Die EM-Teilnahme Österreichs ist gesichert. Dennoch wirkte die Euphorie, die vor allem ORF und Krone (als Medienpartner) sowie Kleine (als nibelungentreue Foda-Freunde) krampfhaft zu verbreiten versuchen, künstlich aufgesetzt und findet – wenn man sich die Kommentarspalten und die Stimmung in den sozialen Medien betrachtet – wenig Resonanz. Das war schon vor der Blamage in Lettland so.
2:1 gegen Mazedonien
Das ÖFB-Motto war „Kontrolle ja, Druck nur bedingt“. Mazedonien stellte sich mit sieben absolut und zwei tendenziell defensiven Feldspielern auf. Man ließ Österreich gewähren und versuchte, die Räume eng zu machen. Das ging nicht lange gut, schon nach sieben Minuten ging Österreich 1:0 in Führung.
Wenn das ÖFB-Team Ballbesitz hatte, war das Tempo nicht hoch und es wurde versucht, mit Chip-Bällen aus dem hinteren Mittelfeld Arnautovic anzuspielen, über die massierte Defensive hinweg. Was es nicht gab: Schnelle Seitenwechsel, Tempoverschärfungen, gegenläufige Laufwege, unerwartete Passwege. Es wurde nichts dafür getan, den Abwehrblock auseinander zu ziehen.
Wenn die Mazedonier im Ballbesitz waren, sah man den Instinkt zum Pressing, den die Spieler haben. Bei Laimer reichten oft zwei, drei Schritte, um für unkontrollierte Abspiele der Mazedonier zu sorgen. Auch Sabitzer und Alaba zeigten gute Anlaufbewegungen. Bei Ballverlusten in der gegnerischen Hälfte wurde schnell in den Gegenpressing-Modus geschaltet. Die Österreicher stellten schnell und geschickt Überzahl in Ballnähe her, kontrollierten den harmlosen Gegner problemlos und hätte nach einer Stunde trotz der zurückhaltenden Offensive schon höher als 2:0 führen können.
Nach 60 Minuten stellte der mazedonische Trainer Igor Angelovski auf ein 4-1-4-1 um, in dem Mazedoniens Achter Bardhi und Avramovski die beiden österreichischen Sechser Laimer und Baumgartlinger in Manndeckung nahmen. Damit nahmen sie dem ÖFB-Team die Ruhe in der Ballzirkulation und die Kontrolle im Mittelfeld. Das österreichische Spiel stockte und es wurde auch nichts unternommen, um sich aus der Mannorientierung zu befreien oder drumherum zu spielen.
Das war eine alarmierende Kopie der EM 2016, wo dies als die größte taktische Schwäche der Ära Koller offenbart wurde. Das mazedonische Tor in der Nachspielzeit war letztlich bedeutungslos, angesichts der fehlenden Reaktion in der Schlussphase aber folgerichtig.
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0:1 in Lettland
Mit der nun endgültig fixierten EM-Teilnahme sparte Franco Foda dem halben Team die Reise nach Riga und schickte eine Experimental-Elf ins Match gegen das punktelose Schlusslicht. Besonders viel überlegt hat man sich im Lager des ÖFB für diese Pflichtaufgabe aber offenbar nicht.
Es wurde heftig aneinander vorbei gespielt. Das System war eher ein 4-3-3, das Zentrum zeigte keinerlei Abstimmung. Ilsanker wich zuweilen auf die Linksausßen- und die Zehnerposition aus, Grillitsch fand keine Räume und keine Mitspieler. Weil die linke Hand nicht zu wissen schien, was die rechte macht, ergaben sich immer wieder Löcher. In diesen stießen die Letten oft durch.
Die Stürmer – allesamt eher auf der wendigen, nicht auf der robusten Seite – wurden vornehmlich hoch angespielt. Maximilian Wöber ließ nach dem Spiel durchklingen, dass er dies für den Blödsinn hielt, der es war. Es kam praktisch kein vernünftiger Schuss auf das Tor der Letten, die nach einer Stunde nach einem Eckball in Führung gingen. Bei Österreich kamen Onisiwo, Hinterseer und Ranftl für Baumgartlinger, Goiginger und Ilsanker ins Spiel, wodurch das Chaos noch größer wurde. Sie wirkten planlos und panisch aufs Feld geworfen. Es gab hilflose Weitschüsse und viele Einzelaktionen, aber keine Idee und wenig Input.
Der Murks von Riga verbreitete das Gefühl, dass sich niemand ernsthaft mit diesem Spiel beschäftigt hat, entsprechend hilflos spielte die umformierte Truppe aneinander vorbei. Das ist menschlich verständlich, es ist aber auch unprofessionell und vor allem den in Riga eingesetzten Spielern gegenüber unfair. Einfach elf Leute auf den Spielbericht schreiben und das Match absolvieren, weil man’s halt muss, reicht selbst gegen dieses wertlose lettische Team nicht.
Man hat den Eindruck, es hat sich auch niemand mit dem Match beschäftigt. Wer ist mitgekommen? Du, du, du, du und du. Aha, drei ZM, na gut, dann spielts halt irgendwas 4-3-3-artiges. Passt scho. Gemma.
— Philipp Eitzinger (@PEitzinger) November 19, 2019
Gut wenn aktiv, schlecht wenn passiv
Die Pflicht in Form des zweiten Platzes in einer sagenhaft schlechten Gruppe wurde erreicht. Wie vom Kollegen Tom Schaffer schon dargelegt: Alles andere wäre angesichts der individuellen Klasse und der grundsätzlichen Stärke des ÖFB-Kaders eine Blamage annähernd auf Landskrona-Niveau gewesen. Von Potenzial und Kaderbreite her ist Österreich mit großem Abstand das beste Team der Gruppe gewesen.
Was diese Qualifikation gezeigt hat: Seine besten Momente hat dieser Kader mit diesen Spielern, wenn er agiert, wie es den Stärken und den Fähigkeiten entspricht: Nach vorne, hohes Pressing, schnelles Umschalten. Das war beim 4:1 in Skopje zu sehen, auch in der ersten halben Stunde in Israel, ebenso in beiden Spielen gegen Polen – es wurde zwar nur ein Punkt, aber gemessen an den Leistungen wären mindestens vier korrekt gewesen.
Andererseits wurde vor allem im Heimspiel gegen Israel extrem deutlich, dass sich den Spielern innerlich alles sträubt und es ihnen eine greifbare Seelenqual bereitet, eine ganz offensichtlich gegen ihren Willen und noch offensichtlicher gegen ihre Fähigkeiten ein Passiv- und Defensivspiel umgehängt wird. Und bei der sichtlich unvorbereiteten Horror-Show von Riga gab’s, wie es aussah, nicht einmal das.
Dem Pragmatiker Koller folgte der Dogmatiker Foda
Marcel Koller ließ jenen Fußball spielen, der das ÖFB-Team in diesem Jahrzehnt prägte: Pressing, Eigeninitiative, nach vorne denkend. Er leitete ab dem Frühjahr 2012 diese Entwicklung ein, unterstützt ab dem Sommer 2012 von der zu diesem Zeitpunkt installierten Red-Bull-Pressingphilosophie. Letztlich ist Marcel Koller in seiner schweizerischen Seele aber kein Draufgänger, kein Risiko-Apostel – sondern ein ganz nüchterner Pragmatiker.
Das ist der Fußball, der zu diesen Spielertypen passt. Das ist der Fußball, mit dem die größte Chance auf Erfolg besteht. Also wird dieser Fußball auch gespielt.
Franco Foda hingegen ist – obwohl im Zusammenhang mit seinem Stil oft von Pragmatik die Rede ist – gerade das nicht. Er denkt Fußball nicht als Spiel, in dem es darum geht, Fehler beim Gegner zu provozieren. Sondern als Spiel, in dem eigene Fehler zu vermeiden sind. Das Sicherheits-Denken steht bei ihm ganz oben und so lässt er sein Team auch spielen.
Das ist NICHT der Fußball, der zu diesen Spielertypen passt. Dies ist der Stil, den Foda haben will, und er presst ihn der Mannschaft auf, ob es nun passt oder nicht. Das macht ihn eher zum Dogmatiker.
Die Spieler können sicher. Aber Foda und Schöttel?
Wenn ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel im Standard-Interview sagt, das ÖFB-Team könne gar nicht wie Salzburg oder der LASK spielen, weil die gemeinsame Zeit dafür zu knapp ist, ist das nichts anderes als 1.) eine glatte Lüge und 2.) eingestandene Inkompetenz.
Schöttel tut so, als hätten er und Foda bei Null anfangen müssen. Dabei müssten sie, was den Stil von Salzburg und dem LASK angeht, praktisch gar nichts etablieren. Es ist alles schon da. DREIZEHN aktuelle oder ehemalige Leute von Red-Bull-Klubs bzw. dem LASK sind im Kader. Dazu kommen Namen wie Alaba (der bei Guardiola gelernt hat), Arnautovic und Baumgartlinger (die das bei Koller schon exzellent gespielt haben) sowie Grillitsch und Posch, die unter Nagelsmann spielten.
Fast der ganze Kader presst auch im Klub ständig. Die einzigen, die Pressing-Fußball österreichischer Stärke nicht kennen, sind Franco Foda und Peter Schöttel.
Der jahrelang bei Sturm Graz zuletzt solide, aber zumeist phantasielose Foda und der einstige Manndecker Schöttel, der in seiner Trainerlaufbahn u.a. bei Rapid dazu beitrug, dass die heimische Bundesliga in vorsichtiger Passivität erstarrte und die Rieder unter dem gerissenen Paul Gludovatz zweimal Herbstmeister werden konnten, passen so gesehen gut zusammen.
ÖFB-Präsident Leo Windtner wurd schon gewusst haben, warum er nach dem Heimsieg gegen Israel im ORF-Interview gemeint hat, er hebe noch ein paar graue Haare für die verbleibenden Spiele auf.
Hab versucht, IRL-DEN anzusehen. Geht nicht. Kann das konsequent mit zwei, drei Mann bis zum irischen Goalie durchgezogene dänische Pressing nicht ansehen, ohne mich über den Schisser-Passiv-Fußball zu ärgern, den Foda seiner Truppe wie eine Zwangsjacke gegen ihre Natur aufzwängt
— Philipp Eitzinger (@PEitzinger) November 18, 2019
Einen Tag vor dem ÖFB-Match in Riga spielten Irland und Dänemark im direkten Duell um ein EM-Ticket. Das Spiel fand in Dublin statt, den Dänen reichte ein Punkt.
Sie spielten aber nicht auf Abwarten und versuchten das Remis zu halten. Nein: Es gingen stets drei Spieler vorne aggressiv auf den irischen Ballführenden, selbst Torhüter Randolph wurde gedoppelt. Irland bekam nicht mal die Zeit, um lange Bälle nach vorne schlagen zu können.
Dänemark ist personell nicht stärker besetzt als Österreich, aber die Herangehensweise könnte nicht unterschiedlicher sein. Die Iren kamen zwar nach dem Seitenwechsel besser ins Spiel, aber die Dänen gingen in Führung. Kurz vor Schluss glichen die Iren noch aus, aber die Dänen hatten auswärts mit hoher Aktivität das Heimteam lange vor große Probleme gestellt und sich verdientermaßen die EM-Teilnahme gesichert.
Österreich hingegen war in einem Heimspiel gegen Israel, das gewonnen werden musste, so dermaßen passiv unterwegs, dass die Herangehensweise die eigenen Spieler verunsicherte und einen kaputten Gegner stark machte. Warum?
Und glaubt man wirklich, dass dies der Weg ist, um das Team weiter zu entwickeln – oder sollte man nicht vielleicht doch einmal schauen, was sich auch innerhalb des ÖFB an praktischer Weiterentwicklung einer über Jahre entwickelten Spielidee machen lässt? Man kann davon ausgehen, dass Foda und Schöttel die Telefonnummer (und die Büro-Nummer) von Dominik Thalhammer kennen.
Die Gruppen, die Auslosung, das Playoff
Tatsächlich könnten – obwohl Andi Herzog mit Israel die erstaunliche Leistung vollbracht hat, selbst in dieser wirklich nicht guten Gruppe G mit Israel Vorletzter zu werden – am Ende VIER Teams aus der Österreich-Gruppe bei der EM dabei sein. Die Auslosung findet Ende nächster Woche in Bukarest statt. Es ist aber gut möglich, dass man beim ÖFB bis März nur zwei der drei EM-Gegner kennt.
In den vier Playoff-Zügen, die sich aus den Ergebnissen der Nations League im Herbst 2018 ergeben, ist noch nicht alles klar. Fix ist aber, dass Bosnien, Irland, Nordirland und die Slowakei um einen Platz in der EM-Gruppe E mit Spanien spielen. Klar ist auch, dass einer aus dem Quartett Nordmazedonien, Georgien, Weißrussland und Kosovo bei der Endrunde dabei sein wird.
Aber dann wird es kompliziert. Schottland, Norwegen und Serbien sind auf jeden Fall im selben Playoff-Ast, ein Team kommt noch dazu. Island ist das einzige Team aus der Nations-League-Topgruppe, das die Playoffs braucht. Die vier verbleibenden Playoff-Teilnehmer sind Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Israel. Diese müssen per Auslosung am Freitag, dem 22. November, aufgeteilt werden.
Für die Haupt-Auslosung am 30. November stehen die Gruppenköpfe bereits fest – mit Italien (A), Belgien (B), Ukraine (C), England (D), Spanien (E) und Deutschland (F). Die weiteren Töpfe:
Zwei: Russland (fix B), Holland (fix C), Frankreich, Polen, Schweiz, Kroatien
Drei: Dänemark (fix B), Portugal, Türkei, Österreich, Schweden, Tschechien
Vier: Wales, Finnland und die vier Playoff-Sieger
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