Drei Jahre danach: Die ÖFB-Spieler der U-19-EM 2022

„So konsequent selbst das Leben schwer gemacht hat sich wohl noch selten ein österreichisches U-Nationalteam!“ So konstatierten wir am 28. Juni 2022 – nach dem letzten Spiel der U-19-Burschen des ÖFB bei der EM in der Slowakei, dem Entscheidungsspiel um die WM-Teilnahme. Nach zwei Minuten verletzte sich Ervin Omic, nach 20 Minuten Justin Omoregie, der eingewechselte Florian Wustinger sah noch vor der Halbzeit Gelb-Rot. Auch mit zehn Mann war Österreich klar besser, belohnte sich nicht, verlor 0:1.

„Erinnere mich nicht dran“, stöhnt Trainer Martin Scherb, „das war eines der bittersten Spiele meines Lebens. Auch mit drei Jahren Abstand schmerzt das noch!“

Diesen Sommer jährt sich die bisher letzte österreichische Teilnahme an einer U-19-EM zum dritten Mal, die Spieler sind also mittlerweile 22 Jahre alt – da kann man schon einigermaßen seriös beurteilen, wohin die Reise geht.

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Hut ab, Peter Pacult: Indian Summer in Klagenfurt

Vor mittlerweile 17 Jahren war Peter Pacult der letzte Meistertrainer von Rapid. Danach wechselten sich bei ihm moderate Erfolge mit Kurzzeit-Engagements ab, der bärbeißige Pacult schien keinen Platz mehr in der Welt der modernen Trainer und Trainingsmethoden zu haben. Dann ging er im Winter 2020/21 zu Austria Klagenfurt.

Auch, wenn es nun ein Ende hat: Pacult erlebte in Kärnten so etwas wie seinen Indian Summer. Unerwartet und deshalb umso erstaunlicher. Dafür gebührt ihm Respekt.

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Liése Brancão: Von Novo Hamburgo nach Hamburg

Erste Juli-Woche 2004, Flughafen Lissabon-Portela: Eine 22-jährige Brasilianerin war von den portugiesischen Behörden am Umsteigen in die Maschine nach Wien gehindert worden.

Es dauerte einige Stunden, ehe die Einreisebeamten Zeit für die verängstigte junge Frau hatten, die erstmals in ihrem Leben alleine brasilianischen Boden verlassen hatte. Sie hielt ihnen ihren frisch unterschriebenen Vertrag beim österreichischen Frauenfußball-Meister SV Neulengbach unter die Nase und ein kurzer Anruf der Behörde beim damaligen Vereins-Obmann Bruno Mangl bestätigte ihre Darstellung: Célia Liése Brancão Ribeiro gehörte nicht zu den etwa 25 jungen Frauen, die aus Porto Alegre vermutlich als Objekt von Menschenhandel nach Europa geschleust wurden. Liése Brancão war tatsächlich Fußballerin mit einem gültigen Vertrag im Gepäck.

Zwei Jahrzehnte und 14,5 Meistertitel* als Spielerin und Trainerin später ist Li, wie sie von jedem genannt wird, immer noch in Österreich. Bald nicht mehr: Die mittlerweile 43-Jährige wird im Sommer neue Trainerin beim Frauen-Team des HSV. Am 22. Dezember 2024 war sie nach achteinhalb Jahren als inoffizielle bzw. offizielle Trainerin von Österreichs Abo-Meister SKN St. Pölten zurückgetreten. Exakt vier Monate später wurde sie als Nachfolgerin von Marwin Bolz in Hamburg vorgestellt.

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Europacup-Bilanz 2024/25: Danke, Rapid!

Am Ende ist es Platz 16 geworden, in dieser Saison. Gesamt bedeutet das wie schon 2024 Rang 13 in der Fünfjahreswertung der UEFA. Österreichs Bilanz in diesem Europacup-Jahr ist zwiespältig. Denn einerseits hat Rapid ordentlich in den Punktetopf gegriffen, ist ins Viertelfinale der Conference League vorgestoßen und erstmals waren zwei heimische Teams in der Champions League. Andererseits wäre bei Rapid sogar noch mehr möglich gewesen, der LASK hat kein einziges seiner acht Matches gewonnen und die Austria war schon draußen, da hatte noch nicht mal der August angefangen.

Aber der Reihe nach.

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Zweimal 1:3 gegen Oranje: Vielschichtig wie eine Zwiebel

„Oger haben Schichten.“ Als Shrek in dem nach ihm benannten Film den Esel mit diesem Satz überraschte, in dem er sich mit Zwiebeln verglich, konnte Esel nicht viel damit anfangen. Stinken sie? Bringen sie einen zum Weinen? Nein, der grüne Koloss mit den Röhren-Ohren wollte sagen: Nicht alles ist mit dem Offensichtlichen erklärt, unter dieser Oberfläche gibt es weitere Ebenen, die ebenso Teil des Ganzen sind.

Das Offensichtliche bei den beiden 1:3-Niederlagen von Österreichs Frauen-Nationalteam gegen die Niederlange in der Nations League sind die Ergebnisse. Eins zu drei verloren, beide Male, keine Heldentat, aber auch keine Blamage. Es ist, was man als inner-europäische Nummer elf gegen den Europameister von 2017 und WM-Finalisten von 2019 als normal erachten darf.

Immer noch recht neuer Trainer, es gab gute Phasen und einige Gegentore, die – sei es vom Referee, durch weniger Pech oder durch weniger Ziehen an gegnerischen Hosen – zu verhindern gewesen wären. Aber war man wirklich so nah dran an Punktgewinnen, wie es die Reaktionen nach Abpfiff klingen ließen? Zweifel sind angebracht.

Es gibt noch richtig viele Baustellen.

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20 Jahre Red Bull Salzburg – Teil 4: Wie der Bullen-Kick Österreich prägte

Wo wäre Österreich ohne Red Bull? Zwei Jahrzehnte nach der Übernahme des Mozartstädter Bundesligisten durch den Energydrink-Konzern lässt sich der massive Einfluss von Red Bull auf den kompletten heimischen Kick nicht wegdiskutieren. Mehr noch: Der rot-weiß-rote Fußball hat die beinahe komplette Redbullisierung durchgemacht – was die Spielidee betrifft. Was das Transfer-Geschäftsmodell betrifft. Und längst auch, was das Nationalteam betrifft.

Im vierten und letzten Teil unserer Serie: Welchen Einfluss hatte Red Bull nun auf den österreichischen Fußball?

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20 Jahre Red Bull Salzburg – Teil 3: Erling und seine Erben

Es war der 17. September 2019, als um 21:01 Uhr ein junger Norweger die internationale Bühne betrat. Nein, besser: Als er begann, über sie hereinzubrechen. 1:41 Minuten waren gegen Genk gespielt, als Erling Braut Håland im ersten Salzburger Champions-League-Spiel seit der Red-Bull-Übernahme das erste mal netzte. Um 21:32 Uhr das zweite Mal. Um 21:43 Uhr das dritte Mal. Schon zur Halbzeit führte Salzburg 5:1 (fünf zu eins!).

14 Jahre hatte man warten müssen, nichts passierte. Aber einmal da, wurde es eine Lawine.

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20 Jahre Red Bull Salzburg – Teil 2: Von Düdelingen zur Champions League

Es war der 21. Juli 2012, als um 16 Uhr eine neue Zeitrechnung im österreichischen Fußball begann. Das erste Spiel der neuen Bundesliga-Saison wurde angepfiffen, Sturm Graz unter dem neuen Coach Peter Hyballa gegen Meister Salzburg, ebenfalls mit neuer sportlicher Leitung. Nach der vermutlich schlechtesten Bundesliga-Saison aller Zeiten waren auf einmal zwei Teams da, die auf Pressing setzten – ein Konzept, das in Österreich bis dahin keinerlei Anwendung gefunden hatte.

Vier Wochen zuvor war Ralf Rangnick als neuer Sportdirektor aus dem Red-Bull-Hut gezaubert worden, er brachte Roger Schmidt als Trainer aus Deutschland mit. Rangnick kannten alle von seiner Zeit auf Schalke, vor allem aber als sportlicher Architekt des Emporkömmlings Hoffenheim. Schmidt kannte niemand, der sich nicht tiefer mit dem deutschen Fußball beschäftigt hatte: Der 45-Jährige war zuvor beinahe mit Paderborn in die Bundesliga aufgestiegen, viel mehr hatte er noch nicht in seiner Vita stehen. Einige Wochen später stieß Jochen Sauer von Wolfsburg kommend als General Manager hinzu.

Es herrschte Skepsis.

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20 Jahre Red Bull Salzburg – Teil 1: Die Prä-Rangnick-Jahre

Es war der 6. April 2005, kurz nach 20 Uhr. Da flatterte eine Presse-Aussendung in die Postfächer der Sportredaktionen des Landes: „Beginn einer neuen Fußball-Ära in Salzburg: Die Red Bull GmbH aus Fuschl übernimmt ab sofort die Salzburg Sport AG und damit den Fußballbetrieb des Salzburger Bundesligisten.“

Salzburg war damals Vorletzter der Bundesliga, schwerstens finanzmarod und der für die sieben Millionen Schulden bürgende Langzeit-Präsident Rudi Quehenberger froh, weil damit das Salzburger Überleben gesichert war. Das ist nun genau 20 Jahre her und die Art und Weise, wie Red Bull den heimischen Kick geprägt und verändert hat, ist tiefgreifend und umfassend. Das steht außer Frage.

Das mit dem „Salzburger Überleben“ hingegen ist seither ein eher kontroverses Thema.

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Zahlen bitte: Rangnicks Bilanz, nüchtern betrachtet

„Nüchtern betrachtet“, ließ sich Johann Gartner im profil zitieren, „sind wir mit Rangnick nicht weiter als unter Foda.“ Nun gibt es sehr wohl einiges, was man an den Spielen des ÖFB-Teams – und den Resultaten – im letzten halben Jahr kritisch anführen kann. Verpasster Gruppensieg in der B-Abteilung der Nations League, das verstolperte Playoff gegen Serbien, und nicht alles war nur Pech.

Aber: Hält die Behauptung des NÖFV-Präsidenten, selbst wenn man nur die Zahlen betrachtet? (Spoiler: Nein.)

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