Schöner Mist! Was soll’s. Positiv bleiben.

Schon wieder so eine Scheißgruppe also. Nichts wurde es etwa mit Ungarn aus dem zweiten Topf, nichts mit Finnland oder Lettland aus dem vierten. Nein, es wurde mit Montenegro eine der echten Gemeinheiten aus der vierten Kategorie und mit Schweden was richtig Ungutes aus der zweiten. Schöner Mist.

Nicht, dass das alles unschlagbare Truppen wären und man das Ziel, sich für die EM 2016 zu qualifizieren, jetzt schon abschreiben kann. Österreich kann diese Gruppe, wenn’s richtig gut läuft, sogar gewinnen. Österreich kann aber genauso Vierter werden.

Aufgepasst vor Montenegro

So könnte ein Tiroler Nationalteam aussehen
So könnte ein Tiroler Nationalteam aussehen

Mal ehrlich: Eine „Nationalmannschaft“ des Bundeslandes Tirol würde, bei allem Respekt vor den besten Kickern dieses Bundeslandes, nicht gerade Angst und Schrecken verbreiten. Dass es auf Größe und Einwohnerzahl des Landes nicht ankommt, beweist aber das in beiden Aspekten mit Tirol vergleichbare Montenegro, seit das noch junge Land (das zwar nicht zur EU gehört, in dem man aber mit dem Euro zahlt) 2007 sein erstes Länderspiel ausgetragen hat.

Dank Ausnahme-Kickern wie Stefan Jovetic und Mirko Vucinic gibt es individuelle Klasse, aber vor allem punktet Montenegro mit kompaktem Kollektiv, enormem Teamgeist und – von Balkan-Fußballern ist man das ja gewohnt – guter Technik. Zudem ist das kleine, enge Stadion Pod Goricom in der Hauptstadt Podgorica (ein wenig größer als Innsbruck), in dem die Heimspiele ausgetragen werden, auch aufgrund der heißblütigen Fans ein für Auswärts-Teams ausgesprochen unangenehmer Ort.

So sieht Montenegro derzeit aus
So sieht Montenegro derzeit aus

In der ersten Quali für dieses Team, jener zur WM in Südafrika, verlor man nur drei der zehn Spiele, davon zwei gegen Italien. Dann, für die EM in Polen und der Ukraine, zog man vor den Schweizern ins Play-Off ein und scheiterte erst dort an Tschechien. Und im Rennen um die WM-Tickets für Brasilien war die Truppe lange vor England, Ukraine und Polen in der Pole-Position, ehe den „Falken“ erst auf der Zielgerade die Puste ausging. In vier Pflichtspielen gegen England gab es für Montenegro erst eine einzige Niederlage.

Sicher: Jovetic ist auch nicht besser als Alaba (ja, andere Position, aber nur so vom Prinzip her), Vucinic ist auch nicht mehr der jüngste, und der Rest des Teams macht so rein von den Namen gesehen auch nicht so arg viel her. Und wenn man bei einer EM dabei sein will, muss man Montenegro schon schlagen. Aber eine Niederlage in Podgorica ist nicht nur für das ÖFB-Team eine absolut realistische Möglichkeit.

Zlatan und zehn andere

Dass Österreich Schweden schlagen kann, wissen wir seit dem 7. Juni letzten Jahres. Dass Schweden was die internationale Abgezocktheit (noch?) vor Österreich liegt, wissen wir seit dem 11. Oktober letzten Jahres.

So spielte Schweden im WM-Playoff gegen Portugal
So spielte Schweden im WM-Playoff gegen Portugal

Dass es sich bei Schweden um Zlatan Ibrahimovic mit zehn eher beliebigen Mitspielern gehobenen Durchschnitts handelt, stellen nicht einmal die Schweden selbst in Abrede. Larsson und Kacaniklic spielen bei Abstiegskandidaten in der Premier League, ohne den alternden Källström ist das Mittelfeld eher phantanise-befreit, die Abwehr ist nicht die schnellste.

Will sich Schweden qualifizieren, braucht es Zlatan. Will man gegen Schweden gewinnen, muss man als Kollektiv mehr Tore erzielen als Zlatan (Wenn man nicht gerade Cristiano Ronaldo in der eigenen Mannschaft hat. Hat Österreich aber nicht). Anders gesagt: Schweden ist eine Verletzung von Ibrahimovic davon entfernt, Gruppenvierter zu werden. Hinter Österreich und Montenegro.

Russland, der seltsame Hybrid

Ja, diese Russen. Einerseits als Geheimfavorit in die letzte EM gehen, dann schon in der Vorrunde kollabieren. Einerseits Europas Spieler mit Geld zuscheißen, damit sie in die heimische Liga wechseln (Hulk und so), andererseits dann aber in der Champions League gegen die Wiener Austria in zwei Spielen nur einen Punkt zu Stande bringen. Einerseits eigentlich schon ein Team für die Heim-WM 2018 aufbauen müssen, andererseits mit einem Trainer, der stramm auf die 70 zugeht und kein Russisch spricht, aber schon noch ganz gerne irgendwie in Brasilien was reißen wollen und daher den Umbruch auf die lange Bank schieben.

So qualifizierte sich Russland für die WM
So qualifizierte sich Russland für die WM

Zeigt: Eigentlich sind die Russen aus dem ersten Topf sogar ein gar nicht undankbarer Gegner. Schon gutklassig, mit Qualität, gar keine Frage. Aber die Russen sind keine Deutschen.  Und ein seltsamer Hybrid aus alten Recken der Aufbauzeit vor zehn Jahren (wie Ignashevitch, Beresutski, Denisov und Shirkov), stecken gebliebenen Talenten (wie Kombarov, Koslov und Glushakov) und jungen Hoffnungsträgern (wie Dzagojev, Kokorin oder Schennikov).

Darum lässt sich auch jetzt noch nicht sagen, wie die Truppe nach der WM aussehen wird. Klar ist aber: Will man gegen Schweden und Montenegro in der Tabelle gut aussehen, würde sich der eine oder andere Punkt gegen Russland schon sehr gut machen. Ist schwer. Ist aber nicht unmöglich.

Knapp elf Jahre ist es her

Das 0:1 in Tiraspol am 7. Juni 2003, EM-Quali
Das 0:1 in Tiraspol am 7. Juni 2003, EM-Quali

Erinnert sich noch wer? Es war im Juni 2003, Hans Krankl war Teamchef, als ein, naja, ausnahmsweise nicht so ganz gutes ÖFB-Team in der EM-Quali-Gruppe nicht nur gegen Holland und Tschechien auf verlorenem Posten stand, sondern es sogar zu Stande brachte, in Moldawien zu verlieren. Das 0:1, das „Trauerspiel von Tiraspol“, war bis heute das letzte Spiel gegen das Team aus dem zwischen Rumänien und alten Sowjetbanden, zwischen lateinischer und kyrillischer Schrift, zwischen dem abtrünnigen Transnistrien im Osten und dem Hauptland im Westen zerrissenen Land.

Mit Sheriff Tiraspol gibt es einen (im besten Fall als „zwielichtig geführt“ zu bezeichnenden) Klub, der regelmäßig an der Gruppenphase der Europa League teilnimmt, das aber als Legionärstruppe mit Spielern aus Afrika, Brasilien und vom Balkan, aber weitgehend ohne Moldawier macht.

So spielte Moldawien zuletzt. Eine echte Promi-Truppe mit klingenden Namen.
So spielte Moldawien zuletzt. Eine echte Promi-Truppe angefüllt mit klingenden Namen.

Man braucht sich nichts vormachen: Auch wenn das eine unangenehm zu spielende Truppe ist, natürlich müssen da aus österreichischer Sicht zwei Siege her. Die besseren Akteure stehen bei russischen Nicht-gerade-Topklubs unter Vertrag, die anderen in der sportlich nicht gerade hochwertigen moldawischen Liga. Bekannte Namen sucht man im moldawischen Line-up vergeblich.

Hinfahren, sich zu einem 2:0 würgen, heimfahren. Glänzen kann man da nur, wenn’s nach 15 Minuten schon entschieden ist. Sechs Punkte ohne Schönheitspreis. Da zählt nur das Ergebnis. *hier beliebige weitere Pflichsieg-Floskeln einfüllen*

Unterm Papst-Denkmal zum Sieg

Das erste Pflichtspiel gegen Liechtenstein (1994)
Das erste Pflichtspiel gegen Liechtenstein (1994)

Wie passend, dass neben der Eckfahne als Erinnerung an einen Papst-Besuch ein riesiger, dreischenkeliger Aufbau mit einem in der Mitte befestigten Kreuz stand (und noch heute steht), wo flotte 2,5 Kilometer hinter der Grenze, in Eschen, ein glanzloser 4:0-Sieg eingefahren wurde. Gute Zeiten damals, 1994, wenn man sich an ein schlimmes 1:0-Gemurkse in Vaduz 2000 erinnert, einen zähen 2:0-Erfolg in Innsbruck im Jahr darauf, und Österreichs glorreiches 2:1 zwei Jahre vor der Heim-EM, bei dem Liechtenstein um zumindest eine Klasse besser war und eigentlich 3:0 gewinnen hätte müssen.

Jetzt, 20 Jahre nach der Premiere, ist mit dem früheren GAK-Spieler bzw. Vorarlberger Nachwuchs-Coach René Pauritsch ein Österreicher Teamchef von Liechtenstein, mit Polverino vom WAC und Wieser von Ried gibt es zwei aktuelle Legionäre in unserer Bundesliga, mit dem Ex-Rieder Martin Stocklasa einen weiteren mit Innviertel-Vergangenheit.

So spielte Liechtenstein zuletzt
So spielte Liechtenstein zuletzt

Der Rest bestreitet das fußballerische Tagesgeschäft zwischen zweiter und vierter Schweizer Liga (wo die Klubs des Fürstentums ja spielen) bzw. Thailand (ob Herr Christen dort auch gegen Roli Linz gespielt hat?) und sollte für Österreich im Normalfall kein elementares Problem darstellen. Über die Zeit der peinlichen Umfaller á la Färöer 1990 und 2008, Lettland 1995 oder Moldawien 2003 hofft man sich als rot-weiß-roter Beobachter ja doch hinweg.

Und noch was Gutes hat das Los Liechtenstein: Vorarlberger können sich endlich mal ein Länderspiel live ansehen, ohne vorher durch das ganze Land durch zu müssen. Und die Liechtensteiner könnten tatsächlich in die Verlegenheit kommen, in einem ausverkauften Happelstadion zu spielen – dann nämlich, wenn es am letzten Spieltag im Oktober 2015 hoffentlich darum geht, nach dem Heim-Auftritt gegen Liechtenstein sagen zu können: „Frankreich, wir kommen!“

Wie im Herbst 1997 halt.

Schwer. Zäh. Ungut. Aber nicht unmachbar.

Was waren das noch Zeiten, so um die Jahrtausendwende herum, als Österreich eine (verhältnismäßig) leichte Quali-Gruppe nach der anderen zugelost bekam. Das Glück ist ein Vogerl, das uns schon lange davongeflogen ist. Simma aber auch selber Schuld irgendwie, so schlimm, wie genau zu dieser Zeit um die Jahrtausendwende geschlafen worden ist, im österreichischen Fußball.

Erster müsste man werden, das wär‘ was. Zweiter wäre genauso gut, nehmen wir mit Handkuss. Oder wenn schon, dann meinetwegen Dritter und dann Play-Off gegen Estland oder so. Es ist eben wieder so eine Kack-Gruppe geworden, in der man schon um den dritten Platz echt raufen muss. In der es so gut wie sicher bis in den Herbst 2015 spannend bleibt, die ungemein ausgeglichen besetzt ist. Wie eben mit Schweden und Irland. Oder wie mit Belgien und den Türken davor.

Aber auch eine, in der man zeigen kann (und muss), wie viel man unter Marcel Koller gelernt hat, nachdem man es davor mit dem Lernen ja nicht so genau genommen hatte. Man sollte ja immer versuchen, das Positive zu sehen. Beschissenen Auslosungen zum Trotz.

(phe)

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.