen Linie. Das Asien-Quartett fuhr in zwölf Spielen 3 Remis und 9 Niederlagen ein.

Japan: Drei Jahre zu früh gepeakt

Was war das für ein großartiges Turnier von Japan beim Asien-Cup vor drei Jahren. Wie ein Wirbelwind überzog man die Konkurrenz, und auch als es in der K.o.-Phase zum Teil etwas harzig wurde, verlor man nie die Übersicht. Kagawa (in seiner ersten Saison bei Dortmund), Honda (nach einem halben Jahr bei ZSKA Moskau) und Okazaki (ein halbes Jahr vor einem Wechsel in die Bundesliga) machten in der offensiven Dreierreihe mit ihrem Tempo und ihren unermüdlichen Rochaden die Gegner wahnsinnig, aus der Defensive stießen Hasebe (Kapitän beim gerade-nicht-mehr-amtierenden Meister Wolfsburg) und Endo nach, über die Seiten machten Uchida und Nagatomo Druck – das unglaubliche Turnier von Letzterem brachte ihm einen Vertrag und einen Stammplatz bei Inter Mailand ein.

Zu wenig Elan, zu wenig Rochade, zu wenig Überraschendes - Japan enttäuschte auf ganzer Linie.
Zu wenig Elan, zu wenig Rochade, zu wenig Überraschendes – Japan enttäuschte auf ganzer Linie.

Alberto Zaccheroni, der entnervt vom alles zerredenden Italien in Japan eine neue Heimat gefunden hatte, formte eines der zu diesem Zeitpunkt fünf besten Teams der Welt. Und das ist der Schlüsselsatz: „zu diesem Zeitpunkt“. Bei der WM in Brasilien war der ganze Schwung weg. Kagawa hat zwei Jahre auf der Bank von Manchester verschleudert, Honda hat in der Serie A noch nicht wirklich Fuß gefasst. Okazaki hat in Mainz eine tolle Saison als Mittelstürmer hinter sich, wird im Team aber auf der linken Seite gebraucht – so muss vorne ein Stürmer von einem deutschen Zweitliga-Mittelständler ran. Endo war nicht fit, Hasebe mit Nürnberg gerade abgestiegen.

Ohne die Rochaden und das wilde Tempo vorne wurde Japan ausrechenbar. Dazu fehlt auch der Druck von den Jungen: Bis auf Stürmer Maeda und den eben nicht auf der Höhe seiner Kräfte agierenden Sechser Endo sind alle Spieler, die in Katar den Asien-Titel 2011 holten, immer noch dabei, und es sind auch keine neuen Leistungsträger wirklich in Sicht: U-20-WM-Endrunden verpasst Japan in schöner Regelmäßigkeit und die jüngeren WM-Fahrer versprechen auch kaum große Entwicklungssprünge.

Diese Generation der Japaner hat sich einen glanzvollen Asien-Titel geholt, aber die WM in Brasilien kam ihr um zumindest zwei Jahre zu spät. Leider.

Südkorea: Kreative falsch oder gar nicht eingesetzt

Beste Voraussetzungen wären das für die Koreaner gewesen: Eine Generation von guten, jungen und aufstrebenden Talenten und Stammspieler in guten europäischen Ligen, gepaart mit einer echt nicht besonders guten Gruppe. Und doch fiel man komplett durch, holte nur einen Punkt und machte auch nie den Eindruck, dass wirklich mehr drin gewesen wäre.

Was bei dem Talente-Pool verwundert, allerdings kommt man nicht umhin, Teamchef Hong Myung-Bo zu unterstellen, diesen völlig verkehrt eingesetzt zu haben. Vor allem im kreativen Zentrum klaffte ein Loch, das man locker schließen hätte können – etwa mit Koo Ja-Chaol, der in Mainz eine bärenstarke Saison spielte, aber als Stürmer verschenkt war. Oder mit Ji Dong-Won, der zu Dortmund wechselt, aber weitgehend ignoriert wurde. So blieb viel zu viel an Leverkusens Son Heung-Min hängen, der die Schwächen im System aber auch nicht ausgleichen konnte.

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Großes Talent, aber auch große Passivität: Südkorea ließ das Spiel der Gegner zu oft über sich ergehen.

Denn vor allem passte die Umsetzung des Systems nicht. Hong ließ in einem flachten 4-4-2 spielen, ohne Kreativ-Spieler im Zentrum, ohne körperlich ausreichend robuste Stürmer für lange Anspiele – aber auch ohne jegliche Form von Pressing. Das war schon beim 1:1 gegen Russland augenfällig, ging aber noch halbwegs gut, weil die Russen auch so ihre Probleme hatten.

Aber dem Schwung, den Algerien vor allem im verdichteten Zentrum aufbaute, war man überhaupt nicht gewachsen. Es gab aber auch keine inhaltlichen Antworten, nur ein kurzes Aufflackern individueller Klasse zu Beginn der zweiten Hälfte gegen Algerien. Sonst nichts. Man ließ das Spiel aller Kontrahenten über sich ergehen. Das war zu wenig.

Und damit ist das sang- und klanglose Ausscheiden auch folgerichtig. Südkorea hätte den Kader für den Achtelfinal-Einzug gehabt, war aber aus 100 % eigenem Verschulden meilenweit davon entfernt, tatsächlich ins Achtelfinale einzuziehen.

Iran: Im Rahmen der Möglichkeiten ganz okay

Deutlich näher dran an der nächsten Runde war der Iran, und das mit dem vermutlich schwächsten Kader aller 32 Endrunden-Teilnehmer. Ashkan Dejagah ist als prominentester Spieler aus der Premier League abgestiegen, Stürmer Ghoochannejhad spielt bei einem englischen Zweitligisten, praktisch alle anderen in der heimischen Liga, der sogar Teamchef Carlos Queiroz „Amateur-Niveau“ bescheinigt.

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Attraktiv zum Zusehen war es nicht, , aber der Iran holte wohl das Maximum aus den Möglichkeiten.

Und doch schaffte es der erfahrene Portugiese, das Optimum aus seinem äußerst limitierten Team herauszuholen. Das strikte Defensiv-Konzept war zwar weder besonders ausgeklügelt noch besonders schön anzusehen, orientierte sich aber an den Stärken und den Schwächen seines Kaders. Robuste, aber nicht besonders schnelle Innenverteidiger. Dazu umsichtige, aber nicht besonders schnelle zentrale Mittelfeld-Spieler. Natürlich gibt’s da keinen Champagner-Fußball.

Dennoch war das Remis gegen Nigeria nie wirklich in Gefahr, hatte man Argentinien am Rande der Niederlage. Natürlich, nach vorne kamen kaum einmal drei Pässe in Folge an und es gab in drei Spielen nur ein einziges Tor. Aber gemessen an den Möglichkeiten war es ganz okay – vor allem, wenn man bedenkt, dass es keine vernünftigen Aufbaugegner gab, man in einem Flughafen-Hotel zwei Stunden vom Trainingszentrum hausen musste und offenbar sogar die Trikots beim Waschen schrumpften.

Dazu machte vor allem Torhüter Alireza Haghighi auf sich aufmerksam. Nur als Nummer drei in den Kader gerutscht, absolvierte der Portugal-Legionär letztlich alle drei Spiele und agierte umsichtig, souverän und weitgehend fehlerfrei. Dazu waren seine schwarzen Stutzen und die schwarzen Schuhe zum ansonsten knall-orangen Outfit im Spiel gegen Bosnien auch einfach stylish ohne Ende.

Australien: Erfolgreiches Test-Turnier trotz null Punkten

Das muss man sich auch erst einmal trauen: Ange Postecoglou übernahm im Herbst ein Team, das schon für die WM qualifiziert war, aber unglaublich unansehnlichen Fußball spielte und gnadenlos überaltert war. Also eliminierte er bis zur Endrunde schrittweise Spieler wie Brett Holman (63 Länderspiele), Sasa Ognenovski (35 Jahre), Josh Kennedy (31 Jahre) und Luke Wilkshere (80 Länderspiele), Carl Valeri (50 Spiele) und Chelsea-Keeper Mark Schwarzer, die vor drei Jahren beim Final-Einzug beim Asien-Cup alle noch dabei waren.

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Hungrige Junge und eine routinierte Achse: Australien verlor zwar alles, überzeugte aber.

So sank der Altersschnitt im Team schlagartig um vier Jahre und nach der Auslosung, die Spanien, Holland und Chile bescherte, gab Postecoglou die klare Direktive aus: Jungs, wir werden untergehen, aber wir werden das mit fliegenden Fahnen tun. So zeigte sich diese Mannschaft extrem hungrig, sehr kampfstark, steckte nie auf.

Und sie hat die richtige Mischung aus jung und routiniert gefunden. Mit Wilkinson, Jedinak, Bresciano und Cahill gab es eine Achse von „Alten“, um die herum sich die jungen Wilden austoben konnte. Natürlich fehlt da die individuelle Klasse und taktisch war das auch nicht besonders aufregend, aber es war trotzdem gut anzusehen und die Socceroos versprühten Freude an ihrem Tun – genau das fehlten in den letzten Jahren unter Pim Verbeek und vor allem unter Holger Osieck ja völlig.

So kommt es zu dem Paradoxon, dass die AFC-Mannschaft mit der schlechtesten Bilanz – 3 Niederlagen – den besten Eindruck hinterlassen hat. Was auch dringend nötig war, schließlich war die WM für die Australier ein Test-Turnier für den Asien-Cup. Den richtet man in einem halben Jahr nämlich selbst aus.

Nächste Kontinental-Meisterschaft: Jänner 2015 in Australien

Für die hat man sich mit den engagierten Auftritten in Brasilien in eine sehr gute Position gebracht, denn während man selbst schon voll am Weg ist und gezeigt hat, dass man die heimischen Fans trotz Niederlagen hinter sich vereinen kann, steht bei den anderen Top-Teams entweder ein Umbruch oder zumindest ein Teamchef-Wechsel (Japan, Iran), muss es große Zweifel an der Spielweise geben (Südkorea), oder ist so weit im Eck, dann man sich erstmal um sich selbst kümmern muss (China, Saudi-Arabien).

Der starke Eindruck, den nicht nur der Asien-Cup 2011, sondern auch die überwiegend guten Auftritte von Japan und Südkorea bei den WM-Endrunden seit 2002 hinterlassen hatten, ist bei der WM in Brasilien völlig an die Wand gefahren worden. Ob das ein kurzfristiges Schlagloch ist, oder eine dauerhafte Entwicklung, wird in den nächsten Jahren zu beantworten sein.

Für den Iran ist eine okaye Performance bei einer WM der Plafond, bei Australien war ein gutes Abschneiden schon nach der Auslosung kein Thema mehr, diese beiden haben nicht enttäuscht. Südkorea hat das personelle Potenzial, auch weiterhin um Achtel- und Viertelfinals mitzuspielen, man müsste es nur auch inhaltlich umsetzen.

Nur bei Japan muss man sich aktuell ernsthafte Sorgen machen.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.