Spiel besser, Ergebnis schlechter – 0:1 zum EM-Quali-Start

Karma ist eine Bitch. Im letzten Herbst zeigte das ÖFB-Team im Grunde keine einzige gute Leistung und fuhr dennoch recht gute Resultate ein. Nun, zum Auftakt in die EM-Quali gegen Polen, war es umgekehrt: Eine über weite Strecken sehr vorzeigbare und auch durchdachte Darbietung hatte eine 0:1-Heimniederlage zum Resultat.

Österreich – Polen 0:1 (0:0)

Asymmetrisches System

Franco Foda sandte sein Team mit einem Hybrid aus 4-2-3-1 und 3-4-3 ins Spiel. Maximilian Wöber spielte linkes Glied in der Dreierkette bzw. Linksverteidiger – je nachdem, wie sich Alaba vor bzw. neben ihm postierte. Lainer agierte rechts etwas zurückhaltender als Alaba links – es entstand ein asymmetrisches System.

In der Zentrale suchten Baumgartlinger und Grillitsch die Räume, vorne agierte Arnautovic zentral, Sabitzer eher im Halbfeld vor/neben Alaba links und Lazaro deutlich konsequenter an der Linie vor Lainer rechts. Auch hier: Keine Symmetrie. Dadurch wurden fast alle Spieler so eingesetzt, wie es ihrem Tagesgeschäft bei ihren jeweiligen Klubs entspricht.

Polens Teamchef Jerzy Brzęczek setzte auf ein recht klar definiertes 4-4-2, in dem sich Sechser Krychowiak oft relativ tief fallen ließ.

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Wie es Österreich anlegte

Über die Außen zwischen die Linien oder hinter die Abwehr zu kommen, war der Plan Nummer eins. Die Polen taten Österreich den Gefallen, weder im Block tief zu verteidigen, noch im Verbund den Weg nach vorne zu suchen. Zudem war die Staffelung im polnischen Zentrum oftmals diagonal. Durch die entstehenden Räume ergab sich für Österreich oft die Gelegenheit, zwischen den Ketten in Richtung Strafraum zu ziehen (Arnautovic, Lazaro). Gelang dies nicht, gab es immer noch die Option, über die Außen hinter die Abwehrkette zu gelangen (Alaba, Lazaro, Lainer). Auf diese Weise ergaben sich gerade in der ersten halben Stunde einige zumindest mittelgute Torchancen.

Zwei Etagen zur Verlagerung. Das ÖFB-Team versuchte es gar nicht erst, durch die Mitte nach vorne zu kommen. Baumgartlinger und Grillitsch sollten ihr Auge für Räume nützen, um die Mitspieler in den Halbräumen zu bedienen und gegebenenfalls das Spiel auf die andere Seite zu verlagern. Wenn es sich anbot, wurde auch mal ein längerer Ball in Richtung Außenlinie gespielt. Gerade Alaba bot sich dafür öfters an. Wenn eine Verlagerung über das Mittelfeld-Zentrum nicht möglich war, weil etwa Lewandowski und Milik pressten, gab es immer noch die Abwehr-Dreierkette, die als zweite Etage zur Verlagerung bereit stand.

Wie es Polen anlegte

Was genau der Vorwärtsgang-Plan von Jerzy Brzęczek sein sollte, war über weite Strecken nicht erkennbar. Sechser Krychowiak suchte oftmals eine Anspielstation, nicht selten blieb ihm nur der lange Ball. Zieliński zog zwei-, dreimal ein Solo von der linken Seite an, Grosicki einmal von der rechten. Lewandowski tauchte zuweilen sogar im Sechserraum auf, weil er sonst kaum Bälle sah. Einzelaktionen, Weitschüsse, mehr war nicht.

Situativ wurde der ballführende Österreicher angelaufen, aber Ballverluste mit der Gelegenheit zum schnellen Umschalten wurden kaum provoziert. Dann und wann versuchte Krychowiak auch, mit Horizontal-Dribblings Räume oder Passoptionen zu schaffen, aber auch das: Selten erfolgreich. Polen durfte nicht unglücklich darüber sein, mit einem 0:0 in die Pause zu kommen.

Wie Brzęczek adaptierte

Polens Teamchef mit der ausgiebigen Österreich-Vergangenheit (u.a. knapp 150 Spiele und zwei Meistertitel in Innsbruck) hatte die größte Problemstelle in seinem Team erkannt und adaptierte die Positionierung der Mittelfeld-Außen im Spiel gegen den Ball.

Grosicki und Zieliński (bzw. in der Folge Frankowski) schlossen nämlich nun konsequent den Eingang zum Zwischenlinienraum. Sie positionierten sich so zwischen den Außenverteidigern hinter ihnen und den ZM-Spielern neben ihnen, dass die Österreicher nicht mit diagonal in Richtung Strafraum ziehen konnten. Gleichzeitig bedeutete diese Halbfeld-Absicherung für die Außenverteidiger Kędziora und Bereszyński, dass sie die Wege zur Grundlinie besser schließen konnten.

Mit diesem ziemlich simplen Schachzug hatte Brzęczek das ÖFB-Team offensiv ziemlich kaltgestellt. Dann verwertete der für den angeschlagenen Zieliński eingewechselte Piątek (der ganz vorne neben Lewandowski spielte) auch noch eine Ecke. Ab der 68. Minute war Polen 1:0 in Führung und Österreich gefordert.

Nach dem Tor

Viel an Reaktion kam aber erst einmal nicht. Die ÖFB-Spieler versuchten weiterhin, über die Außen in den Strafraum zu kommen, dabei wurde aber keine Gefahr erzeugt. Mit den Einwechslungen von Marc Janko (für Lazaro, in die Spitze zu Arnautovic) und kurz darauf von Karim Onisiwo (für Grillitsch, ins offensive Mittelfeld) wurde die Variante Brechstange gewählt.

Nun stand die Improvisation im Mittelpunkt. Jankos Kopfball in der 87. Minute war jedoch der einzige Abschluss aus aussichtsreicher Position in der kompletten zweiten Halbzeit. Auf der anderen Seite ergaben sich durch die vergrößerte Manpower vorne natürlich Räume für die Polen. So hätte Piątek das Spiel mit dem 2:0 entscheiden können, der Milan-Stürmer schoss aber alleine vor Lindners Tor stehend eher kläglich daneben.

Fazit: Guter Plan, aber keine Reaktion

Das Spiel erinnerte ein wenig an die späten Koller-Jahre. Eine planvolle erste Halbzeit mit einer gut abgestimmten Strategie, die grundsätzlich funktioniert. Dann adaptiert der Gegner und es fehlt die Antwort darauf. Die Polen haben dann noch ein billiges Tor aus einem Eckball erzielt und fertig war Österreichs Niederlage.

Das ist umso ärgerlicher, weil die Polen beleibe nicht wie ein internationales Top-Länderteam agiert haben. Im Gegenteil: Das Spiel der Gäste war überwiegend bieder, es mangelte an Ideen und mehr als die individuelle Klasse einer Handvoll Spieler und eine kluge, aber eigentlich auch recht offensichtliche Umstellung in der Halbzeit kam da nicht. Für einen Gruppenkopf war die Vorstellung der Polen recht dünn.

Und es ist auch deshalb ärgerlich, weil die Leistung des ÖFB-Teams, der Niederlage zum Trotz, erheblich besser war als alles, womit man im Herbst die Zuseher geärgert hatte – selbst, wenn es auch gegen Polen nur eine gute Halbzeit war. Für die EM-Qualifikation ist diese Niederlage zwar enttäuschend, aber da auch Israel mit dem 1:1 daheim gegen Slowenien schon Punkte abgegeben hat, ist noch nicht allzu viel passiert.

Zudem muss man davon ausgehen, dass die Polen – sollten sie sich nicht steigern – sicher auch noch diverse Spiele nicht gewinnen werden.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.