The Leicester Decade: Aufstieg und Fall der Foxes

Sechste Minute der Nachspielzeit, die Verlängerung steht bevor. Im Rückspiel des Playoff-Halbfinales zwischen Watford und Leicester steht es 2:1 für das Heim-Team, das 0:1 aus dem Hinspiel ist damit ausgeglichen, Auswärtstorregel gibt es nicht. Doch dann drückte Marco Cassetti im Strafraum-Zweikampf Anthony Knockaert weg, der Franzose legte sich hin, Referee Michael Oliver zeigte auf den Punkt. Ein eher softer Penalty.

Was an diesem 12. Mai 2013 folgte, gehört zu den legendärsten Szenen überhaupt im englischen Fußball. Watford-Goalie Almunia blockte Knockaerts Elfmeter mit den Füßen, blockte den Nachschuss mit dem Oberkörper und Watford lancierte einen Konter, 14 Sekunden später drosch Troy Deeney die Kugel an Kasper Schmeichel vorbei ins Tor. Gianfranco Zolas Watford stand im Finale um den Premier-League-Aufstieg (und verlor gegen Crystal Palace).

Und Leicester? Für die Foxes war es zwar ein Tiefschlag, gleichzeitig aber auch der Startschuss zum bemerkenswertesten Jahrzehnt der nunmehr knapp 140-Jährigen Vereinsgeschichte. Ziemlich genau 10 Jahre – mit einem Meistertitel, einem Cupsieg und einem Europacup-Halbfinale später – steigt Leicester City nun wieder aus der Premier League ab.

2014: Der Aufstieg

Dass Leicester 2013 überhaupt im Playoff spielte, war einem Last-Minute-Tor am letzten Spieltag zu verdanken, mit dem man Nottingham 3:2 besiegte und damit von Platz acht auf sechs sprang – übrigens mit einem 18-jährigen Harry Kane auf dem Feld.

2004, also neun Jahre zuvor, hatte Leicester zuletzt in der Premier League gespielt, zwischendurch waren die Foxes sogar für ein Jahr in die Drittklassigkeit abgestürzt. In den 28 Jahren zwischen dem Abstieg 1976 und dem von 2004 spielte Leicester nur 13 in der höchsten Liga, nie länger als sechs Jahre – ein klassischer Fahrstuhlklub.

Das K.o. an der Vicarage Road wurde gut weggesteckt, in der Saison 2013/14 war Leicester in annähernd unveränderter Besetzung das überlegene Team der Championship. Zwischendurch blieb man 20 Spiele lang ungeschlagen, am Ende standen 102 Punkte aus den 46 Matches zu Buche, neun Zähler Vorsprung auf den Zweiten Burnley, 17 Punkte auf den Dritten Derby County.

2013/14: Aufstieg als Meister der Championship

2015: The Great Escape

Für die Premier League holte man sich Routinier Estebán Cambiasso von Inter und Stürmer Leonardo Ulloa von Brighton, aber Leicester kassierte üble Prügel. Nach 29 der 38 Runden standen vier Siege satten 19 Niederlagen gegenüber, man war Letzter, mit sieben Zählern Rückstand auf das rettende Ufer. Es folgte, was als „The Great Escape“ bekannt werden sollte.

2:1 gegen West Ham (Siegtor in der 86. Minute), 3:2 bei West Brom (nach 1:2-Rückstand kurz vor Schluss), 2:0 gegen Swansea, 1:0 in Burnley, 0:0 gegen den überlegenen Leader Chelsea, 3:0 gegen Newcastle: Drei Spieltage vor Schluss hatte Leicester die Abstiegsränge verlassen. Ein Remis gegen Southampton machte den Klassenerhalt sogar schon am vorletzten Spieltag fix.

Trainer Nigel Pearson musste dennoch seine Koffer packen. Der als Häferl bekannte Pearson, der sich bei jeder Gelegenheit mit Spielern, Journalisten, Vorgesetzten und auch sonst jedem anlegte, stolperte quasi über seinen Sohn James: Dieser hatte auf einer Klub-Tour durch Thailand, Heimat von Klubbesitzer Vichai Srivaddhanaprabha, gemeinsam mit drei weiteren Nachwuchsspielern ein rassistisches Sex-Video produziert.

2014/15: Platz 14 in der Premier League

2016: The Year Hell Froze Over

Statt Cambiasso, der nach Griechenland ging, kam ein unbekannter Franzose aus Caen – ein gewisser N’Golo Kanté. Statt Pearson kam Claudio Ranieri, arbeitslos, seit er ein halbes Jahr zuvor als griechischer Teamchef daheim gegen die Färöer verlor. Und auch einen Österreicher holte man sich, Christian Fuchs, er spielte Jeffrey Schlupp aber erst im Laufe des Herbstes aus der Startformation.

„Wir spielen mit einem Drei-Mann-Zentrum: Drinkwater in der Mitte und Kanté links und rechts von ihm“, meinte Steve Walsh, Scouting-Chef von Leicester City, nur halb im Scherz. Nur zwei Teams in der Premier League hatten noch weniger Ballbesitz, gar nur eines brachte noch weniger eigene Pässe an den Mann. Aber: Die defensive Grundstruktur mit zwei Kanten in der Abwehr ein einem Kanté davor, kombiniert mit schnellen Umschaltspielern und einem eiskalten Vollstrecker in Jamie Vardy war zwar leicht zu durchschauen, aber kaum zu knacken.

Bis Weihnachten gab es nur eine Niederlage, und als im Frühjahr alle auf den Einbruch warteten, kam er einfach nicht. Natürlich: Chelsea implodierte, Liverpool war im Umbruch, City spielte ein lähmend ambitionsloses letztes Jahr vor Guardiola, bei United sorgten Pressetermine mit Louis van Gaal für mehr Entertainment als das Team auf dem Platz. Und doch ist Leicesters Titelgewinn eine Cindarella-Story, wie sie im modernen Fußball kaum noch möglich ist.

Meister 2015/16

2017: Katerfrühstück mit CL-Viertelfinale

Vor Saisonbeginn 2016/17 wurde Ranieri voller Dankbarkeit mit einem neuen Vierjahres-Vertrag zu verdoppelten Bezügen ausgestattet, von der Meisterschannschaft konnte man – bis auf N’Golo Kanté – erstaunlicherweise alle halten: Den aus dem Nichts zum Teamstürmer geschossenen Jamie Vardy, den von der halben Liga umworbenen Riyad Mahrez, Torhüter Kasper Schmeichel.

Dass der Titelgewinn eine einmalige Sache sein würde, war allen klar, aber der Ausmaß des Katers, der sich im Herbst breit machte, war dann doch ernüchternd. Bis zum Jahreswechsel wurde schon die Hälfte der Spiele verloren, im Jänner folgten fünf Pleiten in Folge, Leicester war Mitte Februar nur einen Punkt vor einem Abstiegsplatz. Nicht ohne schlechtes Gewissen trennte man sich von Claudio Ranieri, dieser spendete gleich mal die Hälfte seiner 3-Millionen-Abfindung an die „Foxes Foundation“. Der Mann hat einfach Klasse.

2016/17: Platz zwölf, Viertelfinale Champions League

Dafür hatten die Foxes bei ihrem ersten internationalen Antreten nach 16 Jahren Spaß. Die Champions-League-Gruppe gegen den FC Porto, Club Brügge und den FC Kopenhagen gewann Leicester, im Achtelfinale wurde Sevilla eliminiert, erst im Viertelfinale war gegen Atlético Madrid knapp Schluss. Unter Craig Shakespeare, der zunächst interimistisch und dann Vollzeit das Traineramt übernahm, fuhr man in der Liga die nötigen Pflichtsiege ein, beendete die Saison als Zwölfter.

1:1 im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Atlético Madrid. Das Hinspiel hatte Atleti 1:0 gewonnen.

2018: Konsolidierung im Niemandsland

Iborra aus Sevilla, Maguire aus Hull, Iheanacho von Man City, dazu leihweise Dragovic aus Leverkusen – auch im Sommer 2017 wurde punktuell ergänzt, fast alle Meisterspieler waren aber immer noch an Bord. Der Saisonstart ging in die Hose, Craig Shakespeare wurde nach nur einem Sieg aus den ersten acht Spielen entlassen, Claude Puel ersetzte ihn. Mit ihm wurde die Spielanlage deutlich aktiver: Nachdem der Ballbesitz in den drei Saisonen davor bei 44,8 Prozent (2015), 44,7 Prozent (2016) und gar nur 41,6 Prozent (2017) lag, schraubte Puel den Wert bis auf 48,3 Prozent nach oben.

Im Ganzen war 2017/18 aber sonst keine besonders bemerkenswerte Saison. Eigengewächs Ben Chilwell spielte Fuchs im Frühjahr zunehmend aus der Start-Elf, man verbrachte das Gros der Saison im vorderen Mittelfeld, weit weg von jeglicher Abstiegsgefahr, aber auch weit weg von den Top-6. Leicester kam als Neunter ins Ziel und man war, was man nach dem Aufstieg von 2015 idealer- und realistischerweise anstrebte zu sein: Ein solider Mittelständler.

Neunter in der Saison 2017/18

2019: Ein neues Gesicht

Nach dem Titel 2016 konnte man Mahrez noch mit einem neuen Vertrag locken, zwei Jahre später ließ man den Algerier doch zu Man City gehen und kassierte über 65 Millionen Euro dafür. Überhaupt war die Saison 2018/19 jene, in der das Team ein spürbar neues Gesicht bekam. Erstmals gab Leicester über 100 Millionen am Transfermarkt aus – für James Maddison von Norwich, für Ricardo Pereira vom FC Porto (die viel spielten), für Cağlar Soyüncü von Freiburg (der sich, weil er kaum Englisch sprach, zunächst überhaupt nicht zurecht fand). Im Winter kam auch Youri Tielemans, zunächst leihweise, in der Folge um 45 Millionen von Monaco fix verpflichtet.

Überschattet wurde die Saison vom tragischen Helikopter-Absturz nach dem 1:1 gegen West Ham im Oktober, bei dem Eigner Vichai Srivaddhanaprabha ums Leben kam. Der Klub rückte zusammen – der Thailänder war kein unnahbarer Investor wie viele andere in der Premier League, sondern jemand, der sich wirklich mit dem Klub identifizierte und dem man das auch abnahm. Auf dem Feld schwamm Leicester auch mit der neu formierten Mannschaft im vorderen Mittelfeld dahin, zumindest bis zum Jahreswechsel, diesem folgte ein Punkt aus sechs Spielen und die Trennung von Puel.

Von Celtic Glasgow krallten sich die Foxes Brendan Rodgers als Nachfolger, sieben seiner ersten zehn Spiele im Amt gewann er, am Ende stand wie im Vorjahr Platz neun zu Buche.

2018/19: Wieder Neunter mit verjüngter Mannschaft

2020: Lange zweite Kraft im Land

Unter Rodgers bekam Leicester endgültig ein völlig anderes Gesicht, auch weil Maguire um 85 Millionen zu Manchester Utd transferiert wurde und Meisterkapitän Wes Morgan keine Rolle mehr spielte. Mit Söyüncü und Evans in der IV gab es nun höhere Ball- und Passsicherheit von hinten heraus, mit Tielemans und Maddison ein spielstarkes Mittelfeld, mit Eigengewächs Barnes und Neuzugang Ayoze Pérez produktive Flügel und mit Pereira und Chilwell offensiv denkende Außenverteidiger.

Leicester war ein Ballbesitz-Team geworden – in der Saison 2019/20 hatten nur Man City, Liverpool und Chelsea mehr Ball als die Foxes. Es gab einen überragenden Herbst, in dem man bis auf ein unschlagbares Liverpool alle distanzierte, den Dezember startete man mit sechs Zählern Vorsprung auf das drittplatzierte Manchester City. In die Corona-Pause gingen Vardy und Co. als Dritter, dank acht Punkten Vorsprung auf Rang fünf schien eine Champions-League-Teilnahme mindestens greifbar, wenn nicht sogar so gut wie sicher. Einnahmen, die man angesichts des neuen, 100 Millionen Euro schweren Trainingszentrums auch brauchen hätte können.

Nach der dreimonatigen Unterbrechung entgleiste die Saison aber wegen vieler Verletzungen. Mit Chilwell (Ferse) und Fuchs (Leiste) waren beide Linksverteidiger außer Gefecht, mit Pereira (Kreuzband) auch der Rechtsverteidiger – die AV hatten im Herbst 116 Chancen assistiert, kein anderen AV-Paar in der Premier League hatte mehr als 45 auf dem Konto. Und weil auch Maddison (Hüfte) fehlte und dazu noch Ndidi in Folge einer Knieverletzung seiner Form nachlief, kam Leicester schlimm ins Straucheln – so sehr, dass man auf den fünften Platz zurückfiel und sich mit der Europa League zufrieden geben musste.

2019/20: Am Ende aus den CL-Rängen gepurzelt

2021: FA Cup krönt starke Saison

Für die neue Saison verordnete Rodgers seinem Team ein zielgerichteteres, effizienteres Pressing und eine neu formierte Abwehr. Für Chilwell (zu Chelsea) und Pereira (verletzt) wetzten nun Timothy Castagne und Luke Thomas (wenn nicht gerade verletzt) bzw. James Justin die Außenbahnen auf und ab, Wesley Fofana nahm den Platz von Söyüncü in der Innenverteidigung ein: Der Franzose war defensiv wesentlich robuster als der Türke, bei vergleichbaren Passwerten.

Die Veränderungen griffen und Leicester spielte wieder stark vorne mit und war über weite Strecken jener Saison, die coronabedingt praktisch komplett vor überdimensionalen Werbebannern statt Zuschauern in den Stadien ausgetragen wurde, bombensicherer Dritter hinter den beiden Klubs aus Manchester. Erst in der Schlussphase kam der Motor wieder ins Stottern, nach drei Niederlagen in den letzten vier Spielen (gegen Newcastle, Chelsea und Tottenham) rutschte man wie schon im Vorjahr am letzten Drücker aus der Champions League.

2020/21: Fünfter. Nach der Verletzung von Barnes stellte Rodgers von 4-3-3 auf ein 3-5-2 bzw. 3-4-1-2 um.

Erstmals wurde auch über längere Strecken von der Viererkette abgewichen – als Reaktion darauf, dass sich im Winter Linksaußen Harvey Barnes am Knie verletzte und Rodgers keinen adäquaten Ersatz im Kader hatte. Mit dem 3-4-1-2 schaffte man es, wenn schon nicht in der Liga, dann doch im FA Cup, großen Erfolg zu haben: Mit Erfolgen über Brighton, Manchester Utd und Southampton zog man ins Finale ein, wo das goldene Tor von Youri Tielemans für den 1:0-Sieg und den ersten Pokalsieg der Vereinsgeschichte sorgte.

Finale im FA Cup 2021: Leicester – Chelsea 1:0 (0:0)

2022: National meh, international mehr

Mit Wes Morgan und Christian Fuchs, die kaum noch eine Rolle gespielt haben, verabschiedeten sich im Sommer 2021, dafür griff Leicseter für Daka, Soumaré und Vestergaard kräftig in die Tasche und damit ziemlich daneben: Vestergaard wurde ein katastrophaler Flop, Daka war der Sprung aus Österreich nach England zu groß (der Viererpack gegen Spartak Moskau blieb sein einziger Höhepunkt) und Soumaré war nie mehr als eine Option. Man holperte auch in die Saison rein: Nur zwei Siege und drei Niederlage in den ersten sieben Spielen, dazu ein eher peinliches 0:1 bei Legia Warschau in der Europa League.

Davon erholte sich Leicester nie ganz, nach den zwei starken Jahren versanken die Foxes wieder im Tabellen-Mittelfeld. Die Europa League nahm Rodgers zwar für englische Verhältnisse ungewöhnlich ernst, im Grunde bekam dort nur Oldie Vardy seine Pausen, dennoch reichte es nur für Gruppenplatz drei und den Umstieg in die Conference League. Dort hatte Leicester aber endlich seinen Spaß: Nach Erfolgen gegen Stade Rennes und Eindhoven stand man erstmals in der Vereinsgeschichte in einem internationalen Halbfinale. Dort zog man knapp gegen Mourinhos Roma den Kürzeren.

1:1 im Semifinal-Hinspiel der Conference League. Das Rückspiel sollte die Roma 1:0 gewinnen.

In der Premier League kam nach Weihnachten der nächste Bruch: Fofana war wegen Wadenbeinbruchs ohnehin lange out, nun verletzte sich auch Evans. So war gegen Man City jeder defensive Halt weg, was angesichts der als heroisch empfundenen Leistung (nach 0:4 zur Halbzeit noch auf 3:4 herangekommen, letztlich 3:6 verloren) in den Hintergrund rückte. Im folgenden Spiel gegen Liverpool gab es einen wunderlichen 1:0-Sieg, bei dem Kasper Schmeichel alle Fehler der Vorderleute ausbügelte. Und dann setzte ein interner Corona-Cluster das Team zwei Wochen in den Lockdown.

Von den kommenden fünf Spielen gewann Leicester kein einziges, der Fokus wurde auf den Europacup gelegt, Leicester landete knapp innerhalb der oberen Tabellenhälfte. Das ist, was Kader, Budget und Möglichkeiten entspricht. Nach den starken Jahren 19/20 und 20/21 war es aber schon ein Rückschritt.

2021/22: Rückfall auf einen anonymen achten Platz

2023: Leblos dem Abstieg entgegen

Der Verkauf des genesenen Fofana zu Chelsea spülte 80 Millionen in die Kassen, das war auch nötig, denn die Srivaddhanaprabha-Familie – mit Flughafen-Shops reich geworden – hatten die Corona-Lockdowns schwer getroffen. Mit Kasper Schmeichel verlor Leicester zudem einen grandiosen Rückhalt und das vorletzte Puzzlestück der Meistermannschaft, da auch Marc Albrighton endgültig aussortiert wurde. Nur Jamie Vardy, mittlerweile 35 Jahre alt, war noch übrig.

Am Transfermarkt reagierte man auf die wackelig gewordene Defensive, verpflichtete mit Wuschelkopf Faes (von Reims) und Leuchtturm Souttar (von Stoke) zwei Innenverteidiger. Die Saison ließ sich aber geradezu verheerend an: Dem 2:2 gegen Brentford zum Start folgten sieben Niederlagen mit 22 (!) Gegentoren. James Maddison, der in den Wochen vor der WM-Pause in starker Form agierte, hievte die Truppe in der Folge zu fünf Siegen gegen Teams aus den hinteren Regionen, die Abwehr stabilisierte sich spürbar, Leicester „überwinterte“ auf Rang 14 und ging positiv gestimmt in die zweite Saisonhälfte.

Doch die Abwehr blieb eine Achillesferse, Wout Faes‘ Eigentor-Doppelpack gegen Liverpool kann dafür beispielhaft stehen, bis zum 36. Spieltag blieb man kein einziges Mal ohne Gegentor. Gleichzeitig blieb der Angriff harmlos, von den 14 Spielen nach der WM-Pause wurden neun verloren, das Team wirkte zunehmend leblos. Anfang April trennte sich Leicester von Brendan Rodgers, Dean Smith übernahm, aber auch er konnte nichts mehr retten. Zwei Siege – davon einer am letzten Spieltag, als man die Rettung nicht mehr in der eigenen Hand hatte – waren zu wenig.

Leicester City steigt nach neun Jahren wieder aus der Premier League ab.

2022/23 – Platz 18, der Abstieg

Die Reise ist zu Ende

Neun Jahre erstklassig, so lange schafften es die Foxes zuletzt in den Sechzigern. Nach dem Abstieg von 1955 dauerte es zwei Jahre bis zur Rückkehr, genau wie nach den Abstiegen von 1969, 1978 und 1981. Der Abstieg von 1987 hatte eine achtjährige Erstliga-Abstinenz zur Folge, nach den Abstiegen von 1995 und 2002 kehrte man sofort wieder zurück, nach jenem von 2004 waren es zehn Jahre bis zum Premier-League-Comeback.

Der gute Name, den sich Leicester im letzten Jahrzehnt erarbeitet hat, wird beim Recruiting für eine starke Truppe in der Championship ein Argument sein, ebenso wie die über 50 Millionen Euro an Parachute Payments. Auf der anderen Seite stehen Eigentümer, die finanziell in den letzten Jahren nicht mehr allzu viel zu bieten hatten und zu viele Zugänge, die floppten. Ja, ein Team mit Maddison, Barnes und Tielemans sollte nicht in diese Lage kommen. But here they are.

Norwich, Fulham und Burnley haben in den letzten Jahren gezeigt, dass man als Absteiger einen erheblichen Wettbewerbs-Vorteil gegenüber langjährigen Zweitligisten hat. Kehrt Leicester also relativ bald wieder in die Premier League zurück? Es ist zumindest nicht ganz unwahrscheinlich.

Hätte man den Leicester-Fans 2014 gesagt, dass sie vor ihrem nächsten Abstieg Meister werden, Cupsieger werden, dazu je ein europäisches Halb- und ein Viertelfinale erreichen: Sie hätte es mit Handkuss unterschrieben. Die letzten zehn Jahren waren die beste Dekade, die Leicester City jemals erlebt hat.

Und wie wird nun das nächste Jahrzehnt?

xG (grün) und xGA (rot) seit dem Aufstieg 2014. Rolling Average aus jeweils 38 Spielen. Quelle: understat.com
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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.