So spielte Europa, Teil 2: Plätze 32 bis 17

Nach den Hinterbänklern kommt der Mittelbau: Von den 16 Teams, die wir im zweiten Teil unserer Jahresbilanz 2023 über die europäischen Nationalteams ziehen, haben (fast) alle den Anspruch, zumindest ernsthaft um ein direktes EM-Ticket mitzuspielen. Nicht alle haben es geschafft – andere haben dafür besser abgeschnitten als erwartet.

Wie im ersten Teil orientieren wir uns bei der Reihenfolge am Elo-Rating.

Platz 32: Israel

Hätte sich Israel direkt qualifiziert, hätte man nicht infolge des Gaza-Krieges den Liga-Spielbetrieb einstellen müssen? Spekulation, aber nach dem September-Doppel betrug der Rückstand auf Platz zwei nur einen Punkt, am Ende musste man im November vier Spiele in zehn Tagen austragen. Da holte Israel gegen die Top-2 Schweiz und Rumänien nur einen Punkt und verlor im Kosovo. Im Playoff im März gibt’s aber noch die Chance auf die erstmalige EM-Teilnahme.

Platz 31: Irland

Erfolge gegen Gibraltar, sechs Niederlagen in sechs Spielen gegen alle anderen – für Irland war die EM-Qualifikation eine Horror-Show und Trainer Stephen Kenny muss seinen Stuhl nun folgerichtig räumen. Die Kadertiefe ist erschütternd dünn, man kann kaum auf eine Handvoll Premier-League-Spieler zurückgreifen und viel kurzfristiges Steigerungspotenzial ist auch nicht erkennbar.

Platz 30: Albanien

Gruppensieger. Wer hätte das gedacht: Sylvinho, einst Linksverteidiger beim FC Barcelona und mit einer nicht gerade illustren Trainerkarriere im Rücken, holte das beste aus dem Kader, der überwiegend in der Serie A beschäftigt ist. Vor allem auf Kristijan Asllani dürfen die Blicke bei Albaniens zweiter EM nach 2016 gerichtet sein, er gehört zu den großen Zukunfts-Aktien bei Inter Mailand.

Platz 29: Georgien

Rrahmani beim Kosovo, Asllani bei Albanien – die Serie A hat einige Top-Kicker aus kleinen Fußball-Nationen. Das gilt ganz besonders auch für Kvicha Kvaratskhelia. Der flinke und explosive Dribbelkünstler von Napoli, ehrfurchtsvoll „Kvaradona“ gerufen, reichte seinem georgischem Team aber nicht. Heim-Remis gegen Schottland und Norwegen, zwei Siege gegen Zypern: Mehr ist halt kaum drin, vielleicht geht im Playoff was. Österreich-Bezug hat Georgien dank Sturms Kiteishvili und dem ehemaligen WAC-Verteidiger Lotchoshvili übrigens auch.

Platz 28: Finnland

Bei der letzten EM war Finnland qualifiziert, auch diesmal war Suomi bis kurz vor Schluss ernsthaft im Kampf um die direkte Teilnahme mit dabei – angesichts des nicht sehr beeindruckenden Kaders eine sehr anständige Leistung. Trainer Mikku Kanerva wechselte je nach Gegner zwischen 3-4-3 und 4-3-3 und 4-4-2, der Genickbruch war ein 1:2-Selbstfaller daheim gegen Kasachstan im Oktober, als man bis zur Schlussphase noch geführt hatte. Im Playoff müsste man Wales und Polen besiegen – schwierig, aber nicht unmöglich.

Platz 27: Slowakei

Gruppenzweiter. Bei der letzten EM war das slowakische Team das harmloseste und langweiligste des ganzen Turniers. Schwer aufregend ist die Slowakei immer noch nicht, aber sie erfüllt seriös und ohne Drama die Aufgaben, die realistisch zu erfüllen sind. Offensiv ist nicht viel los, aber hinten brennt nicht viel an und wer einen Lobotka auf der Sechs hat, hat’s gut. Wird 2024 zum dritten Mal in Folge bei einer EM teilnehmen – aller Ehren wert.

Platz 26: Rumänien

Gruppensieger. Ein mit Stars gespicktes Team ist jenes aus Rumänien nicht gerade, aber man nützte es konsequent aus, dass die Schweizer mit sich selbst beschäftigt waren und man sonst eine recht schwache Gruppe erwischt hat. Der Fokus liegt auf der Defensive (fünf Gegentore in zehn Spielen) auf darauf, ein funktionierendes Kollektiv zu sein. In dieser Form eher kein sicherer Achtelfinal-Kandidat, aber zumindest erstmals seit 2016 bei einem Turnier dabei.

Platz 25: Schweden

Nach der WM 2018 lag Schweden noch auf Rang 12 im inner-europäischen Rating – die abgeschlossene EM-Quali ist eine fast schon historische Blamage. In den letzten vier Jahrzehnten hat Schweden nur einmal noch schlechter abgeschnitten (in der EM-Quali für 1996). Beide Spiele gegen Österreich verloren, 0:3 daheim gegen Belgien – das alleine ist schon hart. Und dann noch die unglaubliche 0:3-Blamage in Baku!

Platz 24: Wales

Der EM-Halbfinalist von 2016 ist auf der Suche nach einer neuen Identität nach Bale und Allen und mit einem altersschwachen Ramsey. Es gibt Brennan Johnson, es gibt Neco Williams, es gibt aber auch massive Schwankungen. 2:1 und 1:1 gegen Kroatien auf der einen Seite, Heimniederlage und Auswärts-1:1 gegen Armenien auf der anderen. Damit ist Wales Dritter und darf ins Playoff. So hat man sich immerhin für die WM 2022 qualifiziert.

Platz 23: Polen

Auf der eher verzweifelten Suche nach sich selbst befindet sich das Team aus Polen. Bei der WM letztes Jahr schlich man unverdient ins Achtelfinale, die fehlende Substanz wurde in der EM-Quali aber deutlich. Fernando Santos, langjähriger Erfolgs-Coach der Portugiesen, hielt sich nur ein paar Monate, der Testspiel-Sieg gegen Deutschland war ein Ausreißer: Niederlage in Moldawien, jeweils nur ein Punkt gegen Tschechien und Albanien, und das war alles kein Zufall. Man darf im Playoff nachsitzen.

Platz 22: Slowenien

Gruppenzweiter. Das slowenische Team und Matjaž Kek, das gehört einfach zusammen. Man war gemeinsam bei der WM 2010 und auch dreizehn Jahre später spielt man immer noch wie damals: Klares 4-4-2, kompakte Ketten, wenig Flair, alles ein wenig phantasielos, aber er erfüllt den Zweck. Slowenien steht gut da, allerdings gilt auch: Wenn man bei einer EM dabei sein will, dann muss man sich gegen Finnland und Kasachstan auch durchsetzen können.

Platz 21: Griechenland

Sind die dünnen Jahre vorbei? Der Europameister von 2004 hat ein schlimmes Jahrzehnt hinter sich. Seit der letzten Turnierteilnahme 2014 hat man zweimal gegen die Färöer verloren, sechs Trainer verschlissen und wurde nun mit einer praktisch unlösbaren Gruppe mit Frankreich und Holland gestraft. In dieser wurden die Griechen problemloser Dritter, meilenweit vor Irland, und sie haben einen machbaren Playoff-Pfad vor sich (Kasachstan, dann Georgien oder Luxemburg).

Platz 20: Norwegen

Wer Erling Håland, Martin Ødegård, Julian Ryerson und Fredrik Aursnes in seinen Reihen hat, sollte zumindest nah dran sein, um sich gegen Schottland um ein EM-Ticket durchzusetzen. Das war Norwegen aber nicht. Das 1:1 in Georgien, die Heimniederlage gegen die Schotten und der Sensationssieg der Schotten gegen Spanien stellten schon in den ersten drei Spielen so gut wie sicher, dass Norwegen scheitern wird.

Platz 19: Russland

Moment, die waren doch gar nicht…? Nein, die Russen sind suspendiert und nahmen nicht an der EM-Quali teil. Valeri Karpin, einst eleganter Spielgestalter, nützt die Zeit, um das traditionell alte russische Team durch ein frisches, junges zu ersetzen. Man spielte 0:0 gegen Tadschikistan und Usbekistan, gewann weder gegen Katar noch gegen Kenia (!), setzte in neun Partien insgesamt 53 (!!!) Spieler ein. Die internationale Isolation hinterlässt Spuren und aktuell hätte dieses Team wohl große Schwierigkeiten, sich für eine EM zu qualifizieren.

Platz 18: Tschechien

Gruppenzweiter. In einer schwachen Gruppe hat man das Minimalziel Platz zwei irgendwie hingebogen, aber niemand ist mit dem zufrieden, was auf dem Platz passiert. Klingt nach Österreich 2019, trifft aber auch auf Tschechien 2023 zu. Jaroslav Šilhavý, unter dem die Tschechen vor zweieinhalb Jahren im EM-Viertelfinale waren, hat unmittelbar nach der geschafften Qualifikation seinen Rücktritt eingereicht.

Platz 17: Türkei

Gruppensieger. Was wäre die Türkei ohne ein bisschen Drama. Unter Stefan Kuntz – U-21-Europameister 2017 und 2021 mit Deutschland – waren die Ergebnisse okay, aber die Leistungen nicht. Kuntz musste gehen, Montella kam und er brachte sieben Punkte aus den verbleibenden drei Spielen (dem entscheidenden 1:0 in Kroatien inklusive) mit, ebenso wie einen Testspiel-Erfolg in Deutschland. Ob die Türkei 2024 das Versprechen einlösen kann, das die Türkei bei der EM 2021 gebrochen hat?

Link-Tipps
Die Plätze 1 bis 16
Die Plätze 33 bis 55

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.