Olympia und der Fußball

Nun geht es also sogar schon vor den CAS, den internationalen Sportgerichtshof in Lausanne: Werder Bremen und Schalke 04 klagen an, dass ihre Stars lieber ein paar Wochen bei den Olympischen Spielen in Peking sehen, als bei ihren Vereinen. Es betrifft vor allem Südamerikaner und Afrikaner, die ihren Klubverantwortlichen Sorgen bereiten.

Nun muss man wissen, dass der Fußball im Zeichen der fünf Ringe in Europa praktisch nicht wahrgenommen wird – die mit lediglich drei älteren Spielern aufgebesserte U23-Auswahlen, die die FIFA dem IOC zugesteht, reißen hierzulande keinen wirklich vom Hocker. Schließlich ist, wenn Olympia ansteht, die letzte Europameisterschaft immer gerade einen Monat her, zudem läuft schon die Vorbereitung für die neue Saison (oder, wie im Fall Deutschland, läuft während der Spiele schon). In Südamerika und in Afrika hingegen ist Olympia ein Ereignis, das nicht weit unter Copa-America und African Nations Cup steht – wenn überhaupt. Als Argentinien in Athen vor vier Jahren überlegen das Turnier gewann, waren zum Beispiel Carlos Tevez, Gabriel Heinze (heute Man Utd) und Javier Mascherano (heute Liverpool) dabei, genauso wie Roberto Ayala und Kily Gonzalez (damals Valencia), Fabio Coloccini (Villarreal), Mauro Rosales (Ajax) und Andres d’Alessandro (Wolfsburg). Javier Saviola saß im Finale sogar nur auf der Bank. Ähnlich gelagert die Fälle von Kamerun in Sydney 2000 (Kameni, Wome, Lauren, Geremi, Mboma, Eto’o) und Nigeria in Atlanta 1996 (Babayaro, West, Oliseh, Okocha, Kanu, Ikpeba) – bei Finalgegner Argentinien jagten Ortega, Crespo, Zanetti, Sensini, Ayala, Chamot und Claudio Lopez dem Gold hinterer. Man sieht also: Anders als in Europa, zählt Olympisches Gold auf anderen Kontinenten etwas. Nicht umsonst ist es 16 Jahre her, dass letztmals ein europäisches Team gewann (und in Barcelona 1992 kamen auch die Spanier mit nicht wenigen Stars daher).

Einerseits bekunden die Manager wie Klaus Allofs, Andreas Müller und Karl-Heinz Rummenigge zwar, wie wichtig ihnen das Wohlbefinden ihrer Stars ist, jedoch lassen sie bei dieser Sache, die den Spielern wirklich ungemein wichtig zu sein scheint, jegliches Gespür vermissen. Ein Nigerianer wie Chinedu Obasi von Hoffenheim riskiert nicht seinen (äußerst gut dotierten) Job beim Verein, indem er heimlich ins Olympia-Teamcamp einrückt, wenn es ihm im Grunde egal wäre. Ähnlich der Fall bei den Brasilianern Diego (Bremen) und Rafinha (Schalke). Natürlich fehlen diese Spieler ihren Vereinen einen Monat. Aber ich sage: Lieber fehlt mir ein Spieler einen Monat, weil er sich einen sportlichen Lebenstraum erfüllt und womöglich mit einem schönen Erfolgserlebnis daherkommt (Brasilien und Nigiera sind durchaus Medaillenkandidaten), als wenn er sich in einem Testspiel das Knie verdreht, psychisch down ist und noch mühselig Reha machen muss. Es ist ja nicht so, dass die Spieler in Peking nur das olympische Flair genießen und auf der faulen Haut liegen würden.

Die Vereine wirken unglaubwürdig, wenn sie einerseits ihre Stars mit Millionen erschlagen und mit allen Annehmlichkeiten verwöhnen, aber andererseits gegen einen Wunsch vor alle Gerichte ziehen, den die Spieler mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur einmal die Chance haben zu ergreifen. So dürfen sich die Herren nicht wundern, wenn ihre Spieler den Dienst bei ihren Vereinen nur mit demonstrativem Widerwillen erfüllen, während andere Kicker statt ihren die Spieler um Gold, Silber und Bronze absolvieren.

Vielleicht sollten sie das bei ihren Entscheidungen auch bedenken.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.