1:3 in Deutschland: ÖFB-Frauen noch gut bedient

Österreichs Frauen-Nationalteam kassiert mit einer schwachen Leistung eine 1:3-Niederlage in Deutschland. Das sieht halbwegs human aus, aber es hätte wesentlich schlimmer kommen können. Man schaffte es nicht, dem geschickten Spiel der DFB-Frauen etwas Substanzielles entgegen zu setzen und hatte Glück, dass Deutschland beste Chancen teilweise kläglich vergab.

Deutschland – Österreich 3:1 (1:1)

Die Mannschaften

Österreich agierte diesmal in einem Hybrid aus 3-1-4-2, das gegen den Ball ein 5-3-2 wurde. Hinten spielte Sarah Puntigam quasi „Vollzeit“ als linkes Glied der Dreierkette (gegen Finnland war sie nur situativ hinten), davor war Zadrazil der Anker im Mittelfeld. Als Wing-Backs waren wie gewohnt Schiechtl und Aschauer eingeteilt; in vorgerückter Position im Mittelfeld waren Feiersinger und Billa hinter den Sturmspitzen Burger und Makas postiert.

Das seit April bis voraussichtlich Jahresende interimistisch von Horst Hrubesch trainierte DFB-Team stellte sich in einem klaren 4-4-2 auf – wie zuletzt etwa auch beim entscheidenden 2:0-Sieg in der WM-Quali in Island. Wieder spielten zwei dezidiert kreative Spielerinnen im Mittelfeld-Zentrum (diesmal Däbritz mit Magull), Huth war diesmal wieder links aufgestellt, dafür kam rechts Giulia Gwinn zum Startelf-Debut.

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Was bei Österreich auffiel

Alles zu langsam. Die auf Gedankenschnelligkeit und dem Ausnützen von provozierten Löchern ausgelegte Strategie, mit der man Israel und Finnland in der WM-Quali zerlegt hat, war gegen das starke deutsche Team nicht einmal in Fragmenten zu erkennen. Im Umschaltverhalten war Österreich zu zögerlich, um die kurzen Momente deutscher Unordnung zu nützen. Kaum ein gewonnener Ball wurde sinnvoll verarbeitet.

In der Phase nach dem völlig gegen den Spielverlauf erzielten Ausgleich durch Billa (34.) bis zur Pause wurden die Bälle wesentlich schneller verarbeitet und dadurch erheblich mehr Tempo in die eigenen Aktionen gebracht, womit Deutschland sichtlich etwas Probleme hatte. Zudem war kurz zuvor die bis vor kurzem rekonvaleszente Makas (für Prohaska) ausgewechselt worden und die fitte Billa ging in die Spitze gegangen.

Offensive Absichten nach der Pause. Zu Beginn der zweiten Halbzeit versuchte Österreich, den positiven Trend fortzusetzen und schob im Kollektiv weiter nach vorne. Weiterhin ließ aber die Präzision und das wieder fehlende Tempo im Abspiel keine Spielkontrolle zu. Im Gegenteil: Deutschland kam nach Ballgewinnen wieder sehr schnell in die Vertikalbewegung und nützte den Raum hinter der österreichischen Abwehr zu zahlreichen Kontern. Einer davon führte zum 2:1.

Defensiv-Rochaden: Zuletzt gegen Finnland wurde es erstmals in Ansätzen probiert: Etwas schräge Formationen in der Dreierkette bei der Spieleröffnung. Gegen Deutschland wurde dies in der Anfangsphase ein, zweimal ohne Effekt probiert, nach dem frühen 0:1 aber erst einmal eingestellt: Ballbesitzphasen in der eigenen Abwehr waren da nötig, um Ruhe reinzubekommen. Erst nach dem Ausgleich rückte immer wieder eine Spielerin wieder auf. Es war aber stets die Gefahr gegeben, bei Ballverlusten hinten offen zu sein – wie etwa beim 1:2, als Wenninger hoch stand und Dallmann nach deutschem Ballgewinn den Platz nutzte. Hier besteht definitiv noch Trainings-Bedarf.

Kurze Bank. Horst Hrubesch musste weiterhin auf Dzsenifer Marozsan (Lungenembolie) verzichten, auch Melanie Leupolz (verletzt) war nicht dabei, Lyon-Legionärin Simon kam erst wegen der Verletzung von Rauch und auf Einser-Goalie Almuth Schult verzichtete der deutsche Trainer freiwillig gleich ganz. Er brachte die Torleute 2 und 3, wechselte sechsmal ohne nennenswerten Substanzverlust. Dominik Thalhammer tauschte nur dreimal und besser wurde es selbst da nicht immer. Natürlich wird Österreich immer eine kürzere Bank als Frauenfußball-Weltmacht Deutschland haben. Aber: Es wird schon ein paar mehr hochklassige Alternativen brauchen, um Verletzungen oder Formkrisen halbwegs abfedern zu können.

Was bei Deutschland auffiel

Offensives 4-4-2. Es ist zu einer seltenen Spezies geworden, aber Horst Hrubesch hat es bei den DFB-Frauen zum funktionieren gebracht: Das offensive 4-4-2. Das gelingt dank mehrerer Aspekte. Zum einen spielen stets zwei Kreative im Mittelfeldzentrum (Leupolz, Magull, Däbritz) und eine oder zwei potenzielle Mittelfeldspieleinnen vorne (Popp oder Dallmann oder beide). Sie lassen sich zurück fallen und helfen mit, stets schnell Überzahl in Ballnähe zu kreieren, den Zwischenlinienraum zu fluten und bei Ballgewinn kurze Abspielwege zu schaffen, aus denen heraus schnell steil gespielt werden kann. Das hat sehr gut funktioniert und ist auch attraktiv anzusehen.

Die Chancenverwertung. Tor wegen Abseits nicht gegeben (20.). Dallmann fängt einen zu kurzen Zinsberger-Abschlag ab und verzieht (21.). Zadrazil rettet mit einem Weltklasse-Tackling in höchster Not gegen Rauch (22.). Zinsberger bekommt nach einem Eckball den Ball gerade noch auf der Linie zu fassen (25.). Popp läuft alleine auf Zinsberger zu und zielt nicht genau genug (30.). Alleine in diesen zehn Minuten hätte Deutschland fünf Tore erzielen können. Und als Popp zu Beginn der zweiten Hälfte einen weiteren Konter viel zu überhastet abschließt, konnte selbst Horst Hrubesch nur noch Lachen.

Spielverlauf und Umstellungen

Wie vor zwei Jahren in Regensburg war es auch in Essen die 8. Minute, in der Deutschland 1:0 in Führung ging. In der Folge war das DFB-Team deutlich tonangebend und hätte schon das zweite, dritte oder gar das vierte Tor nachlegen können, ehe Billa aus dem Nichts das 1:1 erzielte. Nach dem überfälligen deutschen Tor zum 2:1 (56.) war das Spiel gefühlt entschieden, der eingewechselte Shooting-Star Lea Schüller machte mit einem sehenswerten Weitschuss zum 3:1 den Deckel drauf (84.).

Schlussphase

Die Spielsysteme wurden nach allen sechs (Deutschland) bzw. drei (Österreich) Wechseln beibehalten, aber teilweise wurden die Spielerinnen rochiert.

Thalhammer nahm nach einer halben Stunde Makas vom Feld, dafür ging Billa in die Spitze und Prohaska auf die Acht. Für die zweite Hälfte kam Pinther für Feiersinger und ging in die Spitze, dafür wich Billa auf die rechte Achter-Position zurück. Und schließlich kam Eder für Burger und ging statt Bila auf die Acht, dafür war Billa wieder ganz vorne.

In der letzten halben Stunde, nach dem Tor zum 2:1 für Deutschland, fehlte es Österreich vermehrt an der Klarheit in den Aktionen. Man schien sich nicht sicher zu sein, ob man das (angesichts der vielen deutschen Möglichkeiten) recht humane 1:2 über die Zeit halten sollte oder auf den Ausgleich drängen – das schien vor allem die Abwehrreihe zu scheuen, nachdem ihr zuvor die deutschen Gegenstöße um die Ohren geflogen waren. So wurde weder stringent verteidigt noch der Ausgleich gesucht.

Fazit: Probleme von vorne bis hinten

Deutschland hat eine vorzügliche Leistung abgeliefert. Österreich die schwächste seit dem 0:4 in Spanien vor einem Jahr. Die Probleme zogen sich von vorne bis hinten.

Lisa Makas kommt nach drei Kreuzbandrissen in drei Jahren mit den Anforderungen an Antritt und Tempo nicht mehr mit, es mag durchaus auch eine mentale Blockade sein. Dabei waren Antritt und Tempo in ihren Glanzzeiten genau ihre große Stärke gewesen. Durch Makas‘ Probleme und das fehlende Nachrücken von hinten lahmte das Pressing-Spiel komplett.

Das Mittelfeld kam nie dazu, das Spiel zu beruhigen, weil ständig zwei bis drei deutsche Gegenspielerinnen um den Ball verdichteten und Österreich die Passwege damit nicht gespielt bekam. In der Defensive waren gegen die cleveren Deutschen die manchmal ungewöhnlichen Positionen mehr Risiko als Chance. Und Manuela Zinsberger machte den Eindruck, dass sie das 0:6 der Bayern zuletzt gegen Wolfsburg doch noch in den Knochen hat. Aber: Sie parierte auch diverse Schüsse glänzend.

In einem Monat gibt’s gegen England die Chance, es als Ganzes besser zu machen.

Bei Deutschland ist unter Horst Hrubesch nicht nur, wie das Team bekundet, wieder eine gute Stimmung eingekehrt, es wurde auch eine sehr gut funktionierende Spielweise mit einer relativ jungen Truppe (im Schnitt 24,8 Jahre – bei der Europameisterschaft letztes Jahr waren es 26,3 und beim Olympiasieg vor zwei Jahren sogar 27,4 Jahre) installiert.

Das deutsche Spiel unter Hrubesch ist keine Raketenwissenschaft. Aber ein Rädchen greift ins andere, es ist flüssig, initiativ und zu den Spielertypen passend. Gegenüber dem alt-deutschen, unflexiblen und kraftvollen Kopf-durch-die-Wand-Fußball unter Silvia Neid und dem gut gemeinten, aber in der Praxis eher chaotischen Spiel unter Steffi Jones ist dies ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung gewesen.

Wie sich die Sache unter Martina Voss-Tecklenburg entwickelt, wird sich zeigen. Was sie bei der Schweiz gemacht hat, war zwar meistens erfolgreich, aber über jeden Zweifel erhaben war es auch nicht gerade – wie bei der EM, aber auch schon vorher. Die Schweiz hat im EM-Quali-Playoff-Halbfinal-Hinspiel ein 2:2 auswärts bei Belgien erreicht, Voss dürfte also im November noch dabei sein und erst im neuen Jahr übernehmen.

Gegner im Endspiel um ein WM-Ticket dürfte dann Holland werden, der Europameister hat sein Halbfinal-Hinspiel gegen Dänemark souverän 2:0 gewonnen.

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.