Vier Jahre, vier Meister: Wann gab’s denn sowas?

Napoli ist Meister! Was sich schon im September und Oktober angedeutet hat und im Frühjahr eh schon fix schien, ist nun – mit noch fünf ausstehenden Spieltagen – auch rechnerisch klar. Zum dritten Mal nach 1987 und 1990 hat Napoli den Scudetto. Das heißt auch: Nach Juventus 2020, Inter 2021 und Milan 2022 hat die Serie A ihren vierten unterschiedlichen Meister in den letzten vier Jahren.

Ungewöhnlich. Nur: Wie selten ist so etwas wirklich?

Im letzten Jahrzehnt waren die meisten europäischen Ligen nicht gerade mega-abwechslungsreich. Zehn Mal hintereinander Bayern München, neun Mal hintereinander Juventus, PSG wird den zehnten Titel in den letzten 12 Jahren fixieren, bei Salzburg wäre es der zehnte ohne Unterbrechung.

Das war aber nicht immer so, vor allem in… Moment, wie war das?

13 Man Utd, 14 Man City, 15 Chelsea, 16 Leicester

Ach, die Premier League! Genau. Wenn es nicht noch einen bemerkenswerten Kollaps gibt, fährt Manchester City den fünften Titel in sechs Jahren ein. Die Premier League war bis dahin tatsächlich eher abwechslungsreich unterwegs, eine Serie wie City derzeit hat zuletzt Manchester United hingelegt (Meister 1993, 1994, 1996, 1997, 1999, 2000, 2001).

Der letzte Titel von Sir Alex, eine Meisterschaft für Prä-Pep-City, das Comeback von Mourinho an der Stamford Bridge und die Allzeit-Sensation von Leicester sorgten für jährliche Momentum-Swings auf der Insel, ehe die Doppelspitze City/Liverpool dem Rest der Liga enteilen sollte.

Bis zu drei Spitzenklubs

In den meisten Ländern, das gilt auch für die nicht ganz so großen Ligen gibt es einen bis maximal drei Klubs, die sich die Titel untereinander ausmachen. Das klassische Beispiel ist etwa Schottland (Celtic und Rangers), das gilt aber auch für die Niederlande (Ajax, Eindhoven, Feyenoord) oder Portugal (Porto, Benfica und Sporting), die Türkei (Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray) und natürlich Spanien (Barcelona und Real Madrid).

Daraus ergibt sich die mathematische Notwendigkeit für eine Serie von vier Meistern in vier Jahren, dass es zumindest einen Überraschungs-Champion geben muss und von den anderen in diesem Zeitraum keiner eine deutlich stärkere Mannschaft stellen kann als die Gegner.

Vierblättriges Kleeblatt

Daher ist eine Serie wie nun in Italien die Ausnahme, aber auch nicht unmöglich. In der Türkei gab es das kürzlich (19 Galatasaray, 20 Basaksehir, 21 Besiktas, 22 Trabzonspor) und auch in den späten Nullerjahren (08 Galatasaray, 09 Besiktas, 10 Bursaspor, 11 Fenerbahce), in Russland auch (16 ZSKA Moskau, 17 Spartak Moskau, 18 Lokomotiv Moskau, 19 Zenit St. Petersburg), in Tschechien (09 Slavia Prag, 10 Sparta Prag, 11 Viktoria Pilsen, 12 Slovan Liberec) und sogat in Holland (08 Eindhoven, 09 Alkmaar, 10 Twente, 11 Ajax).

In den großen Ligen ist so etwas aber schon recht lange her. In Spanien um die Jahrtausendwende sorgten Iruretas faszinierendes Deportivo und Rafa Benítez, der aus Cúpers Valencia einen Meister formte, dafür (99 Barcelona, 00 Deportivo, 01 Real Madrid, 02 Valencia).

In Italien erstarkten zeitgleich die Römer Klubs, die mit Capello und Totti bzw. mit Eriksson und Nesta die Dominanz des Nordens kurz brechen konnten (99 Milan, 00 Lazio, 01 Roma, 02 Juventus). In England drehte sich das Karussell rund um die Einführung der Premier League (90 Liverpool, 91 Arsenal, 92 Leeds, 93 Man Utd). Und in Deutschland… hoppala.

Fünf Jahre, fünf Meister!

1991 der Überraschungs-Coup von Kaiserslautern, von den Bayern so lange nicht ernst genommen, bis es zu spät war. 1992 das Dreierfinale zwischen Frankfurt, Stuttgart und Dortmund, aus dem der VfB als Meister hervorging. 1993 waren die Bayern am 33. Spieltag erstmals nicht Tabellenführer, von Bremen abgefangen. 1994 zogen die Bayern dann durch, nur um 1995 von Borussia Dortmund düpiert zu werden.

Fünf Meister in fünf Jahren – das ist heute in der Bundesliga eine absolute Unvorstellbarkeit – und davor im Grunde auch. Eine Viererserie gab es mal Ende der Siebziger (77 Mönchengladbach, 78 Köln, 79 Hamburg, 80 Bayern), aber praktisch immer gab es die Bayern und einen wechselnden Gegner – grob gesagt: Gladbach in den 70ern, HSV in den 80ern, Dortmund in den 90ern, Bremen in den 00ern – aber dass der Titel in vier Jahren nur einmal nach München geht, war schon vor der aktuellen Dominanz selten.

Und in Österreich?

Bevor Red Bull 2005 in den Fußball einstieg und Salzburg nach holprigem Start zu einem Dauergast in der Champions League machte, war es hierzulande üblich, dass sich die Back-to-Back-Meister die Klinke in die Hand gaben. Der FC Tirol (2000, 2001, 2002), davor Sturm Graz (1998, 1999), davor Salzburg (1994, 1995), davor die Austria (1991, 1992, 1993), davor Swarovski Tirol mit Ernst Happel (1989, 1990) – nachdem in den 1980ern Rapid und die Austria allen anderen überlegen waren.

Es gab aber eine kurze Phase in den Nullerjahren, als fast jeder mal ran durfte. 2002 der FC Tirol unter Löw, 2003 die Austria unter Daum, 2004 der GAK unter Schachner, 2005 Rapid unter Hickersberger, 2006 die Austria unter Stöger und Schinkels, 2007 der erste Bullen-Titel unter Trapattoni. In diesem Zeitraum ergaben sich sogar zwei Perioden mit vier Meistern in vier Jahren (2002 bis 2005 bzw. 2004 bis 2007).

Die Könige der Abwechslung

Wer zu jung ist, um eine französische Liga vor den katarischen Petro-Dollars für Paris St. Germain zu kennen, hat echt was verpasst – nämlich die erdrückende Dominanz von Olympique Lyon mit sieben Meisterschaften en suite von 2002 bis 2008. Und jene von Marseille mit fünf Titeln zwischen 1989 und 1993, wobei die letzte offiziell aberkannt wurde (schöner Gruß an den vor eineinhalb Jahren verstorbenen Bernard Tapie).

Solche Serien waren in Frankreich aber immer eher die Ausnahme als die Regel. So gab es zwischen 2009 und 2013 einen Run von fünf Meistern in fünf Jahren: Girondins Bordeaux und Olympique Marseille vor dem PSG-Erstarken, dann Lille und Montpellier, die PSG noch ausbremsen konnten, und schließlich doch Paris St. Germain. Auch zwischen 1998 und 2002 gab es das – mit Lens, Bordeaux, Monaco, Nantes und dem Start der Lyon-Serie.

Wait… SIEBEN?

Auch in den Achtzigern war die französische Liga praktisch unmöglich zu prognostizieren – 1979 Strasbourg, 1980 Nantes, 1981 St.-Étienne, 1982 Monaco, 1983 Nantes, 1984 und 1985 Bordeaux, 1986 PSG, 1987 Bordeaux, 1988 Monaco, 1989 Marseille. Nicht selten kam ein Titelträger aus dem Nichts und tauchte im Jahr danach auch gleich wieder im Mittelfeld unter.

In den 1990ern trieb es die „Divison 1“, wie die Liga damals offiziell hieß, aber besonders bunt. Zählt man den offiziell vakanten Titel von Marseille 1993 dazu, gab es in sieben Jahren sieben verschiedene Meister – 1993 Marseille, 1994 PSG, 1995 Nantes, 1996 Auxerre, 1997 Monaco, 1998 Lens, 1999 Bordeaux.

Das bekäme man selbst dann nicht hin, wenn man PSG aus den letzten Jahren wegrechnet, die besten anderen Klubs waren in dieser Reihenfolge Marseille, Monaco, Lyon, Lyon, Monaco, Monaco, Lille, Marseille, Lille, Marseille sowie in dieser Saison Marseille oder Lens.

Napolis Lohn für’s Dranbleiben

Wenig deutet darauf hin, dass solche Zeiten zurück kommen, wo solche Abwechslung nicht alltäglich war, aber auch nicht nahezu unmöglich war. Erfreuen wir uns also an dem Umstand, dass dies nun in der Serie A mal wieder vorgekommen ist.

Und mit Napoli. Denn kaum jemand musste so unter der Juve-Dominanz leiden wie der Verein vom Vesuv – 2013, 2016, 2018 und 2019 war Napoli Zweiter hinter Den Bianconeri, 2014 und 2017 Dritter. Das passt schon so, dass die jetzt mal wieder feiern dürfen.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.