Last-Minute-2:2 in Belfast: ÖFB-Frauen mit halbem Selbstfaller

Das 5:0 daheim gegen Luxemburg war noch die unspektakuläre Pflichtaufgabe, aber in Belfast hätten die ÖFB-Frauen beinahe einen spektakulären Selbstfaller hingelegt. Nach einer anständigen ersten Hälfte mit einer 1:0-Führung auf Kurs, fing man sich in vier Minuten zwei Tore und schaffte nach viel Gekrampfe immerhin noch den Ausgleich in der Nachspielzeit. Damit hat man sich auf dem Weg zur WM vermutlich zumindest eine weitere Hürde eingebaut.

Nordirland – Österreich 2:2 (0:1)

Mit drei Siegen und 19:1 Toren gegen die drei Punktelieferanten der WM-Quali-Gruppe ist Österreich nach Plan gestartet, Nordirland ist das Topf-3-Team und damit Österreichs einziger Konkurrent auf den zweiten Gruppenplatz hinter dem vermutlich unantastbaren Team aus England. Weil man günstige Auslosungen tatsächlich nützen konnte, ist Nordirland sogar für die EM im kommenden Sommer qualifiziert.

Was die individuelle Qualität betrifft, ist Nordirland aber deutlich unter Österreich zu stellen: Nur zwei aus dem Kader spielen in Englands Top-Liga, der Rest verteilt sich auf die zweite und dritte Leistungsstufe in England sowie die recht schwache eigene Liga. Und in der ersten Halbzeit gegen Österreich waren die Nordirinnen auch tatsächlich mit deutlich sichtbaren Schwachpunkten das klar unterlegene Team.

Nordirlands Plan wirkte nicht durchdacht

„Ich hoffe, Nordirland tut uns wirklich den Gefallen und setzt darauf, von hinten herauszuspielen“, sagte ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann im Vorfeld. Und tatsächlich: Ganz unbritisch setzte Nordirland nicht auf langes Geholze, sondern auf den flachen Pass – womöglich auch dem böigen Wind im Seaview-Stadion von Belfast geschuldet, in dem sonst die Crusaders ihre Heimspiele austragen.

So lud Nordirland das österreichische Pressing ein und das kam auch. Alleine Barbara Dunsts bogenförmiger Lauf in Richtung der nordirischen Torfrau Jackie Burns kam fünf-, sechsmal in der ersten Halbzeit und Burns musste den Ball jedes Mal blind wegdreschen. Wenn Nordirland über die Halb-Innen-Spielerinnen der Fünfer-Abwehrkette aufbauen wollten, wurden diese bis zur Grundlinie nach hinten gepresst.

Nicht nur Burns erhielt keine Unterstüzung, auch bei Einwürfen postierten sich die nordirischen Spielerinnen schlecht. Vor allem McKenna rechts musste immer wieder in eine Traube mit einer Mitspielerin und vier Österreicherinnen werfen, weil einfach überhaupt niemand anderer in der Nähe war. Und selbst wenn Nordirland im Spiel nach vorne mal zu Furness und Callaghan im Zentrum kam, waren man mit ihrem Angriffslatein recht schnell am Ende. Lediglich die quirlige Kirsty McGuinness auf der linken Angriffsseite konnte Bälle halten und sich im Eins-gegen-Eins durchsetzen.

Durch die vielbeinige Abwehr

Damit hatte Österreich das Spiel defensiv im Griff, biss sich aber die Zähne daran aus, in Abschlusspositionen in den gegnerischen Strafraum zu kommen. Gegen den Ball massierte Nordirland das 5-4-1 tief zusammen und ab dem Zehnerraum wurde alles, was an Körpern und Beinen verfügbar war, in Richtung Ball geworfen. So entstand oftmals ein Gewühl an der Strafraumgrenze, in dem die Österreicherinnen zum Improsivieren gezwungen waren. Es half nicht, das sehr viel über die Mitte versucht wurde, nach vorne zu kommen.

Lediglich, wenn die ÖFB-Frauen es schafften, schnell auf eine etwas aufgerückte nordirische Kette zu laufen, fand man den nötigen Platz. Das war zwar nur selten der Fall, kurz vor der Pause nützte Barbara Dunst aber eine dieser Situationen zum 1:0.

Nordirland drehte das Spiel und machte es sich zu eigen

Die zweite Halbzeit war keine Minute alt, da hatte Nordirland ausgeglichen: Furness fängt einen Vertikalpass von Kirchberger ab, schickt einen 50-Meter-Pass auf Wade, die Hanshaw entwischt war und Zinsberger kommt weder konsequent raus noch bleibt sie auf der Linie – das 1:1. Zweieinhalb Minuten später kommt wieder Furness an den Ball, diesmal dribbelt sie selbst nach vorne und wird 30 Meter vor dem Tor von Wenninger geblockt. Freistoß, Wade knallt drauf – das 2:1 für Nordirland. In kaum vier Minuten hatte Nordirland das Spiel auf den Kopf gestellt.

Damit hatten die Gastgeber die ÖFB-Frauen dort, wo sie sie haben wollten. Davon abgesehen, dass nun jeder Einwurf zelebriert und jede Behandlungspause ausgereizt wurde – völlig verständlich – passte Nordirland nun auch die Spielweise an. Anstatt von hinten aufzubauen, schob nun der ganze Block weiter nach vorne und es wurde die österreichische Eröffnung angelaufen. Das war vor der Pause nur situativ der Fall, nun war es das Haupt-Feature.

Österreich mit großen Problemen

Anstatt hoch nachzuschieben, um den eigenen Ballbesitz im Angriffsdrittel abzusichern – wie vor der Pause – wurden Wenninger und Kirchberger nun mit dem Ball deutlich weiter in die eigenen Hälfte zurück gedrückt. Das Mittelfeld rückte aber nicht mit, sei es nun absichtlich um die Nordirinnen nicht noch weiter einzuladen oder ob es ohne Absicht passierte. Jedenfalls fanden Wenninger und Kirchberger keine sicheren Abspielstationen und Österreich kam damit kaum noch planvoll aus dem eigenen Verteidigkungsdrittel heraus, geschweige denn ins Angriffsdrittel.

Das Spiel zerfiel in Einzelaktionen und war – wie beim späten, wichtigen Sieg gegen Serbien vor knapp einem Jahr – in dieser Phase vor allem in der Hand von Sarah Zadrazil, die sie am energischsten gegen die drohende Niederlage stemmte. Wie bis zur 46. Minute strahlte Nordirland auch ab der 51. Minute wieder keine Torgefahr aus, Österreich hatte aber auch keine zündende Idee zu bieten. Grund: Man bekam das Mittelfeld-Trio nicht involviert. Viele Bälle segelten unter nordirischem Druck über dieses Trio drüber.

Mit Feiersinger kam wieder Kontrolle

In der 71. Minute kam Laura Feiersinger für Höbinger und die routinierte Frankfurt-Legionärin war in der Tat ein Gewinn für das ÖFB-Team. Sie bot sich mit Puntigam tiefer für Zuspiele an, bekam sie auch öfter, damit kam auch Puntigam wieder mehr ins Spiel. Zusätzlich ließen bei Nordirland wohl die Kräfte ein wenig nach. In der Schlussviertelstunde hatten die ÖFB-Frauen wieder die Kontrolle über das Zentrum und konnten versuchen, von dort Torchancen zu kreieren.

Das funktionierte auch: Feiersinger schoss einen Abpraller von Burns genau auf die 10 Meter aus dem Tor gelaufene Torhüterin (81.) und dann hob sie den Ball knapp am Tor vorbei (84.) – beide Chancen vorbereitet durch gescheite Lochpässe von Sarah Puntigam. Billa traf in der 89. Minute noch die Latte. Und dann war es in der 92. Minute die zuvor für Naschenweng eingewechselte Enzinger, die ein 40-Meter-Zuspiel von Wenninger über die ungeschickt herauslaufende Burns hinweg zum 2:2 ins Tor verlängerte.

5:0 gegen couragiert verteidigendes Luxemburg

Österreich – Luxemburg 5:0 (2:0)

Vier Tage zuvor sah sich Österreich in Wr. Neustadt dem luxemburgischen Team entgegen, das erstmals in seiner Geschichte an der Hauptrunde einer WM- oder EM-Qualifikation teilnehmen darf. Der Außenseiter verteidigte couragiert und stellte die ÖFB-Frauen vor einige Denksport-Aufgaben.

Im 5-3-2 aufgestellt, lenkte Luxemburg die Österreicherinnen – die natürlich sehr viel Ballbesitz hatten und mit allen Feldspielerinnen in die gegnerische Hälfte schoben, auf die Außenbahnen und lief die Ballführende im Verteidigungsdrittel an. So blieb wenig Zeit, sich in den Strafraum zu spielen und es wurden eher Flanken in die Box gehoben. Österreich spielte sich 40 Minuten lang um den Block herum, ehe Barbara Dunst das 1:0 gelang und Naschenweng noch vor dem Seitenwechsel das 2:0 markierte.

In ähnlicher Tonart ging es in der zweiten Hälfte weiter. Selbst kam Luxemburg kaum in die gegnerische Hälfte und am Ende stand es 21:0 an Torschüssen für Österreich, aber der Außenseiter ließ sich nicht annähernd so wehrlos abschießen wie Lettland gegen Österreich (1:8, davon sechs Gegentore in der letzten halben Stunde). Der Endstand von 5:0 ist für Luxemburg durchaus vorzeigbar und vier Tage später gab es sogar einen doch überraschenden 3:2-Sieg in Nordmazedonien.

Fazit: Trotzdem zwei verlorene Punkte

Teamchefin Irene Fuhrmann selbst sprach nach dem 2:2 in Nordirland von „zwei verlorenen Punkten“, dem erst spät erzielten Ausgleich zum Trotz. Denn auch wenn sich Nordirland für die EM qualifiziert hat: Objektiv ist des das vermutlich schwächste Team aus dem dritten Topf und der Anspruch von Österreich muss es sein, dieses Team zu besiegen. Zumal wenn, so wie in diesem Spiel auch, man in der ersten Halbzeit in allen Belangen das deutlich bessere Team ist.

Gegen einen 30-Meter-Thunderbastard ist man im Normalfall machtlos und wenn man überlegen ist, rennt man hin und wieder in Konter. Besorgniserregender als die beiden Gegentore war die Reaktion darauf, denn Österreich verlor völlig die Linie, ließ sich von den Nordirinnen deren Spiel aufzwingen und erst mit der Hereinnahme von Laura Feiersinger 20 Minuten nach dem 1:2 fand man wieder etwas besser in die Spur. Immerhin: Man jagte den Ausgleich, bis er wirklich da war.

Dass es zumindest noch den Punkt gegeben hat, bedeutet, dass der Fahrplan auf den zweiten Gruppenplatz – der für die Teilnahme am WM-Playoff berechtigt – immer noch stimmt und man, wenn man es in der Golfsprache ausdrückt, zumindest das Doppel-Bogey vermieden wurde und „nur“ ein einfacher Schlagverlust zu Buche steht. Für Platz zwei steht man nun (unter normalen Umständen) nicht unter dem unbedingten Zwang, am 8. April das Heimspiel gegen Nordirland gewinnen zu müssen.

In jeden Fall aber hat man sich mit dem Punktverlust in Belfast in die Lage gebracht, dass es wohl eher nicht reichen wird, unter die drei besten Zweiten zu kommen und sich damit eine Playoff-Runde zu ersparen. Natürlich, es haben auch andere designierte Gruppenzweite schon gepatzt – Belgien mit einem 0:0 in Polen, Wales und Slowenien haben sich 1:1 getrennt, Finnland hat daheim gegen Irland verloren – aber die meisten sind noch makellos. In einem Monat ist das Auswärtsspiel in England an die Reihe, von Sunderland fliegt man dann direkt weiter nach Luxemburg.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.