Archiv der Kategorie: England

Mehr oder weniger englische Engländer

Das Mutterland des Fußballs ist nicht so erfolgreich, wie es sein möchte – Daran entzünden sich auch Fragen der Nationalität Englands Fußball-Nationalteam sieht seit geraumer Zeit alt aus. Kleinere Länder – etwa Österreich – mögen sich immer noch neidvoll nach den Problemen einer Nation sehnen, die bei den letzten vier Weltmeisterschaften und der letzten Europameisterschaft immer die Gruppenphase überstand. Aber England hat die Ambitionen einer Fußballnation, die gerade den 150. Geburtstag ihres Verbandes feiert. Während zwei Amateurteams vor dem Buckingham Palace am Montag das Spiel ihres Lebens feierten, stellt sich dem Rest des Landes eine Identitätsfrage: Wer ist eigentlich englisch genug, um für England zu spielen?

Die Erfolglosigkeit der letzten Jahre wurde im Sommer mit einer gewissen Perspektivlosigkeit verschärft, als das U21-Team bei der EM und das U20-Team bei der WM klanglos in der Vorrunde ausschieden. Der Optimismus, der sich vor wenigen Jahren aus zwei Vizeeuropameistertiteln (2009: U19, U21) und einem Europameistertitel (U17 2010) speiste, scheint verflogen, und eine gewisse Resignation köchelt – vielleicht zu Recht, vielleicht zu Unrecht – immer wieder hoch. Immer wieder in der allgemeinen Kritik steht, dass so wenige junge Engländer in der Premier League zum Durchbruch kommen – trotz Jungspieler-fördender Maßnahmen. Die FA gründet nun eine Arbeitsgruppe dazu.

Ein Januzaj hat die Wahl

Jüngst trieb die Debatte auch etwas skurrile Blüten, als sie sich an Manchester Uniteds Youngster Adnan Januzaj entzündete. Der hat sein Team bei seinem ersten Einsatz über 90 Minuten mit zwei Toren zum Sieg in Sunderland geschossen. Spekulationen über eine Zukunft im englischen Team entstanden. Teamtrainer Roy Hodgson beobachtet Spieler und Situation, obwohl die Wahrscheinlichkeit nicht groß ist, dass der junge Überflieger jemals für England spielen darf.

Januzaj ist seit zwei Jahren in Manchester am Werken. Er ist 18 Jahre alt und wurde in Brüssel geboren, seine Eltern sind Kosovo-Albaner, seine Mutter hat angeblich auch einen türkischen Pass. Theoretisch könnte er für Belgien, Albanien, den Kosovo, Serbien oder die Türkei spielen. Und würde der junge Mann noch fünf Jahre in England spielen, ohne vorher für ein anderes Land aufzulaufen, wäre eben auch England ein Thema.

Dass er so lange auf seine internationale Karriere wartet, ist nicht nur angesichts der Fülle an Möglichkeiten zu bezweifeln, aber Einberufungen ins aufregende belgische Teams hat Januzaj bislang immerhin abgelehnt. Gleichzeitig steht noch nicht fest, ob er überhaupt bis über den nächsten Sommer hinaus in England bleiben wird. Mit Interessenbekundungen von unter anderen Bayern München, Juventus Turin und Real Madrid in der Hinterhand pokert Januzaij derzeit um den bestmöglichen Vertrag.

Ein Wilshere will sie nicht

Womit wir von einer fernen Hoffnung für das englische Team zu einer sehr konkreten, aktuellen kommen: Jack Wilshere. Arsenals Mittelfeldspieler kämpft sich gerade von seiner Verletzungsgeschichte zurück ins vielversprechende Fußballerleben und rettete seinem Team jüngst einen Punkt bei West Bromwich Albion. Er lief zwar kürzlich spätabends mit einer Tschick in der Pappalatur einem Paparazzo in die Arme, ansonsten gilt der nun vom Laster geläuterte 21-Jährige aber als große Hoffnung für England. Er ist einer, der von seinem Trainer Arsene Wenger als Spieler mit „spanischer Technik, aber englischem Herzen“ quasi zum multikulturellen Fußballer geadelt wurde.

Von der Aufweichung des Englischen hält Wilshere aber ganz konservativ und nationalitätsbewusst wenig. Der „Guardian“ zitiert ihn folgendermaßen: „Fünf Jahre hier zu spielen macht dich nicht zu einem Engländer. Wenn ich fünf Jahre in Spanien spiele, spiele ich auch nicht für Spanien. Wenn du Engländer bist, bist du Engländer und solltest für England spielen.“ Es ist eher ein sehr einfaches als ein sehr ausgeklügeltes Argument. Wilshere ist in einem Londoner Vorort geboren, hat nie woanders gelebt und bereits für England gespielt. Es ist eine Frage, die sich ihm persönlich nie gestellt hat und nie stellen wird.

England hofft auf die Zuwanderer

Das gilt eigentlich auch für Gareth Southgate, und doch sieht der neue U21-Teamtrainer die Sache nuancierter – zwangsläufig, denn vier seiner Spieler wurden nicht in England geboren: Wilfried Zaha (Elfenbeinküste), Raheem Sterling (Jamaika), Saido Berahino (Burundi) und Nathaniel Chalobah (Sierra Leone) gelten trotzdem als englische Hoffnungsträger. Southgate: „Die Welt verändert sich, viele Familien ziehen immer wieder um. Wir haben viele Jungs in unserem Team, die nicht in England geboren wurden. Aber ihre Familien sind hierher geflohen, und sie sind unglaublich stolz, für England zu spielen.“ Solange ein Spieler sich für kein anderes Land entschieden habe, solle man sich vor allem ansehen, ob er die richtige Motivation mitbringt.

Es mag die progressivere Position im Vergleich zu Wilshere sein, aber es ist im Prinzip einfach nur der Modus, den die FIFA seit 2004 vorgegeben hat. Und früher wurde das auch durchaus liberaler gehandhabt. Der große Real-Madrid-Star der 50er- und 60er-Jahre, Alfredo di Stefano, spielte für Argentinien, Kolumbien und Spanien. UEFA-Chef Michel Platini wurde nicht nur Europameister mit Frankreich, sondern spielte nach seiner Teamkarriere auch ein Match für Kuwait. Unser Zeitalter mag Globalisierung heißen, doch während Waren und Transaktionen um den Erdball fließen, werden für Menschen manche Grenzen heute schwerer überwindbar.

Der Nationalismus prallt gegen die Welt

Die Frage nach der nationalen Zugehörigkeit ist wahrlich keine Neue. Aber wenn sie dem Fußball in England gestellt wird, wirkt die nationale Einkastelei noch ein wenig seltsamer und antiquierter als sonst.

Ausgerechnet in diesem ehemaligen Weltreich und multikulturellen Einwandererland, das sich noch vergangenen Sommer stolz als olympischer Schmelzkübel der Kulturen präsentierte.

Ausgerechnet in diesem Sport, dem größten der Welt, der von England aus ein global geliebtes Spektakel und globalisiertes Geschäft geworden ist.

Ausgerechnet dort, wo sich das zur erfolgreichsten, populärsten und internationalisiertesten Liga vermengt hat.

Ja, ausgerechnet dort prallen die nationale Idee des 18. Jahrhunderts, die Realität des 21. Jahrhunderts und der größte Sport des 20. Jahrhunderts aufeinander.

Wenn aber das langfristige Leben in einem Land und das Bekenntnis zu dessen Nationalteam nicht genügen, um als Spieler akzeptiert zu werden, was bleibt jungen Menschen mit vielfältigeren Wurzeln dann? Welche einzig wahre nationale Identität hat ein Adnan Januzaj? Und wer soll sie festlegen, wenn nicht er selbst?

Özil zu Arsenal: Schlechtester Grund für Medien-Empörung aller Zeiten

„Real mobbt Özil zu Arsenal“, titelt die Bild-Zeitung. Und ja, es ist halt die Bild-Zeitung, aber der Boulevard hat seine Wirkung. In einigen deutschen Foren kocht bereits so manche Fanseele: Menschlich ganz schlimm und sportlich sowieso unverständlich sei die Entscheidung, den Deutschen für den Gareth Bale-Transfer zu opfern. Auch seriösere Medien inszenieren Özils Wechsel als eine „Flucht“. Man könnte fast Mitleid mit Özil bekommen. Continue reading

Arnautovic zu Stoke: Eine Bewertung

„We are passing the ball, we are passing the ball. We are Stoke City, we are passing the ball“, auch die Fans der Potters schienen beim Auftaktspiel von Stoke bei Liverpool etwas überrascht von der phasenweisen Darbietung ihres Teams. Stoke City war seit Jahren DAS Premier League-Team für unansehnlichen Fußball: Eine knüppelharte, destruktive Defensive, lange Bälle, wenig Glanz. Das Spiel in Liverpool wich davon nicht grundsätzlich ab, doch stellenweise waren neue Töne zu sehen. Continue reading

Premier Leaks #12: Der milde Mourinho und das runde Paket

Als José Mourinho 2004 zum ersten Mal bei Chelsea anheuerte, war Arsène Wenger einer seiner liebsten Gegner am Platz und im Verbalduell. „Wenn dumme Menschen Erfolg haben, macht sie das manchmal noch dümmer“, sagte der Franzose, damals wie heute Arsenal-Trainer. Oh snap! Mourinho wollte davor mit einem angeblichen 120-seitigen Dossier belegen, dass Wenger sich öffentlich zu viel mit Chelsea beschäftigte. Wenger – der gerade mit seinen „Invincibles“ eine ungeschlagene Saison als Meister beendete – sei ein „Voyeur“. – Diesmal wieder exklusiv bei derStandard.at.

Die große Ballverliebt-Übersicht 2012/13

Euch ist es sicher aufgefallen: Wir haben die Anzahl unserer Analysen in der abgelaufenen Saison drastisch zurückgeschraubt. Das ist zum einen den beruflichen Verpflichtungen des Redaktions-Teams geschuldet. Zum anderen aber auch eine bewusste Überlegung: Anstatt euch permanent mit sich oft ziemlich ähnlichen Analysen zu bombardieren, haben wir in der Saison 2012/13 versucht, uns eher die Rosinen heraus zu picken. Dass wir einige interessante Partien leider nicht im Angebot hatten – wie etwa das 4:1 von Dortmund gegen Real – ärgert uns selbst, war aber leider nicht anders möglich. Darum gab es in der nun mit dem Confed-Cup und der Frauen-EM zu Ende gegangenen Spielzeit auch „nur“ 50 Spiele, die wir aufbereitet haben. Hier sind sie noch einmal aufgelistet!

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Papierform heißt gar nix. Gell, England?

11. Juni 2005: Dänemark braucht bei der Frauen-EM in England am letzten Gruppenspieltag gegen Finnland ein Remis, um die nächste Runde – damals gleich das Semifinale – zu erreichen. Es gab ein 1:2, Dänemark war raus. 29. August 2009: Dänemark braucht bei der Frauen-EM in Finnland am letzten Gruppenspieltag gegen Holland ein Remis, um die nächste Runde – damals das Viertelfinale – zu erreichen. Es gab wieder ein 1:2, Dänemark war wieder raus. Nun ist die Situation eine andere: Dänemark braucht gegen Finnland einen Sieg, um noch eine Chance zu haben. Laut Papierform müssten sie das schaffen.

Aber was „Papierform“ heißen muss, erfährt der noch amtierende Vize-Europameister England. Gar nix nämlich. Denn trotz des Ausgleichs in der Nachspielzeit zum 1:1 gegen Russland: Weil man gegen die auch beim 1:0 über Spanien souveränen Französinnen gewinnen wird müssen, ist man zu 99% ausgeschieden. Zumindest laut Papierform. Über die sich aber auch bei den Organisatoren nicht alle klar sein dürften…

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Frauen-EM 2013 | Gruppe C
Arena Linköping, 12. Juli 2013
Spanien - England
2-3
Tore: 8' Aluko, 89' Bassett bzw. 4' Boquete, 85' Hermoso, 90' Bardsley (ET)

England blamiert sich – das Vorrunden-Aus droht

So schön hatte ich das geplant. England wird laut Papierform Gruppenzweiter, spielt im Viertelfinale gegen Deutschland, und ich kann eine schöne Build-up-Story dafür mit einem Rückblick auf das Finale vor vier Jahren machen. Das hat Deutschland gegen England gewonnen. Der Gedanke landet auf dem Misthaufen. Dieses Viertelfinale wird nicht stattfinden. Der noch amtierende Vize-Europameister ist schon nach dem ersten Spiel mit einem Bein im Vorrunden-Aus.

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12 Teilnehmer, 3 Titel-Kandidaten: Fußball-Europa sucht seine Königinnen

Natürlich: Wer nur auf das Tempo, die Athletik oder allgemein das, um es mal platt zu formulieren, Offensichtliche schaut, wird mit dem Frauenfußball nie eine Herzensbeziehung eingehen. Darum versuchen wir es vor der Europameisterschaft in Schweden mal mit Inhaltlichem. Mit Taktischem. Mit etwas Hintergrund-Information. Denn wer mit einem Mindestmaß an Wissen um die Personen, die Teams, die Leiungsstärken im Vergleich zur Konkurrenz, ihre Stärken und Schächen in ein Turnier geht – auch als Zuseher – der ist schon mal grundsätzlich im Vorteil.

Hier also: Acht Fragen und acht Antworten zu Schweden 2013.

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Italien stark, England solala – für Norwegen und Israel wird’s wohl nicht reichen

Österreich ist zwar nicht dabei. Das heißt aber nicht, dass die U-21-EM in Israel nicht dennoch interessant wäre. Zwei Jahre nach dem 2:0-Finalsieg der Spanier gegen die Schweiz treffen sich die sieben qualifizierten Teams und Gastgeber Israel. Dass man hier zukünftige Top-Stars sieht, ist praktisch garantiert. Hier kurz beleuchtet: Der Eröffnungsspieltag mit England-Italien und Israel-Norwegen.

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Europa League 2012/13 | Finale
Amsterdam Arena,15.Mai2013
Chelsea FC - SL Benfica
2-1
Tore: 59' Torres, 90' Ivanović bzw. 68' Cardozo (p)

Benfica spielt, Chelsea trifft: Blues gewinnen Europa-League-Finale mit 2:1

Für zehn Tage darf sich Chelsea Champions-League-Titelträger und Europa-League-Titelträger nennen. Weil man das Glück hatte, dass Finalgegner Benfica trotz zum Teil haushoher Überlegenheit kein Tor gelang und man selbst eiskalt agierte. Und wie die Bayern vor einem Jahr war auch Benfica an der Niederlage letztlich selber schuld.

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