Koller-Nachfolge: Die Fürsten rüsten zur Gegenreformation

Drei Jahrzehnte, nachdem Luther seine Thesen an die Kirche von Wittenberg genagelt hatte, rüsteten die katholischen Kirchenfürsten zur Gegenreformation – vor allem mit Hilfe der in Wien regierenden Habsburger wollten sie ihre alte Macht wieder zurück erobern.

Und sechs Jahre, nachdem ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner mit der Inthronisierung von Marcel Koller klar gestellt hat, dass Fachkenntnis wichtiger ist als Seilschaften, rüsten auch in Österreich vor dem bevorstehenden Ende der Ära Koller die damals Entmachteten zur Gegenreformation.

Das ist brandgefährlich.

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Wir erinnern uns an die unsägliche ORF-Runde am 7. Oktober 2011 – als sich Herbert Prohaska, Werner Gregoritsch, Toni Polster und Frenkie Schinkels gegenseitig bemitleideten und die Bestellung von Marcel Koller zum ÖFB-Teamchef betrauerten. Sie sagten es nicht explizit, aber ihr Grundgefühl war klar. Jetzt ist es vorbei mit uns, weil man jetzt Fachwissen für den Teamchef-Posten braucht und nicht einfach nur Geduld.

An dieser Stelle haben wir hier damals – drei Tage vor dieser ORF-Runde – über die Koller-Bestellung geschrieben:

„Das ist eine grandiose Chance, aber auch ein Risiko, denn wenn es mit Koller nicht den erhofften Erfolg gibt, besteht die Gefahr, dass diese Tendenz, sich tatsächlich an den Typus “Akribische, taktischer Arbeiter” heran zu wagen, wieder abgewürgt wird.“

In seinen sechs Jahren im Amt hatte Koller viereinhalb bis fünf Jahre großartigen Erfolg. Ein weniger gutes letztes Jahr hat aber all jenen wieder Aufwind gegeben, die Koller wegen seines Erfolges geachtet und akzeptiert haben, aber tief drin dennoch lieber einen kernigen, österreichischen Schmähtandler sehen wollten.

Eher einen Andreas Gabalier als einen Parov Stelar.

Medien bringen Herzog in Stellung

Und schon wird von jenen, die ihre Wirkmächtigkeit 2011 beschnitten sahen, zur Gegenreformation gerüstet. Von der Kronen Zeitung beispielsweise, wo nicht nur Sportchef Peter Frauneder schon länger den Namen Andreas Herzog am Köcheln hält, sondern unter anderem auch ein Ex-Profi und sogar die Tochter des burgenländischen Landespräsidenten für den 48-jährigen Rekord-Teamspieler Partei ergreifen dürfen.

Dass Vorarlbergs Verbandspräsident Horst Lumper Andreas Herzog für ministrabel hält, ist schlimm genug. Aber: Er selbst hätte den Namen wohl nicht ins Spiel gebracht, wenn ihn nicht Thomas König vom ORF in diese Richtung gefragt hätte. Auch die „Österreich“ drängt vehement in Richtung Herzog. Mal wieder.

Weder ORF, noch Krone oder Österreich sind für die Entscheidung über den Koller-Nachfolge maßgeblich. Aber die Saat ist gelegt. In Umfragen und Postings ist gerade bei der Krone die Tendenz eindeutig: Andreas Herzog habe es verdient. Und: Die faulen, schäbigen, überbezahlten Herren Fußball-Profis bräuchten jemanden, der ihnen kräftig in den Hintern treten würde.

Der Teamchef-Posten ist keine Belohnung

Dem liegt die seltsame Annahme zu Grunde, dass man sich den Teamchef-Posten verdienen würde, wenn man nur lange genug darauf wartet. Das war ganz besonders bei Didi Constantini so – obwohl dieser in den 15 Jahren, bevor er 2009 den Job bekam, nirgendwo länger als ein paar Monate war. Aber er ist halt schon ewig da und populär und, naja, da hat er sich den Posten halt verdient.

Ähnlich war es mit Otto Baric – er hatte Rapid und Salzburg zu Meistertiteln und Europacup-Endspielen geführt, war schon ewig da und auch gerade verfügbar. Dann wurde er halt Teamchef. Seine Vorstellungen vom Fußball hatten zwar damals schon einen Bart, aber immerhin war seine Amtszeit zumindest okay. Oder Hans Krankl: Ihm verhalfen nostalgische Gefühle und sein pathetischer Patriotismus dazu, 2002 ÖFB-Teamchef zu werden, aber keinesfalls seine (nicht vorhandene) fachliche Qualifikation.

Dabei ist genau die fachliche Qualifikation das einzige, was eigentlich maßgeblich ist (oder: sein sollte). Die Frage: Hat der Kandidat die Befähigung, mit den 20 besten Fußballern des Landes zu arbeiten? Ihnen die bestmöglichen Anweisungen zu geben und sich damit den Respekt zu erarbeiten?

Was eignet Herzog zum Teamchef? Fachlich: Nichts

Niemand würde heute noch ernsthaft auf die Idee kommen, Andreas Ogris als Teamchef vorzuschlagen. In seinen drei Monate als Austria-Trainer, in denen das Spiel irgendwo zwischen übervorsichtig und phantasielos angesiedelt war, hat jeder gesehen, dass der Job als Nationaltrainer zu hoch für Ogris wäre.

Toni Polster hat sich in seinen drei Spielen als Admira-Trainer (und seinem Verhalten dabei) so nachhaltig beschädigt, dass ihn in den vier Jahren (!) seither kein Profiklub mehr auch nur mit Schutzhandschuhen angreift. Der einzige, der das nicht versteht, ist Polster selbst.

Bei Constantini wurde schon in seinen ersten paar Spielen deutlich, dass das Team ohne nennenswertes Coaching spielen musste. Es gab Zufallssiege gegen Rumänien und ein wirklich nicht besonders gutes Team aus Litauen (wo ein Spielaufbau auf Höhlenmenschen-Niveau gezeigt wurde). Die völlig inadäquate Arbeit von Constantini war für ÖFB-Präsident Windtner damals dennoch kein Grund, Constantinis Vertrag nicht dennoch zu verlängern.

Andreas Herzog aber gilt vielen als geeigneter Teamchef, obwohl auch er bereits mehrmals gezeigt hat, dass er das inhaltliche Rüstzeug nicht besitzt. Wie beim U-21-Nationalteam, das trotz stärkster Besetzung (Arnautovic, Alaba, Burgstaller, Lindner) die EM verpasste. Auch wegen völliger trainerischer Fehlleistungen von Herzog, der völlig abstruse Wechsel vollzog, die halbe Mannschaft auf fremden Positionen einsetzte und damit auch eigentlich sichere Spiele noch hergab (wie beim 3:3 gegen Weißrussland).

Er war Scout und besserer Hütchenaufsteller für Klinsmann beim US-Verband und verpasste mit der U-23 die Olympia-Qualifikation. Und auch hier war Herzog alles andere als frei von Schuld am Scheitern. Obwohl das US-Team im vorentscheidenden Spiel gegen Honduras dank einer Raute eine 4-gegen-2-Überzahl im Zentrum gehabt hat, wurde überwiegend mit langen Bällen aufgebaut. Wenn das die Vorgabe war, war sie katastrophal. Wenn nicht, wurde es aber dennoch nicht korrigiert – auch katastrophal.

Das Team war heillos unkompakt, und zwar völlig ohne Not. Kurz: Das Team wirkte weitgehend ungecoacht und verlor völlig zurecht.

Die in der Krone veröffentlichte Aussage von Bettina Milletich, Tochter des burgenländischen Landesverbands, Österreich wäre nun wieder dort angelangt, wo das Team vor Kollers Bestellung war, ist schlicht und einfach Blödsinn. Jedes noch so schlechte Spiel unter Koller und die kompletten letzten anderthalb Jahre waren immer noch um mehrere Klassen besser als alles, was die Spieler und auch die Zuseher in der verheerenden Constantini-Ära erdulden mussten.

Einen Peitschenknaller braucht es genau nicht

Was stimmt ist, dass es einen Trainer braucht, der den uneingeschränkten Respekt der Spieler hat. Das heißt auch, dass sie auf jenen Positionen spielen, die der Trainer für sie vorgesehen hat. Dass Österreich in der Schlussphase gegen Irland ohne Linksverteidiger gespielt hat und in Cardiff ein Alaba auf einmal im rechten Mittelfeld spielte, darauf kann kein vernünftiger Trainer kommen. Das inkludiert Koller selbstverständlich.

Aber: Einen Peitschenknaller in dem Sinne, wie ihn viele fordern – und, noch einmal, einfach die Kommentare auf krone.at lesen, oder mal auf einen Bezirksliga-Platz gehen und den Leuten zuhören – ist das Allerletzte, was dieses Team braucht. An Motivation, Einsatz und dem Wollen fehlte es praktisch nie. Sehr wohl aber an der Idee, wie man mit eigenen Mitteln einen destruktiven Gegner ausspielt.

Man stelle sich vor, ein (nur um mal einen beliebigen, ungeeigneten Namen zu nennen) Gregoritsch pflaumt einen Arnautovic an, er sollte sich gefälligst bemühen, weil’s sonst Granada spielt. Wie wird die Szene wohl enden?

Nein, im Gegenteil: Das Team braucht einen Trainer, der seinen Respekt nicht über Drohungen, Schimpftiraden und Straftrainings bezieht, sondern rein über seine fachliche Kompetenz. Ist dieser Respekt einmal verspielt – und das geht bei Profis aus der deutschen Bundesliga und der englischen Premier League sehr schnell, die sind höchstes Coaching-Niveau gewohnt – ist der Trainer verloren.

Die Suche nach dem Teamchef ist richtungsweisend

Es ist deutlich zu erkennen, dass die 2011 gehörnten Medien – also ORF, Krone und auch die deutlich weniger relevante Österreich – ihre Wirkmacht zurückhaben wollen. Die Saat ist gelegt, viele Fans wünschen sich tatsächlich einen Andreas Herzog als Teamchef – zumindest jene, denen die Bedeutung von inhaltlichen Vorgaben nicht klar ist bzw. die den Posten tatsächlich als irgendeine Form von Belohnung für die bisherige Karriere ansehen (und sei es nur jene als Spieler, wie bei Herzog).

Die Position von Willi Ruttensteiner innerhalb des ÖFB ist offenbar erheblich weniger gefestigt als sie das zur Zeit von Kollers Bestellung bzw. während der Zeit der großen Erfolge 2015 war. Die neun Landespräsidenten (9 von 13 Stimmen) und auch die Bundesliga (3 von 13 Stimmen) haben in dieser Frage eine unproportional große Macht, die ihnen von ihrer fachlichen Kompetenz her nicht zusteht.

Als Beispiel sei hier mal nur Tirols Landespräsident Josef Geisler genannt. Ich habe bis heute keinen effektiveren Weg gefunden, diesen Mann zu diskreditieren, als ihn einfach nur zu zitieren. Auch viele der anderen Stimmberechtigen glauben, dass es recht egal ist, was der Teamchef kann, weil ja ohnehin die Spieler auf dem Platz stehen – dann kann es gleich einer sein, den man persönlich cool findet.

Kommt die Gegenreformation?

Diese Teamchefsuche ist deshalb so wichtig und richtungsweisend, weil sie die Frage beantwortet, was sich durchsetzt: Die alte Denke, dass der Teamchef unabhängig von seiner Kompetenz populär und Österreicher sein muss. Oder die seit 2011 geltende, dass einzig die fachliche Qualifikation zählt.

Sie wird zeigen, was den Funktionären im ÖFB wichtiger ist: Die eigene Macht oder die sportliche Zukunft des Nationalteams.

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tl;dr: Niemand, der jemals ein von Andreas Herzog gecoachtes Team gesehen hat, kann ernsthaft der Meinung sein, dass er die richtige Besetzung für den Posten des ÖFB-Teamchefs ist. Dennoch schieben u.a. ORF und Krone in Richtung Andreas Herzog. Das ist Zeichen eines Machtkampfs gegen das 21. Jahrhundert.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.