Austria Wien – Sturm Graz oder „Warum man nicht in Österreichs Stadien gehen sollte“

Weil mein Vater mir seit Monaten vorschwärmt, welch gute Stimmung jetzt immer bei Sturm-Spielen herrscht, habe ich mir gestern Austria gegen Sturm im Grazer Sektor des Horr-Stadions angesehen. Es ist nicht schwer Gründe zu finden, das so schnell nicht wieder zu tun.

„Oaschwoame Grazer“…
Ich war eine halbe Stunde früher beim Stadion um Karten für ein paar Leute zu kaufen, die mit dem Sonderzug aus Graz kamen. Das sollten gestern laut Medienberichten über 2.500 werden, am Ende warens dann auch wirklich zwischen 1.000 und 2.000. Ich stand also beim Eingang zur Ost-Tribüne, nachdem ich in der U-Bahn einen West-Tribüne-Austrianer getroffen hatte (der mir sagte, mit Sturm-Accesoires würde er besser einen Umweg um den West-Zugang machen), der mich zum Stadion geführt hat. Es waren zu diesem Zeitpunkt schon etwa 100 Leute an diesem Zugang, die Stimmung war angenehm. Bis die ersten Busse kamen. Da waren dann nämlich die ersten zweifelhaften Fangruppen dabei, die schon mit 1-2 Promille aus ihren Gefährten hampelten.

Dann kam, man sah es schon aus weiter Ferne, zu Fuß der Fanzug aus Graz angetrabt. Die Polizei scheinte ihn weiträumig umgeleitet zu haben, nachdem es, ich habe es von einem anderen Wartenden gehört, der per Handy in Verbindung mit einem Freund stand, am Reumannplatz schon zu ersten mir bekannten Zusammenstößen mit gewaltbereiten Violetten gekommen war. Die Infrastruktur des Horr-Stadions ist nämlich eine Katastrophe. Bei der Abreise müssen immer alle Fangruppen über den Verteilerkreis und mit denselben öffentlichen Verkehrsmitteln abziehen – dort kleschts dann auch regelmäßig, vor allem beim Derby. Gestern wurde das gut gelöst, indem die Sturm-Fans mit Sonderbussen abtransportiert wurden.

Auf jeden Fall kam halt eine halbe Stunde vor Spielbeginn der Zug anmarschiert. Erste Botschaft: Die ca. 500-1.000 Leute skandierten einen allseits beliebten Stadiongesang: „Wiener Schweine!“. Das ist nicht nett, genausowenig wie das was dann folgte. Asoziale Rücksichtslosigkeit nämlich, die schon richtig gefährlich war. Beim Zugang zum Stadion begann ein Run auf die drei geöffneten Kassen. Ich, der vor dem Zug stand, fand das gar nicht so prickelnd, dass da plötzlich hunderte Menschen auf mich zustürmten. Nicht auszudenken wie schwächere Menschen (Frauen und Kinder zum Beispiel) sich bei sowas erst fühlen müssen. Oder bei dem, was dann vor sich ging. Beim Anstellen waren nämlich ein paar der Kollektivsäufer so clever, den Eingang zu stürmen. Ich, mit meinen Oberschenkeln drei Zentimeter vor einem metallenen Drehkreuz fand das drohende Gedräge einer besoffenen Herde nicht so lustig.

Ich fühle mich aber wenigstens kräftig genug, um im Zweifelfall dem Idioten hinter mir eines aufs Maul zu hauen, wenn er sein Vorhaben in die Tat umsetzen möchte. Aber mit einem Kind würde ich mich das nicht trauen. Auch so kann man sich neuen Zuschauern also erfolgreich verschließen. Wie fatal solche Idiotie etwas enden kann, muss man nicht weiter ausführen. Es ist bei sowas bereits genug passiert.

… und „Wiener Schweine“
Zum skandierten Anti-Wiener Spruch. Das hat schon eine gewisse Berechtigung gehabt (natürlich nicht in dieser Verallgemeinerung). Der Fan-Zug wurde nämlich in Meidling von Pflastersteine-werfenden Austria-„Fan“gruppen empfangen (und am Abend unter den untätigen Augen der Polizei auch wieder verabschiedet). Das scheint aber normal zu sein, denn in den Medien hörte man von all den gewalttätigen Ausschreitungen kein Wort. Die Austrianer waren natürlich um ähnliche Sprüche nicht verlegen („Oaschwoame Grazer“) – nicht dass man meinen könnte, die Sturm-Fans wären eine negative Ausnahmeerscheinung. Sie sind eine negative Regelerscheinung.

Und was aus den Taten dieser Volltrotteln folgen muss
Was mich gestern noch überrascht hat war, wie wenig Kontrolle die Fanklub-Anführer über die Mitglieder haben (was angesichts des Alkoholkonsums aber eh keine Überraschung ist). Beim Anschlusstreffer Sturms war das Spiel ja wegen des Rauchs der bengalischen Feuer zwei Minuten unterbrochen. Das wäre noch keine Tragödie, auch wenn ichs für die Stimmung nicht wirklich als notwendig empfinde.

Was allerdings inakzeptabel ist, sind die ewigen Böller-Kracher, die über die Absperrung Richtung gegnerischen Tormann geworfen werden. Fornezzi ging zwar eh cool damit um, solchen unnötigen Gefahren sollte man sich als Sportler dennoch nicht aussetzen lassen müssen. Es braucht nur (mal wieder) so ein Ding an der falschen Stelle landen (oder an der Richtigen, je nachdem ob man die Perspektive des Werfers oder eines normalen Menschens einnimmt), und die Katastrophe ist perfekt. Nur nebenbei zu erwähnen ist, dass zwischen Fornezzi und den entsprechenden „Fans“ natürlich auch noch Journalisten, Ordner und Balljungen platziert sind.

Wegen all dieser Vorfälle muss man Konsequenzen fordern.

  • Es sollte allen Fangruppen ein Anliegen sein, dass in Bussen und Zügen zur Anreise nicht großartig gesoffen wird.
  • Und alle Veranstalter sollten Alkohol auch aus den Stadien verbannen. Ich trink zwar selber gern ein Bier oder einen Rumtee beim Match, das ist es aber nicht wert.
  • Über die praktische Umsetzung dieser Verbote sollen sich andere Gedanken machen.

    Außerdem sollte man in den Stadien auch moderne Vorrichtungen erwarten können, die eine brenzlige Situation mit längeren Wartezeiten gar nicht erst aufkommen lassen.

  • Fans sollten Karten zu Auswärtsspielen bereits daheim kaufen können (war gestern nicht der Fall)
  • Einem Ansturm von 2.500 erwarteten Fans darf man nicht mit nur drei geöffneten Kassen entgegnen (und davon nur eine in unmittelbarer Eingangsnähe, was gestern der Fall war)
  • Auswärtige Fangruppen sollten von den Zügen auch zum Stadion gebracht werden, nicht nur zurück.
  • Bundesligaklubs sollten zu mehr als nur provisorische Tribünen und Infrastruktur in ihren Stadien verpflichtet sein. Der Ost-Sektor des Horr Stadiums ist nämlich nicht mehr als das – eigentlich peinlich für einen Traditionsverein.
  • Über die praktische Umsetzung dieser Gebote sollen sich andere Gedanken machen. (tsc)

    PS: Das Spiel gestern kann man angesichts dieser Vorfälle nur als Nebensache bezeichnen. Ich bin aber froh darüber, dass Sturm die Tabelle anführt. Kein anderer Klub in Österreich ist auch nur ansatzweise so zukunftsträchtig und gut für den heimischen Sport. Mit der Jugend kommt nämlich nicht nur der Spielwitz, nicht nur eine potentielle Einnahmequelle und nicht nur das Potential zum Meistertitel – mit der Jugend kommen auch die Fans.

    PPS: Ja, die Stimmung im Sturm-Sektor ist ansonsten wirklich recht gut. Dass in Österreich aber die Gegner fast im gleichen Ausmaß beschimpft werden, wie die eigene Mannschaft angefeuert, ist ein trauriges Merkmal der Fankultur.

    PPPS: Ich, sechste Reihe von oben, zweiter von links, hinter dem Typen mit schwarz-weissen Streifendress.

    Austria gegen Sturm

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