Das nackte Ergebnis legt eine richtig wilde Partie nahe. Das Cup-Halbfinale zwischen den beiden deutlich besten Vereinsteams Österreichs lieferte viel Intensität und am Ende auch einige Tore, war aber doch nicht ganz so spannend, wie man bei einem 4:3 glauben könnte. Sehr wohl aber zeigte Sturm Graz, dass man eine sehr reife Truppe stellt, die sehr präzise gecoacht ist und sein Spiel auch gegen Widerstände durchziehen kann.
Zumindest einen Titel hat man den Bullen damit schon mal geraubt.
Nach dem hitzigen Ende beim 1:0-Sieg der Salzburger im Liga-Spiel vier Tage zuvor fehlten die beiden Sechser Lucas Gourna-Duath (Salzburg) und Jon Gorenc-Stankovič (Sturm). Die ausbleibende Untersuchung bezüglich einer Tätlichkeit von Oumar Solet dominierte die Schlagzeilen – bis zum Spiel selbst.
Kampf um die Halbfelder
Der dominierende Battleground auf dem Feld waren die jeweiligen Halbfelder. Da beide Teams de facto die gleiche Raufaufteilung spielen (4-1-3-2), wurde hier besonders schnell um den Ball verdichtet. Das Zentrum selbst war dicht, die Außenverteidiger wurden gut isoliert. Die Frage war also: Wer schafft es besser, aus dem Halbfeld heraus schnell und präzise aus dem Gegnerdruck heraus nach vorne zu kommen?
Salzburg hatte hier zunächst leichte Vorteile, nach dem 1:0 aus einem Eckball (11.) verpasste Konaté aus genau so einem Zuspiel aus dem Halbraum von Gloukh die mögliche 2:0-Führung.
Offen im defensiven Umschalten
Beide Mannschaften zeigten sich oft erstaunlich offen in der Absicherung, wenn der Ball verloren wurde. Sowohl die Salzburger als auch die Grazer schafften es zumeist nicht, schnell wieder Spieler hinter den Ball zu bekommen. Vor allem Salzburg aber ließ den Nachdruck vermissen, diese Räume so zu nützen, dass man zum Abschluss kommt.
Andererseits schaffte es Sturm besser, nach offensiven Umschaltsituationen schnell viele Spiele an den Salzburger Strafraum zu bekommen – besonders auffällig war dies in einer Konter-Situation nach einer Salzburger Ecke in der 22. Minute, aber auch ganz generell spielten die Grazer diese Situationen besser aus.
Suchen nach der Schnittstelle
So ähnlich die grundsätzliche, aggressive Spielweise den beiden Teams auch ist, es gibt schon auch spürbare Unterschiede. Salzburg ist jene Mannschaft, die mit etwas mehr Geduld von etwas weiter hinten heraus aufbaut, während Sturm schneller den Vertikalpass zur Offensivreihe sucht. Entscheidend ist bei Sturm die Suche nach Schnittstelle in der gegnerischen Abwehr, welche die drei offensiven Mittelfeld-Spieler – Prass, Kiteishvili und Horvat – oft auch finden.
Einer dieser Pässe des Georgiers leitete das 1:1 nach 22 Minuten ein; die nicht immer astreine Abstimmung zwischen der Salzburger Innenverteidigung und den Aushilfs-Außenverteidigern Daniliuc und Guindou war ein gerne gesehenes Ziel für die Grazer Offensivreihe. Zudem nervte Sturm die Hausherren mit konsequentem Nachgehen nach an sich verlorenen Zweikämpfen, scharfem Anpressen bei jeder Unsicherheit in der Ballannahme und dem Provozieren von Fehlpässen von Gourna-Duath-Ersatz Diambou.
Mit der Führung
Hatten sich die beiden Teams in der ersten Halbzeit weitgehend neutralisiert und für ein intensives Spiel auf Augenhöhe gesorgt, brachte Schlagers Fehlgriff zur 2:1-Führung für Sturm das Spiel zum kippen. Mit der Führung im Rücken attackierte Sturm nun nicht mehr ganz so hoch, sondern zwang Salzburg mehr Ballbesitz auf, allerdings nur in ungefährlichen Zonen.
Man ließ die Bullen auch an der Außenlinie weiter nach vorne kommen, aber der Zehnerraum und vor allem der Strafraum blieben zu. Nach Ballgewinnen wurde weiterhin schnell und direkt nach vorne gespielt; der Aktionsradius von Tomi Horvat war beeindruckend. Mehr als eine Handvoll Halbchancen ließ Sturm nicht zu, darüber hinaus verstanden es die Grazer hervorragend, durch kleine Gemeinheiten die Bullen zu Nerven und aus dem Rhythmus zu bringen.
Ein simpler Einwurf wurde in der 68. Minute so lange zelebriert und der Ball herumgereicht, bis Referee Altmann zur Ermahnung schritt, es verging fast eine Minute. Kurz danach sackte Gazibegović nach einem Laufduell samt Abseitsentscheidung gegen Salzburg wie vom Blitz getroffen zusammen, wieder verging einige Zeit. Und in der 71. Minute schließlich erzielte Sturm aus einem Konter das 3:1.
Den Rhythmus brechen
Die Grazer haben durchaus so etwas wie ein Drecksack-Gen, diese Cleverness, einen Gegner in Schwierigkeiten noch weiter aus dem Konzept zu bringen. Das ist eine Qualität, die Salzburg aufgrund der individuellen Klasse der Spieler auf nationaler Ebene in der Regel nicht, darum können es die Salzburger auch nicht besonders gut.
An der Statik des Spiels änderte sich nach dem 3:1 wenig und der Salzburger Anschlusstreffer konnte keine Wirkung entfalten, weil Sturm nach einem Eckball postwendend den Zwei-Tore-Vorsprung wieder herstellte. Das dritte Salzburger Tor in der Nachspielzeit fixierte den äußerst unüblichen Endstand von 4:3, danach war Sturm dem fünften Treffer aber näher als Salzburg dem Ausgleich.
Fazit: Sturm ist reif geworden
Nach dem 2:2 im ersten Saisonduell im September hieß es an dieser Stelle, dass Salzburg mehr spielerische Lösungen sucht und Sturm direkter spielt (was immer noch so ist), dass Sturm die klarere und aggressivere Strategie gegen den Ball hat (was noch immer so ist) und das Sturm zwar wohl ein bisschen die Flexibilität und die Kadertiefe fehlt, aber definitiv das einzige Team ist, das Salzburg über eine Saison fordern kann (was auch noch immer so ist).
Sehr wohl ist nun im vierten Saisonduell der beiden klar besten Teams Österreich zu erkennen, dass die Grazer die Reife entwickelt haben, Salzburg nicht in einzelnen Spielen zu fordern, sondern im Grunde jederzeit besiegen zu können. Die beiden Grunddurchgangs-Duelle endeten 2:2 und 1:1, das erste in der Meisterrunde in einem korrekten, knappen Salzburg-Duell und nun jenes im Cup mit einem korrekten, knappen Sturm-Erfolg.
Dieses über mehrere Jahre gewachsene Grazer Team hat mit dieser reifen Leistung in einem wichtigen Spiel gezeigt, dass sie auch auswärts in Salzburg gewinnen kann – und das verdient. Das ist eine Erkenntnis, die für das womöglich vorentscheidende Liga-Spiel am viertletzten Spieltag wichtig sein kann.
Allerdings: Sturm liegt fünf Punkte zurück, ist im Titelrennen auf weitere Salzburg-Patzer angewiesen. Das Cup-Finale gegen Rapid ist durchaus heikel, weil Rapid unter Robert Klauß Schritte nach vorne macht und in einem Spiel immer alles passieren kann. Die Gefahr besteht also, dass Sturm zwar eine großartige Saison spielt, letztlich aber mit leeren Händen dasteht.
Die Chance besteht aber genauso, dass am Ende sogar das Double steht. So oder so ist es den Grazern aber in jedem Fall zu danken, dass sie diese Meisterschaft – wie schon jene im letzten Jahr – so lange ernsthaft spannend halten.