Real Madrid und David Alaba: Wie passt das?

David Alaba zu Real Madrid – nicht zum ersten Mal ist dieser Transfer im Gespräch, nun ist es aber nicht nur ein Gerücht. Zweieinhalb Monate, nachdem sein Abschied von Bayern München de facto amtlich geworden ist, steht Alaba bei den Königlichen vor der Türe. Für Alaba selbst ist nach langer Suche dieser Wechsel wohl die beste Option. Aber was ist bei diesem Deal für Real Madrid drin?

Das Team von Real Madrid in der laufenden Saison. Wo wird sich David Alaba hier einfügen?

Am 2. Dezember 2015 spielte zum ersten und bis heute auch letzten Mal ein Österreicher in der Kampfmannschaft von Real Madrid. Philipp Lienhart, der bei Real auf 43 Einsätze in der 2. Mannschaft sowie auf sieben Spiele in der Youth League gekommen ist, wurde beim 3:1-Sieg im Cup gegen Cadiz in der Schlussphase eingewechselt.

Lienhart, längst bei Freiburg eine fixe Größe in der Deutschen Bundesliga, ist Innenverteidiger. Die Vermutung liegt nahe, dass auch Alaba bei Real auf dieser Position eingeplant ist.

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Alaba statt Ramos?

Auch der Vertrag von Real-Klublegende Sergio Ramos läuft im Sommer aus, wie bei Alaba und den Bayern macht auch Ramos nicht mehr den unbedingten Eindruck, um jeden Preis beim Klub bleiben zu wollen – Real will nur ein Jahr verlängern, Ramos hätte gerne zwei. Alabas Verpflichtung stellt für Real so gesehen eine Sicherheit dar, sollte Ramos tatsächlich nach 16 Jahren den Klub verlassen. Es soll ein Angebot für Ramos aus der Premier League geben, auch PSG-Sportchef Leonardo wird Interesse nachgesagt.

Ramos‘ Partner in der Innenverteidigung, Raphaël Varane, hat noch bis 2022 Vertrag und ist sieben Jahre jünger als Ramos. Dahinter wird es mit Innenverteidigern aber dünn: Éder Militão, das ist mittlerweile klar, genügt den Anforderungen von Zinédine Zidane nicht und Nacho ist für Zidane ein solider Back-up, aber mit seinen 31 Jahren auch keine langfristige Option mehr.

Alaba statt Mendy?

Ferland Mendy hat, seit er 2019 für viel Geld von Lyon gekommen ist, Marcelo die Planstelle als Linksverteidiger abgenommen. Marcelo, ein Jahrzehnt lang unumstritten auf seiner Position, steht vor dem Abgang von Real. Mendy hat die Defensive bei den Madrilenen spürbar stabilisiert: Mit ihm in der Startelf gab es seit seiner Ankunft in Madrid nur halb so viele Gegentore wie mit Marcelo, ist aber auch ganz generell ein völlig anderer Spielertyp.

Mendy ist kein nach vorne stürmender, verkappter Flügelstürmer, sondern in erster Linie ein Verteidiger. Dadurch muss Ramos nicht mehr für seinen Linksverteidiger mitarbeiten. Mendy ist ein Mann der sicheren Pässe, es fehlt ihm im Aufbauspiel ein wenig an Ambition – hier hätte Alaba fraglos Vorteile gegenüber dem 25-jährigen Franzosen.

Auch möglich wäre natürlich eine analoge Partnerschaft mit Alaba zentral und Mendy links, wie es vor allem in der letzten Saison so paradehaft mit Alaba und dem schnellen Alphonso Davies bei den Bayern funktioniert hat: Mit zwei Verteidigern, die nach vorne denken.

Alaba im Mittelfeld?

Dass sich Alaba selbst immer gerne als Mittelfeld-Kreativspieler betrachtet hat, ist kein Geheimnis, und im Nationalteam – vor allem unter Marcel Koller – durfte er sich auch im Zentrum austoben. Bei Bayern München hat er diese Gelegenheit selten bekommen, seit Pep Guardiola 2016 gegangen ist, nicht einmal mehr sporadisch.

Das kreative Mittelfeld von Real ist mit Kroos (31) und Modric (35) schon sehr auf der alten Seite. Alaba wird keinen der beiden auf ihrer Position ablösen – dafür wird sich Real schon andere namhafte Spieler holen – aber als Rotationsoption ist ein Alaba im Zentrum zumindest kurzfristig nicht auszuschließen.

Eine lohnende Gelegenheit

Aus Sicht von Real Madrid ergibt eine Verpflichtung von Alaba Sinn. Er ist auf vielen Positionen einsetzbar, taktisch sehr variabel. Er hat die Erfahrung von über 400 Einsätzen für Bayern München, er weiß als zweifacher Champions-League-Sieger, wie man Erfolg hat und Leistungsdruck ist ihm nicht fremd.

Er ist 28 Jahre alt, seit zehn Jahren im europäischen Spitzenfußball unterwegs, und dabei doch immer noch sechs Jahre jünger als etwa ein Sergio Ramos – und noch dazu viel disziplinierter: Holt sich Ramos im Schnitt in jedem dritten Spiel eine gelbe Karte ab, waren es bei Alaba selten mehr als zwei pro Saison. Von Ramos‘ 26 Ausschlüssen ganz zu schweigen – verglichen mit keinem einzigen von Alaba im Profibereich (seine einzige rote Karte kassierte Alaba 2008 in der U-17-Bundesliga).

Die ablösefreie Verfügbarkeit von Alaba ist für Real Madrid – trotz eines kolportierten Jahresgehaltes von 11 Millionen Euro – eine angemessen kostengünstige Gelegenheit, mehrerer potenzielle Problemfelder abzudecken. Das Transferbudget selbst wird dadurch nicht belastet, womit davon auszugehen ist, dass Alaba nicht der einzige prominente Name sein wird, der dem tendenziell überalterten Kader etwas Auffrischung verpassen wird. Logische Namen wie Kylian Mbappé (22, PSG) und Erling Håland (20, Dortmund) geistern ebenso durch die Gerüchtespalten wie Mittelfeld-Talent Eduardo Camavinga (18, Rennes) für den Kreativbereich sowie Boubacar Kamara (21, Marseille) als möglicher Back-up für Casemiro.

Mehr Drama als notwenig

Nüchtern betrachtet ist dieser Schritt sowohl für Alaba als auch für Real Madrid ein lohnender. Für beide Seiten gibt es zahlreiche Vorteile und keine nennenswerten Nachteile.

Nur: Ein „Ich möchte eine neue Herausforderung“ oder ein „ich will auch noch eine andere Liga sehen“ hätte Alaba auch mit viel weniger zerschlagenem Porzellan haben können. Er ist mit neun Titeln deutscher Rekordmeister, heuer könnte ein zehnter dazukommen, er ist eine Allzeit-Größe bei Bayern München. Dass sein Umfeld – der erst im März 2020 engagierte Berater Zahavi, Vater George – innerhalb weniger Monate Alabas Image so zielsicher in das eines geldgierigen Bengels dreht, das während einer beispiellosen Krisensituation darum feilscht, ob er nun 15 oder 17 und 20 Millionen Euro im Jahr verdient, war nicht nötig.

Und Alaba selbst muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er selbst nichts dazu beigetragen hat, diesen Eindruck zu zerstreuen – außer einem dünnen „diese Summen stimmen ja gar nicht“ ist da nichts gekommen.

Nur: Dass man bei einem österreichischen Fußballer im Zusammenhang mit einem Wechsel zu Real Madrid davon sprechen muss, dass zumindest ein halbwegs gesichtswahrender Ausweg aus dieser monatelangen, eher unwürdigen Saga gefunden wurde, gab es in der nicht gerade kurzen Geschichte des heimischen Fußballs auch noch nie.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.