Wales schöpft Potenzial aus, Österreich nicht – das war’s

Es folgt schon einer gewissen größeren Gerechtigkeit: Österreich hat es geschafft, die Playoff-Chance, die nach dem katastrophalen vierten Platz in einer desaströsen WM-Quali eigentlich ohnehin nicht verdient war, nicht zu nützen. Und zwar gegen einen sicher guten, aber auch beleibe nicht unschlagbaren Gegner aus Wales, der – im Gegensatz zu Österreich – den Gegner millimetergenau kannte und auch entsprechend agierte.

Wales – Österreich 2:1 (1:0)

Personal und Systeme

Franco Foda vertraute auf ein 4-2-3-1-System mit Arnautovic vorne und Sabitzer dahinter. Seiwald spielte statt des coronapositiven Grillitsch in der Zentrale, Konrad Laimer bekam den Zuschlag für die rechte Außenbahn. Rob Page musste auf Stammkeeper Danny Ward verzichten, dafür hatte er Gareth Bale zur Verfügung. Er wählte ein 5-3-2-System, in dem Bale als Sturmspitze aufgestellt war, aber große Freiheiten genoss und sich auch in anderen Bereichen des Feldes ins Spiel einbrachte.

Konzept der Waliser greift

Österreich hatte von Beginn an das Plus an Ballbesitz, Wales versuchte allerdings, den Ballführenden gezielt einzukreisen – auch schon in der gegnerischen Hälfte. Das sorgte dafür, dass im Rücken in zwei, drei Situationen große Räume entstanden, die aber nur einmal von Österreich gezielt angespielt wurden. Sabitzers kluger Pass auf Baumgartner bedeutete die einzige echte ÖFB-Torchance, der Schuss klatschte allerdings an die Latte und nicht in die Maschen.

Von dieser Situation abgesehen gelang es Österreich in der ersten Hälfte niemals, sich die Waliser so hinzustellen, dass man mit Tempo vertikal in Richtung gegnerisches Tor hätte kommen können. So gab es viel Ballbesitz, aber rein gar nichts, was man damit anfangen konnte.

Wales verstand es gut, Österreich zwar über die Mittellinie zu lassen, dort aber zuzumachen und den Angriff abzudrängen oder von außen in die Mitte zu zwingen, wo die Hausherren selbst Überzahl hatten und die Wege für Österreich nach vorne zustellten. Damit waren die ÖFB-Kicker oft gezwungen, sich wieder nach hinten zu orientieren. Außerdem hielt Wales damit das Tempo des Spiels niedrig.

Auf Österreich abgestimmt

Wales interpretierte das 5-3-2 relativ flexibel, vor allem in der Anfangsphase war Gareth Bale – wie schon bei der EM im Sommer, als Wales wie Österreich das Achtelfinale erreicht hatte – so gut wie überall unterwegs. Auf der rechten Defensivseite stand Connor Roberts gegen den Ball höher als Neco Williams links, wodurch sich situativ eine Viererkette im walisischen Mittelfeld ergab. Roberts konnte so Alaba früher nehmen und Ramsey freimachen, damit dieser gemeinsam mit Bale Richtung Hinteregger gehen konnte, um dessen öffnenden Pässe zu verhindern.

WIlliams links startete dafür eben von weiter hinten, so hatte er etwas Raum vor sich, in dem er Tempo aufnehmen konnte. Seine Vorstöße waren die Hauptquelle von Gefahr, wenn die Waliser den Ball hatten.

Zentrum aufgegeben

Nachdem sich Dragovic und Alaba bei einem Eckball kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit übertölpeln ließen und wiederum Bale das 2:0 schoss, war eine Reaktion gefragt. Diese Reaktion hieß Sasa Kalajdzic (für Laimer) und war Absicht. Ob es auch Absicht war, das schon zuvor wirkungslose Zentrum gänzlich preiszugeben – und Bale hätte in der 63. Minute genau diesen Umstand beinahe zum 3:0 genützt – ist Spekulation. Womöglich war die Überlegung auch: In der Mitte kommen wir eh nicht durch, also warum überhaupt versuchen.

In der 64. Minute jedenfalls hoppelte ein von Rodon abgefälschter Weitschuss von Sabitzer zum 1:2 über die Linie. Österreich spielte danach im 4-4-2 weiter (Sabitzer links, Baumgartner rechts, Arnautovic und Kalajdzic vorne) und wie schon vor dem Anschlusstreffer war im Vorwärtsgang ein noch stärkerer Flügelfokus erkennbar.

Die fehlende Präsenz im Zentrum hätte jedenfalls kaum zwei Minuten nach dem 1:2 beinahe für das 1:3 gesorgt, Linder parierte aber gegen James.

Raus mit der Brechstange

Nachdem ein paar Flankenbälle ohne nennenswerte Wirkung in den walisischen Strafraum gehoben wurden, packte Foda nach 75 Minuten endgültig die Brechstange aus und brachte Weimann und Lazaro für Schlager und Baumgartner. Weimann kam nun über rechts, Lazaro über links, Sabitzer ging ins Zentrum zu Seiwald. Aber letztlich ging es nur darum, die Kugel irgendwie in die Box zu bringen und sich dort zu Schusspositionen zu improvisieren.

Einmal, in der 91. Minute, brannte es tatsächlich nochmal im Strafraum der Waliser, und da war eine unerwartete Weiterleitung des aufgerückten HInteregger und ein etwas wilder Querpass dabei, aber Wales brachte den 2:1-Sieg über die Zeit.

Fazit: Wales ist verdient weiter

Bei der EM hievte Gareth Bale das Team aus Wales mit einem 1:1 gegen die Schweiz und einem Sieg über die Türkei ins Achtelfinale und mehr steht der Truppe von ihrem Potenzial her auch nicht zu. Nur: Damals wie auch in der WM-Qualifikation und in diesem Match gegen Österreich ist es Trainer Rob Page und seinen Spielern gelungen, dieses Potenzial auch auszuschöpfen. Man wusste genau, wie man Österreich beikommen kann und hat diese Spielweise beinahe fehlerfrei exekutiert.

Das mit dem Ausschöpfen des Potenzials bei Österreich ist hingegen so eine Sache, auch in diesem Spiel in Wales. Man hatte nun weiß Gott genug Zeit, sich auf dieses Spiel vorzubereiten, den Gegner zu sezieren, Muster zu erkennen, exakte Strategien zu entwickeln und diese Chance, die einem mit dieser Auslosung zuteil wurde, am Schopf zu packen.

Stattdessen gab es erst eine Stunde lang den selben vorhersehbaren und unkreativen Ballbesitz-Kick wie immer und dann den Holzhammer. Schon in der 32. Minute winkte Sabitzer seinen Kollegen mit sichtbarer Verzweiflung zu, doch endlich aufzurücken und nicht gegen ein Team, das den Ball gar nicht will, mit sechs Mann in der eigenen Hälfte zu bleiben.

Damit läuft der Vertrag von Franco Foda nach dem Benefizspiel für die Ukraine am Dienstag gegen Schottland aus.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.