Österreich hat am Dienstagabend gegen Nigeria in Graz 1:1 gespielt. In der ausverkauften UPC-Arena zeigte das Team von Josef Hickersberger in den ersten 20 Minuten guten Fußball und schaltete dann wie gewohnt einen Gang zurück. Nach 60 Minuten kam anders als gegen Deutschland und die Niederlande nicht der große Einbruch, sicherlich begünstigt durch Nigerianer, die nicht das Letzte gegeben haben. Was man im Detail über das österreichische Spiel lernen konnte, zeigt die Ballverliebt.eu-Taktikbesprechung.
Hickersberger startete mit einem 3-5-2, wobei er vier Mittelfeldspieler offensichtlich mit defensiven Aufgaben beauftragte. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass an den Aussenbahnen nicht die offensiven Harnik und Korkmaz begannen, sondern Standfest und Fuchs. Sobald die hinten mehr zu tun bekamen, fehlte der Druck über Aussen.
Nach dem stürmischen Beginn der Österreich-Elf hatten sich die traditionell offensiv orientierten Nigerianer nämlich gefangen und begannen die löchrige Defensive zu bearbeiten. Standfest und Fuchs waren in der Abwehr nicht immer zur Stelle und so kame es mehr oder weniger dazu, dass die Nigerianer mit gleich vielen Stürmern antrabten, wie die Österreicher Verteidiger hatten. Der Ausgleich fiel schlussendlich aus genau so einer Überforderung der Dreierkette.
Zur Halbzeit reagierte Hickersberger darauf, dass seine Mannschaft zunehmend in Bedrängnis geriet. Er brachte einerseits Hoffer für den gut spielenden Kienast (Muskelprobleme) und zog vor allem Standfest auf der rechten Seite in die Verteidigung zurück. Für manche mag das paradox klingen, doch das war eine offensive Maßnahme. Statt sieben waren nunmehr fünf oder sechs Spieler mit eher oder vorwiegend defensiven Aufgaben beauftragt.
4-3-1-2 war nun also angesagt. Wie das ganz genau ausgesehen hat, hat sich mir ein bisserl entzogen. Weder Aufhauser noch Ivanschitz dürften wirklich die rechte Aussenbahn übernommen haben. Teilweise hat das wohl sogar Standfest übernommen.
Die logische Konseuqenz aus der Systemumstellung war, Fuchs jetzt aus dem Spiel zu nehmen und mit Korkmaz über links für mehr Offensive zu sorgen. Das machte Hickersberger allerdings erst in Minute 60. Es zeigte sofort Wirkung und reichte aus, um einige gute aber nicht zwingende Chancen zu erzeugen.
Warum der Trainer nicht auf der rechten Seite Harnik brachte um denselben Effekt zu erzielen und so eine Zange zu erzeugen, ist meine Frage des Abends. Stattdessen opferte er jedes taktische Konzept dem Publikum und brachte Vastic anstelle des farblosen Ivanschitz. Deswegen steckte er Hoffer für einige Minuten ins rechte Mittelfeld, als er auf 4-4-1-1 umstellte.
Dass Hoffer nach rechts geschoben wurde, war eigentlich erst die Besetzung der rechten Seite in Hälfte 2. Diesen Einsatz von Hoffer an ungewohnter Position (der konnte es anfangs wohl selbst nicht glauben) hat Hickersberger nach dem Spiel selbst als Fehler erkannt. Sowas darf er in Wirklichkeit aber zu diesem Moment der Vorbereitung gar nicht erst versuchen. Erst als Linz aus dem Spiel genommen wurde und Leitgeb den rechten Außenspieler übernah, durfte Hoffer wieder nach vorne.
[ad#bv_test]Abgesehen von einem guten Freistoß bei einer schrecklich platzierten nigerianischen Mauer blieb auch Vastic ohne entscheidende Impulse. Aufgefallen ist er mir weder positiv noch negativ – abgesehen davon, dass er gegen Ende einen Konter unnötig verlangsamte. Genau das ist allerdings die Befürchtung, die Vastic-Skeptiker und auch ich gegen seine Einberufung immer wieder vorgebracht haben. Er wird morgen dennoch einberufen werden.
Fazit: Die österreicher begannen druckvoll, schalteten dann zurück. Das 3-5-2 entpuppte sich als Flopp, was vor allem am für diese Idee viel zu offensiven Gegner lag. In bestimmten Spielsituationen kann es durchaus noch eine Variante sein (allerdings dann deutlich offensiver). Mit der Umstellung auf vier Verteidiger kam Stabilität in die Mannschaft. Sämtliche Varianten (4-3-1-2 und 4-4-1-1) wurden allerdings mit dem falschen Spielermaterial ausgetestet. In Spielen mit Wettbewerbscharakter sollten an der rechten Seite Garics und Harnik eingesetzt werden.
Nominierungen für den EM-Kader: Deren Nichteinsatz werte ich als Vertrauensbeweis, dass der Trainer sich über sie bereits im Klaren ist. Auf beide darf Hickersberger bei der morgigen Kaderbekanntgabe nicht verzichten. Ansonsten plädiere ich noch morgen für einen Trainerwechsel, waren doch beide die treibende Kraft (zusammen mit Ivanschitz) hinter den guten Leistungen gegen Deutschland und Holland.
Allerdings sprach Hickersberger im Vorfeld eh davon, nur vier Stürmer einzuberufen, wenn man Harnik als solchen zählt. Das war wohl bereits ein Wink. Gerade angesichts dessen Multifunktionalität (kann in kritischen Situationen erwiesenermaßen sogar Verteidiger spielen, ist aber ein hervorragender Flügel und ein schneller Stürmer) rechne ich also mit ihm.
Nach Kienasts netter Leistung dürfte auch der dabei sein. Für Janko und Maierhofer wird das wohl das Aus bedeuten, da sich die drei als Spielertypen einigermaßen ähneln. Allerdings gab es keinen Versuch, die beiden einzusetzen. Man wird gespannt sein was das heißt.
In der Hoffnung, dass das Abenteuerexperiment Hiden-Patocka nicht stattfindet sondern lieber das Duo Schiemer-Ibertsberger einberufen wird, rechne ich also mit der folgenden Nominierung für den Kader:
(3) Macho – Maninnger – Özcan
(8) Garics – Prödl – Stranzl – Pogatetz – Gercaliu – Ibertsberger – Schiemer – Standfest
(8) Harnik – Säumel – Aufhauser – Ivanschitz – Korkmaz – Fuchs – Vastic – Leitgeb
(3) Kienast – Linz – Hoffer
Über 23. Mann bin ich mir nicht im Klaren. Es bräuchte noch Alternativen für das zentrale, defensive Mittelfeld und für den Sturm. Da nicht ich sondern Hickersberger aufstellt, ist Scharner leider nicht dabei, deshalb könnte Dober zum Einsatz kommen, auch wenn ich Maierhofer nicht ganz ausschließen möchte.
Kommt kein vierter Stürmer, kann man jedenfalls nur hoffen, dass die drei nominellen sich nicht verletzen. Dann wären die taktischen Varianten im Angriff nämlich reine Notlösungen. Ohne Hoffer müsste dann Harnik kontern (aber wer soll das zumindest über rechts ohne ihn rechts einleiten?). Ohne Linz würde ein Knippser fehlen. Und ohne Kienast könnte man (mit dann nur mehr einem Strafraumstürmer) kein Übergewicht im kritischen Bereich herstellen, falls man in Rückstand gerät (womit man durchaus rechnen sollte).
Den Livechat presented by kick08.net und Ballverliebt.eu findet ihr übrigens hier. Danke an die Kollegen für das Starten des Tickers. Am Freitatg gegen Malta wird Ballverliebt.eu es allerdings etwas anders probieren, um mehr Aussagekraft über das Spiel selbst zu erzielen. Wir hoffen, ihr seid dabei.