Das Leistungsgefälle ist, allen Fortschritten der Mittelklasse zum Trotz, im Frauenfußball immer noch gewaltig. Das heißt: Schwächere Teams bunkern sich gegen bessere extrem hinten ein und verbarrikadieren die gefährliche Zone vor dem Tor. Nun gehört Österreich mittlerweile auch zu den stärkeren Nationalteams.
Das dadurch entstehende Dilemma: Die auf extrem aggressives Pressing und hohe körperliche Robustheit ausgelegte Spielanlage kann oftmals nicht zur Anwendung gebracht werden, weil der Gegner den Ball gar nicht haben will und man dadurch auch niemanden anpressen kann. Darum ist ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer gezwungen, der Mannschaft eine zweite, völlig entgegengesetzte Spielanlage einzuimpfen. Dazu dient der kommende Cyprus Cup.
Vier Monate ist das letzte Länderspiel der ÖFB-Frauen nun her. Das 1:0 in der EM-Quali in Israel war ein furchbar zähes Spiel: Über 500 Pässe spielte Österreich da, hatte um die 80 Prozent Ballbesitz, kreierte aber kaum echte Torgefahr gegen einen ultra-defensiven Gegner. „Es muss uns gegen solche Teams besser gelingen, zwischen die Linien zu kommen und auch konsequenter dorthin kommen, wo es zählt – in den Strafraum, vor das Tor“, fordert Teamchef Thalhammer, der zuletzt zum sportlichen Leiter der Traineraus- und -fortbildung im ÖFB befördert wurde.
Anders gesagt: Viel Ballbesitz alleine bringt gar nichts, wenn man nicht vors Gehäuse kommt. Genau das kann im zweiten Gruppenspiel gegen Ungarn (am 4. März) trainiert werden. Thalhammer erwartet ein ähnliches Spiel wie vor genau einem Jahr, als Österreich beim Istrien Cup gegen Ungarn spielte und in einem ähnlichen Spiel wie zuletzt in Israel ebenso 1:0 gewann.
Irland, Ungarn, Italien
Dafür will Thalhammer eine erhöhrte System-Flexibilität etablieren. Vom 4-4-2, das in den letzten Jahren immer die Basis war, ging man im Herbst schon oftmals zugusten eines 4-2-3-1 ab, aber generell soll das System selbst den Gegebenheiten nahtlos angepasst werden können. Gegen Irland, zwei Tage davor, wird Österreich wohl ein wenig eher die in den letzten Jahren gewonnene körperliche Robustheit ausspielen können, mit der man das irische Team schon letztes Jahr in Istrien bis zum Gehtnichtmehr genervt hat.
Im letzten Gruppenspiel dürfte dann wieder der komplette Furor des ultra-aggressiven Pressings ausgepackt werden, den Österreich gegen die stärkeren Teams in den letzten Jahren ausgezeichnet hat – wenn die Italienerinnen sie lassen. In ihrem letzten Spiel gegen ernst zu nehmende Konkurrenz nämlich, im Herbst in der EM-Quali gegen die Schweiz, gefiel sich Italien darin, mit einem 4-3-3 und einer flachen Offensivreihe die gegnerische Spieleröffnung durch Stellungsspiel zu kappen.
Womoglich wird, so seltaam das klingen mag, dieses Spiel mehr über Italien aussagen als über Österreich. Italien, Viertelfinalist der letzten EM, ist in der Theorie ein Team der erweiterten europäischen Spitze, in der Praxis aber ein Scheinriese auf der Suche nach sich selbst.
Der nationale Meister Verona hatte die ärgste Mühe, im Herbst im Europacup den österreichischen Vertreten St. Pölten zu eliminieren (5:4 und 2:2), die beste Spielerin der letzten 20 Jahre, Patrizia Panico, hat mit 41 Jahren nun doch ihre Team-Karriere beendet, und bis auf Melania Gabbiadini (die Schwester von Napoli-Stürmer Manolo) und Bayern-Linksverteidigerin Raffaela Manieri (die im Nationalteam Innenverteidigerin spielen muss) ist keine Akteurin von europäischer Klasse in Sicht. Orientiert sich Cabrini an der österreichischen Spielanlage oder will er selbst das Spiel in die Hand nehmen? Kühne Prognose: Stellt sich Italien eher passiv mit den der Offensiven vor die österreichische Eröffnung, hat Italien gute Karten. Will Italien spielen, kann es aber schlimme Dresche von Österreich geben.
Das bisher einzige Spiel Österreichs gegen Italien (wo 1982er-Weltmeister Antonio Cabrini der Teamchef ist) wurde vor drei Jahren 1:3 verloren, das war in der Frühphase des sich entwickelnden österreichischen Pressing-Spiels: Vorne wurde kräftig drauf gegangen, im Mittelfeld aber nicht nachgerückt. Es war auch das letzte Spiel von Marion Gröbner, Susi Höller und der eingewechselten Maria Gstöttner, zwei langjährigen Stützen des ÖFB-Teams.
Das Spiel in Larnaca ist nun eine schöne Vergleichsmöglichkeit. Danach wartet noch ein viertes Spiel bei diesem Turnier, das Platzierungsspiel – gegen ein Team aus der anderen Gruppe. Dort spielen Turnier-Organisator Finnland, dazu Wales, Polen und Tschechien. Was passiert, sollte es zu einem Spiel gegen Wales kommen, ist nicht ganz klar, schließlich sind die Waliserinnen Gegner von Österreich in der derzeit laufenden EM-Quali. „Das wäre subobtimal“, sagt auch Thalhammer, „andererseits kennen wir uns ohnehin in- und auswendig. Zudem stellt sich die Frage, ob man das Spiel dann wirklich ernst nimmt.“
Ob es möglich ist, bei einem etwaigen Platzierungsspiel gegen Wales den Modus kurzfristig umzudrehen (es ist am Ende ja doch nur ein Test-Turnier, keine Pflichtspiel-Veranstaltung), sei mal dahingestellt. Gegen Finnland spielte Österreich in der letzten Quali für die WM 2015 (1:2 in Turku und 3:1 in Wr. Neustadt), gegen Tschechien in der Quali davor für die EM 2013 (1:1 in Vöcklabruck und 3:2 im Schlüsselspiel in Prag), beide ließ man hinter sich. Am interssantesten wäre wohl ein Duell gegen Polen, da liegen die letzten Spiele nämlich schon lange zurück: In der Quali für die EM 2009 verlor Österreich 0:1 in Freistadt und gewann 4:2 in Kutno, mit Carina Wenninger und Nina Burger sind aber nur noch zwei Spielerinnen von damals noch mit dabei.
Ein Wort zum ÖFB-Kader: Grundsätzlich sind alle dabei, bis auf Offensiv-Allrounderin Lisa Makas (erneuter Kreuzbandriss) und Goalie Anna-Carina Kristler (beruflich verhindert).
Olympia-Qualifikation
Zeitgleich wird noch an jeder Menge anderen Orten Frauenfußball gespielt. Vor allem in der Olympia-Quali geht es heiß her.
In Rotterdam rittern Holland, Norwegen, Schweden und die Schweiz um den letzten europäischen Platz im olympischen Turnier in Brasilien im Sommer, nachdem Deutschland und Frankreich ihr Ticket schon bei der WM letztes Jahr gebucht haben (England als bestes europäisches Team der WM darf ja nicht mitmachen, weil sich die anderen Home Nations querlegen).
Nun spielen also die vier im Achtelfinale der WM eliminierten europäischen Teams aus, wer die Deutschen (im letzten Turnier unter Silvia Neid) und Frankreich begleitet. Norwegen (Österreichs Gruppengegner in der EM) planiert Test- und Qualigegner unter dem neuen Teamchef Roger Finjord nach Belieben (4:0 gegen Wales, 6:0 gegen Rumänien, 4:0 in Schottland – nur gegen Frankreich gab’s zuletzt ein knappes 0:1); die Schweiz besiegte auswärts in der EM-Quali Italien und sieht stabil (wenn auch nicht vesinders aufregend) aus, der kommende EM-Gastgeber Holland ist unter dem neuen Trainer Arjan van der Laan überhaupt noch ungeschlagen (mit Siegen gegen Weltklasse-Team Frankreich, WM-Finalist Japan und zweimal gegen Dänemark). Nur die Schweden scheinen sich nach der katastrophalen WM noch immer nicht zurück in die Spur begeben zu haben. Wer sich da durchsetzt? Unmöglich vorherzusagen. Hier geht’s wirklich um was – kein Wunder, dass Eurosport statt (wie in den letzten Jahren) den Algarve Cup heute die Olympia-Quali überträgt.
Parallel werden in Osaka die beiden asiatischen Tickets ausgespielt. Japan gilt in dem Mini-Turnier als Favorit, China und Australien (beide im WM-Viertelfinale) sind die heißesten Kandidaten auf den zweiten Platz. Nordkorea (bei der WM ausgeschlossen) und Südkorea (im WM-Achtelfinale) haben wohl nur Außenseiterchancen, Vietnam gar keine.
Schon letzte Woche wurde das CONCACAF-Quali-Turnier absolviert, wie erwartet kamen da Weltmeister USA und WM-Viertelfinalist Kanada durch (das konsequenzlose Finale des Turniers gewann die USA mit 2:0), dahinter ist nun endgültig klar, dass Costa Rica als klare Nummer drei des Kontinents Mexiko deutlich den Rang abgelaufen hat.
USA, Algarve, Istrien
Weil Schweden und Norwegen, zwei Stammgäste beim Algarve-Cup, eben indisponiert sind, verlor das prestigeträchtigste März-Turnier deutlich an sportlichem Stellenwert, weswegen die USA nun ihr eigenes Turnier ausrichtet – den „SheBelieves Cup“, mit Deutschland, England und Frankreich. Vier der fünf besten Nationalteams der Welt treffen da in Tampa, Nashville und Boca Raton aufeinander. Ein Leckerbissen.
Ohne die USA, Deutschland, Norwegen und Schweden kommt der Algarve Cup heuer extrem gerupft daher. Statt der üblichen 12 sind es diesmal nur acht Teilnehmer, darunter auch Kanada – dieses Team spielte, wie Frankreich, England und Holland, traditionell immer beim Cyprus Cup mit. Womit dieses Turnier, das Österreich nun erstmals bestreitet, auch nicht mehr ganz das Niveau der letzten Jahre hat.
Umso wichtiger, dass es mit einer österreichischen Teilnahme in Zypern klappte, denn der Istrien-Cup (wo Österreich ja letztes Jahr spielte) ist heuer komplett wertlos und in dieser Form sicher nicht dauerhaft überlebensfähig. Neben den drittklassigen Teams aus Kroatien, Slowenien, der Slowakei und Nordirland füllen die B-Teams von Frankreich und Ungarn, die U-23 der USA und die U-20 aus Polen das Feld auf. Die Zweitverwertungen des USWNT und der Équipe Tricolores sollten das unter sich ausmachen, im Normalfall.
Der Kader für den Cyprus Cup
Österreich: Tor: Jasmin Pal (19, Innsbruck, 0 Länderspiele/0 Tore), Manuela Zinsberger (20, Bayern/GER, 13/0). Abwehr: Verena Aschauer (22, Freiburg/GER, 26/3), Barbara Dunst (18, St. Pölten, 1/0), Virginia Kirchberger (22, Köln/GER, 30/0), Sophie Maierhofer (20, Werder Bremen/GER, 6/1), Katharina Schiechtl (22, Werder Bremen/GER, 8/2), Viktoria Schnaderbeck (25, Bayern/GER, 43/2), Lisi Tieber (25, Neunkirch/SUI, 23/1), Carina Wenninger (25, Bayern/GER, 48/3). Mittelfeld: Jasmin Eder (23, St. Pölten, 24/0), Laura Feiersinger (22, Bayern/GER, 35/6), Jenny Pöltl (22, St. Pölten, 31/3), Nadine Prohaska (25, St. Pölten, 55/7), Sarah Puntigam (23, Freiburg/GER, 53/9), Sarah Zadrazil (23, Eastern Tennessee/USA, 28/2). Angriff: Nici Billa (19, Hoffenheim/GER, 13/6), Nina Burger (28, Sand/GER, 70/38), Stefanie Enzinger (25, Sturm Graz, 1/0), Simona Koren (22, Eastern Tennessee/USA, 6/0).