Bundesliga-Bilanz 2024/25, Teil 1: Die Teams aus der Meisterrunde

Von Salzburg abgesehen: Wer war der letzte Verein, der in Österreich seinen Bundesliga-Titel verteidgen konnte? Ja, ist schon ein bisserl her. Das war der FC Tirol vor mehr als zwei Jahrzehnten. Bis nun Sturm Graz nach 2024 auch 2025 den Meisterteller in Empfang nehmen konnte.

Nun gibt es zwei Lesarten für diese Saison und diesen Titel. Die eine ist, dass das Niveau an der Spitze spürbar gegenüber dem letzten Jahr abgefallen ist. Salzburg war noch verlorener als noch 2024, Rapid klappte nach einem starken Herbst komplett zusammen, die Austria war letztes Jahr noch Achter und wäre fast Meister geworden, und wenn der WAC nur ein einziges Tor vom DOUBLE entfernt ist, kann ja mit der Liga was nicht stimmen.

Einerseits: Ja, stimmt. Andererseits: Naja, Einspruch.

Sturm Graz

Denn die andere Lesart ist jene, dass Sturm Graz einige Säulen des Meistertitels von letztem Jahr verloren hat – Trainer Ilzer, Sportchef Schicker, Antreiber Prass, Stürmer Biereth, Rechtsverteidiger Gazibegović, Innenverteidiger Affengruber – und trotzdem die exakt selbe Anzahl an Siegen (nämlich 19 in 32 Spielen) und insgesamt nur vier Punkte weniger eingefahren hat und wieder Meister geworden ist.

Der Gedanke ist legitim, dass dieser Titel von 2025 – obwohl errungen von einer schwächeren Mannschaft gegen schwächeren Konkurrenz als jener von 2024 – mehr wert ist als alle mit Ausnahme des ersten, absolut überlegen eingefahrenen von 1998. Denn für die Wiederholung von 1999 hatte man keine einzige Stammkraft verloren und der Titel von 2011 ist einer soliden, aber biederen Truppe von einer überwiegend katastrophalen Liga in den Schoß gelegt worden.

In der Saison 2024/25 setzte man sich gegen Widrigkeiten durch. Der nach dem Ilzer-Abgang im Oktober hochgezogene Jürgen Säumel ist keineswegs der Starkstrom-Trainer, wie es Ilzer war, sondern zeigt sich im Gegenteil ein sehr ruhiger, besonnener Charakter, scheinbar unbeeindruckt von jeglichem Getöse um ihn herum – auch, nachdem in zwei ultra-hitzigen Spielen im April die Tabellenführung an die Austria verloren wurde. Dazu gab man in der Champions League eine gute Figur ab (zwei Siege unter Säumel gegen Girona und Leipzig, dazu einige knappe Niederlagen gegen deutlich stärker besetzte Teams).

Natürlich: Die echten Folgen des Schicker-Abgangs wird man erst nach diesem Sommer sehen. Gelingt es seinem Nachfolger Michael Parensen, den Kader wie Schicker auf hohem Niveau zu halten? Denn die Bank war gerade im Frühjahr schon ziemlich kurz, vor allem in der Offensive.

WAC

Dass der WAC über weite Teile des Grunddurchgangs so rund um Platz vier mitschwimmt – vor allem, wenn einer der großen Fünf schwächelt – hat sich in den 13 Jahren Bundesliga-Zugehörigkeit schon zu einer gewissen Gewohnheit entwickelt. Dass der WAC zum achten Mal in den Top-6 der Bundesliga-Tabelle landen würden, war früh klar. Wirklich außergewöhnlich wurde es erst im Frühjahr.

Innenverteidiger Chibuike Nwaiwu erwies sich als Goldgriff, womöglich sogar als bester Transfer der Saison. Auch Dejan Zukić, einst mit 18 Jahren schon Stammspieler in der serbischen Liga bei Vojvodina Novi Sad, brauchte kaum Eingewöhnungszeit. Und Didi Kühbauer? Sein Image eilt ihm voraus, aber nach dem Aufstieg und Platz drei mit der Admira 2011 und 2012, Platz fünf mit dem WAC 2015, Platz sechs mit St. Pölten 2019, zweimal Platz zwei mit Rapid 2020 und 2021 sowie Platz drei mit dem LASK 2023 muss man ihm zugestehen, der wohl stabilste Coach der österreichischen Liga in den letzten 15 Jahren zu sein.

Das wurde mit dem Cup-Sieg nun auch belohnt. Der WAC steht hinten stabil und braucht vorne nicht viele Chancen, dafür ist es ein zähes Unterfangen, sich gegen die sehr disziplinierte WAC-Arbeit gegen den Ball selbst Tormöglichkeiten herauszuarbeiten – nicht zuletzt haben das Salzburg und auch Sturm erlebt. Natürlich – dass nur ein Tor zum Meistertitel gefehlt hat, liegt schon auch ein wenig an den anderen. Aber der WAC hat, auch wenn man 2019 unter Christian Ilzer und 2020 unter Struber und dann Feldhofer schon Dritter war, sicher das beste Jahr seiner eigenen Bundesliga-Geschichte absolviert.

Inwieweit das nächste Saison reproduzierbar ist? Schwierig – Jasic geht, Nwaiwu wird kaum zu halten sein, und im Europacup gibt es minimum acht zusächliche Matches.

Austria

Wer hätte Ende Juli nach dem peinlichen Europacup-Aus gegen Ilves Tampere – als vor allem die Abwehr katastrophal offen war – ernsthaft gedacht, dass die Austria um den Titel mitspielen würde können? Die Verpflichtung von Aleksandar Dragovic wurde zum Goldgriff: Der Alt-Internationale dirigierte, grätschte, ging als Vorbild voran und brachte seine ganze Erfahrung ein. Die Anzahl an Gegentoren pro Spiel wurde mit ihm praktisch halbiert.

Das Spiel selbst war relativ eindimensional, fast ein wenig Old-School: Vornehmlich ging es über die Wing-Backs nach vorne und Zehner Dominik Fitz sorgte für die konkreten Ideen; Barry und Fischer waren die Muskeln, die dem Spielmacher den Rücken frei hielten. Am Ende reichte es nicht ganz, denn neben den zehn Punkten gegen Sturm Graz gab es in der Meistergruppe vier Niederlagen gegen Rapid und Salzburg.

Der nach der späten Führung gegen Blau-Weiß im letzten Spiel sicher geglaubte zweite Platz wurde doch den noch späteren Ausgleich noch verschenkt. Was aber wichtiger ist als die Frage, ob man jetzt Champions- oder Conference-League-Quali spielt: In den letzten zehn Monaten hat die Austria mit ruhiger Arbeit von Stephan Helm und seinem Trainerteam sowie vollem Einsatz auf dem Feld das Publikum wieder so richtig auf seine Seite gebracht.

Sinnbildlich dafür darf das 2:1 gegen Sturm Graz Ende April dienen: Der Funke ist nicht nur über-, sondern regelrecht zwischen Mannschaft und Publium hin- und her gesprungen. Das sind die Vibes, die als Basis auch für die kommende Saison dienen können. Oder müssen? Immerhin gilt es, sich auch ohne Dominik Fitz zu behaupten, dessen Abgang droht.

Salzburg

Seit dem Abgang von Sportdirektor Christoph Freund zum FC Bayern ist die Zielsicherheit der Zugänge beim ehemaligen Serien-Meister so richtig verloren gegangen. Praktisch keiner der im Zuge der Verpflichtung von Pep Lijnders geholten Spieler schlug ein, Personal-Entscheidungen des holländischen Trainers wurden zum Bumerang (Stichwort: Leihspieler-Ersatzkeeper Blaswich als Kapitän). Die Mannschaft war keine Einheit, es gab ungewohnte Löcher, ungewohnte Unsauberkeiten und deutlich zu wenig Tore.

Neben Lijnders war auch Freund-Nachfolger Seonbuchner im Winter weg, Thomas Letsch sollte retten, was zu retten war, und so sah das Spiel auch aus. Ein koordieniertes Pressing-Spiel, wie man es von Red Bull in verschiedensten Ausprägungen kannte, war nur in Spurenelementen zu erkennen. Man versuchte sich an der Spielgestaltung, kam dabei aber vor allem über die individuelle Qualität, die auch Winter-Neuzugang Yorbe Vertessen mitbrachte.

Kannte man es aus dem letzten Jahrzehnt von Salzburg, dass man stets einen Schritt schneller war als die Gegner – körperlich wie geistig – ist Salzburg 2025 oft den einen Schritt hintennach, vor allem gegen die Spitzenteams. Die vier Gegentore beim 2:4 in Graz, das die Bullen auch rechnerisch aus dem Titelrennen boxte, dürfen dafür absolut als Exempel herhalten. Immerhin: Es gab 19 Punkte in der Meisterrunde, gleich viele wie der WAC – gegen den man sich aber wiederum die Zähne ausbiss.

Salzburg hat diese Saison so richtig darum gebettelt, Vierter oder bestenfalls Dritter zu werden und in der Conference League dann das internationale Punktekonto wieder aufzufetten. Dass es am Ende Platz zwei wurde, lag auch an glücklichen Umständen – zwischen dem vierten und dem letzten Spieltag war Salzburg nur ein einziges Mal in den Top-2. Doch auch wenn Salzburg in der Red-Bull-Ära weiterhin nie schlechter war als Zweiter: Diese Saison war furchtbar.

Rapid

In dieser Saison hat man zwei Rapid gesehen. Jenes im Herbst: Strukturiertes Pressing, mutiges Spiel nach vorne, sehr intensiv und auch durchaus erfolgreich. In der Conference League zeigte man auf, erspielte sich sogar das Freilos für die erste K.o.-Runde, und in der Bundesliga war Rapid zumindest bis Anfang November voll im Kampf um die Tabellenführung mit dabei.

Aber dann war ja noch das Gesicht im Frühjahr. Im Schnitt nur ein Punkt pro Spiel, ein einziger Auswärtssieg (der allerdings bei der Austria), und auch die immer längere Verletztenliste war nicht hilfreich. International quälte man sich gegen Borac Banja Luka ins Viertelfinale, wo gegen Djurgården Schluss war. Und natürlich fehlte auch Guido Burgstaller. Schon im Herbst war das Thema, dass Rapid zu viele Chancen für Tore brauchte. Dion Beljo erzielte zwar seine Treffer, er hätte aber viel mehr netzen müssen. Mit Burgstaller in der Startelf gab es 1,8 Tore pro Spiel. Ohne ihn 1,1 Tore.

Das im Frühjahr zu einem schwer verdaulichen Irgendwas zerfallene Spiel kostete Rapid jede Chance auf einen direkten Europacup-Platz und auch die Auftritte unter Interimstrainer Stefan Kulovits waren kein dramatischer Schritt nach vorne: Schmeichelhafter Derby-Sieg und schöner Erfolg gegen Sturm, aber auch eine erschütternd unzusammenhängende Darbietung gegen den WAC und eher vogelwild gegen Salzburg. Da wartet Arbeit auf Peter Stöger.

Blau-Weiß Linz

Ronivaldo ist das perfekte Sinnbild für Blau-Weiß Linz. Seit er vor über einem Jahrzehnt bei Kapfenberg in Österreich aufgeschlagen ist, war er ein respektierter Zweitliga-Torjäger, mehr hat man ihm nicht zugetraut. Nun, frei von Verletzungen und längst eingebürgert, darf er tatsächlich noch Bundesliga spielen und zeigen was er kann: Er genießt jede Minute in der höchsten Spielklasse, ist demütig und weiß, dass jedes Tor, jeder Erfolg nicht selbstverständlich ist. Mit größtmöglicher Gelassenheit agierend, weiß er seine starke Saison einzuschätzen – er weiß, was er kann und er weiß vor allem auch, was er nicht kann.

All das gilt exakt gleich für die Blau-Weißen. Der einzige Bundesliga-Verein, der heute den selben Trainer hat wie vor 12 Monaten, ist realistisch eher rund um Platz acht anzusiedeln als auf Platz sechs – aber vor allem Punktgewinne gegen die Großen der Liga, darunter vier Punkte in den beiden Stadtduellen gegen den LASK, ließen die Truppe vom Donaupark in die Meistergruppe einziehen, nicht jene von der Gugl.

Blau-Weiß kam über defensive Disziplin, großen Kampfgeist und man konnte auf die Erfahrungen aus der ersten Saison aufbauen. Allen ist klar, dass die Teilnahme an der Runde der Top-6 nichts daran ändert, dass es auch nächstes Jahr nur ums sportliche Überleben geht. Aber sehr wohl ermöglichte es den Linzern, dass man die Planung schon seit Mitte März konkrekt dafür voran treiben konnte.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.