Österreich kam zum Auftakt in die WM-Qualifikation für Katar 2022 zu einem 2:2 in Glasgow. Obwohl einige Stammkräfte nicht zur Verfügung standen und die Schotten willig waren und die Intensität hoch hielten, war das ÖFB-Team doch das bessere, durch eine geschickte Umstellung für die zweite Halbzeit konnte man auch Sasa Kalajdzic ins Spiel einbinden, was dieser mit zwei Toren belohnte. Dennoch verschenkte man die Punkte durch individuelle Schnitzer und gesteigerte Schlampigkeit in der Schlussphase.
Die Formationen
Beide Teamchefs, Steve Clarke und Franco Foda, stellten ein ähnliches System auf, beides waren Varianten eines 5-3-2. Bei Österreich bildeten Grbic und Kalajdzic das Sturm-Duo, dahinter waren Baumgartner und Schlager als Doppel-Acht postiert mit Grillitsch als Sechser. Alaba, der als linker Wing-Back aufgestellt war, rückte dabei immer wieder ins Halbfeld.
Bei den Schotten war Stuart Armstrong von Southampton rechter Achter, Zehner und Außenstürmer in Personalunion: Gegen den Ball rückte er zurück, in Pressing-Formationen nach rechts vorne und im Aufbau hinter die Spitzen Christie und Dykes.
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Das schottische Pressing
Die Hausherren liefen die österreichische Spieleröffnung mit vier Mann an, vor allem Lienhart wurde dabei gezielt angegangen. Dabei ergaben sich aber zwei Probleme für die Schotten: Zum einen, dass die ÖFB-Abwehr Pressingresistenz zeigte und nicht überhastete, und zum anderen, dass sich durch die unsaubere Pressing-Absicherung für Österreich leichte Wege ergaben, um sich aus der Situation nicht nur herauszuspielen, sondern auch gleich hinter die Pressingwelle zu gelangen und dort Platz zu finden.
Dahinter zeigte sich, dass die Schotten Probleme mit den defensiven Halbräumen hatten. Oft musste McGinn alleine 40 Meter Spielfeldbreite abdecken, weil Robertson und O’Donnell an ihren Außenbahnen verblieben. Speziell im Rücken von Armstrong ergaben sich Wege, durch die Österreich nach vorne kommen konnte. Dies war wohl auch der Grund, warum das ÖFB-Angriffsspiel tendenziell rechtslastig war und viele Vertikalpässe durch das Zentrum versucht wurden.
Das österreichische Angriffsspiel
Ankerpunkt bei Österreich war Sechser Grillitsch. Er war die erste Anspielstation für die Dreierkette, er lenkte die Angriffe. Vor ihm war Baumgartner eher der konstruktive Anspielpartner, während Schlager vornehmlich dafür sorgte, dass die Schotten keine Ruhe am Ball bekamen. Die grundsätzlich defensivere schottische Spielanlage und der Umstand, dass Österreich 57 Prozent Ballbesitz hatte, erlaubte es Lainer und Alaba, viel nach vorne zu gehen.
Allerdings gelang es überhaupt nicht, Kalajdzic und Grbic ins Spiel einzubinden. Sie wirkten eher zur Gegnerbindung im Strafraum, damit drumherum ein wenig mehr Platz ist, aber die österreichische Torgefahr war gleich Null. Inwieweit ein Einsatz von Marcel Sabitzer – der angeschlagen fehlte – hier geholfen hätte, ist Spekulation. Dass Schlager aber eher den Schwung aus den Angriffen herausgenommen hat, anstatt sie zu beschleunigen, ist aber Tatsache.
Adaptierung nach der Pause
Schon gegen Ende der ersten Halbzeit – und unabhängig von Alexander Schlagers abgefangenem Pass, der zur einigen großen schottischen Chance geführt hat (42.) – ging Schottland dazu über, nicht mehr so sehr frontal anzulaufen, sondern zu versuchen, den Österreicher an der Seitenlinie zu isolieren. So fiel es diesem – oft Lienhart – schwerer, sich aus der Lage zu befreien und die Schotten erhielten so spürbar mehr Kontrolle.
Auch beim ÖFB-Team gab es Adaptierungen. Grbic orientierte sich nun deutlich auf die rechte Angriffsseite zu Robertson, während Kalajdzic als Solo-Spitze vorne verblieb. Dies hatte den Effekt, dass Grbic nun wesentlich mehr ins Spiel eingebunden war, Robertson in seinem Vorwärtsdrang gebremst wurde und Kalajdzic (der auch in Stuttgart das Spiel als einziger Center-Forward gewohnt ist) hatte mehr Platz, um sich die passenden Positionen zu suchen.
Österreich holte sich die gegen Ende der ersten Halbzeit verloren gegangene Kontrolle jedenfalls zurück und kam auch zum 1:0, es war zwar eher eine Nicht-Chance (zur kurz abgewehrter Grillitsch-Weitschuss, Kalajdzic staubt ab), aber es hat dem Kräfteverhältnis auf dem Platz entsprochen.
Schotten kontrolliert, dann aber eingeladen
Wenn im Spiel nach vorne Sabitzer gefehlt hat (und der aus Quarantäne-Gründen in China verbliebene Arnautovic sowieso), war im Defensivverhalten das Fehlen von Hinteregger spürbar. Stefan Ilsanker hat in den letzten Wochen zwar in der Frankfurter Abwehr den Hinteregger-Vertreter gegeben, aber er war deutlich die Schwachstelle in der Dreierkette.
Die Schotten zeigten keinerlei schnelle Konter, und wenn die Gelegenheit da war, folgte spätestens bei der Mittellinie ein entschleunigender Querpass, der es dem ÖFB-Team erlaubte, sich defensiv zu formieren. Hier drohte Österreich keine Gefahr – wohl aber, wenn es den Schotten gelang, ins Eins-gegen-Eins zu kommen.
Dass Ilsankers Wrestling-Einlage gegen Christie kurz nach dem 1:0 nicht mit einem eigentlich zwingenden Elfmeter belangt wurde, war schon glücklich. Wenig später war es ein erneutes Fehlverhalten von Ilsanker war, das bei einem schottischen Freistoß zum 1:1 geführt hat.
„Drüberbringen“ oder „Wollen, dass es aus ist“?
Der erneuten Führung für Österreich (Kalajdzic setzte sich im Luftkampf durch) folgte der erneute Ausgleich der Schotten (knapp kein Abseits bei einer Hereingabe auf McGinn nach einem Eckball).
Österreichs Doppel-Torschütze gab nach dem Spiel an, dass man die Führung eigentlich über die Zeit verteidigen wollte. Die Wahrheit war aber wohl eher, dass man einfach wollte, dass das Spiel nach dem Tor zur 2:1-Führung aus gewesen wäre. Denn das ÖFB-Team stellte sich in dieser Phase keineswegs nur tief hinten rein, sondern wurde einfach schlampig im Passspiel und konnte so die Schotten nicht von Angriffen abhalten. Einer davon führte zum Corner, aus dem schließlich das 2:2 fiel.
Eine geistige Müdigkeit, und wohl auch eine körperliche (Foda wechselte nur einmal), war klar zu erkennen.
Fazit: Zwei verlorene Punkte
Die Schotten waren aggressiv, aber unsauber im Anlaufen. Sie boten Schwächen in den defensiven Halbräumen an, bremsten sich bei Konter-Gelegenheiten selbst aus und spielten sich kaum eine halbwegs seriöse Torchance selbst heraus. Das sah zwar aufopferungsvoll aus und sprühte vor Willen, aber wirklich gut im engeren Sinn waren die Schotten nicht.
Dass man personelle Probleme hatte, steht außer Frage und dass man das Playoff ohnehin so gut wie sicher hat (man fällt vereinfacht gesagt nur raus, wenn sich einer aus dem Trio Frankreich-Italien-Spanien nicht direkt qualifiziert), ebenso. Also: Wenn man, noch dazu in einer auf dem Papier machbar erscheinenden Gruppe, den Anspruch hat, sich für eine WM zu qualifizieren, müsste man so einen Gegner schon besiegen. Selbstverständlich auch auswärts.
Die bei Österreich auch ohne Hinteregger, Baumgartliner, Laimer, Sabitzer und Arnautoic zu Grunde liegende individuelle Qualität war in Glasgow in vielen Situationen deutlich zu erkennen und dass Sasa Kalajdzic nicht nur torgefährlich ist – es war sein achtes Pflichtspiel mit einem Tor hintereinander – sondern auch ein gutes Gespür für die Situation und eine hohe Spielintelligenz hat, ebenso. Auch ohne zündende Ideen und mit einem zuweilen eher mechanisch als inspiriert wirkenden Spiel hatte man die Schotten am Haken.
Die althergebrachte Fußball-Logik, die besagt, dass man solche Auswärtsspiele erst mal nicht verlieren soll, kann in diesem Fall nicht zur Anwendung gebracht werden. Es waren eindeutig zwei verlorene Punkte für Österreich.
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