Asiencup-Semifinale: Eineinhalb enge Spiele

Japan und Südkorea neutralisierten sich im deutlich besser besetzten der beiden Semifinals 120 Minuten lang. Letztlich behielt Nippon im Elfmeterschießen die Nerven. Welche die Usbeken im Stich gelassen haben – nachdem sie als aktivere Mannschaft nach einer Stunde 0:3 gegen Australien hinten waren…

Japan – Südkorea 2:2 n.V. (1:1, 1:1), 3:0 i.E.

Japan - Südkorea 2:2 n.V., 3:0 i.E.

Es gab drei Schlüsselduelle in diesem Spiel – die der gelbvorbelasteten Sechser (Endo vs. Ki), und die beiden auf den Flanken (Nagatomo vs. Cha Du-Ri bzw. Uchida vs. Lee Young-Pyo). Je eines davon gewann der Koreaner bzw. der Japaner, eines endete ohne Sieger – und somit ging diese eher vorischtig geführte Partie fast folgerichtig erst in die Verlängerung und dann ins Elfmeterschießen.

Beide Teams zeigten von Beginn an extrem großen Respekt voreinander. Was hieß: Jene Achter, die bei beiden Mannschaften im Turnierverlauf deutlich mehr offensive Aufgaben hatten – also Makoto Hasebe bei Japan und Lee Yong-Rae bei den Koreanern – spielten mit ihren Sechsern beinahe auf einer Höhe, um die schnellen Offensivspieler der Gegner besser kontrollieren zu können. Die Koreaner massierten zudem einmal mehr ihre vordere Dreierreihe ziemlich im Zentrum zusammen. Die Folge: Durch die Mitte gab es für Japan kein Durchkommen, selbst fehlte den Koreanern aber massiv die Breite im eigenen Spiel.

So musste sich das Spiel, wenn es wirklich vor das Tor gegen sollte, auf die Flanken verlagern. Hier drehte vor allem der Japanar Yuto Nagatomo auf: Der Linksverteidiger von Serie-A-Klub Cesena drängte seinen Gegenspieler Cha Du-Ri, der bis dahin auch ein sehr ordentliches Turnier absolviert hatte, ziemlich nach hinten und ließ ihn auch auf der anderen Seite nicht zur Geltung kommen. Ansonsten hatten die Defensivreihen das Spiel aber unter Kontrolle, sodass es in der 23. Minute ein sehr harscher Elfmeter für Südkorea war, den Ki Sung-Yueng zum 1:0 nützen konnte.

Starker Ki

Und überhaupt, der Jungstar von Celtic Glasgow. Das 35. Länderspiel des erst 21-Jährigen Sechsers untermauerte sein Image als eines der größten Talente Asiens einmal mehr. Shinji Kagawa kam gegen ihn und Cha nie ins Spiel, auch Keisuke Honda biss sich an Ki und Lee Yong-Rae die Zähne aus – und das, obwohl Ki wusste: Bei einer gelben Karte müsste er im Finale zuschauen! So aber blieben die Japaner, die vor allem in der Vorrunde noch so aufgetrumpft hatten, völlig stumpf. Und es musste einer der beherzten Vorstöße von Nagatomo her, um noch vor der Pause den Ausgleich zu erzielen; Maeda verwertete in der Mitte zum 1:1.

Was auch immer Keisuke Honda versuchte, es fruchtete nicht. Orientierte er sich weiter nach vorne, kamen noch weniger Bälle an; ging er nach hinten, wurde er vom dichten Mittelfeld völlig verschluckt. Auch die rechte Angriffsseite der Japaner blieb harmlos – Uchida und Okazaki neutralisierte Lee Young-Pyo und den ebenso wie Honda oft im Zentrum verschluckten Park Ji-Sung, Akzente setzen konnte auch sie nicht.

Zweite Hälfte: Wachsende Müdigkeit

Mit dem Neutralisieren auf gutem Niveau ging es auch nach dem Seitenwechsel weiter. Je länger die Partie dauerte, desto eher waren es aber die Koreaner, die sich minimale Vorteile erarbeiten konnten: Sturmspitze Ji Dong-Won ließ sich immer wieder zurückfallen, um sich die Bälle selbst zu holen oder als Empfänger schneller Steilpässe mit Tempo zu kommen – bis er in Minute 66 für Hong Jeon-Ho aus dem Spiel genommen wurde. Dieser spielte nun als zentraler Mann vor der Abwehr, Ki und Lee Yong-Rae rückten dafür etwas nach vorne um Honda und Kagawa noch weiter vom eigenen Tor wegzudrängen.

Mitte der zweiten Hälfte merkte man bei beiden Teams immer mehr den Kräfteverschleiß, den das Turnier bis zu diesem Zeitpunkt bereits verursacht hat. Bei den Japanern war diese Müdigkeit vor allem eine Mentale, nachdem sie fast in jedem Spiel ans Äußerste gehen mussten, weil sie es (mit Ausnahme des 5:0 gegen die Saudis) immer verpasst hatten, rechtzeitig für die Entscheidung zu sorgen – oder sie aufgrund äußerer Umstande brutal zu kämpfen hatten, wie im Viertelfinale gegen Katar. Die Folge der schwindenen Kräfte war bei beiden Mannschaften ähnlich: Die Laufarbeit vor allem in der Offensive ging immer mehr zurück, vermehrt wurde mit (nicht immer punktgenauen) Pässen versucht, die reduzierte Laufarbeit auszugleichen. Was sich auf das Niveau des Spiels natürlich nicht allzu positiv auswirkte.

Anders als Ki bei den Koreanern, der trotz seiner Defensivaufgaben auch immer wieder Akzente nach vorne zu setzen versuchte (und zwar nicht nur durch die Standardsituationen, die fast alle der 21-Jährige ausführte); blieb sein Pendant Yasuhito Endo diesbezüglich blass. Er überließ die Versuche nach vorne fast exklusiv Makoto Hasebe, der zwar viel versuchte und mit klugen Pässen immer wieder für Entlastung sorgte, aber seine Vorderleute fast nie gewinnbringend einsetzen konnte. Plakativste Kosequenz der starken koreanischen Defensive um Ki Sung-Yueng: Der völlig entnervte Kagawa wurde noch vor Ende der regulären Spielzeit aus der Partie genommen. Mit Augsburg-Legionär Hosogai ging es in die Verlängerung, die sich schon länger abgezeichnet hatte.

Verlängerung: Nächster umstrittener Elfer

Auch der koreanische Teamchef Cho Kwang-Rae hatte reagiert – aber anders: Er warf in der 82. Minute mit Son Heung-Min (für den gegen Nagatomo völlig blassen Lee Chung-Yong) einen echten Mittelstürmer in die Schlacht. In der Verlängerung deutete zunächst nichts auf eine Änderung des Spiels hin – leichte Vorteile für die Koreaner gab es weiterhin. Bis der saudische Referee Al-Ghamdi offenbar ein schlechtes Gewissen für seinen fragwürdigen Elfmeter für die Koreaner in der ersten Hälfte bekommen hat und er den Japanern in der 96. einen ähnlich fragwürdigen Strafstoß zuerkannte. Das Foul fand nämlich wohl eher außerhalb des Strafraums statt.

Wie zum Beweis für seine diskrete Leistung schoss Keisuke Honda den Elfer fürchterlich schwach, sodass Jung Sung-Ryong ihn mit den Füßen abwehren konnte. Doch seine Mitspieler schalteten langsamer als der eigewechselte Hosogai, der in den Abpraller lief und doch zum 2:1 für Japan verwandelte. Bei den Koreanern kam nun mit Kim Shin-Wook noch ein zusätzlicher Stürmer, woraufhin Zaccheroni Sturmspitz Maeda vom Platz nahm und mit Inoha einen fünften echten Verteidiger brachte.

Lucky Punch

Bei den Koreanern gab es nun nur noch die Brechstange, und Japan schien die Führung einigermaßen cool über die Zeit bringen zu können. Alleine Nagatomo und Honda spielten sich zwei Minuten lang an der gegnerischen Eckfahne und holten immer wieder Eckbälle und Einwürfe heraus. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, hätte Japan das Resultat über die Zeit gebracht, nach den Eindrücken des bisherigen Turniers – wo Japan immer die Ruhe bewahrt hatte. Aber diesmal konnte Korea in der 121. Minute doch noch den Lucky Punch setzen, indem aus einem Freistoß und dem anschließenden Gewühl im Strafraum Innenverteidiger Hwang zum 2:2 traf. Die Koreaner lagen sich in den Armen, als wäre der Finaleinzug schon fix.

Aber die Nerven waren letztlich doch auf Seiten der Japaner, während die Spieler aus Südkorea beim Elfmeterschießen selbige komplett verließen. Erst scheitere Koo Ja-Cheol mit einem halbhohen Schuss an Kawashima, dann tat es ihm Lee Yong-Rae mit einem noch schlechteren Schuss ins Zentrum gleich, und als Hong Jeong-Ho rechts am Tor vorbeischoss, war es fast schon klar. Drei der vier Japaner hingegen trafen – womit Nippon ins Finale einzieht.

Fazit: Ein spektakuläres Spiel war es ganz und gar nicht – im Gegenteil, es war über weiter Strecken von hoher Vorsicht geprägt; dem Bestreben, dem Gegner so wenige Fehler wie möglich anzubieten, und die oberste Maxime war, die schnellen Offensivreihen der Kontrahenten nicht in ihr Spiel kommen zu lassen. Hier tat sich einmal mehr vor allem Ki Sung-Yueng hervor, der Kagawa entnervte und Honda nie wirklich zur Geltung kommen ließ. Auf der anderen Seite rieb sich Park Ji-Sung im Mittelfeld auf, der in der Vorrunde noch so starke Koo Ja-Cheol tauchte gegen den zweiten schweren Gegner in Folge zum zweiten Mal ab. So war das Remis letztlich korrekt.

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Australien – Usbekistan 6:0 (2:0)

Australien - Usbekistan 6:0

Mit Tim Cahill konnte man ja rechnen, wenn man die bisherigen Spiele der Australier gesehen hat. Aber dass sich plötzlich Harry Kewell bei eigenem Ballbesitz bis in die eigene Hälfte zurückzieht, das hatten die Usbeken nicht am Radar. Schon wussten sie mit dem schnell auf ihr Tor zustürmenden Kewell nichts anzufangen, ließen ihn gewähren, und nach nicht einmal fünf Minuten stand es schon 1:0 für Australien.

Für die Australier natürlich ein sensationell guter Anfang. Zum einen natürlich, weil eine frühe Führung immer gut ist. Noch mehr aber, weil sich die Socceroos nun tiefer stellen konnten; sie waren nun nicht mehr gezwungen das Spiel zu gestalten – was ihnen und ihrem 4-4-2 ohnehin nicht entspricht, und was vor allem gegen das kompakte Mittelfeld der Usbeken eine Mammutaufgabe  geworden wäre.

So aber waren die Zentralasiaten am Zug, aber so richtig zündende Ideen hatten sie nicht. Die vorderen vier Spieler waren oftmals weit vor der restlichen Mannschaft, abgetrennt von dieser durch die australische Mittelfeldkette. Diese machte die Räume gut eng und ließ wenig zu. Und wenn doch, waren usbekische Vorstöße über die linke Angriffsseite von Kasanov erfolgversprechender: Denn hier war mit Luke Wilkshire ein Gegenspieler am Werk, der nicht seinen besten Tag hatte und schon in der ersten halben Stunde eher unnötig zwei Freistöße in gefährlicher Distanz kostete.

Das Problem der Usbeken in der Defensive – aus der Achmedov immer wieder bis weit ins Mittelfeld aufrückte – war, dass sie es verabsäumten, die Seiten zu schließen. So hatten Holman (der sich oftmals fast auf eine Höhe mit Cahill und Kewell begab) und McKay bei Tempovorstößen Platz, um ungehindert bis zur Grundlinie durchgehen zu können. Eine dieser Aktionen legte jenen Eckball auf, den der aufgerückte Innenverteidiger Sasa Ognenovski (der im Übrigen in Südkorea sein Geld verdient) zum 2:0 nützen konnte.

Und nach der Pause ging es in der gleichen Tonart weiter: Die Usbeken hatten zeitweise 68% Ballbesitz, sie kamen aber nicht in den australischen Strafraum – und hinten wurden weiterhin die Seiten komplett verwaist zurückgelassen. Letzlich fiel auch das 3:0 in der 65. Minute über einen schnellen Gegenstoß auf der linken Seite; McKays Zuspiel konnte der mit aufgerückte Carney verwandelt. Damit war das Spiel entschieden, und als wenige Minute später die usbekische Solospitze Bakajev mit seiner zweiten gelben Karte des Feldes verwiesen wurde, war’s ganz vorbei.

Denn nun ließen die Usbeken die Köpfe komplett hängen. War davor immer noch der Versuch erkennbar, über erhöhten Ballbesitz im eigenen Mittelfeld mal eine Lücke im dichten australischen Verbund zu finden, war nach dem 0:3 und dem Ausschluss die Luft völlig raus und nur Temur Jurajev, der im Tor den verletzten Stammgoalie Ignati Nesterov vertreten musste, verhinderte lange Zeit ein schlimmes Debakel. Alleine zweimal rettete er gegen den in der 53. Minute für Kewell eingewechselten Kruse in allerhöchster Not.

Die Australier kannten mir ihren Gegnern aber keine Gnade. Sie überließen den geschlagenen Usbeken weiterhin den Ball und sobald dieser bei einem Australier landete, ging’s ratzfatz auf Jurajev und die immer seltener funktionierende Abseitsfalle zu. Emerton sorgte für das 4:0 (74.) und einige Minute später schlief der eingewechselte Ibragimov, wodurch Valeri beim 5:0 (83.) nicht im Abseits stand. Das zeigte nun auch beim bis dahin wirklich starken Jurajev Wirkung, eine Minute später ließ er einen völlig harmlosen „Schuss“ von Kruse zum 0:6 durch die Finger flutschen.

Fazit: „Die Grenzen aufgezeigt“ wurden den Usbeken in diesem Spiel eigentlich nicht, das kann man trotz des 0:6-Debakels nicht sagen. Im Gegenteil hatten sie eine Stunde lang deutlich mehr Ballbesitz, nur fanden sie gegen die sehr tief stehenden Australier kaum Lücken. Die Socceroos kamen aus zwei Kontern und einer Standardsituation zu einer eigentlich zu hohen 3:0-Führung, für die sie nur das Nötigste getan hatten – gut geplant, gut ausgeführt, aber keine drei Tore besser. Danach waren die Usbeken psychisch am Ende, wodurch sich das hohe Resultat erklären lässt.

Natürlich war es letztlich eine souveräne Vorstellung der Australier, aber solange es gegen elf Usbeken ging, die eine Chance für sich sahen, war es nicht glänzend. Das 6:0 sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Socceroos einen verglichen mit Japan extrem leichten Weg ins Finale hatten. Das spricht einerseits für die Japaner, weil diese zweifellos die bessere Mannschaft besitzen. Deutlich weniger Kraft verbraucht haben auf dem Weg ins Endspiel aber die Australier.

(phe)

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.