Zum dritten Mal nach 2009 und 2010 darf Österreich beim Algarve Cup teilnehmen – dem bedeutendsten Testspiel-Turnier im Frauen-Fußball, bei dem jährlich Anfang März zwölf Teams über mehrere Spielorte verteilt im Süden Portugals je vier Spiele lang gegen richtig starke Konkurrenz testen. Mit Olympiasieger USA, Weltmeister Japan und Europameister Deutschland sind die drei besten Nationalteams der Welt auch diesmal mit dabei.
Österreich testet, I.: Wie ohne Wenninger?
Wenn man nur die Zeit betrachtet, die Abwehr-Boss Carina Wenninger nach ihrem im November erlittenen Kreuzbandriss fehlen wird (also die restliche, bis September laufende WM-Quali), gibt es nur ein einziges Spiel, in dem das wirklich einen Unterschied machen dürfte – jenes im Juni gegen Finnland, dem Gegner um den zweiten Gruppenplatz. Gegen die Gruppen-Nachzügler wird die Abwehr ohnehin kaum gefordert und in Frankreich im April wär’s auch mit ihr, vorsichtig formuliert, sauschwer geworden.
Vielmehr aber sollte man Wenningers Fehlen als Möglichkeit begreifen, einen echten Plan B zu entwickeln. Das kann etwa Romina Bell sein, die ihr zweites Jahr in der US-College-Liga absolviert, im Nationalteam aber zuletzt mehr nicht berücksichtigt worden war als schon. Das kann aber auch eine Spielerin aus dem Mittelfeld sein – was nicht unlogisch wäre, weil zuletzt bereits sehr intensiv mit abkippender Sechs agiert worden war. Diese Variante (etwa mit Kapitänin Schnaderbeck) wäre defensiv sicherlich ein Risiko, weil niemand aus dem Mittelfeld im Klub in der Zentral-Verteidigung spielt. Wäre aber ein Vorteil in der Spieleröffnung (siehe Nilla Fischer bei Schweden, zum Beispiel).
Letztere Variante würde einen Platz im Mittelfeld-Zentrum freimachen, und hier hat Teamchef Thalhammer viele Möglichkeiten, Alternativen zum angestammten Duo mit Schnaderbeck und Puntigam zu versuchen. Etwa mit Nadine Prohaska, die in der Regel links außen startet, aber bei Einwechslungen von Jenny Pöltl oft ins Zentrum geht, und sich dort obendrein auch wohl fühlt. Oder mit Pressing-Monster Sarah Zadrazil, die auch ganz vorne agieren kann.
Außerdem können Lisi Tieber und Jassi Eder so ziemlich auf jeder Position eingesetzt werden, auch Jelena Prvulovic (für den Flügel oder ganz vorne) ist eine Option, wenn man etwa Laura Feiersinger schonen oder anderswo ausprobieren möchte.
Man sieht: Genug Stoff, um alleine damit vier Testspiele acht Tagen zu füllen.
Österreich testet, II.: Noch mehr Pressing
Über den Sommer wurde es einstudiert, im Herbst kam’s zum Einsatz: Österreichs Frauen-Team zeigt ein Pressing, das sich gewaschen hat. Vor allem in Finnland brachte man den Gegner damit mächtig ins Schwitzen, von Weltklasse-Team Frankreich erntete man zumindest (im übertragenen Sinne) hochgezogene Augenbrauen.
„Wir müssen uns aber auch gegen richtig gute Teams noch mehr trauen, hoch zu verteidigen und sie noch härter anzupressen“, fordert Teamchef Dominik Thalhammer, der mit Blick auf das 1:3 im Frankreich-Spiel sagt: „Da war zu viel Respekt von unserer Seite gegeben, und nach dem schnellen Doppelschlag zum 0:2 nach zwanzig Minuten war’s mit dem Mut ganz vorbei.“ Die Erfahrung aus dem Herbst hat gezeigt, dass vor allem Sarah Zadrazil eine unglaubliche Waffe ist, wenn es um Pressing geht. Sie fehlte gegen Frankreich, weil sie von ihrem US-College nicht freigegeben worden war.
Erstaunlich ist dabei, dass Österreich schon jetzt eines der am heftigsten pressenden Nationalteams im Frauen-Fußball überhaupt ist – das sieht man noch im US-Team, bei den Deutschen, aber dann ist die Liste schon ziemlich abgegrast.
1. Gegner: Portugal – Distanz vergrößert?
In der Quali für die EM 2013 spielte Österreich gegen Portugal, war da zweimal grundsätzlich das bessere Team, tat sich aber in beiden Spielen extrem schwer, zu nicht ganz unglücklichen 1:0-Siegen zu kommen. In Pombal fehlte der Nachdruck, nach einer frühen Führung den Sack zuzumachen; in Wr. Neustadt das Nachrücken aus dem Mittelfeld. Österreich vom November ’11 bzw. dem April ’12 ist aber nur personell mit heute zu vergleichen, inhaltlich überhaupt nicht.
Deshalb wird es gegen Portugal auch interessant sein zu sehen, wie viel Distanz Österreich in der Zwischenzeit zu diesem Team gelegt hat. Zum Vergleich: Gegen Ungarn, wie Portugal ein Topf-4-Team (vgl. Österreich: Topf 3), spielte das ÖFB-Team vor fünf Monaten nicht mal besonders glorreich und kam dennoch zu einem nie auch nur im Ansatz gefährdeten 3:0-Auswärtssieg.
Bilanz gegen Portugal: 4 Spiele, 2 Siege, 2 Niederlagen. Im Detail: 0:1 in Faro (Algarve Cup, 2009), 1:2 in Faro (Algarve Cup, 2010), 1:0 in Pombal (EM-Quali, 2011), 1:0 in Wr. Neustadt (EM-Quali, 2012).
2. Gegner: Nordkorea – echter Prüfstein
Bis vor zwei Wochen war Nordirland als Teilnehmer vorgesehen, ehe (aus welchen Gründen auch immer) doch Nordkorea den Platz bekam. Österreich soll’s recht sein, die Asiatinnen sind um zwei Klassen stärker als das Team von der grünen Insel. Nordkorea ist eine echte Hausnummer und steht in der Weltrangliste auf Platz zehn – 19 Plätze vor Österreich. Nordkorea gilt als technisch gut, kompakt und flink; ganz egal, mit welcher Truppe aufgekreuzt wird. Denn wie dort üblich wird um die Spielerinnen ein Staatsgeheimnis gemacht, immer wieder rückt Nordkorea mit einer Horde von 15 neuen Leuten an, von denen noch keiner jemals etwas gehört hat, und die dann auch ebenso schnell wieder verschwinden.
In den letzten Jahren machte Nordkorea allerdings nur negative Schlagzeilen: Erst lieferten bei der WM 2011 gleich fünf Kader-Spielerinnen positive Doping-Proben ab, was den Ausschluss von der WM 2015 zur Folge hatte. Dann weigerte man sich bei Olympia 2012 eine Stunde lang, zum Spiel gegen Kolumbien anzutreten, weil auf der Stadion-Vidiwall versehentlich die südkoreanische Flagge gezeigt worden war.
Österreich sollte Nordkorea, was die körperliche Robustheit angeht, überlegen sein (ein ungewohntes Gefühl), dürfte aber Tempo-Nachteile haben. Es ist erst das zweite Spiel gegen ein Team aus Asien: Im Jahr 1994 spielte man beim Slovakia Cup, einem mit dem Algarve Cup vergleichbaren Turnier, 0:1 gegen Japan. Julia Tabotta war damals einen Monat alt, Jelena Prvulovic noch gar nicht geboren.
Bisher noch keine Spiele gegen Nordkorea.
3. Gegner: Russland – ein- oder gar überholt?
Als sich Österreich in der Quali für die EM 2013 erstmals für die Play-Offs qualifiziert hat, war der Gegner Russland. Die Russinnen setzten sich durch, aber nicht, weil sie wirklich besser waren, sondern weil sie abgezockter waren. Die Erfahrung in solchen Alles-oder-Nichts-Spielen sprach gegen Österreich.
Das ÖFB-Team hat sich seither massiv weiterentwickelt, die Sbornaja ganz deutlich nicht. Man spielte eine ganz okaye EM (Niederlage gegen Frankreich, Remis gegen England und Spanien), bekam aber seither beim 0:9 in der WM-Quali in Deutschland und bei einem 0:7 und einem 0:8 im Februar bei zwei Auswärts-Tests gegen die USA ganz, ganz übel auf’s Haupt. Die nächstjährige WM in Kanada wird so gut wie sicher ohne Russland stattfinden.
Zudem haben diese Spiele gezeigt, dass man mit Pressing nicht umgehen kann und, wenn man mal im Rückstand liegt, damit nervlich nicht zu Rande kommt und zur totalen Implosion neigt. Außerdem fehlt jemand, der die Torchancen verwertet. Eine gute Gelegenheit also für Österreich, um zu sehen, ob man Russland schon ein- oder gar überholt hat.
Bilanz gegen Russland: 4 Spiele, 1 Remis, 3 Niederlagen. Im Detail: 1:5 in Anger (EM-Quali, 2007), 1:3 in Krasnoameisk (EM-Quali, 2008), 0:2 in St. Pölten (EM-Quali, 2012), 1:1 in Rostov (EM-Quali, 2012).
Der Modus und die anderen Teams
Gegen wen es in der vierten Partie, dem Platzierungsspiel, geht, wird sich zeigen. Der Modus ist etwas eigentümlich: In den Gruppen A (mit Europameister Deutschland, EM-Finalist Norwegen, EM-Viertelfinalist Island und dem achtfachen Asien-Meister China) und B (mit Olympiasieger USA, Weltmeister Japan und den EM-Halbfinalisten Schweden und Dänemark) tummeln sich die Weltklasse-Teams, in der Gruppe C die nicht ganz so starken Mannschaften.
Die Teams aus der Gruppe C spielen im Platzierungsspiel gegen die Dritt- und Viertplatzierten aus den Top-Gruppen; deren Sieger bzw. Zweitplatzierten sich im Finale bzw. dem Spiel um Platz drei treffen. Das klingt kompliziert, ist aber eigentlich nicht relevant, weil bis auf das Finale ohnehin kein Spiel mit dem allerletzten Ernst betrieben wird. Das Turnier zu gewinnen ist fein, aber letztlich ohne wirkliche Bedeutung.
Nicht alle Mannschaften der Top-Gruppen haben derzeit viel Spaß. Dänemark und Island sind, jeweils mit neuen Teamchefs, desaströs in die WM-Quali gestartet. Schwedens Trainerin Sundhage experimentierte schon im Herbst fleißig und ohne erkennbare Fortschritte, Norwegen galoppiert in Riesen-Schritten der Überalterung entegegen. Japan suchte nach dem Rücktritt von WM-Spielmacherin Homare Sawa nach sich selbst, bis man so verzweifelt war und die mittlerweile 35-Jährige reaktiverte. Und China hat in den letzten Jahren den Anschluss an die echte Weltspitze verloren.
Gegen eines dieser Teams wird Österreich das letzte Spiel bestreiten und testen können, was man gelernt hat. Denn wenn nicht alles schief läuft, sollten sich die USA und Deutschland, wie schon letztes Jahr, im Finale treffen.
(phe)
Kader: Tor: Anna-Carina Kristler (25 Jahre, Sturm Graz, 18 Länderspiele), Manuela Zinsberger (18, Neulengbach, 3). Abwehr: Verena Aschauer (20, Cloppenburg/GER, 13), Romina Bell (20, AIC Yellow Jackets/USA, 5), Gini Kirchberger (20, Cloppenburg/GER, 17), Heike Manhart (21, Szombathély/HUN, 19), Julia Tabotta (19, St. Pölten, 2). Mittelfeld: Jasmin Eder (21, St. Pölten, 12), Laura Feiersinger (20, Bayern München/GER, 27), Jenny Pöltl (20, St. Pölten, 15), Nadine Prohaska (23, St. Pölten, 37), Sarah Puntigam (21, Kriens/SUI, 35), Viktoria Schnaderbeck (23, Bayern München/GER, 27), Lisi Tieber (23, Sturm Graz, 11). Angriff: Nina Burger (26, Neulengbach, 51), Lisa Makas (21, St. Pölten, 27), Jelena Prvulovic (19, Landhaus, 2), Sarah Zadrazil (21, ETSU Bucs/USA, 10).
PS: Wie gewohnt ist Eurosport live dabei, allerdings nur mit Spielen aus den Top-Gruppen.