Nach Teamchef-Jubiläum wartet EM-Ticket auf ÖFB-Frauen

Ein Spiel noch – dann ist die Qualfikation für die Frauen-EM im kommenden Jahr in Holland vorbei. Österreich beendet zum dritten Mal hintereinander seine Gruppe auf dem zweiten Platz – und, wenn nicht etwas völlig Schräges passiert, ist man nach dem Match in Wales am Dienstag erstmals für ein großes Turnier qualifiziert.

weuro-qualiDie rot markierten Teams sind bereits fix für die mit 16 Teams ausgetragene Endrunde qualifiziert, die grün markierten Teams haben zumindest einen Platz im Play-Off sicher. Die sechs besten Zweiten sind wie die Gruppensieger direkt qualifiziert, die zwei schwächeren Zweiten spielen in einem K.o.-Duell noch ein weiteres Ticket aus.

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Hier ist die Rechnung für die ÖFB-Frauen grundsätzlich recht simpel: Ein Punkt in Wales reicht definitiv, und selbst bei einer Niederlage müssten Rumänien oder Russland zehn bzw. elf Tore aufholen UND Finnland müsste hoch in Spanien gewinnen – all das zusammen ist de facto auszuschließen. (Anmerkungen: Portugal könnte Finnland noch vom zweiten Gruppenplatz verdrängen – und die Resultate gegen die Gruppenletzten fließen nicht in diese Wertung ein. Das blau markierte Team am Ende jeder Zeile ist der jeweilige Gegner am letzten Spieltag am Dienstag.)

Da Schottland, Belgien und Dänemark allesamt gegen den Gruppenkopf spielen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Österreich sogar als bester Gruppenzweiter abschließt – und damit selbst im alten Modus bei nur 12 Teilnehmern fix qualifziert gewesen wäre. Die Anreise nach Newport (in der Nähe von Cardiff) erfolgt via Flug nach London und von dort mit dem Bus weiter (Thalhammer: „Die Flugverbindungen nach Cardiff sind alle eher sch…“), und zwar am Sonntag – also zwei Tage vor dem Spiel.

„Haben damals sehr viel falsch gemacht“

Das tolle 2:2 in Norwegen im Juni war für ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer das 50. offizielle Länderspiel (plus eines gegen Frankreich B, das von FIFA und UEFA nicht als offizielles Match anerkannt wird). Seinem 53. Einsatz an der Seitenlinie wird die Party über das dann auch theoretisch fixierte EM-Ticket folgen. Praktisch war die Sache ja schon nach dem letzten Spiel gegen Israel durch. Ballverliebt hat sich mit dem Teamchef unterhalten und nach hinten sowie nach vorne geblickt.

Ballverliebt: Der 27. April 2011, ein etwas im Wald versteckter Sportplatz in Slowenien: Dein erstes Länderspiel – als Nummer 24 im Europa-Ranking. Hätte Dir damals jemand gesagt, dass ihr euch fünfeinhalb Jahre später für die EM qualifizierten würdet, als Nummer 25 Welt – hättest Du es geglaubt?

Dominik Thalhammer: Diese Entwicklung in der Form habe ich nicht erwartet. Man muss auch ehrlich sagen: Wenn ich mich an das erste Pflichtspiel erinnere, das 1:1 daheim gegen Tschechien im September 2011 – da haben wir zwar das Resultat gebracht, aber wirklich sehr viel falsch gemacht. Und wenn ich das vergleiche mit dem 2:2 zuletzt in Norwegen: Da hatten wir mehr Pässe in den gegnerischen Strafraum und mehr Vertikalpässe in der gegnerischen Hälfte als der amtierende Vize-Europameister. Diese Entwicklung darf aber nicht aufhören, sie muss weitergehen.

Ballverliebt: Du hast damals kurzfristig für den verstorbenen Ernst Weber übernommen – und das war auch eigentlich nur interimistisch geplant, oder? Und wie beurteilst Du im Nachhinein eure Leistungen von damals

Thalhammer: Das hat sich erst ein paar Monate später ergeben, dass ich den Posten längerfristig behalte. Und es waren ganz andere Voraussetzungen als heute – bei der Spielidee von damals, vor allem gegen stärkere Teams wie beim 0:3 im Herbst 2011 in Dänemark, ist es nur darum gegangen, defensiv organisiert zu sein. Viel mehr konnte die Mannschaft damals nicht.

„Reaktive Spielweise alleine ist zu wenig“

Ballverliebt: Und dann kam eine Weiterentwicklung nach der anderen.

Thalhammer: Genau. Los ging es dann mit dem Angriffspressing, das war 2012 zum Beispiel beim Heimsieg gegen Dänemark schon in Ansätzen ganz gut, in der nächsten Qualifikation 2013/14 gegen Frankreich und Finnland noch besser. Aber wir haben noch zu viele Bälle im Spielaufbau verloren – darum kam dann das Gegenpressing dazu, wie wir es beim Istrien-Cup 2015 gut und beim Sieg gegen Australien noch besser gemacht haben. Das alleine, diese reaktive Herangehensweise, ist aber zu wenig, wenn wir wirklich eine gute Rolle spielen oder sogar Trendsetter sein wollen.

Ballverliebt: Das heißt?

Thalhammer: Das heißt, dass wir im Ballbesitz besser werden mussten und müssen und in diesen Ballbesitz-Phasen gleichzeitig aber Vorkehrungen treffen, dass man sich keine Konter einfängt. Der nächste Schritt ist dann, dass die Außenverteidiger nicht an der Linie bleiben, sondern ins Zentrum einrücken.

„Mentaliät macht diese Truppe so stark“

Ballverliebt: Bei deinem ersten Pflichtspiel 2011 waren Wenninger, Feiersinger, Prohaska, Schnaderbeck, Makas und Burger schon dabei, und Sarah Puntigam wäre es ohne ihren Kreuzbandriss damals auch gewesen. Dieser Grundstock von sieben Spielerinnen, diese personelle Kontinuität – wie wichtig ist das für diese permanente Steigerung?

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Teamchef Thalhammer. Foto: Thaka1982 / CC BY-SA 3.0

Thalhammer: Das ist auf jeden Fall einer der entscheidenden Punkte. Eine gewisse Breite würde uns aber auch nicht schaden. Was diese Truppe aber vor allem so stark macht, ist ihre Mentalität. Die entwickelt sich mit den Erfolgen mit. Vor drei Jahren etwa: Daheim gegen Frankreich haben wir gut angefangen, aber nach dem französischen Doppelschlag nach einer Viertelstunde fehlten uns die Mittel und auch die mentale Kraft, noch dagegen zu halten.

Ballverliebt: Wenn man die Auswärtsspiele in Finnland 2013 und das in Norwegen 2016 vergleicht, sieht man diese Entwicklung schön.

Thalhammer: Stimmt: In Finnland sind wir einem Rückstand hinterher gelaufen, haben in der 80. Minute den Ausgleich erzielt, und postwendend wieder das Gegentor bekommen und verloren. Jetzt in Norwegen sind wir auch einem Rückstand hinterher gelaufen, haben kurz vor Schluss wieder den Ausgleich erzielt – und haben das Remis dann drüber gebracht.

„Schlechteste Leistungen gegen schlechte Teams“

Ballverliebt: Wenn ich eine Shortlist der fünf besten Spiele machen müsste, die die ÖFB-Frauen unter deiner Leitung absolviert haben, wären darauf das 3:1 gegen Dänemark 2012, das 1:2 in Finnland 2013, das 1:3 in Frankreich 2014, das 2:1 gegen Australien 2015 und das 2:2 in Norwegen 2016. Welches ist für dich das beste Spiel gewesen?

Thalhammer: Von der Reife und von der Bedeutung des Spiels her, würde ich das 2:2 in Norwegen nehmen, vor dem 3:1 gegen Dänemark, was unser erstes außergewöhnlich gutes Resultat war. An deiner Liste sieht man aber, dass du – genauso wie wir – eher prozessorientiert denkst, nicht so sehr in reinen Ergebnissen, weil du da auch zwei Niederlagen dabei hat. Es gab viele Zwischenschritte. Wenn man sich die letzten zwei Jahre ansieht, seit dem Spiel in Le Mans im April 2014, haben wir nur ein einziges Spiel verloren – und das war unglücklich, das 0:1 daheim gegen Norwegen. Wir sind extrem stabil geworden, das zeichnet ein Team auch aus.

Ballverliebt: Das schlechteste Spiel, das ich von euch gesehen habe, war das 4:0 daheim gegen Bulgarien 2013. Ich habe aber natürlich von den eher obskuren Auswärts-Spielen etwa in Kasachstan, Bulgarien oder Armenien, keines gesehen. Ich erinnere mich, dass Du auch nach dem 6:1 in Bulgarien richtig sauer warst, obwohl das Ergebnis eigentlich gut aussah. Würdest Du dich drüber trauen, ein Spiel zu benennen, von dem Du sagst: Das war das schlechteste?

Thalhammer: Das will ich eigentlich nicht, aber es stimmt schon: Gegen die schlechteren Teams haben auch wir unsere schlechtesten Leistungen gezeigt. Wir hatten zwar viel Ballbesitz, aber keine wirkliche Kontrolle über das Spiel, nach zwei oder drei Pässen sind die Bälle dann oft wieder verloren gegangen. Aber wenn ich mir jetzt ansehe, wie konsequent und ohne Leerlauf und praktisch ohne Fehlpässe wie etwa zuletzt gegen Israel gespielt haben, dann muss ich sagen: Das ist es, wo wir hin müssen.

„Wir sollten im Frauenfußball zum Trendsetter werden“

Ballverliebt: Im kommenden Sommer wird Österreich erstmals bei einer Frauen-EM mit dabei sein. Siehst du das eher als Ziel einer Entwicklung oder als Startpunkt, nach dem Motto: Jetzt geht’s erst so richtig los?

Thalhammer: Ich würde das eher als Startpunkt sehen, um sich dauerhaft in der europäischen Spitze anzusiedeln und sich festzusetzen. In den nächsten Wochen und Monaten, bis zur EM, sollen wir uns auch keine Grenzen setzen und tatsächlich versuchen, im Frauenfußball zum Trendsetter zu werden. Und auch entsprechend aufzutreten, sowohl von den Fähigkeiten, als auch von der Körpersprache. Das sollte unser Ziel in den nächsten Jahren sein. Und mir ist es auch wichtig, dass wir in jedem Lehrgang einen neuen Entwicklungsschritt setzen, etwas Neues erlernen. Kein Beharren auf dem, was man kann, sondern ein ständiger Fortschritt.

„Der Level steigt, aber die Breite fehlt“

Ballverliebt: Wenn ich heute zu Spielen der heimischen Frauen-Bundesliga gehe, sehe ich dort Mädchen von 15 oder 16 Jahren, die schon absolut furchtlos agieren und eine äußerst selbstbewusste Ausstrahlung auf dem Platz haben. Liegt darauf im Nationalen Zentrum für Frauenfußball in St. Pölten, wo der beste Nachwuchs Österreich gebündelt ausgebildet wird, auch der Fokus?

Thalhammer: Naja, es gibt drei Säulen. Erstmal brauche ich eine Spielidee. Dann braucht man die passende Mentalität. Und man darf nicht nur darüber reden, sondern muss es auch umsetzen. Und auch, wenn man einen schlechten Tag hat: Die Mentaliät muss immer passen.

Ballverliebt: Wie siehst du den Nachwuchs? Der 1997er-Jahrgang war ja bei U-17-EM und bei der U-19-EM dabei. Sind die Fähigkeiten der Neuankömmlinge mit 14, 15 Jahren jetzt besser als 2011, als das Nationale Zentrum startete?

Thalhammer: Der grundsätzliche Level hat sich etwas gesteigert. Probleme haben wir aber nach wie vor in der Breite, da ist es zu wenig. Es gibt tolle Jahrgänge, und es gibt schwächere. Und die Gesamtzahl der Mädchen, die Fußball spielen, stagniert, kommt mir vor. Aber vielleicht gibt die EM-Teilnahme einen Push. Man wird sehen.

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ÖFB-Kader gegen Wales: Tor: Jasmin Pal (20 Jahre, Wacker Innsbruck, 0 Länderspiele/0 Tore), Manuela Zinsberger (20, Bayern München/GER, 21/0). Abwehr: Marina Georgieva (19, St. Pölten, 0), Virginia Kirchberger (23, Duisburg/GER, 37/1), Sophie Maierhofer (20, Kansas Jayhaws/USA Univ., 12/1), Katharina Naschenweng (18, Sturm Graz, 1/0), Katharina Schiechtl (23, Werder Bremen/GER, 15/5), Viktoria Schnaderbeck (25, Bayern München, 51/2), Carina Wenninger (25, Bayern München, 56/3). Mittelfeld: Verena Aschauer (22, Sand/GER, 34/5), Barbara Dunst (18, St. Pölten, 6/0), Jasmin Eder (23, St. Pölten, 29/0), Laura Feiersinger (23, Sand/GER, 43/7), Nadine Prohaska (26, St. Pölten, 62/7), Sarah Puntigam (23, Freiburg/GER, 60/9), Sarah Zadrazil (23, Turbine Potsdam/GER, 36/5). Angriff: Nicole Billa (20, Hoffenheim/GER, 21/9), Nina Burger (28, Sand/GER, 78/45), Stefanie Enzinger (26, Sturm Graz, 3/0).

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.