Mit einem 4:2 gegen Israel und einem 4:1 gegen Moldawien beschließt das ÖFB-Nationalteam die WM-Qualifikation und liegt am Ende auf dem vierten Platz, hauchdünn hinter Israel. Am März geht es ins Playoff, man ist dort jenes Team mit der schlechtesten Bilanz aller zwölf Teilnehmer. Welche Bedeutungskraft haben die beiden Erfolge in den letztlich völlig bedeutungslosen letzten beiden Matches?
Das 4:2 gegen Israel
In der ersten Halbzeit war eine Strafraumbesetzung bei ÖFB-Team de facto nicht vorhanden. Nicht nur einmal zog Marco Grüll in Richtung Strafraum, in dem kein einziger Mitspieler stand – die waren alle außerhalb postiert. Entsprechend gering war die Torgefahr. Das wurde nach dem Seitenwechsel deutlich besser: Da standen oft drei bis vier ÖFB-Spieler in der Box, damit wurde auch die israelische Abwehr mehr beschäftigt und vor allem Hatem Elhamed zeigte massiv Wirkung, Alleine zwischen der 66. und der 72. Minute drehte der Verteidiger von Hapoel Be’er-Sheva unter Gegnerdruck drei üble Korken, einer davon führte zum Tor zum 3:2.
Generell funktionierte das Anlaufen im zweiten Spielabschnitt gut: Es gab viele Ballgewinne, ähnlich wie in der Anfangsviertelstunde beim Hinspiel in Haifa, und ein defensives Umschalten von Israel gab es kaum noch. Österreich fand viel Raum vor und es gab in der Folge zahlreiche Torchancen.
Da es Österreich in der zweiten Halbzeit gelang, sich länger und nachhaltiger in der gegnerischen Hälfte festzusetzen, wurden auch Grillitsch und Seiwald im Mittelfeld-Zentrum entlastet. Zuvor waren die beiden permanent am Auf- und Absprinten, weil die beiden einen Riesenraum zwischen Abwehrreihe und Angreifern abdecken mussten, um dort die Räume für die Israelis eng zu machen. Im Aufbau war Grillitsch viel mehr eingebunden als Debütant Seiwald, der vor allem dann die Anspiele bekam, wenn zwei bis drei Israelis in seiner unmittelbaren Nähe standen. Der Jungspund löste diese Situationen aber zumeist gut auf.
Das 4:1 gegen Moldawien
Gegen Moldawien hatte es Österreich wesentlich einfacher. Wie Israel stellte sich auch dieser Gegner in einem 5-3-2 auf, die Außenbahnen ließen die Gäste erstaunlich frei und sie schafften es auch nicht, Druck auf die österreichische Zentrale auszuüben.
So konnte sich Grillitsch ungestört die Bälle zwischen den Innenverteidigern abholen, damit nach vorne gehen und die Pässe verteilen. Auf der linken Seite waren sowohl Ulmer als auch Grüll bemüht, steil zu gehen. Die Abstimmung der beiden passte nicht immer, klappte im Ganzen aber recht gut. Ähnliches galt für Trimmel und Schaub auf der linken Seite, der Köln-Legionär zeigte sich als deutliches Upgrade zum gegen Israel wirkungslosen Schöpf.
Österreich nützte die Überlegenheit zu einer verdienten 2:0-Pausenführung und ein erstaunlich bescheuertes Elfmeter-Foul von Posmac führte zum 3:0 per Straßstoß. Nach einer Stunde nahm Foda dann Grillitsch, der das Spiel diktiert hatte, zugunsten von Dejan Ljubicic vom Feld. Die direkte Folge war, dass das Aufbauspiel Österreich spürbar erlahmte und die Moldawier etwas Luft zum Atmen bekamen.
Trotz des moldawischen Anschlusstreffers bestand aber nie die Gefahr, dass das Match kippen könnten und das ÖFB-Team kam zu einem ungefährdeten 4:1-Erfolg.
Und was machen wir nun mit dieser Qualifikation?
Den beiden Pflichtsiegen – bei denen alleine 8 der 19 Tore erzielt wurden – zum Trotz: Der vierte Platz ist in dieser Gruppe ein indiskutables Endresultat und selbst der dritte Platz, zu dem nur ein Tor gefehlt hat, wäre kaum besser. Schottland hat drei Spieler mit gehobenem Premier-League-Niveau, sonst kaum mehr als brave Zweitliga-Kämpfer. Israel hat zwei Stürmer mit Qualität, aber sonst nicht mehr besonders viel.
Der zweite Platz hinter den tatsächlich sehr guten Dänen hätte für Österreich das absolute Minimum sein müssen, und es hätte nicht mal eng sein dürfen. Schon vor zwei Jahren machten Foda und das ÖFB-Team deutlich härtere Arbeit aus einem zweiten Quali-Platz, als notwendig gewesen wäre, und zwar in einer vergleichbar schwachen Gruppe. Wurde 2019 aus überwiegend mäßigen Leistungen zumindest noch das erwartbare Minimum an Resultaten geholt, gelang 2021 nicht mal mehr das.
Seit dem Herbst 2018 wurde offensichtlich, dass Foda – anders als in seinen letzten Monaten als Sturm-Trainer – eben doch nicht langfristig über seinen Schatten springen kann. Dass er in der Tiefe seines Herzens ein Kontrollfreak ist, der nichts so sehr verabscheut wie Risiko auf dem Fußballfeld. Stabilität in der Defensive geht ihm über alles, gefährliche Pässe in der Eröffnung sollen um jeden Preis verhindert werden. Dennoch gab es in der Quali für die EM 2020 neun Gegentore in zehn Spielen. Nur zwei der 20 direkt qualifizierten Teams kassierte noch mehr.
Es wirkte, als wolle Foda in der Folge noch mehr die defensive Absicherung haben, die Abwehrreihe stand verglichen mit der Angriffsreihe immer sehr tief, ging praktisch nie über die Mittelinie hinaus. Gleichzeitig wurde aber vorne gepresst, in einer Intensität wie einst unter Koller, aber ohne die nötige Absicherung zwischen Pressingwelle und Abwehr. Die Folge war jener Kontrollverlust, den Foda unbedingt vermeiden wollte, und eine Flut an Gegentoren – besonders frappant beim 0:4 gegen Dänemark.
Dieses Phänomen, gleichzeitig hoch zu pressen und tief zu stehen – was nicht möglich ist – gab es bei Foda einst schon bei Sturm Graz zu sehen. Und auch damals hat es nicht nachhaltig funktioniert. „Foda ist ein durchschnittlicher Trainer, aber seine Mutlosigkeit reißt ihn auf ein unglaublich tiefes Niveau herab. Wenn er einmal seinen Mut zusammennimmt (in den seltenen Fällen), dann gehen da plötzlich wirklich ein paar Türen auf“, analysierte unser Leser martidas nach dem 0:1 in Kopenhagen, und weiter: „Ich habe, glaube ich, noch nie einen Trainer gesehen, der so sehr an seinem eigenen Charakter scheitert, weit mehr als an seinen Fähigkeiten.“
Nichts davon ist neu, alles ist bekannt und der Achtelfinal-Einzug bei der EM hat auch keine Veränderung zum Positiven gebracht. Eher im Gegenteil.
Abstimmung mit den Füßen
Die Tage von Franco Foda als ÖFB-Teamchef sind nach menschlischem Ermessen bald gezählt, es bräuchte schon ein Wunder in Form von zwei Playoff-Siegen im März, um ihn im Amt zu halten. Die Fans haben ohnehin schon längst mit den Füßen abgestimmt. Waren unter Marcel Koller noch im Schnitt 42.200 Zuseher, 47.500 Zuseher und 33.900 Zuseher bei den jeweils fünf Heimspielen der drei Turnier-Kampagnen, war es schon beim Weg zum EM-Ticket unter Foda nur noch 28.600.
Das einzige kompetitive Heimspiel 2021, bei dem Zuseher erlaubt waren – dem ersten Heimspiel nach der erfolgreichen EM – lockte gegen Schottland keine 20.000 Zuseher ins Happel-Stadion und die, die da waren, forderten unmissverständlich den Rauswurf des Teamchefs. Natürlich ist es ein wenig unfair, die beiden bedeutungslosen Heimspiele noch dazuzurechnen, aber aus den drei zuschaueroffenen Herbst-Spielen gab es einen Schnitt von 8.300. Vierstellig war’s zuletzt 1990/91, in der berüchtigten Färöer-Qualifikation.
Und warum muss Foda nicht gleich gehen?
Koller wurde 2016/17 ebenso Vierter in seiner Gruppe und wurde mit freundlichen Worten, aber auch einem festen Tritt in den Hintern verabschiedet. Sportdirektor Willi Ruttensteiner, der nun als Israels Teamchef mit einem viel schlechteren Team als Österreich vor Österreich gelandet ist und der Koller 2011 gegen ein konsterniertes ÖFB-Präsidium durchgedrückt hat, wurde mit nicht besonders freundlichen Worten und einem noch festeren Tritt in den Hintern verabschiedet.
Und ÖFB-Präsident Leo Windtner wurde von einem Präsidium, das angeführt von Herbert Hübel seine Chance zur Revanche für 2011 gekommen sah, bei seiner letzten Wiederwahl so sturmreif geschossen, dass er keine Hausmacht mehr hatte und sein Amt nun folgerichtig abgab.
Die Gegenreformation, die sich 2017 angedeutet hat, scheint vollzogen.
Das heißt aber nicht, dass sich Schöttel und Foda ihrer Posten nun sicher sein können. Dass sie nicht mit der gleichen Vehemenz in die Wüste geschickt werden wie Koller und Ruttensteiner – die nachweislich mehr für den heimischen Fußball geleistet haben wie ihre jeweiligen Nachfolger – vor vier Jahren, ist erstaunlich genug. Dass Milletich und Schöttel am Rande des Matches gegen Moldawien ähnlich unkoordiniert aneinander vorbeigeredet haben wie Alexander Schallenberg und Wolfgang Mückstein, war aber schon auffällig.
Es scheint klar, dass Milletich zunächst die Personalie Sportdirektor geklärt haben will, ehe die Baustelle Teamchef angegangen wird. Gespräche mit Thomas Janeschitz wurden schon in Klagenfurt kolportiert. Dieser war 2009 Nachfolger des letzte Woche verstorbenen Paul Gludovatz als Leiter der ÖFB-Trainerausbildung geworden und wirkte auch als Co-Trainer von Marcel Koller.
Schöttel ist in seinen vier Jahren als Sportdirektor öffentlich vor allem mit wirren Pausen-Interviews bei Länderspielen und sonst großer Zurückhaltung aufgefallen, für die Akademien in den Bundesländern hat er sich dem Vernehmen nach nicht wirklich interessiert. Schöttel ist – anders als der im persönlichen Umgang als extrem schwierig geltente Willi Ruttensteiner – maximal uneitel und sehr angenehm. Aber den Eindruck, dass beim ÖFB wirklich was weitergegangen wäre, hat man eher nicht.
Hätte Milletich nun eine sofortige Foda-Entlassung durchgedrückt, wäre ihm der öffentliche Applaus sicher gewesen und er hätte jene Handlungskraft signalisiert, die Windtner in der letzten Phase seiner Präsidentschaft gefehlt hat. Aber er hätte nur ein Problem (Foda) durch ein anderes (Sportdirektor, dessen Verbleib nicht gesichert ist, sucht Nachfolger, der ohne vorheriges Kennenlernen des Teams in ein vermutlich aussichtsloses Playoff geht) ersetzt.
Wäre es klug gewesen, Foda schon nach den bodenlosen September-Spielen zu liefern? Vermutlich. Aber da war das Präsidium noch mit sich selbst beschäftigt. So hat man einen Herbst verloren, in dem man schon die Weichen stellen hätte können – in aller Ruhe, die Qualifikation war ja eh gelaufen. Dieses Vakuum hat Foda, so kann man annehmen, das Playoff gesichert.
Nur die Aussage, dass sich der Teamchef „das Playoff verdient“ habe, kann man so nicht stehen lassen. Drecks-Fußball ist noch tolerierbar, sei es auch mit Bauchweh, wenn er die Resultate liefert. Wenn Drecks-Fußball auch noch für Drecks-Ergebnisse sorgt – und zwar mit einem Kader, mit dem weder das eine noch das andere nötig wäre – ist das kein Anlass für eine Belohnung. Im Gegenteil.