Trotz 6:0 in Israel: WM-Chance für ÖFB-Frauen ist weg

Mit einem deutlichen 6:0-Auswärtssieg bei Gruppen-Schlusslicht Israel verabschieden sich die ÖFB-Frauen in die Sommerpause – und aufgrund der Ergebnisse in den anderen Gruppen auch von der Chance auf eine WM-Teilnahme. Es war aber immerhin der höchste „echte“ Auswärtssieg in der Geschichte der ÖFB-Frauen und vor allem Laura Feiersinger glänzte mit einem Tor und vier Assists.

Israel-Österreich 0:6 (0:2)

Im November 2001 wurde ORF-Kommentator Hans Huber im Stadion von Ramat-Gan von einem wütenden Zuschauer-Mob im vollbesetzten Rund nach dem 1:1 mit Steinen, Feuerzeugen und Orangen beworfen. Diesmal waren kaum 100 Leute da, das Stadion ist längst eine vergessene, vor sich hin rottende Ruine und die einzige Orange lag friedlich neben dem Laptop von ÖFB-Pressemann Kevin Bell – als Souvenir eines Gags auf dem Facebook-Auftritt des Frauen-Nationalteams bzw. der Twitter-Seite des ÖFB.

Israel kann ein ziemlich zäher Gegner sein – so wie bei Österreichs 2:0-Sieg im Herbst in der Südstadt oder beim Auswärts-1:0 vor zweieinhalb Jahren. Diese Gefahr war diesmal schnell gebannt: Katharina Schiechtl drosch den Ball schon nach viereinhalb Minuten zum 1:0 in die israelischen Maschen.

Österreich spielte ein sehr fluides System mit der gewohnten Dreierkette hinten und Puntigam davor sowie Schiechtl und Aschauer auf den Außenbahnen. Barbara Dunst flankierte Puntigam als Verbindungsspielerin, vorne rochierten Billa, Feiersinger und Zadrazil extrem viel – mutmaßlich, um die israelische Manndeckung zu verwirren bzw. aus der Position zu ziehen.

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Die Israelis haben sich mit einer Deutschen verstärkt, nämlich der aus der Nähe von Krefeld stammenden Sharon Beck. Sie spielt bei Hoffenheim und ist seit vier Jahren Stammkraft in der deutschen Bundesliga – und das sah man. Beck ist mit dramatischem Abstand die beste Spielerin ihres Teams. Angeführt von der 23-Jährigen, die im 5-3-2 die linke Mittelfeld-Position besetzte, ging Israel auf die Ballführende und versteckte sich nicht komplett im eigenen Strafraum.

Bei Österreich war das Bemühen erkennbar, schneller in die Vorwärtsbewegung zu kommen als beim 2:0 in der Südstadt, als alleine die Dreierkette hinten auf 335 Ballaktionen kam (117 Wenninger, 115 Naschenweng, 103 Kirchberger) – aber im Aufbau wenig weiterging. In diesem Spiel kam ließ sich oft Dunst (situativ auch Zadrazil und Feierinsger) nach hinten fallen, um Vorwärtspässe ins Mittelfeld zu ermöglichen.

Bei 0:2 geht Israel volles Risiko

Österreich hatte die besten Momente, wenn man mit halbwegs Tempo durch das israelische Mittelfeld durchkam. Oft aber schaffte es Israels Fünfer-Abwehr durch die sehr gegnerorientierte Spielweise, rund um den Ball zu verdichten. Sprich: Durch die Manndeckung klumpte sich oft ein Knäuel aus Spielerinnen zusammen, und Österreich steckte fest. Dennoch: Es gab genug Chancen, um mit mehr als einem 2:0 (Wenninger traf nach einer außergewöhnlich schlecht verteidigten Ecke) in die Pause zu gehen.

Für die zweite Halbzeit stellte Israel auf ein 4-4-2 um. Die Manndeckung in der Abwehr blieb, es gab aber keine Absicherung mehr und die österreichische Offensive zog Israels Abwehr mit Leichtigkeit auseinander – es ergaben sich absurde Räume, die man von den sonst stets extrem kompakten Israelis nie erwartet hätte. Nachdem die ÖFB-Frauen die Einladung angenommen und innerhalb einer Viertelstunde das 3:0 (Billa), das 4:0 (Puntigam per Elfmeter) und das 5:0 (Aschauer) erzielt hatten, wurde das Experiment verschämt abgebrochen und wieder eine Fünferkette installiert.

Laura Feiersinger krönte ihre Leistung nach vier Assists (einmal durchgesteckt, eine Ecke, ein Stanglpass und eine, nun ja, Ahnung von Foul im Strafraum) noch mit dem 6:0, aber wie schon zuletzt in Finnland wurde das Tempo in der letzten halben Stunde nicht mehr mit aller Kraft hochgehalten. Wozu auch.

Die Jagd nach dem Playoff-Platz

Die Lage in der Gruppe ist klar: Spanien ist Gruppensieger, Österreich reicht am letzten Spieltag gegen Finnland ein Remis fix zu Platz zwei und höchstwahrscheinlich würde dazu sogar eine knappe Niederlage reichen. Aber: Platz zwei ist nur das Minimal-Ziel – um ins Playoff zu kommen, muss man unter die vier besten Zweiten kommen. Und da wird’s dunkel.

Wieder hat kein anderer designierter Zweiter gepatzt. Schottland (3:2 nach 0:2-Rückstand in Polen) war knapp dran, gewann aber noch. Norwegen besiegte Irland 1:0, Dänemark gegen Ungarn gar 5:1, Wales hat Russland (nach dem 0:0 auswärts) nun daheim 3:0 geschlagen.

Wie realistisch ist es also, dass noch genug Gegner hinter Österreich zurückfallen? Nun, Wales ist im Ranking schon fix vor Österreich, Dänemark und Norwegen ebenso. Deutschland, Europameister Holland und die Schweiz wären im Ranking der Zweiten fix vor Österreich, sollten sie ihre Gruppensiege noch vergeben.

Das heißt: Schottland müsste gegen Albanien verlieren, was praktisch auszuschließen ist. UND Island müsste daheim gegen Deutschland (gut möglich) und aber auch gegen Tschechien verlieren, was sehr unwahrscheinlich ist. UND Belgien müsste gegen Italien verlieren UND gegen Rumänien nicht höher gewinnen als Österreich gegen Finnland. Und Österreich muss naütrlich gegen Finnland gewinnen. Alle diese Dinge müssten passieren.

Einen Joker gibt es: Schweden müsste daheim gegen die Ukraine Remis spielten (nach einem ultra-peinlichen 0:1 in der Ukraine jetzt gerade) UND dann noch in Dänemark nicht gewinnen. Dann wäre Schweden als Zweiter hinter Österreich.

Also, let’s face it: Der WM-Zug ist abgefahren. Das war’s.

Ein Jahr nach der EM

Die EM mit dem sensationellen Halbfinal-Einzug und Traumquoten im Fernsehen ist nun ein Jahr her. Die Spiele des Nationalteams sind nun tatsächlich allesamt im ORF zu sehen, sogar die vier Partien beim Cyprus Cup. Auch die Bundesliga ist nun recht regelmäßig im TV zu sehen, geplant sind 10 Spiele pro Saison in den nächsten vier Jahren. Das sind die unmittelbaren, merkbaren Auswirkungen der EM. Das ist gut. Es soll außerdem, wie man hört, ein Ligasponsor gefunden worden sein. Das wäre auch sehr gut.

Was die Zuschauerzahlen, das sportliche Niveau und die generelle Struktur bei Liga und Vereinen betrifft, ist der EM-Hype – wie realistisch zu erwarten war – spurlos vorüber gegangen. Ob und wie nachhaltig mehr Mädchen zum Fußballspielen anfangen, wird man erst in ein paar Jahren seriös abschätzen können. Das das Interesse am heimischen Kick aber nicht spürbar gestiegen ist, liegt vor allem an einem: Das Engagement namhafter Klubs aus dem Herren-Bereich ist weiterhin halbherzig bzw. nicht vorhanden. Die Chance der breiten Öffentlichkeit, die 2017 geherrscht hat, wurde nicht ergriffen.

Rapid etwa hat sich immer darauf ausgeredet, dass man nicht die Infrastruktur habe und man erst den Stadionbau abschließen wolle. Das Stadion steht nun seit zwei Jahren, die EM wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, und passiert ist nichts. Die Infrastruktur kann keine Ausrede mehr sein, das Finanzielle auch nicht – mit 1% den Herren-Budgets wäre man locker aus dem Stand vorne mit dabei. Und sicher ist: Wenn Rapid ein Frauen-Team ankündigt, stehen sofort 300 Mädchen vor der Geschäftsstelle und wollen für Rapid spielen.

Zumal mit Katja Gürtler (vorm. Trödthandl) eine ehemalige Teamspielerin in der Marketing-Abteilung von Rapid arbeitet.

Die Kooperation der Austria mit Vizemeister Landhaus ist der Inbegriff von Halbherzigkeit. Bei Sturm Graz ist das Frauen-Team eine ziemlich freudlose Angelegenheit, bei der die interne Stimmung nicht optimal ist und die Aufstellungen zuweilen eher wirr daherkommen (da spielt schon mal Außenbahn-Expertin Naschenweng auf der Acht, dafür die normal in der Zentrale heimische Cancienne auf der linken Flanke). Wenn Rapid einsteigt, würde das wohl zumindest die Austria zu etwas mehr Ernsthaftigkeit anstacheln.

Und natürlich hilft es der Liga nicht, dass schon vor dem 1. Spieltag feststeht, wer Meister wird. Auch hier gilt: Die Austria und Sturm könnten bzw. müssten St. Pölten fordern können, wenn sie es vereinsseitig nur wirklich wollen würden. Selbiges würde für Rapid gelten. Die besten Spielerinnen gingen und gehen ja nicht nach St. Pölten, weil sie den SKN oder die Stadt so super finden. Sie sind beim SKN, weil es dort das beste Umfeld gibt, die professionellsten Bedingungen herrschen, man sich dort bestmöglich auf einen Transfer ins Ausland vorbereiten kann und weil es dort das meiste Geld zu verdienen gibt.

Derzeit ist es in der Tat nur SKN-Präsident Willi Schmaus, der bereit ist, die nötigen Summen zu investieren. Die andere Seite seines Wirkens aber ist: St. Pölten hat sich vor dieser Saison neun Spielerinnen geholt, von denen kaum die Hälfte wirklich gebraucht wurden. Der Rest hat vor allem die Konkurrenz geschwächt. Das ist das gute Recht von Schmaus und im Grunde hat’s Neulengbach unter Bruno Mangl, Gott hab ihn selig, genauso getan.

Bruno wusste zwar, dass es zwar schlecht für die Liga war, aber gut für den heimischen Frauenfußball. Weil sonst keiner was gemacht hat, auch der ÖFB noch nicht. Er wusste, dass er die Gegner höchst selbst zu Statisten degradiert hat, aber mit seiner Initiative hat er auch dem Nationalteam geholfen. Schmaus kauft die Konkurrenz leer, mit guter Infrastruktur, Aussicht auf Erfolg und, ja natürlich, auch mit Geld. Er beschwert sich dann aber gleichzeitig, dass die Konkurrenz so schwach ist und er in Wahrheit ein armer Hund ist, weil niemand anderer mitzieht.

Dieser innere Gegensatz – Gegner schwächen und sich dann beschweren, dass die Gegner so schwach sind – geht sich nicht aus. Wo Schmaus aber völlig recht hat: Die anderen sind gefordert.

Die abgelaufene Saison

Die Mehrheit des EM-Teams hat eine sehr ordentliche Saison gespielt. Carina Wenninger ist nach ein paar schwierigen Jahren wieder Stamm beim deutschen Vizemeister Bayern München, Manuela Zinsberger hat sich in München als Nummer 1 etabliert und Laura Benkarth, die von Freiburg kommt um Manu zu fordern, fällt verletzt noch bis Winter aus. Sarah Puntigam war ein integraler Teil der starken Saison von Freiburg; ist Sarah Zadrazil bei Potsdam so unumstritten, dass ihr Vertrag längst verlängert wurde.

Nina Burger vom SC Sand wurde mit 10 Toren Vierte der Torschützenliste, auch Verena Aschauer und Laura Feiersinger waren absolute Leistungsträger beim Mittelständler (Platz 7). Gini Kirchberger hielt mit Duisburg trotz null Punkten zur Winterpause noch die Klasse, Barbara Dunst wurde beim MSV in so gut wie jedem Spiel eingewechselt. Katharina Schiechtl schaffte mit Aufsteiger Bremen ebenso den Klassenerhalt.

Eine harzige Saison hat Nicole Billa hinter sich, ihr Klub Hoffenheim (8.) spielte einen fürchterlichen Frühling, Billa erzielte in der Saison nur drei Tore (davon zwei gegen Absteiger Jena). Auch für Viktoria Schnaderbeck war es eher ein verlorenes Jahr: Verletzt den Herbst komplett verpasst, im Frühjahr nicht mehr wirklich zurück ins Bayern-Team gefunden. Simona Koren kam beim englischen Mittelständler Sunderland (der sein Frauen-Team nun zusperrt) nicht über die Joker-Rolle hinaus. Kathi Aufhauser kehrte nach einem einem halben Jahr beim spanischen Mittelfeld-Klub Huelva entnervt vom vorsintflutlichen Umfeld nach Österreich zurück und wurde mit Landhaus Vizemeisterin.

Wie es jetzt weitergeht

Jetzt ist erstmal Sommerpause. Endlich – für das Team ist es die erste seit zwei Jahren, 2017 ist sie ja wegen der EM ausgefallen. Am 31. August (Österreich ist spielfrei, Finnland spielt in Spanien) und am 4. September (mit dem Heimspiel gegen Finnland) ist noch ein Doppelspieltag in der WM-Quali zu absolvieren.

Am 18. August startet die neue Bundesliga-Saison in Österreich, ebenfalls Ende August findet das Europacup-Vorrunden-Turnier mit Vizemeister Landhaus/Austria statt (Auslosung: 22. Juni). Die Saison in Deutschland beginnt erst am 15. September, die erste Euroacup-Runde (fix mit Meister St. Pölten, höchstwahrscheinlich gegen einen übermächtigen Gegner) steht ebenfalls im September an.

Für die neue Saison gibt es diverse Klub-Wechsel und auch wieder neue Legionärinnen.  Viktoria Schnaderbeck geht nach elf Jahren in München nun nach London zu Arsenal, Sarah Puntigam verlässt Freiburg nach drei Jahren und wird sich mit ihrem neuen Klub definitiv nicht verschlechtern. Laura Feiersinger und Verena Aschauer wechseln im Doppelpack von Sand zum verblassenden Rekordmeister FFC Frankfurt (wo eine Kooperation oder gar eine Fusion mit der Eintracht diskutiert wird). Gini Kirchberger geht von Abstiegskandidat Duisburg zu Freiburg, also zu einem Team der erweiterten Spitze.

Nadine Prohaska versucht es sieben Jahre nach ihrer Heimkehr nach Österreich noch einmal, wird Kollegin von Nina Burger und Adina Hamidovic in Sand; genau wie Marina Georgieva, die von Potsdam kommt und Viktoria Pinther, die wie Prohaska bei St. Pölten gespielt hat. Neu im Ausland sind Jenny Klein und Laura Wienroither, die zu Hoffenheim wechseln – also dem Klub von Nici Billa.

Lisa Makas ist nach einem Jahr Pause wegen Kreuzbandriss wie Barbara Dunst weiterhin bei Duisburg unter Vertrag, Kathi Schiechtl bleibt bei Bremen und Sarah Zadrazil wie erwähnt bei Potsdam. Katharina Naschenweng sollte nun endlich doch von Sturm Graz wegkönnen bzw. wegdürfen, das Ziel ist noch nicht bekannt. Weitere Auslands-Transfers sind nicht ganz ausgeschlossen.

Und das Nationalteam?

Nach dem zu 99,9 Prozent bedeutungslosen Abschluss der WM-Quali gegen Finnland wird die Konzentration und die Vorbereitung schon der nächsten Qualifikation für die WM 2021 gelten müssen. Das Turnier ist noch nicht offiziell vergeben, es wird aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in England stattfinden. Österreich hat den zweiten Topf für die im Frühjahr 2019 geplante Quali-Auslosung locker gehalten und sollte sich auch für die EM qualifizieren – dort sind 16 Teams dabei, für die WM gab es nur acht europäische Plätze.

Die Termine für das WM-Playoff wird man vermutlich zu Freundschaftsspielen nützen. Angesichts des Standings, das sich der ÖFB erarbeitet hat, sind attraktive Gegner durchaus möglich.

* Im Mai 2003 hatten die ÖFB-Frauen in Waidhofen/Ybbs innerhalb weniger Tage zweimal mit 11:0 gegen Armenien gewonnen. Einmal war es ein tatsächliches Heimspiel, einmal war es offiziell ein Auswärts-Match – weil Armenien darauf verzichtete, dieses Spiel wirklich daheim auszutragen. Darum ist das 6:0 in Israel der höchste tatsächliche Auswärtssieg, aber nicht der höchste offizielle.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.