Marko Arnautovic: Sein erstes halbes Jahr in China

Mit einer Vier-Tore-Gala beim 7:0 gegen Absteiger Shenzhen beendete Marko Arnautovic sein erstes halbes Jahr in der chinesischen Liga. Sein Verein Shanghai SIPG landete auf dem dritten Platz und scheiterte knapp im Viertelfinale der asiatischen Champions League. Wir schauen kurz darauf: So ging es Österreichs Teamspieler in der Chinese Super League.

Shanghai SIPG im Herbst 2019

Arnautovic und seine Angriffspartner

Sein Viererpack am bereits für beide Teams bedeutungslosen letzten Spieltag gegen den Liga-Vorletzten Shenzhen hat die Bilanz von Arnautovic natürlich kräftig aufgehübscht. Mit seinen neun Treffern in den letzten zwölf Saison-Spieltagen (also seit seinem ersten Einsatz am 20./21.-Juli-Spieltag) führt Arnautovic die Torschützenliste in diesem Zeitraum damit sogar an – gemeinsam mit Ex-Barcelona-Spieler Paulinho sowie dem Deutschen Sandro Wagner.

Zum Vergleich, hier die Werte seiner Angriffspartner Oscar und Hulk, wie sie sich in der Zeit mit Arnautovic‘ Sturmspitzen-Vorgänger Elkeson (der im Sommer zu Evergrande gewechselt ist) bzw. mit dem ÖFB-Teamspieler darstellen:

Oscar:
3 Tore, 9 Assists – mit Elkeson (16 Spieltage)
2 Tore,  1 Assist – Übergangszeit ohne beide (2 Spieltage)
2 Tore, 8 Assists – mit Arnautovic (12 Spieltage)

Hulk:
6 Tore, 2 Assists – mit Elkeson (16 Spieltage)
3 Tore, 2 Assists – Übergangszeit ohne beide (2 Spieltage)
2 Tore, 3 Assists – mit Arnautovic 12 Spieltage)

Mit insgesamt 18 Assists ist Oscar mit Abstand der Vorlagenkönig der Liga und seine Zahlen haben sich von Frühjahr zum Herbst kaum geändert. Auffällig ist allerdings bei Hulk, dass er mit Elkeson deutlich mehr Tore erzielt hat und in der Übergangszeit – auch positionsbedingt als Sturmspitze statt Rechtsaußen – richtig geglänzt hat.

8 Tore, 0 Assists – Elkeson bei Shanghai
9 Tore, 3 Assists – Arnautovic bei Shanghai

Elkeson hat keinen einzigen Assist beigetragen, Arnautovic drei (je einmal für Oscar, Hulk und Lu Wenjun). Da die beiden praktisch gleich viele Torchancen pro 90 Minuten vorbereitet haben (Elkeson 1,6 und Arnautovic 1,5), könnte die Vermutung naheliegen, dass Arnautovic womöglich ein besseres Gespür für einen tatsächlich besser postierten Nebenmann hat. Bei der kleinen Sample Size (3:0) kann es aber genauso gut einfach nur Zufall sein.

Arnautovic hat weniger Pässe pro Spiel zu Buche stehen als Elkeson (21 zu 27) bei einer ähnlichen Fehlpassquote (Arnautovic 22 und Elkeson 24 Prozent, für Sturmspitzen kein ungewöhnlicher Wert). Elkeson hat zwei Fouls pro Spiel gepfiffen bekommen, Arnautovic nur eines alle zwei Spiele.

Also: Arnautovic ist wohl etwas weniger involviert als Elkeson und hatte einen vergleichbaren Output an Toren, aber vor allem der bullige, sehr direkte Hulk kam mit Elkeson deutlich besser zur Geltung als mit Arnautovic. Der technisch beschlagene Vorlagengeber Oscar kam mit beiden gut zurecht.

Lesetipp: Gastkommentar von Bernhard Hagen zu Arnautovic‘ China-Transfer.

Bilanz von Shanghai SIPG

Ist der dritte Platz von Shanghai SIPG ein Erfolg? Eher nein.

In der Saison 2018 hat der Klub die Serie von Abo-Meister Guangzhou Evergrande (sonst alle Titel seit 2011) unterbrochen und als Arnautovic im Juli zum Team gestoßen war, befand man sich wieder mitten im Titelrennen, der Tabellenstand war damals: Peking 48, Guangzhou 48, Shanghai 46.

Bis zur letzten Länderspielpause – mit drei noch ausstehenden Spielen – hielt das Team voll mit (Guangzhou 63, Shanghai 62, Peking 61), ehe eine 0:2-Niederlage im direkten Duell mit dem späteren Meister für die Vorentscheidung sorgte. Damit war die Luft raus, es folgte ein Remis gegen den abgeschlagenen Letzten Renhe, mit dem war dann auch die direkte Champions-League-Qualifikation dahin.

Als Dritter muss Shanghai SIPG im Frühjahr in die Qualifikationsrunde.

Die „Arnautovic-Tabelle“ mit den Spieltagen seit seinem ersten Einsatz.

Relativ deutlich ist, dass Shanghai den durchaus möglichen Titel im Herbst – neben dem 0:2 im November in Guangzhou – vor allem in den Auswärtsspielen verloren hat. Nur ein einziger Sieg auf fremdem Platz, seit Arnautovic da ist, war bei aller Heimstärke nicht genug.

Auswärts gab es Punktverluste gegen die Abstiegskandidaten Guangzhou R&F und Tianjin Tianhai sowie bei Aufsteiger Wuhan, dazu das erwähnte 1:1 bei Renhe, als es aber ohnehin schon zu spät war.

Andererseits sind viele prominente Spieler mit ihren Klubs nicht einmal in die Nähe des Titelkampfes gekommen: Javier Mascherano und Ezequiel Lavezzi etwa mit Hebei oder Marek Hamsik mit Dalian; der Ex-Salzburger Alan ist gerade mal so nicht abgestiegen und Guangzhou R&F hat sich nur dank der Treffer von Torschützenkönig und Österreich-Schreck Eran Zahavi gerettet.

Internationale Einordnung

In der asiatischen Champions League scheiterte Shanghai im Viertelfinale mit 1:1 und 2:2 gegen den späteren Finalisten Urawa Red Diamonds. Nach Achtelfinale (2018), Halbfinale (2017) und Viertelfinale (2016) ergibt sich ein klares Bild: Shanghai SIPG gehört zu den etablieten Top-Teams in China; in Asien zählt man zur erweiterten, aber nicht der absoluten Spitze.

Im asiatischen Vergleich gehört China zu den Top-6-Ligen, die im Vierjahres-Ranking annähernd gleichauf liegen (VAE, Südkorea, China, Saudi-Arabien, Japan und Katar). Guangzhou Evergrande war zweimal als Asienmeister bei der Klub-WM; in den Halbfinals 2013 und 2015 gab es jeweils 0:3-Niederlagen gegen Bayern und Barcelona – wobei die Bayern noch viermal die Stange getroffen haben und Barcelona auch ohne Messi und Neymar eher im Vorbeigehen gewann. Dafür hat der chinesische Vertreter aber auch jeweils das Klub-WM-Viertelfinale davor gewonnen (einmal gegen Club América aus Mexiko, einmal gegen Al-Ahly Kairo).

Verglichen mit der Premier League und seiner Zeit bei West Ham ist die chinesische Liga natürlich ein sportlicher Rückschritt für Arnautovic. Aber statt um den Klassenerhalt oder einen soliden Mittelfeldplatz spielt er nun für ein Team, das um die Meisterschaft kämpft und seine statistischen Werte sind recht ordentlich.

Und wenn das 2020 mit Hulk ein wenig besser klappt, ist sicher die Chance gegeben, als erster Österreicher die chinesische Meisterschaft zu holen.

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Hinweis: Statistische Daten von whoscored.com

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.