Frauen-Testländerspiel
Jacques-Lemans-Arena, St. Veit, 7. April 2013
Österreich - Italien
1-3
Tore: 21' Makas bzw. 5' Panico, 20' Parisi, 35' Tona

Keine Kontrolle im Zentrum, zu wenig mutiges Aufrücken – 1:3 gegen Italien

Erstmals seit 1995 wieder ein Frauen-Länderspiel in Kärnten – und dann gleich gegen eines der besten Teams Europas: Die ÖFB-Frauen verloren ihren Testlauf gegen Italien zwar mit 1:3, aber es gibt jede Menge Erkenntnisse, die man aus der Partie ziehen kann. Vor allem jene, dass der Druck auf die gegnerische Spieleröffnung noch nicht klappt – weil dahinter zu wenig mutig aufgerückt wird.

Österreich - Italien 1:3 (1:3)
Österreich – Italien 1:3 (1:3)

Das Ziel von Teamchef Thalhammer in diesem Jahr, bis zur im September startenden WM-Quali: „Im Ballbesitz besser werden. Also mir mehr Geduld das Spiel kontrollieren und konsequenter daraus Torchancen kreieren – dass wir gegen Armenien nur sieben Tore in den zwei Spielen erzielt haben, hat uns letztlich die Direkt-Quali für die EM gekostet!“ Der Ansatz des kompakt Verteidigens und schnellen Umschaltens hatte beim überraschenden 3:1 gegen Dänemark gut funktioniert. Gegen Punktelieferanten wie Armenien gab es hingegen glanzlosen Pflichtsiegen, aber nicht den nötigen Schützenfeste, weil genau diese Konsequenz im eigenen Ballbesitz fehlte.

Am wichtigsten ist es aber, sich gegen Mittelklasse-Mannschaften und Teams auf Augenhöhe zu verbessern, wenn der zuletzt klar erkennbare Aufwärtstrend bestätigt werden soll. Gegen Portugal mühte man sich zweimal ordentlich ab und kam jeweils zu 1:0-Zittersiegen, im Play-Off gegen Russland entwickelte man nicht die nötige Torgefahr, obwohl man in drei der vier Halbzeiten die optisch überlegene Mannschaft war.

Überlegenes italienisches Zentrum

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Stehend v.l.n.r.: Camporese, Gabbiadini, Manieri, Marchitelli, Tona. Hockend v.l.n.r.: Di Criscio, Parisi, Tuttino, Panico, Stracchi, Gama

Da Italien kein Team auf Augenhöhe ist, sondern das laut Weltrang- und auch EM-Setz-Liste sechstbeste Team Europas, wurde in diesem Test die (neben der Routine der jungen Mannschaft) wohl größte Schwäche der ÖFB-Frauen deutlich: Die fehlende körperliche Robustheit. Diese war zwar nicht ursächlich für die drei Gegentore (beim 0:1 ließ man Panico zu viel Platz, das 0:2 war ein direkter Freistoß und das 1:3 eine schlecht verteidigte Freistoß-Flanke) – sehr wohl aber für die Tatsache, dass Italien das Spiel zumeist recht problemlos im Griff hatte.

Vor allem das Trio im zentralen Mittelfeld von Cabrinis 4-3-3 agierte sehr konzentriert und überlegen. Stracchi, die den Sechser gab, harmonierte gut mit Parisi (halblinks) und der oft leicht vorgerückten Tuttino (halbrechts bzw. zentral). Die drei erstickten jeglichen Versuch Österreichs, über Puntigam und Prohaska einen zentralen Spielaufbau aufzuziehen, im Keim. Nicht nur also, dass man in und um den Mittelkreis in Überzahl war, man hatte eben auch noch körperliche Vorteile.

Und diese auch dabei nützte, sich zweite Bälle zu holen. Fast immer gingen zwei Italienerinnen aggressiv auf eben diese und fast immer holten sie sich diese auch. Das Resultat war nicht nur konsequentes Verhindern österreichischer Chancen, sondern auch das leichte kreieren eigener und ein gutes zusätzliches Unterbinden eines Aufbauspiels von Österreich.

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Das blau markierte Mittelfeld-Trio Italiens (Spielrichtung <–) hatte das Zentrum gegen das Österreich-Duo (Spielrichtung –>) immer komplett im Griff.

Österreich: Probleme auch auf Außen…

Im Zentrum fehlte bei Österreich Viki Schnaderbeck, das machte sich natürlich zusätzlich bemerkbar – wiewohl sie zuletzt im Bayern-Dress gegen das aggressive Mittelfeld-Pressing der ähnlich körperbetont agierenden Mannschaft aus Essen auch so ihre Probleme hatte. Puntigam und Prohaska ist allerdings das logische zentrale Duo in Abwesenheit der etatmäßigen Taktgeberin.

Deutlich mehr zum Improvisieren gezwungen war Thalhammer auf der linken Seite. Mit Hanschitz, Kirchberger und Aschauer fehlten ihm drei der fünf Spielerinnen, die normal für die zwei Plätze dort in Frage kommen; und mit Prohaska wurde die vierte im Zentrum gebraucht. So stellte er US-Legionärin Zadrazil (beim letzten Spiel in Belgien noch zentral) auf die linke Mittelfeld-Seite im 4-4-2, dahinter probierte er nicht Jenny Pöltl – wohl auch, weil die kleine 19-Jährige gegen die wuchtige und routinierte Gabbiadini ein ziemliches Mis-Match gewesen wäre – sondern Lisi Tieber.

…und zwar rechts…

Auf der rechten Seite im 4-4-2 agierte mit Marion Gröbner und Laura Feiersinger das Stamm-Duo, allerdings mit Problemen sowohl im Spiel nach vorne als auch in jenem nach hinten. Diese Seite ist die starke der Italienerinnen. Das Spiel der Azzurre ist praktisch komplett auf Mittelstürmerin Patrizio Panico (die schon 1997 im EM-Finale gespielt hat) und Linksausßen Elisa Camporese ausgerichtet, unterstützt von der stark aufrückenden Linksverteidigerin Manieri. Vor allem ihr Aufrücken verursachte immer wieder Unstimmigkeiten beim Übergeben zwischen Gröbner und Feiersinger.

Vor allem, weil Feiersinger – die zwei Tage vor dem Spiel 20 Jahre alt geworden ist – ihrer Form ziemlich hinterher läuft. Im 3-4-3-Experiment von Bayern-Trainer Thomas Wörle muss sie den Wing-Back geben. Das verlangt eine defensivere Grundausrichtung, als es ihrem Naturell entspricht. So ging ihr zuletzt für ihren Klub schon genau jener beinahe unbändige Zug nach vorne ab, mit dem sie etwa letztes Jahr das Spiel gegen Portugal entschieden hat. Auch in dieser Partie gegen Italien war sie sehr zögerlich im Drang nach vorne, verschleppte oft und kam nicht in die Zweikämpfe.

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Wen Susi Höller sucht? Nina Burger, die bei der Platzwahl ist und zu spät zum Team-Foto kommt! Stehend v.l.n.r.: Wenninger, Kristler, Höller, Gröbner, Tieber, Puntigam. Hockend v.l.n.r.: Prohaska, Feiersinger, Makas, Zadrazil

…wie auch links

Auf der anderen Seite war Tieber der Unsicherheitsfaktor. Dass sie bei in der deutschen Bundesliga bei ihrem Klub Sindelfingen im Herbst unregelmäßig und im Frühjahr noch gar nicht zum Einsatz gekommen ist, merkt man ihr leider an. Die italienischen Angriff liefen zumeist an ihrer Gegenspielerin Gabbiadini vorbei – obwohl es der österreichischen LV sichtlich am Timing fehlte. Alles eine Frage der Matchpraxis.

Die Tatsache, dass die Seite von Gabbiadini und Gama jene war, über die bei den Gästen deutlich weniger ging, konnte aber nicht ausgenützt werden. Vor Tieber verbreitete auch Zadrazil nicht direkt den totalen Unternehmungsgeist. Damit waren beide Außenbahnen im Spiel nach vorne keine großen Hilfen.

Druck auf die Spieleröffnung

Ein Plan, mit Italien umzugehen, war Ausüben von Druck auf die Spieleröffnung. Das war in erster Linie natürlich der Job der Stürmerinnen Nina Burger und Lisa Makas. Das Problem bei der Sache: Der Rest der Mannschaft rückte nicht entsprechend nach, wodurch sich im Rücken der beiden teilweise riesige Räume bilden konnten, die Italien genüsslich bespielen konnte. Siehe folgendes Bild:

Nicht von den vielen bunten Stichen und Kästen verwirren lassen! Erklärung im Text.
Nicht von den bunten Stichen und Kästen verwirren lassen! Erklärung im Text.

Tpyische Szene: Burger und Makas (grüner Kasten) pressen, dahinter kommt nichts nach. Wenn es Italien geschafft hat, den Ball ins Mittelfeld zu bekommen, gab’s Platz. In diesem Beispiel steht zwischen der Ballführenden Stracchi und vier (!) Anspielstationen (die blauen Kästen v.l.n.r.: Panico, Gabbiadini, Tuttino, Gama) nur eine einzige Österreicherin (Prohaska, ganzer roter Kasten). Weil Zadrazil (verdeckter roter Kasten) HINTER drei Italienierinnen steht und die Abwehrkette anders als die Mittelfeldkette zwar kompakt ist, aber ebenso wenig aufrückt.

Der österreichische Angriff

Einen im Großen und Ganzen guten Eindruck hinterließ bei Österreich Lisa Makas: Sie zeigte in ihrem ersten Start-Elf-Einsatz seit letztem August nicht nur ein Tor (trockener Schuss aus halblinker Position aus etwa zehn Metern), sondern hatte noch zwei weitere gute Möglichkeiten. Die 20-Jährige ist jetzt schon auf Rang sechs in der ewigen Torschützenliste der ÖFB-Frauen (hinter Stallinger, Burger, Scheubmayr, Aigner und Spieler). Es wäre aber noch mehr drin, wenn sie etwas weniger umständlich spielen würde: Sie neigt oft dazu, denn Ball zu halten und damit auf Mitspieler zu warten, wenn ein eigener Versuch die bessere Option wäre.

Nina Burger, in Abwesenheit von Marlies Hanschitz Kapitänin, ließ sich eher etwas zurückfallen. Sie versuchte, stets anspielbar zu sein, man hatte allerdings den Eindruck, dass sie zwischen Mittelfeld-Helfen und Als-Spitze-Spielen etwas hin- und hergerissen war. Eine logische Folge der Unterlegenheit im Zentrum.

Groß auf die Auswechslungen bei Österreich einzugehen, lohnt nicht – alles waren Direkte, welche den Lauf des Spiels kaum beeinflussten. Sehr wohl bemerkenswert ist allerdings, dass es bei Italien genau zwei Akteure gibt, die nicht zu ersetzen sind – Panico und Camporese. Diese beiden bilden die alles entscheidende Achse. Nach all den anderen Wechseln – Cabrini ließ nur drei Feldspielerinnen 90 Minuten absolvieren – änderte sich die defensive Kontrolle kaum.

Aber ohne Panico (nach einer Stunde raus) und Camporese (nach einem Zweikampf mit Gröbner angeschlagen zur Halbzeit raus) ging nach vorne praktisch nichts mehr. Ein Umstand, der vor allem für Italiens EM-Gruppengegner Schweden, Dänemark und Finnland interessant ist.

Fazit: Bekanntes bestätigt, Neues gelernt

Niemand konnte erwarten, dass es gegen Italien einen Sieg gibt – es ging nur um die Erkenntnisse aus einer Partie gegen einen Top-Gegner. Und die gab es. Weniger natürlich, dass es an der Robustheit fehlt, an der Routine ebenso, und das man auf eine Feiersinger in guter Form und eine Schnaderbeck in der Zentrale nur schwer verzichten kann. Das wusste man.

Aber: Der Druck auf die gegnerische Spieleröffnung war nicht effektiv, weil dahinter zu wenig nachgerückt wurde und dadurch Räume entstanden. Das ist Detailarbeit, das braucht Zeit, dazu natürlich den Mut, das auch gegen ein Team wie Italien durchzuziehen. Aber bis zum Start in die WM-Quali gibt’s ja noch ein paar Testläufe.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.