5:0-Sieg und schwere Verletzung bei Fuhrmann-Debüt

5:0 in Kasachstan – mit dem erwarteten hohen Sieg starteten die ÖFB-Frauen in die Amtszeit der neuen Teamchefin Irene Fuhrmann. Weniger das Ergebnis war bei diesem Ausflug aber von Interesse, dazu war der Gegner zu schwach und das wusste man vorher. Aber wie legt die neue Trainerin das Spiel an, die Vorbereitung, wie wurden die Vorgaben umgesetzt? Und dank der schweren Verletzung von Julia Hickelsberger gibt es nun eine weitere Denksportaufgabe.

Kasachstan-Österreich 0:5 (0:1)

Die Vorbereitung: Koordinations-Übung

Niemand mag die Reisen nach Kasachstan – langer Flug, vier Stunden Zeitverschiebung, oft ein schlechter Rasen und extra frühe Anstoßzeiten, um die Gegner aus dem Westen zusätzlich zu irritieren. Für die ÖFB-Frauen war es schon das dritte Mal seit 2014, für Trainerin Irene Fuhrmann aber der erste Trip nach Zentralasien. Und dann war da ja auch noch Corona.

Der Plan war, in der Vorbereitung in Bad Erlach jeden Tag eine halbe Stunde früher zu beginnen, um sich auf die Zeitverschiebung einzustellen. Mit diesem Hintergrund wurde auch die Anreise um einen Tag vorverlegt. „Die UEFA schreibt aber maximal 72 Stunden vorm Spiel negativen Corona-Test vor und wir wollten verhindern, in Kasachstan getestet werden zu müssen“, so Fuhrmann.

Simpler Grund: Wenn jemand in Kasachstan positiv gewesen wäre, hätte diejenige zehn Tage in Shimkent ins Krankenhaus müssen. Darum wurde Samstag früh um 5.30 Uhr mit den Tests begonnen, damit beim Abflug um 15 Uhr alle ihre Negativ-Ergebnisse in der Tasche hatten. Um 1 Uhr nachts Ortszeit (21 Uhr mitteleuropäische Zeit) landete die Charter-Maschine in der Millionenstadt nahe des Dreiländer-Ecks Kasachstan-Usbekistan-Kirgisistan. Linienflüge verbietet die UEFA dieser Tage.

Das Drumherum: Gute Stimmung trotz Ekel-Luft

Neun Jahre wurde das Team von Dominik Thalhammer betreut und aufgebaut. Nun ist nicht alles mit einem Schlag völlig anders, „aber natürlich ist es in einer gewissen Weise ein neuer Start, und eine Veränderung kann auch eine Chance sein“, sagt die neue Teamchefin, die nach ihrer Premiere bilanziert: „Es herrschte eine ungemein positive Atmosphäre im ganzen Stab, alle haben an einem Strang gezogen.“

Die eine oder andere Spielerin hatte nach der Ankunft um 1 Uhr Ortszeit Schwierigkeiten mit der Zeitumstellung und musste praktisch ohne Schlaf ins Vormittagstraining gehen. „Das war zach, aber es gab kein Jammern“, so Fuhrmann – der zusätzliche Tag, den man früher angereist ist, zahlte sich aus. „Nur die Luft dort war echt ekelhaft, es hat immer irgendwie nach verbrannten Reifen gerochen.“

Irene Fuhrmann bei ihrem ersten Spiel als ÖFB-Teamchefin. Foto: ÖFB/Glanzl

Die Verletzung: Nach innen durchgeschoben

Julia Hickelsberger wurde schon am Donnerstag, einen Tag nach der Rückkehr aus Kasachstan, unters Messer gelegt. „Da ist mehr kaputt als nur das Kreuzband“, so Fuhrmann. Die Saison 2020/21 ist für die 21-jährige Flügelstürmerin, die sich in den letzten 12 Monaten als furchtlose Flügelrakete eines der erfrischendsten Elemente des Teams, vorbei. Immerhin: Die EM wurde coronabedingt auf 2022 verschoben. Das sollte sich ausgehen.

Beim Match in Shimkent wollte sich Hickelsberger, als sie in der 2. Minute diagonal von rechts in den Strafraum lief, für den nächsten Schritt abstützen, erwischte dabei aber eine sumpfige Stelle im ansonsten trockenen, stumpfen Rasen. Das Knie schob nach innen durch. Ihre markerschütternden Schmerzensschreie zerschnitten die gespenstische Stille im kleinen Stadion von BIIK Kazygurt, das für die Öffentlichkeit und sogar für Medienvertreter geschlossen war.

Das Personal: New Look, gezwungenermaßen

Stehend v.li.: Schnaderbeck, Wienroither, Hickelsberger, Wenninger, Zinsberger, Puntigam. Hockend v.li.: Billa, Dunst, Höbinger, Zadrazil, Aschauer. Foto: ÖFB/Glanzl

Nicht nur der Name in der Spielberichtsbogen-Spalte „Head Coach“ war neu, auch das Team selbst hatte ein wenig New Look – gezwungenermaßen. Rechtsverteidigerin Kathi Schiechtl laboriert noch immer am Knochenmarksödem, dass sie sich im März zugezogen hat. Laura Feiersinger kämpft mit den Nachwirkungen eines Schlages, der vor einiger Zeit eine Sehne im Fuß beleidigt hat. Innenverteidigerin Gini Kirchberger zwickten die Muskeln, sie blieb vorsichtshalber draußen.

So kam Marie Höbinger (19) von Turbine Potsdam zum Startelf-Debüt im zentralen Mittelfeld (statt Feiersinger) und Laura Wienroither (21), eigentlich eher auf der Außenbahn daheim, spielte bei ihrem Pflichtspiel-Debüt statt Kirchberger hinten zentral. Das Durchschnitts-Alter betrug 24,5 Jahre, jünger war das Team zuletzt 2017. Höbinger, die an sich selbst sehr hohe Ansprüche stellt, war dem Vernehmen nach nicht restlos glücklich mit ihrer Leistung. „Und Wienroither wurde von Wenninger auf den nicht ganz gewohnten Position gut geleitet“, so Fuhrmann. Zugegeben: Wirklich gefordert war die Defensive nicht.

Vorne wechselte Dunst nach dem frühen Ausscheiden von Hickelsberger auf deren rechte Außenbahn, die eingewechselte Stefanie Enzinger (erster Einsatz seit März 2018) auf die linke. In der Schlussphase probierte Fuhrmann dann sogar Kathi Naschenweng, eingentlich Linksverteidigerin, als Rechtsaußen. „Das hat sie noch nie gemacht. War aber sehr gut und hat gleich den Elfmeter zum 5:0 herausgeholt“, berichtet die Teamchefin.

Ebenfalls neu war die Rückennummer von Barbara Dunst (statt der 14 nun die 8, die nach dem Karriereende von Nadine Prohaska frei geworden ist) und die Farbe der Trikots. Nach zehn Jahren ausschließlich in rot bzw. weiß wurde nun die neue, schwarz-türkise Auswärts-Wäsche getragen.

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Die Strategie: Eigenverantwortung und klare Regeln

Kasachstan ist letzten Herbst in der Südstadt 0:9 gerädert worden. „Diesmal waren sie ein wenig strukturierter als letztes Jahr“, berichtet Fuhrmann, „da hat Kasachstan sehr mannorientiert gespielt und die Abwehr weit nach vorne geschoben, auch als der Spielstand schon hoch war.“ Dabei konnte vor allem Julia Hickelsberger ihr Tempo perfekt ausspielen, sie traf beim 9:0 viermal. Die kasachische Abwehrlinie war auch in Shimkent wieder recht hoch.

Viele Elemente kennt man aus der Zeit unter Fuhrmanns Vorgänger Dominik Thalhammer, wie die einrückenden Außenverteidiger, die die Formation damit zu einem WW-System machen. Schnaderbeck und Aschauer haben viel Routine und sollten selbst erkennen, wann sie einrücken sollten und wann es eher gefragt war, Breite zu geben. Diese Leine wird gegen stärkere Gegner natürlich kürzer, das kündigte Fuhrmann bereits an.

Andere Dinge waren klar vorgegeben, etwa die Strafraumbesetzung durch die beiden Achter Zadrazil und Höbinger, die letzte Saison in Potsdam schon das Mittelfeld-Paar gemeinsam gespielt haben, und von denen immer eine den steilen Laufweg suchen sollte. „Dass für Präsenz im Strafraum gesorgt wird, ist ganz wesentlich“, betont Fuhrmann. Die klaren Vorgaben wurden gut umgesetzt, es gab zahlreiche Chancen. „Kasachstan hat’s uns gar nicht so schwer gemacht, wir haben’s uns selber schwer gemacht, weil wir die Chancen lange nicht genützt haben“, gab Viktoria Schnaderbeck nach dem Spiel zu Protokoll.

Nach dem 2:0 zu Beginn der zweiten Halbzeit ging es dann aber dahin.

Die Lage in der Quali: Mit Moped gegen Frankreich?

Mit den beiden Siegen gegen Kasachstan (9:0 und 5:0) sowie Nordmazedonien (3:0 und 3:0) sowie dem 1:0-Auswärtserfolg in Serbien hat Österreich die Pflicht bisher ganz klar erfüllt, ehe nun die drei entscheidenden Matches anstehen – gegen Frankreich (27. Oktober daheim und 27. November auswärts) und am 1. Dezember daheim gegen Serbien. Und gerade vor diesem Finale warnt Fuhrmann: „Natürlich sind die Spiele gegen Frankreich eine Herausforderung und es wäre sehr hilfreich, wenn wir da was mitnehmen könnten. Das wäre aber alles umsonst, wenn wir am Schluss nicht auch gegen Serbien gewinnen würden!“

Nur die drei besten Gruppenzweiten fahren direkt zur EM 2022 nach England, die restlichen sechs Zweiten ermitteln im Playoff drei weitere Teilnehmer. Island hat mit einem 1:1 gegen Gruppenkopf Schweden vorgelegt, Dänemark hat noch beide Spiele gegen Italien vor sich und befindet sich auf Augenhöhe mit den Azzurre (die aktuell quasi die gleiche Bilanz aufweisen wie Dänemark). Belgien hat das Spiel in der Schweiz 1:2 verloren, kann daheim den Spieß aber sicher umdrehen. Immerhin, Polen – vor dem Lockdown mit einem 0:0 gegen Spanien – hat sich mit nur einem Zähler aus den beiden Spielen gegen Tschechien aus dem Rennen verabschiedet.

Ein Sieg gegen Serbien wird aller Voraussicht nach also die absolute Grundvoraussetzung sein, um unter die drei besseren Zweiten zu kommen. Bonuspunkte gegen Frankreich wären gut. Nur: Fuhrmann hat vor allem Respekt vor den schnellen, quirligen Flügelspielerinnen von Frankreich und mit Hickelsberger fällt nun die schnellste eigene Spielerin aus. Auch ein Einsatz von Feiersinger ist keineswegs sicher, bei Schiechtl ist es ähnlich. Höbinger fehlt im Zentrum noch etwas die körperliche Robustheit. Wienroither ist zwar schnell und furchtlos, hat mit ihren 1,65m aber nicht gerade Gardemaß für die Innenverteidigung.

„Vom Teamgefüge her mache ich mir überhaupt keine Sorgen gegen Frankreich, das war jetzt auch sehr gut¡, sagt Fuhrmann, „aber das Tempo wird garantiert ein Thema.“ Wie man den Ausfall von Hickelsberger diesbezüglich kompensieren will? „Vielleicht sollten wir beantragen, dass wir gegen Frankreich mit einem Moped spielen dürfen…“

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.