Özil zu Arsenal: Schlechtester Grund für Medien-Empörung aller Zeiten

„Real mobbt Özil zu Arsenal“, titelt die Bild-Zeitung. Und ja, es ist halt die Bild-Zeitung, aber der Boulevard hat seine Wirkung. In einigen deutschen Foren kocht bereits so manche Fanseele: Menschlich ganz schlimm und sportlich sowieso unverständlich sei die Entscheidung, den Deutschen für den Gareth Bale-Transfer zu opfern. Auch seriösere Medien inszenieren Özils Wechsel als eine „Flucht“. Man könnte fast Mitleid mit Özil bekommen.

Mesut Özil geht zu Arsenal (Bild: @8bitfootball)
Mesut Özil geht zu Arsenal (Bild: @8bitfootball)

Natürlich hat all das mit dem „Zirkus“ zu tun, der Real nunmal ist. Hier spielen die Galaktischen, die Königlichen, das Weiße Ballett. Schon die Begriffe zeigen es: Der Größenwahn trieft aus allen Poren dieses Vereins. Viele Fans verachten das, viele lieben es. Viele Fußballer fühlen sich davon angezogen, vom Engagement in Madrid geadelt. Aber der Mythos muss immer wieder neu angeheizt werden und jeder gigantische Transfer ist das Öl, das ihn befeuert. Das ist Real Madrid, der Klub war schon immer so – zumindest seit ich ihn verfolge. Auch Özil wurde als Spieler unter diesem Paradigma gekauft und jemand anderes musste dafür gehen.

Man kann von Real Madrid halten was man will, aber was ist an der konkreten Situation verwerflich? Man hat Özil keine Steine in den Weg gelegt, er ist nicht arbeitslos, nicht verarmt, er wurde nicht zu irgendeinem Superreichenklub in eine unattraktive Provinz abgeschoben, sein Ruf wurde nicht beschädigt. Im Gegenteil: Özil ist aus der Maschinerie Real nicht nur finanziell sondern auch als Fußballer besser rausgekommen, als er reingegangen ist. Das kann nicht jeder von sich behaupten.

Arsenal ist ein großartiger Verein in einer großartigen Stadt mit einem großartigen Trainer in einer großartigen Liga – und Özil ist dort jetzt der große Superstar. Er kam für 15 Millionen nach Madrid und geht für 50 nach London. Kaka kam vor vier Jahren um 65 Mio Euro, heute wechselt er ablösefrei. Vergangene Saison hat der Brasilianer fünf Spiele gemacht. Auch Bale wird, sobald seine Leistungen mal nicht passen und er in die Rotation muss, für jeden anderen Verein zu teuer sein. Sofern er der Transfersumme nicht annähernd gerecht wird, ist dieser Schritt eine Karrierebremse sondergleichen. Dann wiederum wäre auch hier Mitleid deplatziert: Auf internationaler Ebene wird Bale als Waliser nie etwas gewinnen. Worauf also warten? Für ihn zahlt sich das „Risiko“ aus, ein reicher Superstar zu sein. Real ist für viele Fußballer kein Karriereschritt, sondern ein Karriereziel.

Mesut Özil dachte an seine sportliche Karriere (Foto: steindy)
Mesut Özil dachte an seine sportliche Karriere (Foto: steindy)

Özil hätte nicht gehen müssen. Er hätte die Bank hüten, auf Formtiefs seiner Kollegen warten können. Dieses Leid wird derartigen Kickern akzeptabel gut entlohnt. Özil wählte aber den sinnvollen Schritt, den man machen kann, wenn man als Spitzenfußballer nicht mehr ins Konzept passt, aber weiter nicht nur Millionär sondern auch bewunderter Sportler sein will. Ob das Konzept einen nun aus wirtschaftlichen oder das sportlichen Gründen ausspuckt, das ist egal. Beides gehört nicht nur zu Real sondern allgemein zum Profifußball dazu. Özil lebt vielleicht für das Sportliche aber gewiss vom Wirtschaftlichen. Man könnte sich also kaum einen schlechteren Fall aussuchen, um Mitleid vorzuheucheln.

100 Millionen zahlen, 50 Millionen einnehmen. Natürlich ist Özils Wechsel finanziell an den Bale-Transfer gekoppelt. Sportlich aber nicht unbedingt. Da war eher der Neuzugang von Isco (der zuletzt statt dem Deutschen spielte) oder auch schon vergangene Saison von Luca Modric (der ähnliche Qualitäten hat) eine Bedrohung für die Stellung von Özil. Bale wird im Gefüge eher Kaka, di Maria und vielleicht einmal Cristiano Ronaldo ersetzen. Er ist Ronaldo nicht gänzlich unähnlich: Schnell, technisch gut, torgefährlich. Ronaldo wird auch mal Pausen brauchen. Und er wird, wie er sagt, Real nicht ewig erhalten bleiben. Bale wäre für Real nächstes Jahr vielleicht nicht mehr zu kriegen gewesen.

Und nicht zuletzt steht einem Fußballstar ja offen, seinen Weg selbst zu bestimmen. Özil kam von Werder Bremen. Dort hätte er bis zum Karriereende spielen können, wenn er das gewollt hätte. Niemand hätte ihn je „vom Hof gejagt“, alle hätten ihn geliebt. Der Zirkus und wohl auch das große Geld haben ihn fortgehen lassen. Und wenn er das bereut, hat er nun eine zweite Chance. Er geht zu Arsenal. Der Klub hat bis gestern noch nie mehr als 15 Mio Pfund für einen Spieler gezahlt. Und solange Arsene Wenger Trainer bleibt, wird er es wohl auch nicht zur Gewohnheit machen. Wenn Özil in London performt, kann er da auch bis zur Pension spielen und glücklich sein. (tsc)

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Über Tom Schaffer

Journalist und als langjähriger Mittelfeldmotor stolzer zweifacher steirischer Jugendvizemeister. Fan des Offensivkicks und des englischen Fußballs.

2 Gedanken zu „Özil zu Arsenal: Schlechtester Grund für Medien-Empörung aller Zeiten

  1. So ist es. Und außerdem haben sie ja auch noch Higuain, Callejon und Albiol verkauft, das Transfer-Minus ist also gar nicht so groß. Und Bale können sie in der Bilanz 6 Jahre lang abschreiben, wie Kalle richtig anmerkte.

    Rein fußball-architektonisch wäre es aber schon sehr reizvoll gewesen, Özil Auge und Kreativität mit den beiden Raketen Ronaldo und Bale zu paaren. Ob Isco das bringt?

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