Nach nicht mal eineinhalb Jahren ist die Amtszeit von Gerhard Milletich als ÖFB-Präsident vorbei. Angesichts der stets bestehenden Spannungen im Präsidium und der Schlinge, die sich in der Inseratenaffäre immer dichter um ihn zog, ist der Schritt keine Überraschung mehr gewesen. Auch, wenn sowohl er als auch etwa die „Krone“ den Finger vorwurfsvoll auf die internen Aufdecker der Causa zeigen: Niemand anderer ist für die Situation verantwortlich als Milletich selbst. Sicher eher aus nonchalantem Amtsverständnis als wegen offensiv-korrupter Haltung, aber auch das machte ihn als Präsident untragbar.
Elefantös durch den Compliance-Porzellanladen
Als Ämte-Sammler Karl Sekanina, der sich gerne als Sonnenkönig gerierte, 1982 als ÖFB-Präsident abtrat, war niemand wirklich traurig. Zwanzig Jahre später ließ sich Beppo Mauhart im Lichte der Tatsache, dass alle anderen seiner Endlos-Amtszeit überdrüssig waren, auf jenen Deal ein, der immerhin Frank Stronach als ÖFB-Chef verhinderte.
Friedrich Stickler trat 2008 kurz nach der Heim-EM zurück, ohne in seiner Amtszeit für Skandale gesorgt zu haben, aber auch ohne den ÖFB ins 21. Jahrhundert überzuführen. Leo Windtner schließlich, bei seiner letzten Wiederwahl intern sturmreif geschossen und jeder Hausmacht beraubt, zog die Konsequenzen, trat 2021 gar nicht mehr an.
Niemand war unumstritten, schon gar nicht intern, das ist in einem Gremium wie dem ÖFB mit so vielen konkurrierenden Eitelkeiten auch gar nicht möglich. Aber niemand ist auch nur annähernd so elefantös durch den Compliance-Porzellanladen gepoltert wie Milletich.
Es war schon sagenhaft tölpelhaft und ungeschickt, wie er in der am 5. Oktober 2022 veröffentlichten Podcast-Folge der „Zweierkette“ bei Elisabeth Gamauf-Leitner und Thomas Trukesitz, so von Burgenländer zu Burgenländern, fröhlich hinausposaunt hat, dass ihm natürlich das ÖFB-Amt mehr Zugänge verschafft hat als einem „Key-Accounter beim Verlag“. Dossier-Chefredakteur Florian Skrabal bezeichnete Milletich in Ö1 als „Mann, der über Werbung Geld verdient und über seine ehrenamtliche Funktion viel Macht hat.“
„Krone“ diffamiert Gegner des Abgetretenen
Auch wenn Milletichs kaum zu leugnendes Keilen von Inseraten-Kunden für seinen Verlag auf der Basis seiner ÖFB-Präsidentschaft keine strafrechtliche Relevanz haben sollte, so ist doch die Optik fatal genug und ein Rücktritt alternativlos. Auch in Österreich, jüngst ja im Anti-Korruptions-Ranking einmal mehr abgerutscht, ist nicht mehr alles überall so möglich wie noch vor zehn, zwanzig, dreißig Jahren. Vor allem dann nicht, wenn drei der schärfsten internen Kritiker Juristen sind – Herbert Hübel, Josef Geisler und Gerhard Götschhofer. Mittlerweile muss man wohl auch den Vorarlberger Horst Lumper, ebenfalls Jurist, in die Phalanx der Milletich-Gegner einreihen. Der Steirer Wolfgang Bartosch, AK-Direktor, war schon 2021 kein Fan des Burgenländers.
Vor allem der Chef des OÖ-Verbandes Götschhofer war wohl hinter den Kulissen recht aktiv darin, Milletichs verknotetes Verhältnis zwischen Amt und Verlag zu entwirren. Dass er sich jetzt von Peter Klöbl in der Kronen Zeitung als mit Dreckbatzen werfender „Gatschhofer“ beschimpfen lassen muss, ist in höchstem Maße unfair und entspricht auch in keinster Weise dem stets um die Seriosität seiner Person, des ÖFB und des Amtes bemühten Rechtsanwaltes in Rente.
Das Misstrauen, das bei der Krone einst schon Peter Linden allem entgegen brachte, was von jenseits von St. Pölten herkommt, ist in der Muthgasse allem Anschein nach an Peter Klöbl vererbt worden. Die Verteidigungslinie – quasi: Warum sollte man nicht mitschneiden dürfen? – sagt jedenfalls mehr über den Krone-Reporter aus als über Götschhofer. Hier ist in gewohnter Tradition immer noch derjenige der dreckige Anpatzer, der Fehltritte offenlegt und nicht der sonst eh brave Herr Präsident, der die Fehltritte beging.
Dabei haben Milletichts Präsidiumskollegen den Job gemacht, den eigentlich Klöbl hätte erledigen sollen.
Servicestelle statt Ego-Tool
Sein Credo, seit Götschhofer vor zehn Jahren die OÖFV-Präsidentschaft übernommen hat, war immer: Ein Fußballverband hat eine Dienstleistung zu erfüllen und ist als Service-Stelle für die Vereine zu betrachten, nicht als Befriedigungs-Tool von Egos und Befindlichkeiten. Für jene, die ihn kennen, ist es absolut glaubhaft, dass er nicht aus eigener Ambition den Fehltritten von Milletich nachging und sie so präsentierte, dass dieser nur noch die Option hatte, mit dem Abgang nur der zu erwartenden Ohrfeige von der Ethik-Kommission zuvorzukommen. Statt mit dem nassen Fetzen verjagt zu werden, hat er den zumindest vordergründig gesichtswahrenden Weg des Rücktritts aus Mangel an Alternativen vorgezogen.
Sondern, weil ihm die Integrität des ÖFB und des (Ehren-)Amtes der Präsidentschaft ein ehrliches Anliegen ist, gerade angesichts des verheerenden Images, an dem gewisse Mitglieder des Präsidiums fleißig stricken. Ob nun auch Geschäftsführer Thomas Hollerer – der in der Fußballwelt top vernetzt ist, dem aber Schwächen in der internen Menschenführung nachgesagt werden – auch gehen muss, wird sich zeigen. Einiges scheint in diese Richtung zu deuten, aber in Stein gemeißelt ist da noch lange nichts.
Der 48-Jährige ist stets als treuer Diener von Milletich aufgetreten, was als Generalsekretär auch seine Aufgabe ist, und hat ob Milletichs eklatanter Englisch-Schwächen die Repräsentation des ÖFB auf internationalem Parkett wahrgenommen. Dass er mit ÖFB-Geschäftsführer Neuhold im Clinch liegt, ist aber gleichzeitig ein offenes Geheimnis und einer gedeihlichen Arbeit im ÖFB nicht gerade zuträglich.
Was bleibt von einer Amtszeit?
Ein Jahr und knapp fünf Monate sind vergangen, seit Milletich am 11. September 2021 im zweiten Wahlgang gegen die Nein-Stimmen von Götschhofer, Hübel und Geisler – im ersten, in einem Patt endenden Durchgang hatte auch der Steirer Bartosch gegen Milletich und für dessen Konkurrenten Roland Schmid votiert – mit dem höchsten Amt im ÖFB betraut wurde.
Was wird bleiben? Die Verpflichtung von Ralf Rangnick als Teamchef. Die hat Milletich gemeinsam mit Hollerer gegen Sportdirektor Schöttel (der offenkundig Peter Stöger favorisiert hatte) getroffen. Sie ist die eine große, nachhaltige sportliche Entscheidung einer Amtszeit, die nicht mal einer halben Amtsperiode entsprochen hat. Infrastrukturell wurde unter ihm die Genehmigung des längst dramatisch überfälligen neuen ÖFB-Zentrums in Aspern durchgeboxt. Die im Frühjahr 2021 vorgestellte große Reform im Jugendfußball – drei gegen drei, keine Tabellen bis zur U12, individuelle Entwicklung im Zentrum – wurde ebenso schon in Windtners Amtszeit angestoßen, Milletich hat sie zumindest nicht abgedreht.
Nichts vorzuwerfen?
Ansonsten bleibt die Erinnerung an tapsige Interviews, fehlender Abstimmung mit Sportdirektor Schöttel, der ständig im Hintergrund wabernden Spannung in einem in zwei Lager zerfallenen Präsidium – die beim geplatzten Gipfel in Wr. Neustadt im April 2021 erstmals so richtig explodierte – und letztlich die Inseraten-Affäre, die den 66-jährigen Präsidenten nun aus dem Amt gespült hat. Wobei er auch im Abgang daran festhält, der Überzeugung zu sein, sich – abgesehen von der Kommunikation – nichts vorwerfen zu können.
Man muss aber schon festhalten: Wer als ÖFB-Präsident bei einem Meeting um Inserate für seinen Verlag buhlt und angibt, dass das ja eh kein ÖFB-Termin war, den Termin aber sehr wohl auf die ÖFB-Spesenrechnung stellt, hat vielleicht doch etwas mehr falsch gemacht als nur die Außendarstellung. Florian Skrabal von Dossier fällt ein deutlich vernichtenderes Urteil: „Es trifft die Definition von Korruption!“
Wie geht es weiter?
Bis auf Weiteres muss einer aus dem Kreis der Vize-Präsidenten das Amt übernehmen und es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass der Niederösterreicher Johann Gartner – der die interimistische Leitung vermutlich übernimmt – aus dem Milletich-Lager im Präsidium kommt.
Und dann? Roland Schmid, der Milletich 2021 unterlegen war, hat schon wissen lassen, dass ihn das ÖFB-Amt nicht mehr interessiert. Jeder Landespräsident hätte von Vornherein mit der gleichen Spaltung zu kämpfen, die Milletich nie aus der Welt schaffen konnte. Dafür war er von seinem Karriereweg im ÖFB zu befangen, in seiner Amtsführung zu schwach, in seiner eigenen Außendarstellung zu provinziell.
Georg Pangl, der aller Voraussicht nach in einem Jahr Nachfolger von Gerhard Milletich als burgenländischer Verbandspräsident wird (aktuell leitet Ex-Referee Günter Benkö diesen kommissarisch), macht aus seinen Ambitionen, dem ÖFB vorzustehen, in seinem letztes Jahr erschienenen Buch keinen Hehl. Pangl schwebt aber ein hauptamtliches Amt vor, kein unbezahltes Amterl.
Profi-Posten oder Ehrenamt?
Es war 1968, als der ÖFB letztmals jemandem den Teamchef-Posten ohne Bezahlung aufschwatzen konnte. Erwin Alge war der arme Teufel, Verbandstrainer aus Vorarlberg, der zum Handkuss kam, nachdem alle anderen Kandidaten von höheren Weihen abgesagt hatten, weil man von der Anstellung bei einem Verein leben konnte, vom prestigeträchtigeren Ehrenamt beim ÖFB aber nicht.
Ein Jahr später, als Alge frustriert von fehlender Autorität gegenüber den Vereinen frustriert hinwarf, hatte der ÖFB doch endlich erkannt: Man wird dem Verbandstrainer wohl oder übel was bezahlen müssen. Leopold Stastny wurde erster hauptamtlicher Teamchef, seine Amtszeit – die längste aller Trainer der ÖFB-Nachkriegsgeschichte – gilt als die Basis für die Erfolge von 1978 und 1982.
54 Jahre später könnte man sich seriös die Frage stellen, um es im 21. Jahrhundert nicht womöglich doch besser wäre, jemanden an die Spitze des Verbandes zu stellen, der sich Vollzeit dem ÖFB widmen kann, sich nicht nebenbei um die Inseratensuche für seinen Brotberuf kümmern muss, so gut vernetzt ist wie der aktuelle Generalsekretär, besser Englisch spricht als der abgetretene Präsident und das auch noch gerne machen würde.
Gleichzeitig wäre dieser dann aber weniger von so manchem Ego-Shooter im Verband abhängig. Also muss im Wissen um die österreichische Realpolitik konstatiert werden: Not gonna happen. Dann schon lieber Weiterwurschteln.
Beitragsbild: CC BY-SA 4.0/stefan97