Große Passivität, wenig echter Plan, aber 3:1 gegen Israel

Das ÖFB-Team liefert eine verstörend passive Vorstellung ab, in dem ihm offenbar jegliches Pressing, jeglicher Mut und jegliche Forschheit strikt verboten worden war. Der Gegner aus Israel war jedoch so schwach, dass selbst eine innerlich zerrissene österreichische Mannschaft gar nicht so schlecht spielen konnte, um das Spiel nicht zu gewinnen. Damit ist die EM-Teilnahme schon recht nahe gerückt.

Österreich – Israel 3:1 (1:1)

Ob er wirklich glaubt, dass Konrad Laimer, wie offiziell vor dem Spiel angegeben, als linker Offensivmann aufgestellt ist, wurde Israels Teamchef vor dem Match am ORF-Mikro gefragt. Herzog lachte herzhaft und antwortete: „Das wäre gut für uns!“

Nur ja nicht planvoll nach vorne spielen

Tatsächlich spielte Laimer, wo er angekündigt war. Wie überhaupt vieles, was das ÖFB-Team machte, gut für Israel war. Nach den aktiven und überaus vorzeigbaren Auftritten beim 4:1 in Skopje, beim 6:0 gegen Lettland und auch beim 0:0 in Warschau verordnete Franco Foda – wie schon im Vorfeld angekündigt – seinem Team wieder einen strikte Vorsichts-Taktik.

Ein Pressing wurde nicht einmal versucht. Israel hatte immer Zeit am Ball und das Glück von Österreich war, dass Israel einfach nicht besonders gut ist und mit all der Zeit so gut wie nichts anzufangen wusste.

Wenn Österreich den Ball erobert hatte, wurde nicht schnell umgeschaltet, sondern erst einmal der Ballbesitz gesichtert. Quer- oder Rückpass, Tempo rausnehmen, ja kein Risiko eingehen. Einigen Spielern merkte man an, dass ihnen diese haarsträubende Taktik kräftig gegen den Strich geht – Lazaro vor allem, mit Fortdauer des Spiels auch Sabitzer. Und, wie eh immer, Arnautovic.

Es war in vielen Kleinigkeiten zu merken, dass das ÖFB-Team deutlich hin- und hergerissen war zwischen „eigentlich eh wollen“ und „wir dürfen nicht“. Wenn etwa Arnautovic sich zurück fallen lässt, Ulmer mit dem Antritt zögert und der Pass nach Außen dann einige Meter entfernt von Ulmer im Aus landet, wie nach etwa 20 Minuten. Oder nach 65 Minuten, als sich Lazaro, Dragovic und Trimmel sekundenlang ratlos ansehen, wie sie den gewonenen Ball jetzt weiter verarbeiten sollen, ohne einen schnellen Gegenstoß einzuleiten.

Dass Zahavi aus einem Weitschuss nach einer halben Stunde das 1:0 erzielte, hatte sich nicht abgezeichnet, war aber die gerechte Strafe für die österreichische Passivität.

Israel schwach, Österreich seltsam

Israel spielte in einer ungewöhnlichen Hybrid-Formation, zwischen 3-4-3 und 3-5-2 – gegen den Ball ließ sich Sechser Bitton noch tiefer fallen, Rechtsstürmer Solomon rückte dann neben Natcho zurück. Der rechte Wing-Back Dasa agierte deutlich tiefer und viel passiver als sein Kollege auf der linken Seite, Tawatha. Herzog ließ seine nominellen Außenstürmer sehr weit im Halbfeld spielen, wodurch sich dort ein Überzahl gegenüber dem österreichischen Drei-Mann-Zentrum ergab.

Nur: Nichts davon spielte wirklich eine Rolle, weil ein Österreich so ungemein passiv war, dass man ohnehin jeden Risiko-Pass scheute, völlig gleichgültig, wie sich Israel aufstellte. Dieser Eindruck verstärkte sich umso mehr, weil drei  bis vier offensivwillige Spieler – Lazaro, Arnautovic, Sabitzer und bis zu einem gewissen Grad auch Laimer – völlig ausreichten, um drei, vier sehr gute Chancen zu kreieren und das Tor zum 1:1 zu erzielen.

Weiter nur individuelle Ideen

Valentino Lazaro spielte nach dem Seitenwechsel, als wäre er in der Halbzeit minutenlang von einem wütenden Foda angeschrien worden, dass er gefälligst nicht so aktiv nach vorne spielen soll. Es gab nämlich fast keine Offensiv-Impulse mehr vom Inter-Legionär, sondern nur noch den Rückwärtsgang.

Dass es im Angriffsdrittel keinen Plan gibt, außer den, den sich die Spieler wie in einem Improvisationstheater gerade selber ausdenken, bestätigte ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel in der Pause im ORF-Interview indirekt sogar. Auch in der zweiten Halbzeit gab es einzelne Bemühungen, viel mit dem Kopf durch die Wand. Sabitzer, Ulmer und Schaub (für Laimer gekommen) schauten, wer gerade irgendwo frei stand, und flankten den Ball in dessen Richtung.

So war es auch beim Tor zum 2:1, als Hinteregger nach einer Ecke noch vorne war, die Flanke zu ihm hin flog und er zwischen drei israelischen Verteidigern den Ball nicht nur annehmen, sondern auch verwerten konnte. Ein Innenverteidiger, mit einem klassischen Stürmer-Tor.

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Andi Herzog packte in der Schlussphase die Brechstange aus, beorderte beide Wings-Backs weit nach vorne in ein 3-1-4-2 mit viel freiem Raum im Zentrum. Ebenso wie sein interessantes, schiefes 3-4-3 zuvor hatte dies aber keinerlei Effekt. Israel blieb spielerisch mittellos und wurde nur aus Weitschüssen und Unsicherheiten von Stankovic gefährlich.

Österreich hingegen blieb auch in der Schlussphase bei seiner offensiven Impro-Spielweise, konnte aber auch ohne großen Plan die Bälle gegen das nun etwas offenere israelische Mittelfeld behaupten. Mit einem Weitschuss-Tor von Sabitzer gelang sogar noch das 3:1, was die endgültige Entscheidung war.

Fazit: Verstörende Taktik, aber EM-Ticket winkt

Vom inhaltlichen Standpunkt her war die Darbietung der Mannschaft von Franco Foda eine Gemeinheit. Ein Spiel, das de facto gewonnen werden musste, wurde angegangen, als spielte man auf ein 0:0. Die Anlage war extrem passiv, es gab keinen mannschaftstaktisch erkennbaren Plan nach vorne und rein invidiuelle Versuche, aus der starren Passivität auszubrechen.

Hätte Österreich so gespielt wie gegen Lettland oder in Nordmazedonien, wäre Israel mit einem fürchterlichen Debakel abgereist. So gab es „nur“ einen 3:1-Sieg von Österreich, der eher nur deshalb zu Stande kam, weil selbst der zweite Gang gegen ein wirklich schlechtes Team aus Israel reichte und weil die Gäste eben nicht „spielerisch gut sind, wenn man sie lässt“, wie es Schöttel behauptete.

Die Wahrheit ist: Österreich hat Israel fast 90 Minuten überwiegend unbehelligt spielen lassen, und gekommen ist praktisch überhaupt nichts.

Der eigentliche Wahnsinn an diesem 3:1-Sieg ist, dass dank des 2:1 von Nordmazedonien gegen Slowenien nun am Sonntag ein Sieg in Ljubljana reicht, um sich mehr oder weniger fix für die WM zu qualifizieren.

Ein Remis daheim gegen Nordmazedonien würden dann die EM-Teilnahme fix machen (sofern die Mazedonier nicht am Sonntag gegen Polen gewinnen). Nach der gegen jede Stärke des Teams angelegte Taktik beim 3:1 gegen Israel aber muss man nicht nur um einen Sieg in Slowenien sorgen machen. Sondern auch fast damit rechnen, dass man gegen Nordmazedonien auch auf ein 0:0 spielt.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.