Österreich übernimmt mit einem 1:0-Sieg in Nordirland zur Halbzeit dieser Nations-League-Ausgabe die Führung in der Gruppe. Einer sehr ordentlichen Auftritt vor dem Seitenwechsel folgte ein sehr zurückhaldender nach der Pause. Diese Handbremse sowie Fodas defensive Wechsel ermöglichten einem um mehrere Klassen schlechteren Gegner völlig ohne Not, zurück ins Spiel zu finden.
An sechs Positionen rotierte Franco Foda im Vergleich zum 2:1-Erfolg im Testspiel gegen Griechenland – nur Dragovic, Hinteregger (in den Innenverteidigung), Ilsanker (der eines nach vorne auf die Sechs rückte) und Julian Baumgartlinger verlieben mit Torhüter Pavao Pervan in der Startformation. Aus dem schrägen 3-5-2 von Klagenfurt wurde in Belfast ein 4-4-1-1; Xaver Schlager spielte hinter Michael Gregoritsch einen Zehner mit großem Aktionsradius.
David Alaba spielte in seinem ersten Länderspiel seit elf Monaten, wie unter Foda üblich, auf der linken Seite – allerdings als Linksverteidiger, weil Andi Ulmer (wie auch Cican Stankovic) wegen der positiven Corona-Fälle bei Salzburg nach dem CL-Qualispiel gegen Maccabi Tel-Aviv passen musste.
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Österreich kontrolliert Nordirland mühelos
Von der giftigen, aggressiven Spielweise Nordirlands unter Michael O’Neill vor zwei Jahren ist unter dessen Nachfolger Ian Baraclough fast gar nichts mehr übrig. Nordirland stellte sich in einem 4-5-1 defensiv auf, überließ Österreich bereitwillig den Ball und verlegte sich darauf, durch die Mitte nichts durch zu lassen und Alaba zu doppeln. Situativ gab es zarte Versuche, die österreichische Spieleröffnung anzulaufen, aber Hinteregger und Dragovic befreiten sich problemlos aus diesen Situationen.
Nach Ballverlusten schaltete der Österreicher, der den Ball verloren hatte, sofort auf Gegenpressing-Modus um. Schlager und Gregoritsch liefen die Nordiren hoch an, sodass hier kein geregelter Aufbau möglich war, und schaffte es der Ball in die nordirischen Sechserraum oder zu den Außenverteidigern, liefen die Österreicher ihre Gegenspieler sofort an, sodass der Rückwärtsgang eingelegt werden musste.
Zahlreiche Seitenverlagerungen
Das ÖFB-Team baute vornehmlich über die Außenbahnen auf. Zum einen, weil Nordirland das Zentrum zu schließen versuchte, und zum anderen, weil Franco Foda das gerne so machen lässt. Die Nordiren schoben in diesem Fall gerne auf den ballführenden Außenverteidiger, vor allem auf David Alaba. Dieser sah sich praktsich immer zwei, oft sogar drei Gegenspielern im Umkreis von zwei Metern gegenüber, was seine Passgenauigkeit und damit auch seinen Beitrag zum Spiel minimierte.
Österreich aber hatte ein Mittel gefunden, diese Strategie der Nordiren für sich zu nützen. Und zwar mit Seitenverlagerungen: Immer und immer wieder wurde der Ball schnell und hoch von einer Außenbahn zur anderen manövriert, gerne schlug auch Julian Baumgartlinger lange Diagonalbälle zur ballfernen Außenbahn. Dort schuf Österreich dann schnell Überzahl und kam in einigen Situationen gut zur Torlinie durch bzw. versuchte, in den Strafraum zu ziehen.
Überlegenheit, aber wenig echte Chancen
Nur die echten, herausgespielten Torchancen fehlten ein wenig. Einmal provozierte Christoph Baumgartner nach einer halben Stunde einen Schnitzer von Craig Cathcart, schlenzte den Ball aber knapp am Tor vorbei. Einmal kam Michael Gregoritsch nach einem Freistoß zum Kopfball, aber McGovern parierte.
Die Nordiren zogen sich so weit zurück, dass Hinteregger und Dragovic regelmäßig bis in die nordirische Hälfte aufrückten, vor allem Hinteregger tauchte immer wieder sogar am Strafraum auf. Kurz vor der Halbzeitpause fand eine seiner Zuspiele vor das Tor Gregoritsch, dieser verwertete zum hochverdienten 1:0.
Österreich lehnt sich zurück
Nach Wiederanpfiff lehnten sich die Österreicher spürbar zurück, man überließ Nordirland vermehrt den Ball, anstatt die offensichtliche Unterlegenheit der Gastgeber zu nützen, weiter Druck zu machen und die Entscheidung zu suchen. Wie unbeholfen Nordirland agierte, wurde in zahlreichen Situationen offensichtlich, wenn man (vor allem im Zentrum) in Zweikämpfe verwickelt wurde und unzählige Fouls beging.
Die zunehmende Passivität Österreich lud die Nordiren ein, den Nachdruck zu verstärken. Sie blieben zwar harmlos, erspielten sich aber immer mehr Sicherheit.
Alabas richtige Reaktion – Fodas destruktiver Wechsel
Nach etwa einer Stunde verließ David Alaba seine Position als Linksverteidiger und verstärkte das Zentrum. In dieser Phase erinnerte die Formation eher wieder an das Griechenland-Spiel: Baumgartner war quasi linker Wing-Back, Ilsanker ließ sich etwas in die Abwehr fallen; dadurch wurde auch Lainer ein wenig von seinen Defensiv-Aufgaben entbunden. Österreich hatte nun eine zusätliche Anspielstation im Zentrum, Alaba entfloh seinen Bewachern, provozierte Freißstöße, beschäftigte die Nordiren.
Das ging etwa zehn Minuten so, in denen das ÖFB-Team die Kontrolle wiedererlangt hatte. Dann ging Alaba wieder nach links hinten, drei Minuten später kam mit Christopher Trimmel ein zweiter Rechtsverteidiger statt Ranftl. Ein klar defensiver, destruktiver Wechsel – und von Foda das unmissverständliche Signal:
Hört bloß auf, das Spiel entscheiden zu wollen! Jetzt wird defensiv gelaufen und der Sieg über die Zeit gezittert.
Gegen einen um zwei Klassen schwächeren Gegner, den man genau durch die eigene Passivität erst auf die Idee gebracht hat, nicht mehr nur auf einen österreichischen Gnaden-Akt zu hofen.
Fazit: Risiko durch Feigheit
Es gelang, der 1:0-Sieg wurde eingefahren. Aber dass Foda sein Team gegen das wirklich schlechte nordirische Team in eine kräftezehrende Abwehrschlacht zwang, er einmal mehr destruktiv den Gegner stark machte anstatt aktiv die Entscheidung zu suchen, ist eines der immer wieder kehrenden, großen Ärgernisse der Arbeit von Franco Foda.
Zum dritten Mal im vierten Spiel seit der Corona-Pause war die Strategie zu Beginn völlig richtig, durchaus aktiv und auf die Stärken des eigenen sowie die Schwächen des Gegners abgestimmt. Das bewusste Überladen des norwegischen Sechserraumes, die asymmetrische Formation mit der etwas schiefen Dreierkette gegen Griechenland, die gezielten Seitenverlagerungen gegen Nordirland: All das hat wunderbar funktionert. Die Arbeit des neues ÖFB-Chefanalysten Stefan Oesen trug Früchte.
Aber selbst, wenn das aktive Spiel funktioniert – was es nur gegen Rumänien nicht so recht tat, und selbst dieses Spiel verlor man eher wegen vermeidbarer Gegentore als wegen der geschickten Taktik des Gegners – raubt die Foda’sche Handbremse gegen Ende des Spiels regelmäßig jeden Esprit und baut den Gegner, selbst wenn er wie in Belfast wirklich nicht gut ist, zu einer potenziellen Gefahr auf.
Völlig ohne Not, völlig sinnlos.
Zumal man – jede Distanzstatistik belegt das – immer mehr läuft, je weniger man den Ball hat. Sprich: Die spielerische Passivität kostet nicht nur Kontrolle und bringt Siege bzw. Punkte in Gefahr, sie kostet auch noch zusätzlich Kraft. Und gerade das ist in Zeiten des durch Corona massiv komprimierten Spielplans völlig unverständlich.
Ja, es hat den Sieg gegeben. Und ja, Österreich ist Nordirland qualitativ meilenweit überlegen. Und doch muss man sich ärgern, dass man so ein Spiel beinahe noch aus der Hand gegeben hätte.
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