Jugendstil mit Augenmaß (+ Trikot-Gewinnspiel)

WM-SERIE, Teil 3: DEUTSCHLAND | Der Mannschaft des WM-Gastgebers von 2006 steht eine goldene Zukunft bevor, die Junioren-Teams räumten zuletzt mächtig ab. Und auch in der Nationalmannschaft sind viele Kandidaten noch keine 25 Jahre alt.

Deutschland ist amtierender Europameister – bei den U17-Junioren und mit der U21-Mannschaft. Die deutsche U19 holte den Titel im Jahr 2008.  Das ist vorrangig das Werk eines Mannes: Des früheren Weltklasse-Liberos Matthias Sammer. Der Rotschopf, der als Spieler mit Borussia Dortmund Meistertitel und Champions League gewann und Hauptarchitekt des letzten Titelgewinns der DFB-Elf war (der Europameisterschaft 1996), agiert seit dreieinhalb Jahren als übergeordneter Sportdirektor beim deutschen Verband und führte klare Strukturen, klare Hierarchien und klare Zielvorstellungen ein. Im Zuge dessen wandelte sich Sammer vom kamerascheuen Stotterer, der er als Trainer in Dortmund noch war (und 2002 Meister wurde), zu einem eloquenten und weltgewandten Fachmann, der auch im Fernsehen eine starke Figur abgibt. Was Sammer sagt, hat Hand und Fuß.

Ähnlich ging auch die Entwicklung des deutschen Fußballs vor sich: Bezeichneten die Deutschen ihren Kick noch vor wenigen Jahren selbst „Rumpelfußball“, befeuert von den desaströsen Vorstellungen bei den EM-Endrunden von 2000 und 2004 (als jeweils nach der Vorrunde Schluss war), hielten mit dem Esprit von Jürgen Klinsmann, dem Fachwissen von Joachim Löw und der starken Hand des neuen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger – alle drei betraten die DFB-Bühne im Jahr 2004 – moderne Strukturen und Offenheit Neuem gegenüber Einzug. Während sich die Öffentlichkeit über den „Gummitwist“ beim Nationalteam-Training, den die von Klinsmann mitgenommenen  Spezialisten aus den USA eingeführt hatten, lustig machte, wurde das Spiel der deutschen Elf zusehens modernisiert (ein Verdienst von Löw), kam kaum gekannte Begeisterung hinzu (dank Klinsmann) und es wurde hinter den Kulissen somit das Feld für Matthias Sammer bereitet, der auf dieser Basis in den letzten Jahren die Strukturen im DFB fit für die Zukunft machte.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Als krasser Außenseiter gestartet, erreichte Klinsmanns Mannschaft bei der Heim-WM überraschend das Semifinale, unter seinem Assistenten und Nachfolger Löw stieß das Team bei der Euro2008 gar ins Finale vor. Die Qualifikationsgruppe für die WM in Südafrika gewannen die Deutschen souverän, die starken Russen wurden zweimal geschlagen – auch auf dem Kunstrasen in Moskau. So gesehen spricht einiges dafür, dass das Nationalteam der Großen durchaus Schritt halten kann mit den Erfolgen der drei Nachwuchs-Mannschaften.

Und tatsächlich zeigt die konzentrierte Nachwuchsarbeit von Sammer (Credo: „Erfolg ist planbar“) auch schon Spuren im Kandidatenkreis für die Endrunde in Südafrika. Die Stamm-Achse der U21-Champions wird samt und sonders im WM-Aufgebot vertreten sein. Manche als Stammkräfte (wie der Bremer Mesut Özil, der seinen Platz in der Stammformation schon so gut wie sicher hat), manche als realisitische Alternativen (wie Hoffenheims Rechtsverteidiger Beck oder Özils kongenialer Partner in Bremen, Marko Marin), andere als Joker (wie Schalkes Torwart Neuer, der wohl als zweiter Torwart mitfährt). Bis auf die Fixstarter Ballack und Klose, sowie die Wackelkandidaten Friedrich und Frings ist keiner, der einer realistische Chance auf einen Platz im WM-Aufgebot hat, älter als 30 Jahre. Ja, in der Tat sind viele Leistungsträger jetzt schon kaum älter als 25 – und die nächste Generation drängt schon nach. Für alte Herren wie Frings wäre es wohl schon ein Erfolg, überhaupt zum Aufgebot zu gehören – und es ist Löw durchaus zuzutrauen, auch noch weitere Burschen mitzunehmen, die jetzt noch kaum jemand auf der Rechnung hat -wie die beiden Bayern-Junioren Thomas Müller und Holger Badstuber, oder Benedikt Höwedes von Schalke.

Denn grundsätzlich kann Löw auf einen relativ fixen Stamm zurückgreifen, die Plätze in der Stammformation sind fast alle so gut wie vergeben. Nach dem Freitod von Robert Enke kann sich Leverkusens René Adler den Platz zwischen den Pfosten wohl nur noch mit etlichen schrecklichen Patzern verbauen, danach sieht es aber auch angesichts der generell starken Form seines Teams in der Bundesliga nicht aus. In der Innenverteidigung sind der Hüne Per Mertesacker und Defensiv-Allrounder Heiko Westermann ebenso gesetzt wie Philipp Lahm auf der linken Seite. Die Position rechts hinten ist noch offen – hier dürfte Blondschopf Andreas Beck aber Vorteile gegenüber dem etablierten, aber technisch limitierten Arne Friedrich besitzen, der zudem mit seiner Hertha eine schreckliche Saison spielt.

Hinter Kapitän Michael Ballack wird Leverkusens Simon Rolfes den defensiven Part im Mittelfeld einnehmen, auf rechts ist Bastian Schweinsteiger eingeplant. Vorteil des Bayern-Spielers: Unter Louis van Gaal hat er auch gelernt, in einer Doppelsechs zu spielen. Das kommt der Flexibilität der Nationalmannschaft natürlich auch zu Gute, vor allem weil Löw vor allem gegen starke Gegner gerne auf ein Fünftermittelfeld mit zwei Defensiven zurück greift. In diesem Fall wandert Sturmspitze Podolski, der mittlerweile fast traditionell nur noch im Nationalteam groß aufspielt, auf die linke Mittelfeldseite, die aber im Normalfall vom trickreichen Özil beackert wird. Spielt Schweinsteiger zentral Defensiv, ist Hamburgs Trochowski für die Außenbahn der heißeste Kandidat. Sicher darf er sich aber nicht sein, denn Bayern-Jungspund Thomas Müller ist schon auf dem Sprung in die Nationalmannschaft. Sollte er mitfahren dürfen, wäre dies keine Überraschung.

Und vorne hat Löw einige Kandidaten, die sowohl als Partner für Podolski, wie auch als Solospitze keine schlechte Figur abgeben würden. Der formstarke Leverkusener Stefan Kießling (eher als Konterstürmer), der routinierte Miro Klose (eher als Einfädler, weniger als Solostürmer), der bullige Strafraumspieler Mario Gomez: Hier stehen Löw die verschiedensten Spielertypen zur Verfüngung. Was wiederum gut ist für die heutzutage so wichtige Möglichkeit, in Spielanlage und dem dafür nötigen Personal variieren zu können.

Was sich bei der Vorrundengruppe, die Deutschland zugelost bekam, auch durchaus von Vorteil sein kann: Die kampfstarken Australier, die technisch beschlagenen Serben und die verspielten Ghanaer stellen drei völlig unterschiedliche Gegner dar. Im Land des dreifachen Weltmeisters ist man sich daher auch noch immer nicht ganz einig, ob das nun eine leichte Gruppe ist, eine zumindest unangenehme oder gar eine starke. Nur eines ist klar: Will man im Achtelfinale den Engländern ausweichen, ist ein Gruppensieg wohl Pflicht (was allerdings im Gegenzug auch für England gilt, die vor den Deutschen wohl mehr Angst haben als umgekehrt).

Während man aber über die Ausgangslage in der Gruppe diskutieren kann, steht außer Frage, dass die DFB-Elf im Falle eines (erwartungsgemäßen) Gruppensieges halbwegs freie Fahrt bis ins Semifinale haben könnte. Denn weder braucht man sich vor dem Achtelfinalgegner aus der England-Gruppe fürchten (sollten es nicht die Engländer selbst sein), noch vor einem eventuellen Kontrahenten Argentinien, Südafrika oder Mexiko im Viertelfinale – nur Vorrunden-Patzer der Franzosen könnten die Sache etwas delikat machen. Doch so oder so: Angesichts der Auslosung muss das Viertelfinale für die Mannschaft von Joachim Löw als Minimalziel gelten, ein Einzug ins Semfinale ist alles andere als Utopie.

Ohne Zweifel: Die Detuschen sind eine Macht, mit der zu rechnen sein wird. Ob es allerdings reicht, um anders als bei der HeimWM über das Semifinale hinauszukommen? Das hängt auch von der Konkurrenz ab.

GEWINNSPIEL

In Zusammenarbeit mit adidas Teamgeist präsentieren wir euch ein Gewinnspiel. Zu gewinnen gibt es ein Original-WM-Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Vorher gilt es allerdings folgende Fragen per E-Mail an schaffertom at yahoo punkt com (Betreff: ballverliebt.eu Gewinnspiel) zu beantworten, die sich mit Hilfe des adidas Teamgeist-Graphic Novel-Onlinespiels beantworten lassen.

1.) Nach beinah fünf Jahren ohne Niederlage trat die ungarische Nationalmannschaft mit welchem Spitznamen bei der WM-54 an?

2.) Welche Spielernummer trägt der Clockwork-Orange Spieler, der als Erster sein Fahrzeug verlässt?

3.) Auf welchem Weg gelangen die „La albiceleste“ ins Stadion?

Einsendeschluss ist der 19.12.2009 um 23:59. Rechtsweg ausgeschlossen. Mehrmalige Teilnahme derselben Person untersagt. Vergesst nicht, eine korrekte E-Mail-Adresse anzugeben.

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DEUTSCHLAND
weißes Trikot und schwarze Hose, adidas – Platzierung im ELO-Ranking: 5.

Gruppenspiele in Südafrika:
Australien (Abendspiel So 13/06 in Durban)
Serbien (Mittagsspiel Fr 18/06 in Port Elizabeth)
Ghana (Abendspiel Mi 23/06 in Johannesburg/S)
eventuelles Achtelfinale gegen ein Team der Gruppe ENG/USA/ALG/SLO

TEAM: Tor: René Adler (25, Leverkusen), Manuel Neuer (24, Schalke), Tim Wiese (28, Bremen). Abwehr: Andreas Beck (23, Hoffenheim), Arne Friedrich (31, Hertha BSC), Marcell Jansen (24, Hamburg), Philipp Lahm (26, Bayern), Per Mertesacker (25, Bremen), Marcel Schäfer (26, Wolfsburg), Serdar Tasci (23, Stuttgart), Heiko Westermann (26, Schalke). Mittelfeld: Michael Ballack (33, Chelsea), Torsten Frings (33, Bremen), Thomas Hitzlsperger (28, Stuttgart), Marko Marin (21, Bremen), Thomas Müller (20, Bayern), Mesut Özil (21, Bremen), Simon Rolfes (28, Leverkusen), Bastian Schweinsteiger (25, Bayern),  Piotr Trochowski (26, Hamburg). Angriff: Mario Gomez (24, Bayern), Patrick Helmes (26, Leverkusen), Stefan Kießling (24, Leverkusen), Miroslav Klose (32, Bayern), Lukas Podolski (25, Köln).

Teamchef: Joachim Löw (50, Deutscher, seit August 2006)

Qualifikation: 6:0 in Liechtenstein, 3:3 in Finnland, 2:1 gegen Russland, 1:0 gegen Wales, 4:0 gegen Liechtenstein, 2:0 in Wales, 2:0 in und 4:0 gegen Aserbaidschan, 1:0 in Russland, 1:1 gegen Finnland.

Endrundenteilnahmen: 16 (1934 Dritter, 38 Erste Runde, 54 Weltmeister, 58 Vierter, 62 Viertelfinale, 66 Finale, 70 Dritter, 74 Weltmeister, 78 Zwischenrunde, 82 und 86 Finale, 90 Weltmeister, 94 und 98 Viertelfinale, 2002 Finale, 06 Dritter)

>> Ballverliebt-WM-Serie
Gruppe A: Südafrika, Mexiko, Uruguay, Frankreich
Gruppe B: Argentinien, Nigeria, Südkorea, Griechenland
Gruppe C: England, USA, Algerien, Slowenien
Gruppe D: Deutschland, Australien, Serbien, Ghana
Gruppe E: Holland, Dänemark, Japan, Kamerun
Gruppe F: Italien, Paraguay, Neuseeland, Slowakei
Gruppe G: Brasilien, Nordkorea, Elfenbeinküste, Portugal
Gruppe H: Spanien, Schweiz, Honduras, Chile

* Anm.: Die Platzierungen im ELO-Ranking beziehen sich auf den Zeitpunkt der Auslosung.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.