Es war der 17. September 2019, als um 21:01 Uhr ein junger Norweger die internationale Bühne betrat. Nein, besser: Als er begann, über sie hereinzubrechen. 1:41 Minuten waren gegen Genk gespielt, als Erling Braut Håland im ersten Salzburger Champions-League-Spiel seit der Red-Bull-Übernahme das erste mal netzte. Um 21:32 Uhr das zweite Mal. Um 21:43 Uhr das dritte Mal. Schon zur Halbzeit führte Salzburg 5:1 (fünf zu eins!).
14 Jahre hatte man warten müssen, nichts passierte. Aber einmal da, wurde es eine Lawine.
2019/20: Meister unter Jesse Marsch
Dabei war gar nicht sicher, dass Salzburg das enorme Niveau, das in den vorangegangenen beiden Jahren im Europacup unter Marco Rose gezeigt worden war, halten könnte. Dabbur (Sevilla), Samassékou (Hoffenheim), Lainer (M’gladbach), Schlager (Wolfsburg) und auch Wolf (Leipzig) – weg. Der Sommer hat 70 Millionen Euro auf das Salzburger Festgeldkonto gespült, aber mit den Abgängen war auch viel Qualität weg.
Aber Salzburg unter Christoph Freund wäre nicht Salzburg unter Christoph Freund gewesen, wenn das zum Problem geworden wäre.

Jesse Marsch war ein paar Jahre Coach der MLS-Filiale in New York und ein Jahr Assistent in Leipzig, er wurde Rose-Nachfolger. Unter ihm wurde es wieder etwas mehr Hütter-Stil als Rose-Stil: Ballgewinn und nach vorne, nach vorne und nachpressen, gar nicht erst groß spielerische Lösungen suchen. Aus der Raute wurde wieder ein 4-4-2, und vorne war ein norwegischer Blondschopf, der wie ein überlegener Außerirdischer die Gegner ganz einfach kaputt machte.
Beim 2:0 zum Auftakt gegen Rapid begnügte sich Erling Håland mit einem Assists. Aber dann: In den kommenden sechs Spielen erzielte Salzburg 32 Tore, elf davon scorte Håland, zweimal per Dreierpack, dazu noch vier Torvorlagen. Drei Tage nach dem 7:2 gegen Hartberg hielt der belgische Meister Genk nur unwesentlich besser, Salzburg gewann 6:2, drei Tore vom Norweger. Und der Kantersieg gegen Genk war keine internationale Eintagsfliege: In Liverpool holte man ein 0:3 auf, kassierte aber noch das 3:4. Jürgen Klopp war so begeistert, dass er Takumi Minamino mehr oder weniger vom Fleck weg engagierte. 2:3 bei Napoli, wieder zwei Håland-Tore. Ein 4:1-Erfolg in Genk folgte. Natürlich traf auch der Norweger.
Salzburg wurde Gruppendritter, Håland der Außerirdische war weg. Seine gesamte Salzburg-Karriere dauerte 27 Spiele (22 davon im Herbst 2019), brachte 29 Tore (28 davon im Herbst) und 20 Millionen Euro von Borussia Dortmund im Winter. In der Bundesliga überwinterte Salzburg mit 13 Siegen und 5 Remis bei 66:18 Toren. Uneinholbar in Front? Nein! Denn der LASK lauerte dank eines überragenden Herbstes nur zwei Punkte dahinter.
Ohne Håland und Minamino lief Salzburg im Februar in Troubles. Aus in der Europa League gegen Frankfurt, nur zwei Punkte aus den restlichen vier Spielen im Grunddurchgang, der LASK war unter Glasner-Nachfolger Ismaël damit schon sechs Punkte enteilt (bzw. drei nach der Punkteteilung). Und dann kam Corona.
Der LASK war in seinem ganzen Schwung ausgebremst, ließ sich beim Mannschaftstraining trotz coronabedingtem Verbot erwischen, kassierte damit obendrein noch einen Punkteabzug. Von den zehn im Juni durchgepeitschten Geisterspielen gewann Salzburg acht und teilte zweimal die Punkte, wurde letztlich überlegen Meister und schoss Lustenau im Cupfinale 5:0 aus dem leeren Wörtherseestadion.
2020/21 – Meister unter Jesse Marsch
Diesmal hatte Salzburg die großen personellen Abgänge schon im Winter und nicht im Sommer, damit konnte mit einer eingespielten Truppe die neue Saison – praktisch komplett ohne Zuseher ausgetragen – begonnen werden. Verteidiger Oumar Solet war der einzige echte Neue, dafür wurden im Laufe der Saison Seiwald und Sučić von Liefering hochgezogen und Noah Okafor, im Winter vor Corona von Basel gekommen, spielte sich ins Team.

Der Salzburger Star des Herbstes 2020 war aber Dominik Szoboszlai. Ein Jahr, nachdem sich Erling Håland in der Champions League ins internationale Rampenlicht gespielt hatte, war nun der Ungar dran. In der Quali gegen Maccabi Tel-Aviv gewann Salzburg tatsächlich beide Spiele (beide mit Toren des 19-Jährigen), dann traf Szoboszlai beim 2:2 gegen Lok Moskau, ebenso beim 2:3 bei Atletico Madrid. In der Bundesliga glänzte er mit Assists am laufenden Band, im Winter wurde Szoboszlai nach Leipzig beordert. Wieder 36 Millionen von einem Red-Bull-Konto auf das andere.
Mit Fortdauer des Herbstes wurde aus dem erfolgreichen Vertikal-Gebolze aber zunehmend Übermut. Gegen die Bayern hielt Salzburg bis zur 79. Minute ein 2:2, stürmte kopflos weiter und schlich 2:6 geprügelt vom Feld – das erste Mal, dass Marsch für seine Route wirklich mit der Kritik-Keule geprügelt wurde. In der Folge gab es ein 1:1 bei Rapid, ein 1:3 daheim gegen Salzburg und, sehr peinlich, ein 0:1 bei Schlusslicht Admira. Wieder war es der LASK, der diesmal unter Dominik Thalhammer kurzzeitig die Tabellenführung übernahm, kurz vor Weihnachten gewann auch der WAC in Salzburg.
Im Winter kam Brenden Aaronson aus Philadelphia, auf Empfehlung des dort tätigen ehemaligen Salzburg-Jugendleiters Ernst Tanner, als Szoboszlai-Ersatz. Nach der kurzen Winterpause schied man recht sang- und klanglos in der Europa League gegen Villarreal aus, national hatte aber in der extrem verdichteten Saison – die erst im September begonnen hatte – niemand mehr den Atem, Salzburg zu fordern.
Neun der zehn verbleibenden Spiele bis zur Teilung gewann Salzburg, ebenso wie acht der zehn Matches in der Meisterrunde und natürlich gewann man auch den Cup, im Finale 3:0 gegen den LASK. Das überzeugte die Chefs in Leipzig: Marsch wechselte als Nagelsmann-Nachfolger in die deutsche Red-Bull-Dependance.
2021/22: Meister unter Matthias Jaissle
Auch Torschützenkönig Patson Daka verließ Salzburg, ebenso wie Sturmpartner Mergim Berisha; Enock Mwepu (der später wegen einer Herzerkrankung aufhören musste) wurde auch verkauft, Ramalho wollte es doch noch einmal im Ausland probieren. Und auf der Trainerbank? Die Lieferketten waren auch in der Corona-Zeit stabil: Es wurde einfach wieder der Liefering-Trainer befördert.
Mit Matthias Jaissle schloss sich ein Kreis. Denn der 33-jährige Deutsche war damals, als Rangnick mit Hoffenheim die Bundesliga aufmischte, nicht nur dessen Innenverteidiger gewesen, sondern auch Kapitän.

Da Zlatko Junuzovic weite Teile der Saison in Folge einer Fersenprellung verpasste, blieb der ewige Andi Ulmer der einzige Stammspieler, der älter war als 24 Jahre. Mit diesem Kindergarten von einem Kader ging man nach der souveränen Quali gegen Brøndby in die Champions-League-Gruppe mit Sevilla, Lille und Wolfsburg. Dort brach man allerhand Rekorde, was das jüngste Team in der Geschichte der Königsklasse angeht und schaffte nebenbei – als erstes österreichisches Team seit Sturm Graz in der Saison 2000/01 – den Aufstieg unter die Top-16 der Champions League. Dort holte Salzburg gegen die Bayern daheim im Hinspiel ein 1:1, im Rückspiel (1:7) ging’s dann aber so richtig schief.
Und nach Erling Håland und Dominik Szoboszlai waren es in diesem Herbst 2022 Karim Adeyemi und Noah Okafor, der die Blicke auf sich zogen. Adeyemi wurde zum ersten DFB-Teamspieler aus der österreichischen Liga. Der Deutsche ging im Sommer 2023 zu Dortmund, Okafor blieb noch ein Jahr länger. Durch die Liga schnitt Salzburg im Übrigen in gewohnter Manier durch: Nach 14 Runden betrug der Vorsprung auf den Zweiten schon ebenso viele Punkte.
Inhaltlich war der Unterschied von Marsch zu Jaissle vergleichbar mit dem vom Hütter’schen Vertikal-Gebolze zum etwas kultivierteren Spiel mit mehr Ballbesitz-Elementen unter Rose. Beide Stürmer, Adeyemi und Okafor, fühlen sich auf den Flügeln durchaus wohl, sie wichen oft aus, Aaronson stieß zentral vor. Gleichzeitig fungierte Mohamed Camara auf der Sechs und Nicolas Seiwald neben ihm als unauffällige, aber gleichzeitig unverzichtbare Anker, der die Defensiv-Arbeit verrichten.
Man durfte schon rechnen, ob es sich ausgehen könnte, dass Salzburg schon vor der Punkteteilung Meister ist. Das ging sich nicht ganz aus, aber den Grunddurchgang gewannen die Bullen mit 18 Punkten Vorsprung, in der Meisterrunde gewann Salzburg wieder acht der zehn Spiele, der Sieg im Cup-Finale gegen Ried wurde fast nebenbei mitgenommen. Außerdem wurde zum zweiten Mal hatte 2022 mit der U-20 das Youth-League-Finale erreicht, mit Roko Šimić, Samson Baidoo und Dijon Kameri. Dieses wurde gegen Benfica verloren.
2022/23: Meister unter Matthias Jaissle
Es folgte der nächste Umbruch auf dem Feld, mehr als die halbe Stammformation war im Sommer 2022 einmal mehr weg, aber wie immer wurde auch das von Sportdirektor Christoph Freund unaufgeregt und wie selbstverständlich wegmoderiert. Mit den Verkäufen von Aaronson und Kristensen (nach Leeds zum bei Leipzig krachend gescheiterten Jesse Marsch, Wöber folgte im Winter) sowie Camara (nach Monaco) und eben Adeyemi kamen wieder 100 Millionen Euro auf die Haben-Seite. Längst war Salzburg unabhängig von den finanziellen Zuschüssen von Red Bull, konnte sich problemlos selbst erhalten.

Nach Jahren der weitgehenden nationalen Konkurrenzlosigkeit ist Salzburg ab 2022 endgültig ein neuer Gegner erwachsen: Sturm schlug Salzburg zu Saisonbeginn mit den eigenen Pressing-Mitteln 2:1, die neuformierte Truppe war auch noch nicht ganz eingespielt. Sobald das Werkl lief, lief es aber so richtig: Ein hochverdientes 1:1 gegen Milan und ein glückliches 1:1 bei Chelsea (jeweils mit Okafor-Toren) sowie vier Punkte gegen Dinamo Zagreb brachten schon früh Platz drei in der Champions-League-Gruppe auf Kurs. In der Europa League gewann man das Heimspiel gegen Mourinhos AS Roma, in Italien wurde 0:2 verloren.
Und in der Liga? Da blieb die Niederlage bei Sturm die einzige Niederlage der ganzen Saison. Wegen Punkteteilung und den erstaunlich stabilen Grazern – die Salzburg im Viertelfinale aus dem Cup warfen – waren die Bullen aber bis zum drittletzten Spieltag voll gefordert, erst ein 2:1-Sieg gegen Sturm beendete die Grazer Hoffnungen auf die Meisterschaft.
Auf dem Feld konnten die ständigen personellen Wechsel von einer Saison zu nächsten problemlos aufgefangen werden, auf Management-Ebene aber nicht. Das sollte sich nach dem Sommer 2023 deutlich zeigen.
2023/24: Zweiter mit Gerhard Struber sowie Onur Cinel
Im Juli 2023 wurde offiziell, was zuvor schon gemunkelt worden war: Christoph Freund, Architekt des Erfolgs, wechselt per 1. September als Sportdirektor zu Bayern München. Der langjährige Akademieleiter Bernhard Seonbuchner folgte ihm nach. Hatte sich der Freund-Abgang einige Zeit angedeutet, kam jener von Matthias Jaissle eher über Nacht: Weil er heftig mit einem Umzug in die zahlungskräftige Saudi-Liga spekulierte, wurde er einen Tag vor dem ersten Bundesliga-Spiel der Saison beurlaubt.

Hastig wurde Gerhard Struber als Nachfolger installiert. Ohne Vorbereitung mit dem Team (das im Sommer Šeško, Seiwald, Okafor und Adamu verloren hatte) und mit jeder Menge verletzungsbedingten Ausfällen kam aber vor allem die Offensive um den hochbegabten Oscar Gloukh nie so richtig in Schwung. Unüblich für Red Bull war es vor allem die sehr stabile Defensive und der vom LASK verpflichteten Teamgoalie Alexander Schlager, der die nötigen Ergebnisse sicherte. Nie hatte Salzburg nach 22 Spielen weniger Gegentore (12), aber auch nur einmal seit den Tagen von Huub Stevens weniger eigene erzielt (45).
Besonders plakativ war das in der Champions League zu sehen. Mit 44 Prozent Ballbesitz bei 80 Minuten Überzahl stahl Salzburg bei Benfica ein 2:0, nach zwei knappen Niederlagen gegen Inter gab es bei Real Sociedad ein 0:0 mit einer Zerstörer-Mauertaktik, die im Red-Bull-Universum geradezu als Affront gewertet werden musste, ähnlich legte man es im entscheidenden Heimspiel gegen Benfica, trainiert ausgerechnet von Roger Schmidt, an. Tief in der Nachspielzeit kassierte man das Tor zum erstmaligen Komplett-Aus in der Gruppenphase, aber es war dramatisch hochverdient.
Ohne Freund als Schutzschild war Struber der zunehmenden Kritik beinahe schutzlos ausgeliefert, Seonbuchner fehlte die öffentliche Präsenz und das Standing. Dazu kam, dass Sturm Graz einfach nicht locker ließ. Am 2. Spieltag der Meisterrunde gewann Salzburg in Graz ein Match, dass am Ende eher an eine Wrestling-Rauferei erinnerte, 1:0 und war scheinbar auf Kurs – vier Tage später kochte Sturm die Bullen aber im Cup-Halbfinale ab, das gab Salzburg den mentalen Rest.
Nach einem 1:1 gegen Rapid und einem 1:3 beim LASK sahen sich Seonbuchner, Reiter und wohl auch die Konzernzentrale zum Handeln gezwungen. Onur Cinel, Rangnicks ÖFB-Assistent und Liefering-Trainer, sprang ein, es änderte sich wenig – 3:4 in Klagenfurt, 0:2 bei Rapid. Eine vorzeitige Entscheidung zugunsten Sturms konnte im direkten Duell gerade noch abgewendet werden, aber dennoch: Erstmals nach zehn Meistertiteln in Folge reichte es nicht mehr.
2024/25: Pep Lijnders als Fehlgriff
Salzburg schnappte sich Pepijn Lijnders, der bei Liverpool als Assistent des scheidenden Jürgen Klopp fungiert hatte. Dieser nahm mit Bobby Clark und Stefan Bajcetic gleich zwei Liverpool-Talente mit, aus der Vizemeister-Mannschaft brachen Šimić, Pavlović, Sučić und Solet sowie Andi Ulmer, der nach 15 Jahren Red Bull keinen neuen Vertrag mehr bekam, weg. Den entgleisenden Zug mit neuformierter Mannschaft wieder auf Kurs bringen? Das Vertrauen war groß, Lijnders bekam einen Dreijahresvertrag.

Nach einem vernünftigen Saisonstart – vier der ersten sechs Liga-Spiele gewonnen, als erster österreichischer Vizemeister via Twente und Dynamo Kyiv über den schweren Verfolger-Weg für die Champions League qualifiziert – entwich aber rasch die Luft aus den Reifen. Daran waren einige Verletzungen Schuld (Yeo nach starkem Saisonstart, Kjærgaard stand praktisch nie zur Verfügung, Verteidiger Blank selten, Gourna-Douath schleppte sich von einem Wehwehchen zum nächsten). Aber auch Lijnders.
Ohne Not machte er den aus Leipzig geliehenen Torhüter Janis Blaswich – auf den nicht einmal eine Kauf-Option bestand – zum neuen Kapitän. Das sorgte ebenso für Unruhe wie Clark und Bajcetic, die zwar wenig Leistung zeigten, aber als Lieblingsschüler von Lijnders galten. Gleichzeitig war mit Ulmer auch der letzte Feldspieler, der Routine hatte, weg. Das Team wirkte kopflos, es war keine Einheit, es gab keine Erfahrung, wie man erfolgreich mit Krisensituationen umgeht.
Vom überraschenden 3:1 in Rotterdam abgesehen, taumelte Salzburg in der Champions League von einer Blamage (0:3 bei Sparta Prag) zur nächsten (0:4 daheim gegen Brest), anders als in den Saisonen davor war kein einziges Europacup-Heimspiel ausverkauft und in der Liga – in der Salzburg zwischen den Plätzen vier und sechs taumelte – brach der Zuschauerzuspruch komplett ein.
Am Ende der Herbstsaison und mit sechs sieglosen Liga-Spielen am Stück war die Trennung von Lijnders unausweichlich geworden, auch Seonbuchner musste gehen. Thomas Letsch, zwischen 2015 und 2017 schon in Salzburg unter Vertrag, übernahm das Trainer-Ruder und Rouven Schröder kam aus Leipzig als Sportdirektor. Es kam ein Routinier (Karim Onisiwo) und ein Stürmer, der sofort einschlug (Yobe Vertessen). Dank spürbarer eigener Stabilisation, einem wackeligen Tabellenführer Sturm Graz und der Punkteteilung hat Salzburg immer noch alle Chancen auf den nächsten Titel. Allerdings: Taktisch ist es auch im Frühjahr 2025 ein großes, undefinierbares Etwas – vorläufig geht es nur darum, irgendwie die Resultate zu holen. Wie das aussieht, ist einstweilen zweitrangig.
Ein bisschen wie vor der Rangnick-Verpflichtung
Erst in den anderthalb Jahren seit seinem Abgang erkennt man den Wert der Arbeit, die Christoph Freund in Salzburg verrichtet hat. Auf dem Trainersektor waren beide Trainer, die nach dem Bekanntwerden seines Wechsels nach München geholt wurden, Fehlgriffe. Dazu brach der Nachschub an Talenten aus der Lieferinger Akademie in den letzten Jahren völlig ein.

Aus jenem Lieferinger Team, das vor vier Jahren in der 2. Liga Zweiter hinter Blau-Weiß Linz und vor Aufsteiger Austria Klagenfurt wurde, sind so gut wie alle in der Bundesliga oder gar im Nationalteam gelandet, nicht alle bei Salzburg, aber viele. Aber schon 2022 schaffte nur noch kein einziger Lieferinger mehr einigermaßen direkt den Sprung in die Bundesliga-Mannschaft (Baidoo brauchte dafür lange), seither überhaupt keiner mehr. Liefering selbst war 2023 lange in Abstiegsgefahr und in der letzten Saison war auch der Herbst schwach, so wie in dieser auch.
In der ersten Mannschaft gibt es nach Andi Ulmer – der seine Karriere mittlerweile beendet hat – niemanden mehr, mit dem sich Sympathisanten wirklich identifizieren können. Man hat sich in Salzburg daran gewöhnt, dass man die wirklich guten jungen Spieler nur ein, zwei Jahre sieht, ehe sie für viel Geld weiterziehen – aber es gab eben einen Ulmer, einen Junuzovic, einen Ramalho, die lange da waren; Gesichter, die man mit dem Geschehen auf dem Rasen identifiziert.
In gewisser Weise ist Salzburg zum 20. Red-Bull-Jubiläum wieder dort angekommen, wo man vor der Verpflichtung von Ralf Rangnick war: Eine Ansammlung von Spielern, die man nur schwer als funktionierende Mannschaft betrachten kann, und ein Fußballklub, der nicht so richtig zu wissen schein, in welche Richtung es denn gehen soll und daher etwas ziellos vor sich hin mäandert.
So macht man der Konkurrenz – wie Rapid 2008 oder Sturm 2011 – die Türe auf; Sturm hat das letzte Saison schon genützt. Die Ende der alles bestimmenden Dominanz ist sicher erreicht. Aber wenn man in zwei Jahrzehnten Red Bull etwas gelernt hat, dann das: Ob die Bullen Erfolg haben oder nicht, liegt zu einem großen Teil an ihnen selbst. So lange der Nachschub aber stockt und die Klarheit fehlt, damit die PS nicht auf den Boden gebracht werden, haben die anderen einen Chance.