20 Jahre Red Bull Salzburg – Teil 1: Die Prä-Rangnick-Jahre

Es war der 6. April 2005, kurz nach 20 Uhr. Da flatterte eine Presse-Aussendung in die Postfächer der Sportredaktionen des Landes: „Beginn einer neuen Fußball-Ära in Salzburg: Die Red Bull GmbH aus Fuschl übernimmt ab sofort die Salzburg Sport AG und damit den Fußballbetrieb des Salzburger Bundesligisten.“

Salzburg war damals Vorletzter der Bundesliga, schwerstens finanzmarod und der für die sieben Millionen Schulden bürgende Langzeit-Präsident Rudi Quehenberger froh, weil damit das Salzburger Überleben gesichert war. Das ist nun genau 20 Jahre her und die Art und Weise, wie Red Bull den heimischen Kick geprägt und verändert hat, ist tiefgreifend und umfassend. Das steht außer Frage.

Das mit dem „Salzburger Überleben“ hingegen ist seither ein eher kontroverses Thema.

Die Ausgangslage

Im Dezember 2002 hatten die Violetten aus Salzburg das alte Stadion in Lehen verlassen, Lars Søndergaard mischte mit einem damals sehr modernen 4-4-2-Zonenfußball die Liga auf und wurde 2003 Dritter. „Lars Søndergaard war ein herausragender Trainer“, erinnert sich Alex Schriebl, heute Teamchef der ÖFB-Frauen, „er hat es geschafft, dass wir innerhalb von vier Wochen die Viererkette beherrscht haben. Das hat uns auch konditionell sehr geholfen, weil unsere Laufwege viel ökonomischer waren als mit Manndeckung.“

So wurde man mit einem Kader, dem das von seiner individuellen Qualiät eigentlich nicht zugestanden wären, Dritter. „Wir haben furchtlos gespielt“, so Schriebl, „aber im Herbst haben wir dann einige Spiele knapp verloren, da war dann auch die Ruhe im Umfeld nicht da.“ Von den vielen Neuen stand nur ein schon erheblich gealterter Thomas Häßler einigermaßen regelmäßig auf dem Rasen, Ende Oktober war Salzburg Letzter, Søndergaard wurde nach einer Heimniederlage gegen die Admira entlassen. Er wusste es nach dem Spiel, die Fans auch, Søndergaard kam direkt nach Abpfiff zur Kurve, winkte, wurde mit warmem Applaus verabschiedet.

Der Klassenerhalt 2004 wurde ein Kraftakt, bis in den April herrschte akute Abstiegsgefahr. Das war auch 2004/05 nicht anders, Anfang März warf Trainer Peter Assion das Handtuch, man lag nach Verlustpunkten einen Zähler vor Schlusslicht Bregenz. Nikola Jurčević kam, holte sich gleich mal ein 1:5 im Cup beim damaligen Drittligisten St. Pölten ab, die Fans stürmten noch vor der Halbzeitpause das Feld am Voith-Platz und vollzogen einen Sitzstreik. Das war zwei Wochen vor dem ominösen 6. April 2005.

An diesem Tag trat Kurt Jara etwas überraschend als Kaiserslautern-Trainer zurück, die Schlagzeilen gehörten davon abgesehen eher der Austria, die tags darauf ihr Viertelfinal-Hinspiel im UEFA-Cup gegen Parma absolvierte. „Selten haben wir eine Entscheidung länger und genauer geprüft als jene, in das österreichische bzw. internationale Fußballgeschehen einzusteigen“, ließ sich Dietrich Mateschitz zitieren, „Unsere Zielsetzungen sind äußerst ambitioniert und können nur die langfristige permanente Teilnahme in den obersten Europäischen Wettbewerben zum Inhalt haben. Damit hat Red Bull neben der Formel-1 ein zweites Standbein in seinem Sportengagement mit internationaler Reichweite.“

Knapp zwei Wochen später wurde bekannt gegeben, dass Jara in der neuen Saison Trainer wird – sein Rücktritt in Lautern muss in diesem Licht betrachtet werden – und Manfred Linzmaier würde statt Jurčević als Statthalter die Saison zu Ende trainieren. Der Satz „Red Bull in der Red Zac“ nach dem damaligen Namenssponsor der 2. Liga geisterte durch belustigte Fan-Kreise, aber weil Bregenz sportlich noch kaputter war und auch keine Lizenz mehr bekam, blieb das dem neuen Regime erspart.

2005/06: Zweiter unter Kurt Jara

Von den sagenhaften 34 Spielern, die den letzten violetten Kader zum Durchhaus gemacht hatten, blieben nach dem Takeover nur eine Handvoll übrig – das war erwartet worden. Wie radikal Red Bull aber mit der Vergangenheit brechen würde, kristallisierte sich erst in den Monaten nach der Übernahme heraus. Zum Missfallen des harten Fan-Kerns, den man mit einer violetten Kapitänsschleife und violetten Torwart-Socken abspeisen wollte, legte Mateschitz großen Wert darauf, alles Vergangene aus dem Salzburger Bundesliga-Auftritt zu tilgen.

Es kamen große Namen: Mateschitz‘ Spezi Franz Beckenbauer vermittelte die Alt-Bayern Zickler und Linke, es kamen Schopp und Manninger (der im Herbst verletzungsbedingt von Heinz Arzberger vertreten wurde) aus Italien zurück, dazu Ježek, Kirchler, Knavs und Mayrleb, mit denen Jara beim FC Tirol schon Meister geworden war. Die Truppe war routiniert (um nicht zu sagen: alt), bis auf Carboni – mit 26 der jüngste Stammspieler – hatte niemand irgendeine Form von Weiterverkaufswert. Es ging nur um das Hier und Jetzt.

Die Konkurrenz sah die Bullen sofort als Titelfavorit, Jara selbst sprach davon, dass zumindest ein Europacup-Platz der Anspruch im ersten Jahr sein müsse. Es begann auch etwas holprig, im Cup scheiterte man an der 2. Mannschaft der Wiener Austria, aber zwischen Anfang September und Ende November holte Salzburg neun Punkte auf die Spitze auf und wurde sogar Herbstmeister, wiewohl die Austria letztlich auf Platz eins überwinterte. Gerade am heimischen Kunstrasen war die Truppe kaum zu biegen.

Mit der Verpflichtung von Teamkapitän Andi Ivanschitz von Rapid riss Red Bull im Winter auch bei anderen Vereinen spürbare emotionale Wunden auf. Man verholperte den Frühjahrs-Start, die Austria zog davon und auch ein 3:0-Sieg gegen die Wiener im März machte die Meisterschaft nur gefühlt wieder spannend. Salzburg beendete die erste Saison als Red Bull auf dem zweiten Platz der Tabelle und als klare Nummer eins bei den Besucherzahlen.

Mit 16.500 Zusehern war die noch nicht ausgebaute EM-Arena praktisch durch-ausverkauft. Dem Krach mit den violetten Kern zum Trotz: Die Attraktion der Star-Truppe zog. Es sollte aber die bis heute letzte Saison sein, dass jemand anderer als Rapid die meisten Stadiongeher anzog.

2006/07: Meister unter Giovanni Trapattoni und Lothar Matthäus

Jara war sein Amt dennoch los, aber nicht wegen sportlicher Gründe, sondern weil ihm Mateschitz vorgeworfen hat, bei Spielertransfers mitgeschnitten zu haben. Von diesem Vorwurf wurde Jara später gerichtlich freigesprochen – dennoch blieb es bis heute sein letzter Trainerposten. „Groß denken“ galt für den Sommer 2006 zwar nur begrenzt am Spielersektor (es kamen bis auf Niko Kovač nur semi-bekannte Namen), dafür umso mehr bei der Jara-Nachfolge – Giovanni Trapattoni und Lothar Matthäus. Im Herbst stieß noch Oliver Kreuzer als Sportdirektor dazu.

„Trapatthäus“ schob gleich mal Markus Schopp (New York) und Alex Manninger (Siena) ab, kam in der CL-Qualifikation zunächst mit Glück gegen den FC Zürich weiter, ehe das Hinspiel gegen Valencia 1:0 gewonnen wurde. Nach dem 1:4 im Mestalla hielten die Bullen in der ersten UEFA-Cup-Runde Blackburn daheim bei einem 2:2, verloren danach im Ewood Park 0:2.

National zog man von Beginn weg souverän seine Kreise und profitierte auch von der implodierenden Konkurrenz. Rapid war zur Saisonhalbzeit Letzter und Meister Austria über die Winterpause, Sturm ging pleite, der GAK nach krassen Punktabzügen ebenso. Lange war Mattersburg Zweiter, am Ende schloss Ried als Vizemeister ab. Salzburg war so dermaßen alleine auf weiter Flur, dass man sich die japanischen PR-Gags Miyamoto und Alex leisten konnte.

Als der Titel Mitte April auch rechnerisch feststand, hatte Salzburg nur drei der 30 Bundesliga-Spiele verloren, in den 15 Heimspielen hatte man zu diesem Zeitpunkt eine Bilanz von 12 Siegen und drei Remis bei 39:6 Toren. Der Kunstrasen war gefürchtet, wurde als zusätzlicher umstrittener Heimvorteil angesehen. Und doch war Trap nicht immer happy. Nach dem Cup-Aus im Halbfinale gegen Mattersburg setzte er zu einer veritablen Wutrede an. Das Ziel waren Journalisten, die sich über die vielen Verletzten wunderte: „Was verstehen Sie vom Fußball, über das Training? Ich bin Profi in Physiologie. Wenn Sie sehen Training, was verstehen?“

2007/08: Zweiter unter Giovanni Trapattoni

„Unterschiedliche Auffassungen im Trainingsablauf und bei strategischen Entscheidungen“ führten im Sommer 2007 zur Trennung von Lothar Matthäus – die Chemie zwischen den beiden Alphatieren war schon in der Meistersaison nicht immer harmonisch gewesen. Im September musste auch Sportchef Kreuzer gehen. Wegen der Transfers? Einige Wunschspieler konnten wohl nicht zum Kommen bewegt werden. Es kam Ibrahim Sekagya, von dem Matthäus gesagt hatte, weder er noch Trap hätten den in Argentinien beschäftigten Ugandaer je spielen gesehen. Es kam Christoph Leitgeb vom konkursreifen SK Sturm, Linke wurde aussortiert. Und es kam Heinz Hochhauser als neuer Sportdirektor.

Gegen Shachtar Donetsk fehlen nur wenige Minuten zur erstmaligen Teilnahme an der Champions-League-Gruppenphase, im UEFA-Cup ging’s dann schon in der 1. Runde gegen AEK Athen raus – das stand schon nach dem Hinspiel-0:3 in der griechischen Hauptstadt fest. Auch die Liga begann holprig: Niederlage beim neuen Verein Austria Kärnten, der im Namen den Umzug schon vollzogen hatte, aber noch in Pasching spielen musste, weil das neue Stadion noch nicht fertig war.

Punktverluste in Mattersburg und Altach, Niederlagen gegen die Rapid, Sturm, den LASK, Ried und Innsbruck: Als nach 23 Spielen die Winterpause kam, hatte Salzburg nur 37 Punkte auf dem Konto – aber alle anderen waren genauso unkonstant: Sturm 37, Salzburg 37, Austria 37, Rapid 36, LASK 35. Zwei Tage, bevor im Februar der Massensprint zum Meistertitel begann, gab Trap bekannt: Im Sommer ist Schluss, er wechselt nach Irland. Sechs Wochen später, nachdem die Bullen den LASK mit einem 4:0 aus dem Titelrennen geschossen hatten, waren nur noch zwei Teams realistisch im Titelrennen: Salzburg und Rapid. Was dann am Ostersonntag kam, ist österreichische Fußballgeschichte.

Salzburg null. Rapid sieben.

2008/09: Meister unter Co Adriaanse

Statt dem vorsichtigen Trap kam der ultra-offensive Adriaanse und mit ihm ein spürbarer Holland-Einschlag: Nelisse, Opdam und Bobson kamen (und nicht alle schlugen ein), das System wurde ein angriffiges 4-3-3, dazu fand man in Norwegen den Kameruner Somen Tchoyi, gegen den sich österreichische Verteidiger brutal schwer taten.

Der totale Wechsel der Spielphilosophie brauchte zwei Monate, bis er griff, dann schoss Salzburg aber aus allen Rohren. Marc Janko, den in den Jahren zuvor immer wieder Verletzungen geplagt hatten, blieb fit und wurde mit geradezu surrealen 39 Toren Schützenkönig. Salzburg schnitt durch gegnerische Abwehrreihen, dass es auch immer wieder (zu) viele Gegentore gab, war eingepreist. Es gab ein 4:3 in Altach, 7:3 gegen Kapfenberg, ein 5:1 gegen die Austria.

Aber eben auch ein absurdes 2:5 in Kapfenberg und gleich zwei Niederlagen gegen Austria Kärnten, ein neuerliches Cup-Aus bei den Austria-Amatueren (wie schon 2006) und im UEFA-Cup war man in der 1. Runde gegen Sevilla deutlich zu leichtgewichtig unterwegs. Als Sportchef Hochhauser Anfang April ankündigte, dass Adriaanses Ein-Jahres-Vertrag nicht verlängert wird („Es gab Dinge, die nicht so gepasst haben“), hatten die Bullen „nur“ fünf Punkte Vorsprung auf Rapid.

Salzburg humpelte über die Linie, verlor vier der letzten sechs Spiele, brachte den zweiten Titel der Red-Bull-Ära aber in trockene Tücher.

2009/10: Meister unter Huub Stevens

Erstmals hatten unter Adriaanse Salzburg-Spiele als Offensiv-Feuerwerk richtig Spaß gemacht, damit war ab Sommer 2009 Schluss. Es wurde wieder staubig an der Salzach: Zu Sekagya, der einer der besten Verteidiger seiner Zeit in der Bundesliga war, kam mit Rabiu Afolabi (einst bei der Austria schon stark) ein weiterer Prügel für die Innenverteidigung, der gelernte IV Fränky Schiemer – der Mann mit dem Turban-Abo – räumte davor ab, praktisch ohne Bindung zum Aufbauspiel. Der Einser-Pass wurde der von Torhüter Gustafsson zu Stürmer Janko, der „nur“ 18 Treffer beisteuern konnte.

Dafür wurde im fünften Jahr erstmals eine echte Verjüngung durchgeführt. Statt Spieler jenseits der 30 mit Königsverträgen auszustatten, wurden nun Mittzwanziger geholt. Aufhauser – lange Fixpunkt im Zentrum – wurde im Winter zum LASK abgegeben, Ježek zur Admira, Bodnár nach Ungarn, der Flop Ilić zurück zu Partizan. Der langjährige Keeper Ochs brauchte einige Monate, um einen neuen Verein zu finden.

Der Erfolg gab Hochhauser (bzw. Dietmar Beiersdorfer, der im Herbst neuer Sportchef wurde) im ersten Jahr unter Stevens recht, so wurden erstmals echte Erfolgserlebnisse im Europacup eingefahren: Zwar verwehrte Maccabi Haifa den Zugang zur Champions League, in der neuen Europa-League-Gruppenphase gewann Salzburg aber alle sechs Spiele gegen Villarreal, Lazio und Levski Sofia. Erst im Februar war gegen Standard Lüttich Endstation.

Und in der Liga? Salzburg machte selten großen Spaß, aber holte Punkt um Punkt, Sieg um Sieg. Dass man nicht im Winter schon auf und davon war, lag daran, dass auch Rapid (weiterhin und Peter Pacult) und die Austria (unter Karl Daxbacher) sehr wenig liegen ließen. Erst der 1:0-Sieg im St. Hanappi (Tor: Afolabi) ließ das Pendel in Richtung Salzburg ausschlagen – vermeintlich. Denn hatte sich Salzburg in den ersten 33 Runden nur zwei Niederlagen geleistet, folgten in der dritt- und der vorletzten zwei weitere (in Kapfenberg und gegen die Austria).

Der der 2:0-Sieg bei Sturm Graz in der letzten Runde sicherte den Meistertitel für Salzburg doch noch – mit starken 74 Punkten. Zum Vergleich: Das war nur ein Punkt weniger als 2007, als man konkurrenzlos mit 19 Zählern Vorsprung auf Ried den Titel geholt hatte.

2010/11 – Zweiter mit Stevens bzw. Moniz

Freude bei der Konkurrenz: Der Kunstrasen war Geschichte, ab sofort wurde bei Salzburger Heimpartien auf natürlichem Geläuf gespielt. Marc Janko durfte nun endlich ins Ausland wechseln, für Somen Tchoyi überwies West Brom immerhin drei Millionen, Alexander Zickler ließ die Karriere fortan beim LASK ausklingen. Die entstandenen Lücken sollten Roman Wallner, der (noch) unbekannte Brasilianer Alan und Joaquín Boghossian füllen. Das gelang nur teilweise. Als nach 19 Spielen die Winterpause ins Land zog, hatten die Bullen erst 22 Tore erzielt. Man lag vier Punkte hinter Herbstmeister Ried. Gludo, schau owa.

Natürlich: Mit vier Innenverteidigern in der Kette brannte wenig an, das Tor hütete Gerhard Tremmel in Abwesenheit von Eddie Gustafsson – dem Schwede hatte sich im Frühjahr 2010 bei einem Crash mit LASK-Stürmer Kragl schwer verletzt. Aber der Stevens-Kick spielte das Stadion ziemlich effektiv leer: Die Arena war doppelt so groß wie 2005/06, aber die Besucherzahlen betrugen nur noch die Hälfte. In der Europa League gab es in einer harten Gruppe (Juventus, Man City, Lech Posen) zwei Punkte, dazu kamen interne Reibereien: Co-Trainer Achterberg und Stevens wurden im Winter-Trainingslager handgreiflich. Achterberg musste gehen, zwei Monate später auch Stevens.

Und mit ihm Dietmar Beiersdorfer: Die Filiale in Leipzig steckte in der 4. Liga fest, der österreichische Titel schien an die groß aufspielende Austria verloren. Anfang April übernahmen Technik-Trainer Ricardo Moniz, ihm wurde Niko Kovač zur Seite gestellt, der die Red Bull Juniors trainierte. Passend zum Spielstil (und dem generellen Trend der Liga) gewann Salzburg alle vier verbleibenden Auswärtsspiele, aber nur zwei der fünf Heimpartien, Pleiten gegen den abgeschlagenen Letzten LASK und gegen Innsbruck inklusive.

Dennoch hätte es fast zum Titel gereicht, weil die Austria noch wilder zusammenbrach. Doch ein Last-Minute-Punktverlust gegen Ried in der vorletzten Runde machte Sturm Graz zum Überraschungs-Meister.

2011/12: Meister unter Ricardo Moniz

Heinz Hochhauser kam nach knapp zwei Jahren als Nachwuchsleiter zurück auf den Sportdirektoren-Posten, bestätigte den zunächst als Interimslösung angedachten Moniz als Chefcoach und gab eine neue Marschroute aus: „Ich nehme den Trainern hiermit den Champions-League-Rucksack ab. Dieser Rucksack hat in den letzten Jahren sehr viel verhindert. Es hat vor allem verhindert, dass junge Spieler eine Chance kriegen. Wir wollen Spieler entwickeln.“

Also kamen Stefan Maierhofer (29), Petri Pasanen (31) und Rasmus Lindgren (27) – sowie, im Winter dann, ein 26-jähriger Stürmer von der B-Mannschaft des FC Barcelona. Ein gewisser Jonatan Soriano.

Diese Saison zementierte das Salzburger Image als gesichtslose Geldvernichtungsmaschine: Es war keine Spielidee erkennbar, es gab kaum Kreativität (in einer Liga, in der das Pressing noch nicht angekommen war) und auch keine Strategie bei der Kaderzusammenstellung. Amüsierte man sich zuvor an den im Jahrestakt wechselnden Philosophien – sehr defensiv, super-offensiv, dann wieder einbunkern – war Red Bull im Herbst 2011 zu einer Karikatur seiner selbst geworden. Eine Ansammlung von Ich-AGs, oder, wie wir es damals formulierten: „Salzburg schafft es nicht und nicht, aus dem vorhandenem Spielermaterial ein funktionierendes Gesamtgefüge zu machen – Grundvoraussetzung, bevor man darüber diskutieren kann, welches System und welche Spielanlage denn nun dazu passt.“

Zur Saisonhalbzeit war Salzburg nur Fünfter – hinter dem erneuten Herbstmeister Ried, hinter Rapid und der Austria (wo man so unzufrieden war, dass man Daxbacher durch Vastic ersetzte) und der Admira. Im Europacup überwinterte Salzburg, weil man sich an einem PSG vorbei drückte, das den Europacup mehr oder weniger abgeschenkt hat – ebenso wie der Salzburger Anhang, der in sechs der sieben internationalen Heimspiele nur vierstellig erschienen war. Als es im Februar eine krachende Demontage gegen das ukrainische Extrem-Pressing-Team von Metalist Kharkiv setzte (0:4 und 1:4), war Hochhauser schon nicht mehr im Amt, seine Agenden waren unter Moniz, Geschäftsführer Vogl und dessen Assistenten aufgeteilt worden. Einem gewissen Oliver Glasner.

Salzburg wurde am Ende doch noch Meister, weil man unspektakulär die nötigen Resultate holte: Nach einem 3:1 gegen Rapid (mit den entscheidenden Treffern in den Minuten 86 und 90) im März gab es 30 von 36 möglichen Punkten in den verbleibenden 12 Spielen, dabei aber nur ein einziges Mal mehr als zwei eigene Tore. Außerdem gab es endlich den ersten Cup-Sieg.

Alles in bester Ordnung also? Nicht für Ricardo Moniz. Zwei Tage vor Trainingsstart warf er im Juni 2012 das Handtuch: „Ich habe bei Red Bull nur Streit gehabt. Schon im November wollten sie mich rauswerfen“, beklagte er sich, mit Bernd Pansold – Leiter des  „Diagnostik- und Trainingszentrums“ und Sport-Arzt mit DDR-Doping-Vergangenheit – konnte und/oder wollte Moniz nicht zusammen arbeiten.

Zwei Wochen später stand Ralf Rangnick als neuer fußballerischer Head of Red Bull da. Und alles sollte sich ändern.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.