Die gute Nachricht: Österreich ist Gruppensieger und steigt damit in den A-Pool der Nations League auf. Die schlechte: Gegen das hastig und bunt zusammen gewürfelte Team aus Norwegen, das coronabedingt das eigentliche Nationalteam ersetzen musste, hätte es beinahe eine verdiente Niederlage gegeben. Erst der Ausgleich in der 94. Minute verhinderte die Niederlage für ein ideen- und espritloses ÖFB-Team, das schon vor dem Rückstand wenig Plan zeigte und danach jegliche Struktur verlor.
Franco Foda konnte – bis auf den gelbgesperrten Dragovic – sowas wie eine stärkste Mannschaft aufbieten. Bei den Norwegern musste, weil der eigentliche Team-Kader in Quarantäne ist, eine Not-Elf anrücken, die von der Wertigkeit der Spieler etwa damit vergleichbar ist, was der ÖFB im Test gegen Luxemburg aufbot: Natürlich weit weg vom Wunsch-Personal, aber durchaus erweiterer Kreis.
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Norwegen: Simpel, aber effektiv
Eingespielt konnte diese norwegische Truppe, mit U-21-Trainer Leif-Gunnar Smerud, natürlich nicht sein. Und doch war ein simples, aber gut greifendes Konstrukt an Plan zu erkennen. Die norwegische Spielweise haben da eben alle verinnerlicht.
Smeruds im klassischen 4-4-2 formierte Mannschaft verteidigte gegen den Ball sehr tief, wobei stets einer aus dem Block in Richtung Ballführenden herausrückte und den Österreichern damit die Zeit nahm. Sobald das ÖFB-Team von hinten über Ilsanker und Hinteregger aufbauen wollte, pressten der Ex-Rapidler Berisha und das in der Eredivisie spielende Angriffs-Talent Stand-Larsen.
Besonders gut war Norwegen darin, schnell vor das Tor zu kommen, wenn in der österreichischen Hälfte ein Ballgewinn gelang. Hierbei kam den Gästen zugute, dass das defensive Umschalten bei Österreich zu langsam passierte. Es gab eine Phase etwa nach einer halben Stunde, als Norwegen innerhalb weniger Minuten zwei-, dreimal gefährlich vor dem österreichischen Tor auftauchte.
Zwei getrennte Mannschaftsteile
Das ÖFB-Team agierte nominell in einem 4-2-3-1, das in der Praxis aber eher ein 4-2-4 war. Darin agierte das Offensiv-Quartett mit Ranftl, Sabitzer, Arnautovic un Alaba sehr eng.
Im Hinspiel, beim 2:1-Sieg in Oslo, ging Österreich über die Außenbahnen nach vor, um von den Seiten zwischen die beiden norwegischen Viererketten zu kommen. Diesmal wurden die Offensivspieler, die sich zumeist zwischen den beiden Ketten aufhielten, dort eingeklemmt: Ulmer und Lainer gingen zwar viel nach vorne, bekamen aber keine Gelegenheit für die Pässe in den gegnerischen Sechserraum.
So zerfiel die österreichische Mannschaft schon nach zehn, zwanzig Minuten in zwei Teile: Hinten die Abwehrkette und die beiden Sechser und vorne das in der Luft hängende Angriffs-Quartett.
Selbstisolation bleibt bestehen
Dass die Außenverteidiger quasi oder Vorderleute spielen mussten, hatte zur Folge, dass Lainer und Ulmer oft zu bremsenden Querpässen auf Baumgartlinger und Schlager gezwungen waren. Schon recht früh in der ersten Halbzeit wurde eine gewisse Ratlosigkeit sichtbar, aber anstatt die offensichtlich nicht funktionierende Spielweise zu ändern, wurden lange Bälle ins norwegische Getümmel geschlagen – oder auch Seitenwechsel auf den ballfernen Außenspieler, wenn sich der norwegische Block mal etwas zu weit ins Zentrum bewegt hatte.
Vernünftige Abschlüsse waren aber kaum dabei. Franco Fodas schon halb durch die erste Halbzeit mit hörbarer Frustration hinein gerufene „Zweite Bälle!“ vermittelte auch nicht direkt den Eindruck von maßgeblichen inhaltlichem Input, wie man das Spiel etwas stringenter gestalten könnte.
Daran änderte sich auch zu Beginn der zweiten Halbzeit wenig – weiterhin bekam Österreich den Ball kaum gewinnbringend ins Angriffsdrittel, und wenn er mal dort war, regierte die Improvisation. Und dann ging Norwegen auch noch in Führung.
Schlussphase ohne Struktur
Foda reagierte, indem er Grbic für Schlager brachte; Sabitzer rückte dafür nach hinten neben Baumgartlinger. Seine Laufwege von hinten heraus – er spielt in Leipzig ja auch eher im Mittelfeld – waren beim 2:1 gegen Nordirland verpufft und als nomineller Zehner war er zuvor zu hoch dafür positioniert gewesen.
Die Chance, die Alaba per Stanglpass für Grbic in der 70. Minute auflegte, verdeutlichte, was dem österreichischen Spiel so gefehlt hat: Es gelang nicht, es wurde nicht einmal wirklich versucht, mit Tempo hinter die norwegische Abwehr zu gelangen. Weiterhin fehlte es den Außenspielern an Mitspielern, um Norwegen mit schnellen Passfolgen etwas zu tun zu geben.
Anstatt Schwung aufzunehmen, verlor das ÖFB-Team in der Folge auch noch die letzte Stringenz und zerfiel komplett in Einzelinitiativen und und wildem Ausprobieren. Foda brachte in der 80. Minute Trauner für den vor allem vor der Pause zuweilen unsicheren Ilsanker – um das 0:1 zu sichern oder um gegen dieses Not-Team aus Norwegen auf einen Standard zu hoffen? Dass ein Angriff über Alaba und Arnautovic in der 94. Minute von Grbic mit einem trockenen Schuss ins Tor zum Ausgleich führte, kam da schon ziemlich aus dem Nichts.
Fazit: Freudlose Erfolge und die Frage: Was könnten sie erst, wenn sie spielten, wie sie könnten?
Was machen wir jetzt mit diesem Nations-League-Herbst? Österreich ist Gruppensieger und damit in den A-Pool aufgestiegen, und hätte dies beinahe mit einer Niederlage gegen eine norwegische Not-Formation mit exakt einem Spieler über zehn Länderspiel-Einsätzen (Møller-Dæhli) fixiert, die gerade noch knapp genug war, um den Aufstieg nicht noch zu versemmeln.
Hätte irgendwie gepasst, dem Last-Minute-Ausgleich zum Trotz.
Die Resultate sind zu gut für einen Trauergesang, die gezeigten Leistungen zu schwach für einen Triumphmarsch. Am Ende gilt wohl das gleiche, was vor einem Jahr für den in einer historisch schlechten EM-Qualigruppe erreichten zweiten Rang gilt: Eh ein vorzeigbares Resultat. Angesichts der Gegner und vor allem der eigenen individuellen Qualität wäre alles andere aber auch eine mittelschwere Blamage gewesen.
Natürlich: In dieser speziellen Saison mit dem ultra-dicht gedrängten Terminkalender stellt gerade in so einer Länderspiel-Phase mit drei Matches in acht Tagen eher das Ergebnis des Laktat-Tests (und, naja, auch des Corona-Tests, wie in Norwegen) auf. Es gibt noch weniger Zeit für gemeinsame Trainings und dafür, Neues zu üben. Es wird halt durchgepeitscht. Aber man darf sich dennoch etwas mehr erwarten gegen zwei Teams, die – wie Nordirland und dieser norwegischer Kader – zwei Klassen schwächer besetzt sind als man selbst.
Da kann Julian Baumgartlinger noch so viel Pragmatismus einfordern und darauf verweisen, dass die Gegner ja so defensiv sind: Von dieser österreichischen Mannschaft muss man einfach mehr erwarten dürfen. 2018 wurde mit keinem einzigen guten Spiel acht Punkte aus vier Nations-League-Spielen geholt. 2019 trotz einem Selbst-Knieschuss gleichenden 2:4 gegen Israel und einem sagenhaft peinlichen 0:1 in Lettland (wohlgemerkt, die Letten wurden in der Nations League hinter Färöer und Malta nur Gruppendritter) die EM-Quali geschafft. Und jetzt, mit einem ganzen Satz aus freudlosen Siegen bzw. Punktgewinnen der Aufstieg in den A-Pool.
Dass es in dieser Nations-League-Kampagne drei österreichische Auswärtssiege, aber nur einen Erfolg auf heimischem Rasen gab, sagt durchaus etwas über die Herangehensweise aus. Franco Foda, der seit knapp 20 Jahren Fußball-Trainer ist, wird man den vorsichtigen Zugang nicht mehr nehmen können – da kann es noch so viele Beispiele dafür geben, wie viel man in Österreich mit aktivem Spiel der Marke Salzburg oder LASK erreichen kann – oder eben jenem der Koller-Jahre.
Man kann es auch so sehen: Wenn Österreich schon mit einer dem Spielermaterial diametral gegenüber stehenden Spielweise die EM-Quali und die Aufstieg in den A-Pool der Nations League schafft, was wäre dann erst möglich, wenn sie wirklich so agieren dürften, wie sie könnten?
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