Zum Tod von Leo Windtner

Von 2009 bis 2021 war Leo Windtner Präsident des ÖFB. Der Oberösterreicher hatte viele Funktionen und Ämter, in der Wirtschaft (Generaldirektor der Energie AG) und der Politik (Bürgermeister seiner Heimatgemeinde St. Florian) und in der Kultur (als Obmann der Florianer Sängerknaben). Fraglos am Meisten zu seinem öffentlichen Profil beigetragen haben aber seine zwölf Jahre als ÖFB-Präsident.

Am Vormittag des 8. August 2025 ist Leo Windtner verstorben, drei Wochen vor seinem 75. Geburtstag.

Leo Windtner war 12 Jahre lang ÖFB-Präsident (Foto: Steindy)

Die späten Nuller-Jahre waren eine turbulente Zeit in Österreichs Fußball: Heim-EM, sportliche und strukturelle Krise, kein wirklicher Plan wie man den Schwung um das Turnier von 2008 mitnehmen soll. Willi Ruttensteiner war als Technischer Direktor im ÖFB umtriebig, war im ansonsten stramm ins Gestern statt ins Morgen gewandten Personal im Präsidium aber ein Wunderling, ein Außenseiter, ein Spinner. Friedrich Stickler verwaltete den ÖFB sechs Jahre lang, ins neue Jahrhundert hat er ihn nicht geführt: Den Fitness-Trainer beispielsweise wollte er nach der EM wieder einsparen.

Im Herbst 2008 trat Stickler zurück, Anfang Februar 2009 wurde Leo Windtner – langjähriger Präsident der OÖ-Landesverbandes – zu seinem Nachfolger gewählt. Die in Wien ansässigen großen Medien waren nicht glücklich: Windtner war für sie auch räumlich nicht greifbar, sie sahen ihn als Leichtgewicht aus der Provinz, eine Notlösung. Doch Windtner sollte eine Phase der Stabilität einleiten und des (fraglos) sportlichen und (teilweise) auch strukturellen Aufschwungs.

Windtner und Ruttensteiner

Weil rund um Windtners Wahl auch Teamchef Karel Brückner dabei war, seinen Hut zu nehmen – die ÖFB stellte es so dar, als hätte Windtner in seiner ersten Amtshandlung den „Weißen Vater“ entlassen, Brückner selbst gab an, schon Tage zuvor selbst die Kündigung eingereicht zu haben – bot sich Windtner die gute Gelegenheit, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und engagierte binnen zwei Tagen Didi Constantini.

Das war in dem Moment wahrscheilich die richtige Entscheidung; falsch war, Constantini eine weitere Qualifikation zu überantworten. Windtner hatte erkannt, dass man bei derart wichtigen Personalien mehr sportliche Kompetenz ins Boot holen muss, als er sich selbst und den Landespräsidenten zutraute. Also wertete er Willi Ruttensteiner entscheident auf.

Ruttensteiner – wie Windtner ein Oberösterreicher – presste mit Rückendeckung von Windtner und gegen den lauten Unmut des Präsidiums Marcel Koller als Teamchef durch. Es war ein Risiko für Windtner und Ruttensteiner, aber es zahlte sich aus. Es wurde mitreißender Fußball mit einer klaren, durchaus modernen Handschrift gespielt, die Fans honorierten das mit Euphorie.

Windtner und das Präsidium

Um Koller um jeden Preis zu halten, wurde der Vertrag mit dem Schweizer nach geschaffter Qualifikation im Herbst 2015 vorzeitig verlängert – mit einer fetten Gehaltserhöhung im Gepäck. Hier wollte Windtner auf risikominimierende Sicherheit spielen, aber das ging nach hinten los: Die EM ging schief, die folgene WM-Quali entgleiste auch recht rasch. Im Frühjahr 2017 ließ der Wahlausschuss Windtner bei der Nominierung im ersten Anlauf durchfallen – ein klarer Schuss vor den Bug. Windtner wurde im Mai 2017 in eine dritte Amtszeit gewählt, seine Hausmacht aber war er los.

So war er auch nur noch Passagier, als Willi Ruttensteiner im Herbst 2017 von den Landespräsidenten abgesägt und durch Peter Schöttel ersetzt wurde, ebenso bei der Verpflichtung von Franco Foda – den er und Ruttensteiner 2011 noch verhindert hatten. Wenig später war Windtner Ziel von Ermittlungen – es ging um den intransparenten Umgang mit einer 100.000-Euro-Spende von Sepp Blatter an ein Sozialprojekt in Kenia, bei dem Windtner maßgeblich mitwirkte.

Drei Jahre später wurde Windtner freigesprochen, aber der Schaden war längst angerichtet. Er kündigte im Frühjahr 2021 zwar an, sehr wohl eine vierte Amtszeit anzustreben, aber nachdem Windtner erkannt hatte, dass er nicht mehr mehrheitsfähig war, erklärte er im Sommer 2021 seinen Rückzug. Der burgenländische Verbandspräsident Gerhard Milletich folgte ihm nach – wenn auch nur für eineinhalb Jahre.

Windtner und sein Vermächtnis

Das nachhaltigste Vermächtnis von Windtner für den österreichischen Fußball ist wahrscheinlich der ÖFB-Campus in Wien-Aspern, für den er lange gekämpft hat und dessen Bau in den letzten Tagen seiner Amtszeit durch die Verbandsgremien durchgepresst wurde – „nicht einstimmig, aber mit sehr deutlicher Mehrheit“, wie Windtner damals sagte, „das ist ein sehr erfreulicher Schlusspunkt. Wir bekommen damit endlich ein Kompetenzzentrum, das auch internationale Standards erfüllt.“ Grünes Licht für den ÖFB-Campus zu bekommen, der gerade errichtet wird, stand in Windtners letzten Jahren im Amt im Zentrum seiner Bemühungen.

Unter Windtner wurde die Rolle des ÖFB-Sportdirektors aufgewertet und seine eigene Amtszeit wird auch immer untrennbar mit der Personalie Willi Ruttensteiner verbunden bleiben. Windtner stand eisern und gegen viele interne Widerstände zum persönlich als schwierig geltenden, aber in seinem Wirken im ÖFB geradezu revolutionären Vordenker. Zumindest, solange ihm das möglich war.

In seine Amtszeit fallen zwei EM-Teilnahmen (2016 und 2021) des A-Nationalteams und neun der Junioren – das sind alleine in diesen zwölf Jahre mehr als seit Einfühung der von der UEFA sanktionierten Turnier insgesamt zuvor. Der österreichische Frauenfußball, zuvor ein nicht beachtetes Anhängsel, wurde unter Windtner ebenfalls entscheidend aufgewertet, mit dem EM-Halbfinale 2017 als Höhepunkt und der 2011 eröffneten Akademie in St. Pölten als Basis.

In den Jahren, in denen Windtner im Amt war, wurde der Staff bei den Teams deutlich vergrößert und die Bedingungen damit erheblich professionalisiert. Die wenigsten der Mitarbeiter rund um die Nationalteams im Erwachsenen- und Juniorenbereich sind beim ÖFB angestellt, aber zumindest gab es sie jetzt.

Kein Sonnenkönig, dafür ehrlich bemüht

Wer immer mit ihm zu tun hatte – und auch der Autor dieser Zeilen hatte zuweilen das Vergnügen, als Präsident des damaligen Regionalligisten aus St. Florian, als OÖFV-Präsident, als ÖFB-Präsident und auch als Energie-AG-Generaldirektor – der erlebte Leo Windtner als seriöse Führungsfigur. Im Rampenlicht wirkte er oft ein wenig farblos, das war aber auch nicht sein natürliches Habitat. Im persönlichen Gespräch war Windter verbindlich, freundlich und kollegial – als Lenker eines Milliarden-Unternehmens wie der Energie AG konnte und musste er aber auch knallharte Entscheidungen treffen.

Vor allem aber war Leo Windtner kein Selbstdarsteller und keiner, der sich kompromisslos in die vorderste Reihe drängte. Er war kein Sonnenkönig wie Karl Sekanina, seine Präsidentschaft war keine One-Man-Show wie bei Mauhart. Natürlich genoss er das Renomee, das mit den Erfolgen auch auf ihne ein gutes Licht warf. Er hatte aber als Mittsechziger, der jahrzehntelang auf vielen Hochzeiten getanzt war, aber nicht mehr die Energie – und wohl auch nicht die Ruchlosigkeit – sich effektiv gegen die Kräfte innerhalb des Präsidiums zu wehren, die ihn aus dem Amt zentrifugieren wollten.

Windtner war uneitel genug, dass er selbst mit einem Einflussverlustes des Präsidenten-Amtes wunderbar leben hätte können, wie es nun (viel zu spät) endlich doch auf den Weg gebracht wurde. Die rasche Art und Weise, wie sein Nachfolger Milletich aus dem Amt gespült und sein Nach-Nachfolger Mitterdorfer zwischen den Fraktionen im Präsidium zerrieben wurde und das Handtuch warf, zeigen schon, mit was für einem schwierigen Umfeld es Windtner zu tun hatte

Leo Windtner, geboren am 30. August 1950 und gestorben am 8. August 2025 infolge eines Herzstillstandes bei einer Bergwanderung auf den Traunstein, hat versucht, den ÖFB inhaltlich ins 21. Jahrhundert zu überführen. Nicht alles ist gelungen, es gab Widerstände. Aber sein Bemühen war ehrlich und sein Anliegen war, den österreichischen Fußball trotz einer strukturell, sportlich und ideell maroden Ausgangslage stetig zu verbessern. Für eine bessere, schönere, effizientere, vielversprechendere Zukunft.

Dafür gebührt ihm Dank. Möge Leo Windtner in Frieden ruhen.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.