Sieg? Ja. Vercoacht? Auch.

2:0 gegen Kasachstan – pures Glück. Denn was sollte Roland Linz als hängende Spitze? Warum wurde auf die Isolation von Dag nicht reagiert? Warum musste Jimmy Hoffer ins rechte Mittelfeld – was schon Brückner angekreidet wurde? Und: Warum wurde die bessere Seite beinhart ignoriert?

Die Aufstellung? Ein Lotteriespiel, jedes mal wieder. Diesmal durfte sich Roland Linz als Mittelding aus hängender Spitze und Zehner versuchen, weil Kavlak den kreuzbiederen Sechser zu geben hatte. Die Formation? Rein von der Aufstellung her wär’s ein 4-1-3-2 gewesen, im Endeffekt war’s ein 4-4-1-1. Der Schlüsselspieler? Veli Kavlak. Aber alles der Reihe nach.

Österreich - Kasachstan 2:0 ... Startformationen

Die Anfangsphase der österreichischen Mannschaft war vor allem von der rechten Seite sehr schwungvoll, weil Ekrem Dag mit der Untestützung von Veli Kavlak als zu Beginn rechten der beiden DM sehr gut mit Martin Harnik harmonierte. Diese drei hatten untereinander viele Pässe, und der schnelle Harnik konnte seinen Platz immer wieder durch seine Schnelligkeit ausnützen. Das ging etwa 20 Minuten so, bis der deutsche Teamchef der Kasachen, Bernd Storck, zwei kleine Justierungen vornahm: LM Averchenko ging fünf Meter nach innen, um Dag den Passweg zu Kavlak zu versperren und, wenn möglich, aggressiv auf den Besiktas-Legionär zu pressen; und LV Kirov ging fünf Meter nach vorne und konnte den abgeschnittenen so Harnik früher und effektiver empfangen. Die Folge: Mit dieser simplen Maßnahme war mit einem Mal war die rechte Seite komplett tot.

Womit sofort das komplette Spiel des ÖFB-Teams lahmte. Denn auf der linken Seite agierte zwar Fuchs, der zuletzt auch in Mainz hervorragend spielte, sehr fleißig und mit viel Vorwärtsdrang. Sein Schwung verpuffte aber komplett, weil Jakob Jantscher einen rabenschwarzen Tag hatte. Dem Neo-Salzburger gelang 66 Minuten lang rein gar nichts, er war eine komplette Vorgabe. Somit war die linke Seite daraufhin zwar die aktivere, sie konnte aber nie Torgefahr entwickeln.

Was nach einer kurzen Orientierungsphase jedoch wieder Martin Harnik konnte. Er reagierte auf die Situation, indem er ins rechte Halbfeld rückte (die verstellte Flanke mithin aufgab) und sofort wieder zwei, drei absolut zielstrebige und auch gefährliche Aktionen starten. Was auch notwendig war, denn mit Roland Linz als de-facto-Spielmacher geschah in der Zentrale sehr wenig. Linz lief zwar extrem viel, bewirkte damit aber extrem wenig. Die Bälle segelten beinahe im Minutentakt über den Austria-Stürmer hinweg, der zudem beide kasachischen Sechser gegen sich hatte und kaum etwas wirklich Sinnvolles zu Wege brachte.

Die Kasachen waren ihrerseits in ihren Offensivbemühungen recht limitiert – sehr viel mehr als lange Bälle in Richtung Sturmspitze Shumalkaliev hatten sie nicht anzubieten, vereinzelte schnelle Konter endeten in der Regel spätestens beim umsichtigen Pogatetz.

In der Pause gab es eine wichtige Veränderung: Veli Kavlak und Fränky Schiemer wechselten im defensiven Mittelfeld die Plätze. Somit stand Kavlak nun bereit, um Fuchs und Jantscher zu unterstützen. Die Folge: Nun wurde nur noch über die linke Seite gespielt, die rechte komplett ignoriert – in den 21 Minuten zwischen der Halbzeit und dem Austausch von Martin Harnik hatte der Neo-Stuttgarter exakt sechs Ballkontakte. Die rechte Seite wurde komplett geschnitten, Linz machte weiterhin zahllose leere Meter in der Zentrale, und auf der linken wurde Jantscher einfach nicht besser. Kein Wunder, dass das Spiel den ÖFB-Teams lahm, uninspiriert und eindimensional wirkte.

Wer glaubt, ein kaputtes Spiel könne man nicht noch mehr zerstören, hat allerdings die Rechnung ohne den ÖFB-Teamchef gemacht. Er nahm den entnervten Harnik und den schlechten Jantscher runter, und brachte dafür einen Stürmer und einen Zentralen Mittelfeldspieler – um mit ihnen die Flanken neu zu besetzen, und auf endgültig auf ein 4-2-3-1 umzustellen: Macho – Dag, Prödl, Pogatetz, Fuchs – Kavlak, Schiemer – Hoffer, Linz, Alaba – Janko/Maierhofer.

Zwei Jahre nach dem Brückner-Experiment mit Hoffer auf der rechten Seite beim 1:3 gegen Serbien, das als Sinnbild für die vermeintliche Ignoranz und das Unwissen von Brückner herhalten musste. Damals schrieb ich, „Hoffer war überfordert, sodass Garics die Arbeit für zwei erledigen musste“ – diesmal hätte Ekrem Dag als Putzfrau da sein sollen. Er blieb aber nach der kasachischen Umstellung in der ersten Hälfte die restlichen 70 Minuten komplett vom Spiel abgeschnitten. Und wie damals war Hoffer als RM eine völlige Fehlbesetzung. Schreckliche Flanken, verlorene Zweikämpfe und null Torgefahr.

Warum nicht auf die linke Seite ausgewichen wurde, wo nun Alaba werkte? Weil Veli Kavlak nun wieder im rechten defensiven Mittelfeld spielte. Wo immer Kavlak war, war auch die Stoßrichtung des österreichischen Spiels. Ja, er agierte für seine Fähigkeiten viel zu defensiv (eine Vorgabe vom Teamchef, wie ich vermute), aber er war es, der im Mittelfeld Verantwortung im Spielaufbau übernahm. Nicht immer mit der richtigen Nase, wen es nun zu unterstützen gilt – aber wer weiß, womöglich war auch das eine Vorgabe vom Teamchef.

Nun war also die rechte Seite wieder aktiver, ob des hilflosen Hoffer aber wirkungslos; die linke Seite mit Alaba war nicht im Spiel. Nein, eigentlich war das ganze offensive Mittelfeld nicht im Spiel – Alaba wurde nicht mit eingebunden, Mittelstürmer Linz musste nun einen klassischen Zehner geben, und Hoffer auf rechts, eh schon wissen. Also: Laaaaaange Bälle. Anstatt Schiemer zurück zu ziehen (also Dreierkette) und Klein für Dag zu bringen (um die rechte Seite auch mit etwas Inhalt zu füllen), brachte Constantini Maierhofer für Janko. Ein komplett sinnloser Wechsel: Gleicher Spielertyp, gleiche Statur, nur unbeweglicher und technisch limitierter. Was wollte der Teamchef mit diesem Wechsel bezwecken?

Die Kasachen änderten ihr Grundsystem (4-2-3-1) neunzig Minuten praktisch nicht (nur kurz zu Beginn der zweiten Hälfte, als der ZM sich eine Zeit lang als zweite Spitze versuchte), neben zwei direkten Wechseln mit wurde mit einem zwar leicht rochiert, aber nicht umstellt. Und sie hatten keine allzu gravierenden Probleme, sich das 0:0 zu verdienen, das sie zweifellos als großen Erfolg hätten verbuchen können. Wenn, ja wenn da nicht Alexej Popov gewesen wäre. Der Innenverteidiger servierte erst Roland Linz den Ball, ließ sich dann noch von ihm austanzen – und in der 91. Minuten stand’s doch noch 1:0 für Österreich.

Ein typisches Roland-Linz-Tor: Auf den Fehler der Gegner lauern, eiskalt zuschlagen. So spielt Linz am Besten – nicht als Spielmacher aus dem zentralen Mittelfeld. Es hat ja seinen Grund, warum er bei der Austria den Mittelstürmer gibt, und Tomáš Jun den Arbeiter aus dem offensiven Mittelfeld. Und auch das zweite Tor, kurz danach, war typisch für seinen Schützen: Langer Flachpass von Linz in den Lauf von Hoffer, und er macht, was er am Besten kann – seine Schnelligkeit ausspielen. Dieses Tor hatte nichts mit rechtem Flügel zu tun, sondern mit dem Konterstürmer, der Hoffer nun mal ist.

Kurz zusammengefasst: Linz out of position, Hoffer out of position. Beide erst gut, als sie ihr gewohntes Spiel aufziehen können. Schiemer im Spielaufbau nutzlos, die komplette Arbeit bleibt an Kavlak hängen. Harnik unerklärlicherweise von der eigenen Mannschaft ignoriert, Jantscher war zu lange am Feld; und Wechsel, die einem kaputten Spiel noch mehr geschadet haben.

Der Grund für diesen Sieg ist Glück, und nichts anderes. Der Teamchef hatte eine ganze Woche lang Zeit, die Mannschaft auf diesen Gegner vorzubereiten (unsicherer Torwart, wackelige Innenverteidigung, hölzernes zentrales Mittelfeld – wurde alles nicht angebohrt. Unglaublich). Er hatte eine Woche lang Zeit, mit dem Mannschaft Standards zu üben (war auch nur einer der sechs Eckbälle wirklich gefährlich?) Eine Woche, um die Mannschaft aufeinander einspielen zu lassen (die Anzahl der ungenauen Pässe war erstaunlich hoch).

Was genau wurde in der letzten Woche eigentlich gemacht – außer verbalen Rückzugsgefechten…?

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.