Nina Burger erfüllte geduldig Autogramm- und Fotowünsche, bekam von zwei jungen Fans sogar ein Buch geschenkt. Sarah Puntigam gab bestens gelaunt ein Interview nach dem anderen, Dominik Thalhammer wurde von seinen Töchtern bestens bewacht, Debütantin Yvonne Weilharter war vom Interesse an ihrer Person sichtlich etwas überrascht.
Nach dem lockeren 4:1-Sieg über Finnland zum Abschluss der WM-Qualifikation war die Stimmung war im Lager der ÖFB-Frauen sichtbar gelöst. Die erste Quali nach dem EM-Wunder endete – wie die drei davor – mit einem zweiten Platz. Zum Playoff hat es nicht gereicht. Aber es war ein schöner Abschluss. Auch, weil das finnische Team mit den neuen Elementen im österreichischen Spiel heillos überfordert war.
Das Spiel
Was genau war das, bei Österreich? Angegeben war es mit 4-1-3-2, zumeist turnte aber auch Sarah Puntigam hinten herum – wie letztes Jahr – und bildete eine Dreierkette, dann tauchten Kirchberger und Wenninger auch mal am gegnerischen Strafraum auf, während etwa Feiersinger tiefer stand und absicherte.
„Wir haben aus einer Dreierkette aufgebaut und darin viel die Positionen gewechselt, um hinter die vorderste Linie der Finninnen zu kommen“, erklärte Gini Kirchberger nach dem Spiel. Finnland spielte wie schon in Helsinki mit einem 3-4-3, in dem die nominelle Mittelstürmerin Engman hängend agierte.
Anders als im Juni spielten die Wing-Backs nun höher, so konnte Finnland die Halbfelder besser kontrollieren. Dafür waren die Schnittstellen zwischen Dreierkette und Wing-Backs offen wie ein Scheunentor. Unzählige Male chippte Österreich aus dem Mittelfeld Pässe in diesen Raum, und stets konnte sich Finnland nur damit helfen, im Zurücklaufen die Bälle – im besten Fall – irgendwie ins Seitenaus zu klären.
Aber selbst, wenn der Ball schon im Strafraum war, gelang das blinde Rausdreschen nicht immer. Wie vor dem 1:0 durch Billa, als Summanen den Ball genau auf die Füße der Torschützen „klärte“. Wie beim 2:0 durch Zadrazil, als Finnland einen Eckball nicht und nicht klären konnte. Wie beim 3:1 durch Pinther, nachdem es gleich drei Finninnen nicht schafften, Kathi Schiechtl vom Ball zu trennen. Dafür war beim 4:1 gleich überhaupt gar keine Spielerin in Blau bei Nici Billa, die mühelos traf.
Zugegeben, das ist keine ganz neue Schwäche bei Finnland.
Selbst, als sich der Rückstand immer weiter erhöhte, schob die finnische Dreierkette aber nach vorne, worduch Österreich immer wieder Raum im Rücken der Abwehr vorfand. Wenn Finnland mal aufzubauen versuchte, regierte der gepflegte Rückpass. Israel hatte beim Spiel in Österreich nicht einen einzigen Ballkontakt im ÖFB-Strafraum, für Finnland gab es (vom Tor nach einem Konter über die linke Angriffsseite abgesehen) auch keine einzige herausgespielte Torchance. Manu Zinsberger musste nur einmal eingreifen. Bei einem direkten Freistoß.
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Kein Playoff. Woran lag’s?
Mit diesem Sieg beendet Österreich die WM-Quali auf dem zweiten Platz. Wegen des Punktverlustes gegen Serbien und den beiden Niederlagen gegen Spanien ist Österreich der schwächste Gruppenzweite, nur die vier besten aus den sieben Gruppen (Holland, Schweiz, Belgien, Dänemark) spielen in Halbfinale und Finale um ein weiteres WM-Ticket.
Also, woran lag’s?
Die simple Antwort wäre: An diesem vermaledeiten 1:1 gegen Serbien. Nur: Selbst wenn es noch ein 2:1-Sieg geworden wäre, hätte es nicht zum Playoff gereicht. Um ein Tor gegenüber Dänemark. „Das 1:1 tut deswegen nicht aber weniger weh“, so Sarah Zadrazil. „Es schmerzt noch, genauso wie das 0:1 gegen Spanien – wir haben es in der eigenen Hand gehabt“, will sich Gini Kirchberger aber nicht auf (vor allem gegen Ende der Quali) einige unerwartete Resultate in den anderen Gruppen ausreden.
„Der April war ein kaputter Monat für uns“, blickt Teamchef Dominik Thalhammer zurück auf den Doppelspieltag mit dem 1:1 gegen Serbien und dem 0:1 gegen Spanien, jeweils daheim: „Vier, fünf Spielerinnen sind damals nicht fit gewesen, haben Verletzungen mitgeschleppt. Das können wir nicht auffangen.“ Und Nina Burger, die gegen Finnland wegen einer Hamstring-Verletztung erstmals seit sieben Jahren bei einem Länderspiel zusehen musste, sagt: „Den Weg können wir nicht gehen, ohne Steine überwinden zu müssen. Aber: Wir haben Fortschritte gemacht. Wir wollen dem Gegner immer voraus sein, nur so haben wir eine Chance.“
Gegner stellen sich auf Österreich ein
Die EM hat bewirkt, dass Österreich nun nicht mehr so leicht mit dem Überraschungs-Effekt punkten kann. „Die anderen haben unsere Stärken jetzt mehr am Radar“, bestätigt Sarah Zadrazil. Die Kontrahenten überlegen sich etwas. „So wie Finnland: Die spielen seit Jahr und Tag ein 4-4-2, nur in den beiden Spielen gegen uns auf einmal 3-4-3“, so Thalhammer. Finnland hat das nur eben gar nicht gut gemacht und man hat im ÖFB-Lager hinter vorgehaltener Hand schon eingeräumt, dass diese finnische System-Adaption in der Praxis sogar ein Entgegekommen war.
Andere Gegner haben es cleverer gemacht, wie Gini Kirchberger sagt: „Viele Teams spielen gegen uns nicht mehr hinten raus, sondern schlagen die Bälle weit nach vorne. Dadurch kommen wir gar nicht mehr in unser Pressing, weil die anderen Teams sich damit dem entziehen.“ Wie etwa Serbien, aber auch Belgien beim Cyprus Cup. Die erste Halbzeit im Heimspiel gegen Spanien war auch deshalb so gut, weil Spanien sich anpressen ließ. Und das sah so erstaunlich dominant aus, weil vor allem schwächere Teams gegen Österreich genau das in dieser Form nicht zulassen.
Thalhammers radikales Rochaden-Spiel
Den großen Knall gab es im sportlichen Sinn letzten November beim 0:4 in Mallorca, wo man mehr oder weniger mit der EM-Strategie ins Spiel ging und Prügel kassierte. Darum gibt es auch bei Österreich Adaptionen in der Spielweise, vor allem am Ballbesitz wurde gefeilt. Das betraf beim Cyprus Cup etwa die Laufwege in der Offensive. Nun, vor dem 4:1 gegen Finnland, ging es um die Positionierung in der Spieleröffnung.
„Was wir tun, ist radikal!“
„Das ist nicht nur ein bisschen neu. Was wir tun, ist radikal“, sagt Thalhammer über das nun erstmals in einem Bewerbsspiel praktizierte Rochaden-Spiel in der Abwehr. „Vorne zu rochieren, im Angriff, das ist eh üblich. Aber hinten, in der Abwehr, in der Spieleröffnung: Das ist alles andere als normal!“ Die Positionswechsel und das situative Aufrücken von Puntigam, Kirchberger und Wenninger wirkten oft noch nicht optimal abgestimmt. Dem geistig recht unbeweglichen Team aus Finnland zog man damit aber innerhalb von Minuten den Zahn.
Thalhammer: „Dass die Innenverteidiger teilweise höher stehen als die Stürmer, erfordert von den Spielerinnen Mut. Aber durch die ständigen Rochaden und den ständigen Wechsel zwischen Dreier- und Vierer-Kette bekommt der Gegner keinen Zugriff.“
Aufbruch in eine neue Zeit
Diese WM-Kampagne war für die ÖFB-Frauen ein Selbstfindungstrip. Was ist der Antrieb, jetzt wo die mediale Präsenz da ist? Wie adaptiert man das eigene Spiel, wenn einen die Gegner kennen? Und: Wie weit ist eine Steigerung auf dem individuellen Level noch realisierbar? Davon hängt schließlich auch ab, wie viel man mit Hirnschmalz kompensieren muss.
Vielleicht war es auch eine Übergangszeit: Die Zeit bis zur EM 2017 auf der einen Seite, und das inhaltlich veränderte Team in der Zeit nach der WM-Quali für 2019 auf der anderen. „Wir sind immer noch wir, so gesehen hat sich nichts geändert“, meint Sarah Zadrazil zwar, aber: „Es gab trotzdem eine extreme Weiterentwicklung.“
„Wir sind um zwei bis drei Klassen besser als noch bei der EM“, sagte Thalhammer nach dem 4:1-Sieg gegen Finnland. Im Herbst ritt man noch auf der EM-Welle, im Frühjahr kollidierten die neuen Ideen im Spielaufbau mit Verletzungen von Schlüsselkräften. Diese Phase, mit dem eher enttäuschenden Cyprus Cup und den Punktverlusten im Heimspiel-Doppel gegen Serbien und Spanien, entschieden das Playoff-Rennen zu Ungunsten Österreich.
Dabei wird aber auch die gestiegene Erwartungshaltung deutlich. Der zweite Gruppenplatz war (wie schon bei der EM-Quali 2015/16) nie auch nur im Geringsten im Zweifel. Man hat Finnland auswärts problemlos kontrolliert und daheim vernichtet. „Das Ziel war ganz klar die Qualifikation für die WM“, stellt Sarah Zadrazil klar, „aber in Europa ist alles eng beieinander. Es gibt nur acht europäische WM-Plätze. Da reicht es nicht mehr, nur gegen die Kleinen zu gewinnen.“
Europameister muss ins Playoff
Diese Aussage wird durch die ganze WM-Qualifikation untermauert. Sie bot so viele unerwartete Ergebnisse wie noch nie, und der letzte Spieltag überbot noch einmal alles.
So lag Europameister Holland in Oslo schon nach sechs Minuten 0:2 im Rückstand – durch die einzigen beiden norwegischen Torschüsse. Am Ende gewann Norwegen 2:1, überholte die Niederlande am letzten Drücker und fährt direkt zur WM, während Holland ins Playoff muss.
Auch die Schweiz verspielte am letzten Doppelspieltag mit einem 1:2 in Schottland und einem 0:0 in Polen noch den Gruppensieg. Schottland hingegen sichert sich 14 Monate nach dem überforderten Auftritt bei der EM erstmals das WM-Ticket. Das ist eine kleine Sensation. Zumal man unter Shelley Kerr zwar Fortschritte gegenüber der Zeit unter Anna Signeul machte (ja, das ist die jetzige Finnland-Trainerin). Aber man ist immer noch meilenweit davon entfernt, zur europäischen Spitze zu gehören und kommt spielerisch eher unbeholfen daher.
Besonders bitter traf es Island. Zu Beginn der Qualifikation gewann man 3:2 in Deutschland, versenkte die Playoff-Chance aber mit zwei Remis gegen Tschechien. Im letzten Spiel gegen die Tschechinnen hat Wolfsburg-Legionärin Sara Björk Gunnarsdottir beim Stand von 1:1 in der Nachspielzeit einen Elfmeter vergeben. Wäre der Ball drin gewesen, stünde Island nun im Playoff…
…und nicht die Duselschwestern aus Dänemark. Nach der Beinahe-Niederlage gegen Kroatien (1:1 in der Nachspielzeit) unterlag das Team von Trainer Lars Söndergaard daheim Schweden mit 0:1. Belgien nützte den Patzer von Island und rettete sich mit einem 2:1-Heimsieg über Italien ins Playoff. Wales kassierte in England ein 0:3 und mit den ersten Gegentoren war auch die WM-Chance dahin.
Blick in die Zukunft
Im Oktober und im November werden in zwei K.o.-Runden die Playoffs ausgespielt, mit Holland natürlich als Favoriten. Alle anderen Teams sind auf dem Markt für Testspiele, auf den sich auch Österreich wirft. Durch die Stärke in den letzten Jahren sind die ÖFB-Frauen auch für Top-Teams interessant. Es wurde noch nichts offiziell kommuniziert, aber es ist wohl sicher, dass Österreich im Herbst noch gegen ein, zwei echte Top-Teams spielt.
Und personell? Da liegt die im September 2019 startende EM-Qualifikation (die im Februar ausgelost wird) noch weit in der Zukunft. Ob Nina Burger dann, fast auf den Tag genau 15 Jahre nach ihrem Team-Debüt, weiterhin dabei ist, wird sich zeigen. Die etatmäßige Kapitänin Viktoria Schnaderbeck hat verletzungsbedingt nur 14 Liga-Spiele in den letzten zwei Jahren absolviert und musste sich zuletzt wieder einer Knie-OP unterziehen. Sollte sie sagen, „net bös sein, aber ich schau auf meine Vereinskarriere“, könnte ihr niemand böse sein.
Auf der anderen Seite drückt schon das eine oder andere Talent nach. Viktoria Pinther (19) hat gegen Finnland erstmals getroffen und geht nun in die deutsche Bundesliga. Jenny Klein (19) ist eh schon seit einem Jahr relativ fix als Ergänzungsspielerin dabei. Laura Wienroither (19) ist nach dem Kreuzbandriss von Kathi Naschenweng teamintern wohl zum Einser-Back-up für Aschauer links hinten aufgerückt und wird bei Hoffenheim sicher ihren Weg machen. Yvonne Weilharter (17) ist die erster 2000er, die im A-Nationalteam zum Einsatz kam – wenn auch in einem falsch bepflockten Trikot („Weilhartner“).
Sicher ist aber: Am Grundstock des Teams wird sich so bald nichts ändern. Diese Gruppe wird annähernd unverändert in ihre vierte Turnier-Qualifikation gehen.
Links:
4:0 in Serbien
2:0 gegen Israel und 0:4 in Spanien
1:1 gegen Serbien und 0:1 gegen Spanien
2:0 in Finnland
6:0 in Israel