David Alaba rettete mit seinem Ausgleich in der Nachspielzeit einen Punkt für sein neues Team Hoffenheim. Die Höhepunkt einer eher durchschnittlichen Leistung in einem Spiel, dass der ÖFB-Jungstar als Linksaußen begann und als Sechser beendete. Ganz angekommen ist Alaba im „System Hoffenheim“ aber noch nicht.
David Alaba ist erst seit zwei Wochen bei Hoffenheim – und trotzdem vertraut ihm der ebenso neue Cheftrainer Marco Pezzaiuoli auch im zweiten Spiel genug zu, um ihn über 90 Minuten auf dem Platz zu lassen. Und das beim hochkomplexen System in Hoffenheim, das Pezzaiuoli gemeinsam mit seinem Vorgänge Ralf Rangnick erarbeitet hatte! Einerseits merkte man natürlich schon, dass Alaba noch nicht allzu lange bei der Mannschaft ist. Aber er zeigte schon, dass er eine enorme Flexibilität hat, was sein Repertoire an möglichen Positionen betrifft und auch nicht daran verzweifelt, wenn das Spiel sich zu seinen Ungunsten dreht und er in eine Rolle gesteckt wird, in der das Spiel ziemlich an ihm vorbeiläuft.
1. – Das System Hoffenheim: Vertikale Dreiecke
Offiziell ist es in den Grafiken der Bundesliga als 4-3-2-1 ausgewiesen; eher entspricht das Hoffenheimer System aber einem 4-3-3 oder einem 4-1-4-1. Wirklich gerecht werden solche Zahlenmodelle der Praxis aber nicht, denn in erster Linie geht es bei Pezzaiuoli um Dreiecke. Von denen baut er bei eigenem Ballbesitz grundsätlich drei in seine Mannschaft ein: Je eines offensiv links und rechts, dazu ein sehr flaches in der Verteidigung. Durhc die Offensiv-Dreiecke soll natürlich nicht nur Stabilität ins eigene Spiel gebracht werden, sondern auch Unordnung in das gegnerische. Außenverteidiger nach innen ziehen, dort Platz schaffen (klappte immer wieder ganz gut), Mittelfeldspieler nach hinten drücken (klappte wunderbar), Sechser binden.
Dafür marschieren die Außenverteidiger massiv mit nach vorne (wie unten am Beispiel von LV Andi Ibertsberger dargestellt), um sich mit den jeweiligen Außenstürmern und den Mittelfeldspielern in den Halbpositionen zu verbinden. Das wird durchaus unterschiedlich interpretiert, beim Spiel gegen St. Pauli wurde das auch deutlich: Während Alaba sich in der Regel sehr nahe bei LM Salihovic und LV Ibertsberger aufhielt, die Passwege kurz gestaltete und selbst, wenn im Ballbesitz, eher nach innen zog, orientierte sich Rechtsaußen Vukcevic deutlich weiter nach vorne, lauerte hoch auf Anspiele und wirkte so deutlich weniger ins Spiel eingebunden.
Auch, weil LM Salihovic und RM Weis etwas unterschiedliche Aufgabenstellungen in der Defensivarbeit hatten: Während Salihovic oftmals mit einigem Schwung nach vorne ging, spielte Weis eher zurückhaltend und passte seine Aktionen immer wieder auch der Spielweise von Sechser Sebastian Rudy an. Entschloss sich dieser, mal durch die Mitte nach vorne zu gehen, war es zumeist eher Weis, der die Zentrale absicherte. Dass die Spielanlage von Weis deutlich konservativer als jene von Salihovic war, zeigt ein simpler Zahlenvergleich: Weis brachte 37 seiner 45 Passversuche an den Mann, Salihovic 38 von 57.
So kontrollierte Hoffenheim gegen die sehr defensiv in einem 4-4-1-1 gestaffelte Mannschaft von St. Pauli völlig mühelos die erste halbe Stunde, ohne allerdings von den Außenpositionen auch mal ins Zentrum zu kommen um dort Torchancen vorzufunden. So musste das hochverdiente 1:0 für Hoffenheim nach 29 Minuten aus einem Freistoß fallen (Ibertsberger war nach einem kurzen Pass von Alaba umgestoßen worden), der vor dem Tor Compper fand. Der Innenverteidiger schoss ein.
Bis dahin war Hoffenheim defensiv überhaupt nicht gefordert, weil sie selbst aber nun – warum auch immer – einen Gang (nein, eher zwei) zurückschalteten, kam St. Pauli deutlich besser in die Partie. Wenn Hoffenheim Zeit hatte, sich in die defensive Formation, ein klassischen 4-1-4-1, zu stellen, war das einigermaßen solide. Wann immer St. Pauli aber mit Tempo nach vorne stieß, wirkte die Abwehr der Gastgeber seltsam kopflos, desorientiert und unsicher. Compper und Vorsah, die im Ballbesitz weit nach außen rückten und so ein riesiges (von Rudy abgedecktes) Loch hinterließen, ließen sich immer wieder von den flinken Offensivspielern von St. Pauli – in erster Linie von Charles Takyi – herauslocken. So verließ in der 51. Minute Compper die Viererkette, um Takyi zu stellen; Vorsah stand auf der falschen Seite von Kruse und schon stand es 1:1.
2. – Die Rolle von Linksaußen David Alaba
Der 18-jährige Leihspieler von Bayern München wurde von Trainer Marco Pezzaiuoli als Linksaußen in diesem System aufgeboten. Seine direkten Mitspieler waren, wie schon erwähnt, Sejad Salihovic und Andi Ibertsberger. Während Ibertsberger sich immer sehr nahe an der Seitenlinie bewegte, orientierte sich Alaba zumeist eher in Richtung Strafraum – Dribblings versuchte er aber eher zu vermeiden. Viel eher hielt er den Ball immer nur kurz und das Ziel war klar erkennbar, das Tempo hoch zu halten und schnelle, kurze Pässe zu spielen. Den größten Aktionsradius dieses Trios hatte aber Salihovic: Vom Mittelkreis bis in den Strafraum war er die treibende Kraft auf der linken Hoffenheimer Seite.
Es wurde schon deutlich, dass Alaba noch nicht mit dem allergrößten Selbstverständnis in der Mannschaft ist. Es gelang ihm beileibe nicht alles, seine Aktionen zeigten zwar Willen, aber brachten relativ wenig ein. In der ersten Hälfte kamen nur die Hälfte seiner Pässe an (8 von 16). Zum Vergleich: Ibertsberger brachte im gleichen Zeitraum 28 von 31 an, Salihovic 15 von 22.
Ganz anders stellte sich die Situation auf der rechten Seite dar: Weis verteilte seine Aktionen etwas defensiver, aber deutlich breiter gefächert als Salihovic – und, wie erwähnt, deutlich passsicherer. Und das, obwohl sich Weis sehr viel auch an weiteren Zuspielen versucht hat. Durch die hohe Positionierung von Vukcevic hatte St.-Pauli-Linksverteidiger Oczipka allerdings nicht allzu viel Mühe, ihn zu verteidigen – Bartels kümmerte sich um Andi Beck.
3. – Die Rolle von Alaba als Sechser (im Vergleich zu Sebastian Rudy)
Der im Sommer vom VfB Stuttgart verpflichtete Sebastian Rudy spielte auf der Position des Sechsers. Vom Positionsspiel interpretierte er das so, dass er im Zentrum verharrte bzw. leicht zurück ging, um sich von den Innenverteidigern Compper und Vorsah flankieren zu lassen. Compper war dabei derjenige Spieler, der sich eher nach vorne orientierte. Rudy blieb dabei quasi der Hüter des Mittelkreises, von wo aus Salihovic und Weis zumeist ihre Aktionen starteten. Die Pässe von Rudy waren in der Regel eher kurz. Seine Passgenauigkeit lag bei 83%, wichtiger war aber seine Präsenz am Spielfeld: Er war immer anspielbar und wurde von seinen Mitspielern auch immer wieder gesucht, wenn es sonst nicht mehr weiter ging.
Als im Laufe der zweiten Hälfte bei Hoffenheim beim Stand von 1:1 das Offensivspiel immer mehr verflachte, wechselten erst Alaba und Vukcevic die Flanken (was die drei Alaba-Pässe auf der rechten Seite auf der oberen Grafik erklärt), ehe er in der 68. Minute die Sechser-Position übernehmen musste – Rudy wurde für Gylfi Sigurdsson ausgewechselt, der ab sofort den Linksaußen spielen sollte.
Als Solo-Sechser einer Mannschaft, die eher verzweifelt als durchdacht probiert, gegen einen oft und flink konternden Gegner zum Erfolg zu kommen, hielt die Performance des außerdem sichtlich immer müder werdenden Alaba keinem Vergleich mit jener von Rudy stand. Der ÖFB-Youngster tappste eher verloren auf weiter Flur umher und auch seine Mitspieler schienen ihm nicht annähernd so viel zu vertrauen wie Rudy zuvor. Die Passrate von Alaba blieb gleich, er hatte aber nun überhaupt keine Bindung mehr zum Spiel.
So blieb er auch äußerst passiv, als St. Pauli in der 81. Minute sich just über jene halbrechte Abwehrseite, auf die sich Alaba orientierte, das 2:1 herausgespielt hatten – eine Minute, nachdem die Hamburger schon eine Riesenchance hatten und sechs Minuten, nachdem Alaba schon Takyi einen Distanzschuss anbringen hatte lassen, der die Querlatte traf.
Alaba machte den Eindruck, körperlich ziemlich am Ende zu sein, so bekam er nach dem 1:2 auch von seinem Trainer lautstark zu hören: „Komm! David, lauf!“ Und David lief – bis er in der Nachspielzeit goldrichtig stand, als ein Ball bei einem Hoffenheim-Angriff auf ihn zukam. Er schoss, St.-Pauli-Innenverteidiger Gunesch fälschte ab, und Hoffenheim hatte in der Nachspielzeit doch noch das 2:2 gerettet. Nicht nur ein Tor, auf das eigentlich nichts mehr hindeutete – sondern vor allem ein Torschütze, der in der zweiten Hälfte sehr wenig gezeigt hatte…
4. – Linksverteidiger Andi Ibertsberger
Bei aller Öffentlichkeit, die der aktuelle (und hoffentlich langjährige) Teamspieler David Alaba genießt, geht seit geraumer Zeit sein Landsmann bei Hoffenheim ein wenig unter. Das ist Andi Ibertsberger gegenüber nicht ganz fair, denn dass ihn der ÖFB-Teamchef und sein Stab nicht haben wollen, heißt ja nicht, dass er nicht genauso Leistungen bringt, die zumindest einen Platz im Kader rechtfertigen würden. Denn, so ehrlich muss man sein, an Christian Fuchs führt derzeit eh kein Weg vorbei.
Wie es sich für einen ordentlichen Außenverteidiger gehört, war der Salzburger im Ballbesitz nicht in der Defensive unterwegs – Compper rückte für ihn nach außen, in seiner Spielanlage war er auch ein Stück offensiver als sein rechtes Pendant Andi Beck.
Ibertsberger war zumeist für die kurzen Pässe zuständig, zumeist auf David Alaba. Die beiden Österreicher zeigten vor allem in der ersten Hälfte viel Willen zum schnellen Zusammenspiel. Flanken waren fast exklusiv die Anglegenheit von Ibertsberger (3) und Salihovic (5); von Alaba kam nur eine und die fand ihr Ziel nicht. Defensiv hatte Kruse in der ersten Hälfte, und da vor allem in der ersten halben Stunde, sehr wenig zu melden.
Danach wirkte sich die generell offensivere Einstellung von St. Pauli natürlich auch ein wenig auf die Leistungsbeurteilung von Ibertsberger aus. Kruse und später Naki hatten mitunter durchaus Platz, was aber für Ibertsberger spricht ist die Tatsache, das keines der beiden Tore über seine Seite fiel.
Fazit: Hoffenheim erst stark, dann gibt’s ein blaues Auge
Das Team von David Alaba und Andi Ibertsberger hat eine halbe Stunde lang das Spiel nach Belieben kontrolliert, auch wenn es nur selten Torgefahr gab. Nach der Führung lehnte sich Hoffenheim aber zu weit zurück und durch die Kampfkraft und die Schnelligkeit im Konter kam St. Pauli zurück und ging sogar in Führung. Ein Sieg für die Hamburger wäre aber des Guten dann doch zu viel gewesen und so rettet der späte Ausgleich von David Alaba zumindest einen verdienten Punkt.
Dem 18-Jährigen können solche Spiele nur gut tun – er merkt, dass er auch trotz eher mäßiger Leistung das volle Vertrauen von Trainer Marco Pezzaiuoli hat, und mit einem solchen Erfolgserlebnis wie seinem ersten Bundesliga-Tor, noch dazu einem so entscheidenden, kann man auf solchen Partien aufbauen. Und mit weitere Spielpraxis rechnen.
(phe)
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