Starke Kirby bei 0:1 in England, verletzte Kirchberger bei 8:0 in Luxemburg

Mit einer (wohl etwas zu) braven Vorstellung in England 0:1 verloren, mit einer seriösen Darbietung ohne einige Stammkräfte 8:0 in Luxemburg gewonnen: Das letzte WM-Quali-Doppel des Kalenderjahres brachte für die ÖFB-Frauen zwei Ergebnisse, die man so in etwa erwarten konnte, und eine Hiobsbotschaft in Form der schweren Verletzung von Innenverteidigerin Gini Kirchberger. Sie hat sich acht Monate vor der EM einen Schien- und Wadenbeinbruch zugezogen.

0:1 in Sunderland – Fran Kirby überall

England – Österreich 1:0 (1:0)

Die Schlüsselfigur beim 1:0-Heimsieg von Gruppenkopf England gegen die ÖFB-Frauen war Fran Kirby. Nominell war sie im 4-1-4-1 der neuen Lionesses-Trainerin Sarina Wiegman als rechter Achter aufgestellt. Ihr unglaubliches Gespür für die Situation und ihre Fähigkeit, ein Spiel nicht nur zu lesen, sondern es auch zu antizipieren, war der entscheidende Baustein dafür, dass England das Spiel zumeist im Griff hatte und fast immer gefährlicher wirkte.

Kirby stand in der Realität höher als Ella Toone links von ihr und sorgte auch viel für Überladungen auf der rechten Angriffsseite, gemeinsam mit der als Rechtsverteidigerin aufgestellten und viel nach vorne spielenden Stürmerin Rachel Daly und mit Beath Mead. Daly und Mead alleine stellten Hanshaw und Naschenweng (eigentlich beides Außenverteidigerinnen) vor große Probleme. Wenn Kirby hinzu kam, waren sie kaum zu bremsen.

Kirby löste sich in fast jeder Situation gut von ihrer Gegenspielerin, war zu jedem Zeitpunkt anspielbar und wusste auch stets, was um sie herum passierte. Sie leitete Bälle schnell weiter, und zwar in Zonen, die für das Kreieren von Torchancen gewinnbringend waren. Toone und Walsh hatte das österreichische Mittelfeld zumeist im Griff. Kirby nie. Zwei-, dreimal konnte die ÖFB-Abwehr in brenzligen Situationen noch klären, in der 39. Minute nicht mehr, Ellen White kam aus kurzer Distanz zum Ball und erzielte das 1:0.

Nach dem Seitenwechsel war Österreich bemüht, die Räume im Zentrum schneller klein zu machen und näher an den Gegenspielerinnen dran zu sein. So ergaben sich einige Ballgewinne und dank schnellem Umschalten auch einige Torgelegenheiten, Dunst traf aus spitzem Winkel den Pfosten, Plattners Schuss wurde von Torfrau Earps gerade noch geklärt. Abschlüsse bzw. versuchte letzte Pässe kamen zumeist etwas überhastet und ungenau, aber für rund 20 Minuten konnten sich die ÖFB-Frauen dem englischen Druck etwas besser erwehren als es in der ersten Halbzeit zunehmend der Fall gewesen war. Auch Kirby fand nun weniger Gelegenheiten vor, sich in freie Räume zu stehlen.

Mit der einwechslung von Stanway (für Toone) und Parris (für Mead) kamen wieder frische Beine ins englische Spiel und damit gelang es den Gastgeberinnen auch, das Heft des Handelns wieder mehr in die eigene Hand zu nehmen. Bei Österreich hingegen schwanden – wohl auch in Folge des heftigen Regens, der nun einsetzte und den Boden tief machte – die Kräfte. England drängte nicht mit Macht auf das 2:0, kam aber auch nicht mehr wirklich in Gefahr, den Ausgleich zu kassieren.

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8:0 in Luxemburg – Aus Hinspiel gelernt

Luxemburg – Österreich 0:8 (0:4)

Drei Tage nach dem England-Spiel stand die Pflichtübung im brandneuen Schmuckkästchen an der Autobahn südlich von Luxemburgs Hauptstadt an, das als nationales Fußballstadion die alte Josy-Barthel-Anlage nahe des Stadtzentrums abgelöst hat. Zinsberger, Naschenweng und Wienroither bekamen Pause, Feiersinger war mit Magenproblemem weiterhin out, Puntigam reiste aus privaten Gründen kurzfristig ab. Beim Hinspiel, das 5:0 für Österreich endete, hatte der Außenseiter die ÖFB-Frauen gut auf die Außen gedrängt und in ein Spiel wie um den Handballkreis gezwungen. Daraus hat Teamchefin Irene Fuhrmann ihre Schlüsse gezogen.

Zum einen stellte sie das System um, und zwar auf ein 3-5-2, das auch schnell zu einem 3-3-4 werden konnte, wenn die Außen hoch schoben. Zum anderen waren die Außen der Dreierkette die einzigen, die regelmäßig mehrere Meter mit dem Ball am Fuß zurücklegten, wenn sie nach vorne stießen. In der gegnerischen Hälfte wurde der Ball stets sofort weitergeleitet, ohne Dribblings, und mit hohem Tempo.

Außerdem wurde mit schnellen Seitenwechseln der luxemburgische Block gelockert und Platz geschaffen. Bälle gingen so recht schnell in den Strafraum, wo Billa und Enzinger ihre Torgefahr ausspielen konnten. Es brauchte gar nicht groß einstudierte Routen in der Box, weil die Österreicherinnen ihren international ziemlich grünen Gegnerinnen, was Auffassungsgabe und Handlungsschnelligkeit angeht, einfach meilenweit überlegen waren. Nach kaum mehr als 20 Minuten stand es 3:0, vor der Pause gab es noch ein viertes und bis Minute 70 wurde der Spielstand auf 8:0 hochgeschraubt.

Dieses „rein in die Box, schauen wie der Ball fällt und darauf reagieren“ kann natürlich gegen höherklassige Gegner kein Rezept sein, in diesem Fall war es aber völlig ausreichend. Wichtig schien vor allem gewesen zu sein, sich nicht im Aufbau wie im Hinspiel einlullen zu lassen und im Zehnerraum gegen ein engagiert verteidigendes Team um den Ballbesitz raufen zu müssen, anstatt in den Strafraum zu kommen.

Ziemlich bitter, und das wird die große Erinnerung an dieses Spiel bleiben, ist die schwere Verletzung von Gini Kirchberger. Sie ist nach acht Minuten frontal mit Emma Kremers zusammen gekracht und hat sich Schien- und Wadenbein gebrochen.

Ordentlicher Herbst mit einem Schönheitsfehler

Die Gruppe, in der nun sechs der zehn Spieltage absolviert sind, entwickelt sich genauso wie erwartet: England gewinnt durch, Österreich und Nordirland haben die Ambitionen auf den zweiten Platz und der Rest schaut, nicht allzu derb unter die Räder zu kommen – mit mäßigem Erfolg (Lettland 0:20 gegen England und 1:8 gegen Österreich, Mazedonien 0:9 und 0:11 gegen Nordirland, Luxemburg 0:8 gegen Österreich und 0:10 gegen England).

Österreich hat in den vier Spielen gegen die „Kleinen“ zwölf Punkte und 27:1 Tore gesammelt, was absolut in Ordnung ist, und beim Gruppenkopf zwar verloren, aber die Niederlage beim 0:1 in Grenzen gehalten (anders als etwa Schottland beim 0:8 in Spanien). Der Schönheitsfehler ist das Match in Belfast gewesen. Dort war Österreich eine Halbzeit lang klar überlegen, fing sich dann zwei flotte Gegentore aus dem Nichts ein und musste froh sein, in der Nachspielzeit zumindest noch das 2:2 gerettet zu haben.

Im Normalfall wird sich im nächsten Quali-Spiel am 8. April daheim gegen Nordirland entscheiden, wer Zweiter wird und ins Playoff für die WM 2023 in Australien und Neuseeland geht, das Rennen um die Top-3 der Gruppenzweiten (die sich eine Playoff-Runde ersparen) ist noch eher ein Sub-Plot (Österreich liegt da auf Platz vier). Angesichts der angespannten Personalsituation und den vielen Spielen der halben Stammformation in der Champions League war die Belastungssteuerung ein großes Thema.

Diesen Balance-Akt – also einerseits Ergebnisse holen, andererseits keine zusätzlichen (Muskel)-Verletzungen riskieren, einerseits den Generationswechsel vorantreiben, andererseits zumindest den Status als bombensicheres Topf-2-Team halten und dazu vielleicht noch etwas weiterentwickeln – haben Fuhrmann und die Spielerinnen in diesem Herbst recht ordentlich hinbekommen. Man hat sich für die letzten vier Spiele in der WM-Quali nichts entscheidend verhaut und hat in Belfast vor allem sich selbst bewiesen, dass man bis zum Schlusspfiff noch das Ruder herum reißen kann. Und bei all dem muss man auch immer im Hinterkopf haben, dass Österreich bei der EM im Sommer, wie in dieser WM-Quali-Gruppe, auch wieder gegen England und Nordirland antreten muss.

Und: Nachdem die U-19 (u.a. mit einem Sensationssieg über Holland) und die U-17 (mit Remis gegen Dänemark und die Schweiz) ungeschlagen ihre Eliterunden in der EM-Quali erreicht haben, ist das 0:1 in England die einzige Niederlage einer österreichischen Frauen-Nationalteams überhaupt in diesem Herbst. Das kann sich sehen lassen.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.