Seit der Neugründung des ÖFB im Jahr 1945 ist Franco Foda der 27. Teamchef – und wie schon so oft vorher war der Weg zu seiner Verpflichtung eine regelrechte Posse. Nichts legt die wahre Verfassung des Verbandes besser und klarer offen als die Suche nach einem neuen Nationaltrainer. Darum bieten wir eine ausführliche Übersicht: So liefen die Teamchef-Bestellungen.
Viel Spaß.
1945: Edi Bauer (51)
Nach Kriegsende trat Österreich schon im August, also einen Monat vor der Neugründung des ÖFB, unter der Leitung des provisorischen Wiener Fußballpräsidenten Karl Zankl zu zwei Länderspielen in Ungarn an. Am 19. September, vier Wochen nach diesen zwei Matches, bestellte der Wiener Verband Edi Bauer zum neuen Verbandskapitän. Zankl starb zwei Wochen später, erst 44-jährig, an einer Lungenentzündung.
Als Spieler war Bauer in den 1910er-Jahren siebenmal Meister mit Rapid, später führte er den Klub auch als Trainer zu drei Titeln. In der Folge machten sich die Wiener Funktionäre ein Bild von den Strukturen bzw. deren Aufbau in den Bundesländern und warben für die erneute Installierung eines gesamt-österreichischen Fußballbundes. Am 27. September 1945 war es so weit: Unter der Führung von Josef Gerö, der das Präsidium anführte, wurde der ÖFB neu gegründet.
Bauer gehörte wie der spätere Justizminister Gerö, der SPÖ-nahe Arbeiterverbands-Leiter Franz Putzendopler, Austria-Funktionär Michl Schwarz sowie Rapid-Obmann Hans Hierath dem Präsidium an. Unter Bauers Leitung gab es einzelne Höhepunkte, wie Siege gegen Frankreich 1945 und gegen Italien 1947, generell war aber natürlich eher Aufbauarbeit gefragt. Am 4. März 1948 starb Bauer infolge einer Magen-OP.
1948: Edi Frühwirth (39, mit Kolisch und Putzendopler)
Nicht nur, dass der ÖFB in Bauer einen verlässlichen Verbandskapitän verlor, auch der Zeitpunkt war mehr als unglücklich; schließlich stand zwei Monate später das erste Bewerbsspiel nach dem Krieg an – nämlich der Start in den „Europacup“ (ein Turnier mit Ungarn, der Tschechoslowakei, Italien und der Schweiz) und danach die olympischen Spielen in London.
Bis zur ÖFB-Jahreshauptversammlung im September brauchte es also eine schnelle Lösung, so wurde also ein dreiköpfiges Direktorium installiert – mit Wacker-Wien-Betreuer Edi Frühwirth als administrativem Leiter, mit dem ehemaligen Hakoah-Coach Arthur Kolisch (der im Krieg eine abenteuerliche Fluchtgeschichte erlebt hatte) als Trainer und mit ÖFB- Vizepräsident Putzendopler quasi als „Chef de Mission“.
1948: Walter Nausch (41)
Der Auftakt in den Europacup gelang (Sieg über Ungarn), der Ausflug zu Olympia weniger: Schon in der ersten Runde gab es das Aus gegen den späteren Turniersieger Schweden – zur Freude der IOC-Funktionäre, die den Österreichern ihren Amateur-Status zurecht nicht abgekauft hatten. Das ernüchternde 0:3-Debakel gegen Schweden, bei dem das ÖFB-Team chancenlos war, lag den Verantwortlichen besonders schwer im Magen.
ÖFB-Präsident Gerö hatte schon vor Olympia den Kontakt zu Walter Nausch hergestellt. Der ehemalige Austria-Spieler, der aufgrund seiner Ehe mit einer Jüdin wenige Monate nach dem Anschluss in die Schweiz geflüchtet war, hatte sich beim damaligen Zürcher Spitzenteam Young Fellows einen Namen als Trainer gemacht. Am 15. Juli – also schon zwei Wochen vor dem frühen Olympia-Aus – unter der Vertrag unterschrieben. Offiziell begann Nausch am 1. September 1948 seine Arbeit. Edi Frühwirth verblieb im Trainerstab, Rapid-Trainer Hans Pesser kam neu dazu.
Nausch erreichte hinter Ungarn und der Tschechoslowakei, aber vor Italien den dritten Platz im Europacup, auf die WM 1950 in Brasilien verzichtete der ÖFB aus Kostengründen. Vier Jahre später aber hatte Nausch mit Trainer Frühwirth ein Weltklasse-Team geformt, das selbstbewusst zur WM in die Schweiz fuhr und dort den dritten Platz belegte – allerdings ohne Nausch, der krankheitsbedingt schon im Frühjahr die Arbeit an Frühwirth delegieren hatte müssen.
Der dritte WM-Platz ist heutiger Sicht ein Wahnsinn, war aus damaliger Sicht eine kleine Enttäuschung – zwar gehörte man nicht zu den ganz heißen Titelkandidaten, aber dass man als leichter Favorit gegen Deutschland im Halbfinale (geschwächt von der Hitzeschlacht gegen die Schweiz im Viertelfinale) in der zweiten Hälfte einging und 1:6 verlor, trübte die Stimmung.
1954: Hans Kaulich (59)
Die drei Spiele nach der WM im Herbst 1954 – ohne den zu Schalke abgewanderten Taktik-Fuchs Edi Frühwirth und ohne das halbe WM-Team, das in die finanzkräftige französische Liga abgewandert war – brachten schlechte Leistungen. Am 17. November, drei Tage nach einem besonders fürchterlichen 1:4 in Ungarn, trat Nausch zurück und übernahm die Trainerschulung im ÖFB. Der Verband setzte eine außerordentliche Sitzung an, dort sollte der Nachfolger präsentiert werden.
Der ÖFB hatte kurz vor dem Stichtag eine interne Lösung gefunden: Hans Kaulich, Obmann des Schiedsrichter-Ausschusses, wurde an jenem 10. Dezember 1954 als Nauschs Nachfolger präsentiert. Josef Molzer, der schon unter Nausch im Stab war, bekam den Zuschlag als Bundestrainer.
Das Unternehmen „Neustart unter Kaulich“ dauerte allerdings nur ein einziges Spiel: Beim Auftakt zur neuen Auflage des Europacups (der für diese Auflage in „Gerö-Gedenkturnier“ umbenannt wurde in der Folge mit der Einführung der EM obsolet werden sollte) kassierte Österreich mit einer offenkundig relativ erschütternden Darbietung eine 2:3-Niederlage in der Tschechoslowakei; tags darauf, am 29. März, trat Kaulich zurück. Offizielle Begründung: Er habe eingesehen, dass der Neuaufbau mehr Kraft kostet, als er aufbringen kann. Inoffiziell war seine Überforderung schon bei seiner Antritts-PK deutlich geworden, er genoss null Autorität im Team und die medialen Prügel wollte er sich nicht antun.
1955: Karl Geyer (56)
Der ÖFB stand nach dem plötzlichen Tod von Präsident Gerö drei Monaten zuvor ohnehin auf wackeligen Beinen. Bundestrainer Josef Molzer übernahm vorläufig auch Kaulichs Agenden, drei Wochen später wurde Hans Walch (43) zum neuen ÖFB-Präsidenten gewählt: Der Baudirektor der Böhler-Werke hatte vier Jahre zuvor Kapfenberg in die Staatsliga geführt. In dieser Sitzung wurde auch festgelegt, dass ab sofort jeder Präsident der Landesverbände eine Stimme im Präsidium erhält – ein Entschluss, der künftig viele Teamchef-Besetzungen nachhaltig beeinflussen sollte.
Die Klubs der Staatsliga – die nach dem Kaulich-Rücktritt noch etwa Karlsruhe-Trainer Adolf Patek als möglichen Wunschkandidaten genannt hatten – einigten sich schnell auf ÖFB-Jugendreferent Karl Geyer. Walch fügte sich und am 9. August 1955 war man sich mit Geyer einig. Auch Molzer, der im Clinch mit Staatsliga-Präsident Alfred Frey lag und deswegen eine weitere Arbeit als Bundestrainer ausgeschlossen hatte, konnte nach Freys Rücktritt doch zum Weitermachen bewegt werden.
Am 3. September segnete das Präsidium die Personalie Geyer ab. Der personelle Neuaufbau des Nationalteams nahm auch unter Geyer keine positive Entwicklung. Schon am 21. April 1956 trat Geyer nach nur fünf Spielen zurück, weil er es nicht für möglich hielt, angesichts der fehlenden Kooperationsbereitschaft der Staatsliga-Klubs ein vernünftiges Nationalteam auf die Beine zu stellen.
1956: Pepi Argauer (45)
Mit Molzer – der weiter im Trainerstab blieb – sowie Simmering-Betreuer Pepi Argauer und dem nunmehrigen Sportclub-Trainer Hans Pesser wurde ein interimistisches Dreier-Komitee installiert, das sich mit einem achtbaren 1:1 in Schottland einführte. Schon am 8. Mai aber warf der resolute Argauer, der den Posten gerne behalten hätte, die Brocken wieder hin: Er sah angesichts notorischer Bremser in ÖFB und Liga keine Möglichkeit, eine sinnvolle Arbeit abzuliefern. Außerdem soll hinter seinem Rücken bereits mit Schalke-Trainer Edi Frühwirth verhandelt worden sein.
Walch überredete Argauer um vorläufigen Weitermachen und delegierte die Entscheidung an die Staatsliga, welche nach dem Rücktritt von Präsident Frey allerdings immer noch führungslos war und sich erst am 16. Juli auf Egon Selzer als Nachfolger (und gleichzeitig neuen ÖFB-Vize) einigen konnte. So blieb das Team um Argauer im Amt und trat mit hohen Forderungen die Flucht nach vorne an – etwa die Abstellung von Teamspielern einmal pro Woche und das Recht für Trainer Molzer, jederzeit bei den Klubs mit Teamkandidaten eigene Trainings abzuhalten.
Der Erfolg – zehn Spiele en suite ungeschlagen, respektabler dritter Platz im Gerö-Cup, erfolgreiche Quali für die WM 1958 in Schweden – gab Argauer lange recht. Doch das enttäuschende Abschneiden bei der WM mit dem Vorrunden-Aus ließ das Blatt endgültig wenden. Er schob der Liga den schwarzen Peter zu (schlechte körperliche Verfassung der Spieler, eklatante technische Mängel), aber auch er selbst hatte schon im Vorfeld etwa mit der Posse um Nominierung oder Nicht-Nominierung von Italien-Legionär Ocwirk für Unruhe gesorgt. Zudem gab es Reibungspunkte in der Zusammenarbeit mit Molzer.
1958: Karl Decker (37)
Liga-Präsident Selzer preschte am 9. Juli als Erster vor und kündigte die Trennung von Argauer an, er und Vizepräsident Putzendopler wurden mit der Suche beauftragt. Auf die Deutschland-Erfolgstrainer Patek (FC Bayern), Frühwirth (Schalke) und Bimbo Binder (Nürnberg) sowie Béla Guttmann hatte der ÖFB einen Blick geworfen – die ersten drei winkten sofort ab, Guttmann wollte bezahlt werden. Daher beschloss man am 9. August, vorläufig ein vierköpfiges Interims-Gremium zu bestellen: Selzer und Putzendopler selbst, dazu ÖFB-Vorstand und Ex-Liga-Boss Frey.
Und weiterhin Josef Molzer als Trainer – aber nur für das erste Spiel unter dem Gremium gegen Jugoslawien. Für das folgende Match gegen Frankreich ging die Suche unvermindert weiter. Sportclub-Meistertrainer Hans Pesser lehnte ab (und gewann wenig später im Europacup 7:0 gegen Juventus), somit durfte Karl Decker – der als Spieler bis zwei Jahre vorher in Frankreich aktiv war – als Experte für diesen Gegner als Betreuer fungieren.
Fünf Tage nach der feinen Leistung beim 1:2 gegen Frankreich – also am 10. Oktober 1958 – wollte das ÖFB-Präsidium über eine mögliche Fortführung des Modells mit dem mehrköpfigen Gremium entscheiden, aber schon zwei Tage zuvor traten Selzer und Putzendopler aus diesem zurück. Somit entschied sich der ÖFB, Karl Decker zum Verbandskapitän zu machen. Mit erst 37 Jahren war Decker, der gerade erst seine aktive Karriere beendet hatte, der jüngste Mann auf diesem Posten.
1964: Joschi Walter (38)
Decker formte ein Top-Team, das Siege gegen den frischgebackenen Europameister Sowjetunion, gegen Spanien, England und Italien einfuhr; beim ersten EM-Turnier kam Österreich ins Viertelfinale. Eine Teilnahme an der WM 1962 in Chile scheiterte nur am finanziellen Geiz des ÖFB. Nach Jahren des Hochs ging es 1963 aber bergab und am 22. Februar 1964 gab Präsident Walch bekannt, dass Deckers im Sommer auslaufender Vertrag nicht verlängert wird – ohne Rücksprache mit Decker gehalten zu haben. Tags darauf trat Decker mit sofortiger Wirkung zurück.
Der seit drei Jahrzehnten in der Schweiz tätige Wiener Defensiv-Stratege Karl Rappan winkte ebenso wie Rapid-Sektionsleiter Bimbo Binder und der mittlerweile nach Österreich zurückgekehrte Wr.-Neustadt-Coach Adolf Patek sofort ab. Da alle offensichtlichen Kandidaten bei Klubs unter Vertrag waren, gestaltete sich die Suche (die Liga-Boss Selzer und NÖFV-Präsident Karl Beck durchführten) schwierig, zumal gleichzeitig die verfahrenen Diskussionen um eine Reform der Staatsliga für schlechte Stimmung sorgten.
Am 6. März zauberte der ÖFB Joschi Walter aus dem Hut. Der umtriebige Jung-Manager hatte zuvor die Austria völlig re-organisiert und führte sich auch gleich mit einem Maßnahmen-Katalog ein – das betraf neben engerer Verzahnung des ÖFB-Betreuerstabs mit den Klubs auch rechtliche Dinge wie Transferbestimmungen, Herabsetzung des Mindestalters für Wechsel ins Ausland (bis dato 28 Jahre), eine zentrale Trainerausbildung und Klärung der Stellung von Vertragsspielern etwa in steuerlichen Fragen.
Als Trainer engagierte Walter am 18. März Bela Gutmann – eine Sensation, schließlich war der 65-jährige ungarische Weltenbummler ein internationaler Star-Trainer, der zuvor Benfica Lissabon zweimal zum Sieg im Meistercup geführt hatte.
1964: Edi Frühwirth (56)
Frustriert, weil seine Reformpläne an konservativen Kräften bei Vereinen, Medien und auch im ÖFB abprallten, schmiss Walter nach nur sieben Monaten im Amt am 11. Oktober 1964 die Brocken hin; Guttmann tat es ihm, frustriert von auch rassistisch formulierter Kritik an seiner kostenlosen Arbeit, gleich.
Da ÖFB-Präsident Hans Walch zeitgleich bei Olympia in Tokio weilte, konnte Walters Rücktritt von niemandem angenommen werden, womit der ÖFB einstweilen so tat, als wäre nichts geschehen. Zudem wollte sich keiner der Kandidaten – wie einmal mehr Adolf Patek sowie Schalke- und Austria-Meistertrainer Edi Frühwirth – die vergiftete Stimmung zwischen Klubs und ÖFB antun: Am Ende der Meisterschaft stand die Umwandlung in die Nationalliga an, aber von finanziellen Rahmenbedingungen bis hin zur Anzahl der Absteiger in der laufenden Saison war noch nichts entschieden.
Auch vier Wochen nach Walters Rückzug versuchte der ÖFB noch vergeblich, ihn umzustimmen. So entschloss sich das Präsidium am 11. November doch, Edi Frühwirth – der die Austria kurz zuvor verlassen hatte – zum neuen Verbandskapitän zu machen. Zeitgleich wurde unter massivem Zeitdruck eine halbherzige Husch-Pfusch-Ligareform finalisiert.
Frühwirth legte das alte 3-2-5-System endgültig zu den Akten und stellte auf das gängige 4-2-4 um (vor diversen Liga-Spitzenklubs, wohlgemerkt). Dennoch gelang in der Quali für die WM 1966 in den vier Spielen gegen Ungarn und die DDR nur ein einziger Punkt. Nach zwei Jahren nahm Frühwirth Ende Oktober 1966 seinen Hut.
1967: Erwin Alge (45)
Die EM-Quali war nach dem Auftakt-0:0 gegen Finnland ohnehin schon nach dem ersten Spiel gelaufen, das nächste Spiel stand erst Ende April an – der ÖFB hatte also keinen Stress mit der Suche nach einem Nachfolger. Hans Pesser war der logische Wunschkandidat, er zierte sich zunächst aber. Ende November erklärte sich Pesser bereit, den ÖFB-Trainer zu machen – aber nicht den „Bundeskapitän“, also den eigentlichen Chef: Den Krieg mit dem Klubs um Abstellungen wollte sich Pesser nicht antun.
Die Verpflichtung von Karl Rappan scheiterte daran, dass der ÖFB auf die Ehrenamtlichkeit des Postens pochte, daher war auch der frisch bei 1860 München entlassene Max Merkel kein Thema. Bei der Präsidiumssitzung kurz vor Weihnachten wurden Adolf Patek (der als zu gutmütig galt) und Erwin Alge (der als Vorarlberger aber zu wenig Wiener Stallgeruch hatte) zur Abstimmung gebracht, aber keiner erhielt die Mehrheit. Daraufhin drohte sogar ÖFB-Präsident Walch mit Rücktritt.
Nach Weihnachten wurden dem 66-jährigen Patek die Anwürfe, er wäre zu alt für den Posten, zu blöd – er sagte dem ÖFB ab. Damit blieb nur noch Erwin Alge, ehemaliger Teamchef der Vorarlberger Landes-Auswahl und im restlichen Österreich praktisch unbekannt, übrig. Am 13. Jänner 1967 stimmte ein durch das monatelange Chaos blamierte Präsidium dem einzigen Kandidaten, dem man das Amt ohne Bezahlung aufschwatzen konnte, kleinlaut zu.
1968: Leopold Stastny (57)
Alge nützte das Abhängigkeitsverhältnis des ÖFB ihm gegenüber, um einen Zehn-Punkte-Plan zu fixieren – darunter etwa die Bestellung eines Team-Arztes. Vor allem die Forderung nach einer besseren Vorbereitung auf Länderspiele aber sorgte für einen weiter verschärften Krieg mit den Klubs. Unter Alge und Pesser wurde die EM-Finalrunde deutlich verpasst, aber es wurden Spieler aus den Bundesländern (wie Köglberger, Eigenstiller und Sturmberger) eingebaut und man zeigte sich offen für taktische Experimente.
Die Kritik an dem Duo von den Klubs (denen Alge zu fordernd war) und der Öffentlichkeit (der die Resultate nicht gut genug waren) riss aber nicht ab. Nach anderthalb Jahren als Team-Trainer reichte es Pesser im Mai 1968, er kündigte seinen Rücktritt an. Einen Monat später hatte auch Alge genug. Dem ÖFB gelang es nach dem Pesser-Rückzug rasch, Innsbruck-Erfolgscoach Leopold Stastny als neuen Trainer zu verpflichten.
Schon bei Alges letztem Spiel (einem 1:1 in Leningrad) war Stastny Trainer, nach Alges Rücktritt übernahm er auch den Posten des Teamchefs. Eine sehr angenehme Lösung für den ÖFB, nach diversen peinlichen Possen in den turbulenten Jahren zuvor. Stastny erwies sich als absoluter Glücksgriff für den ÖFB, der nun auch eingesehen hatte, dass die Ehrenamtlichkeit beim Teamchef-Posten nicht mehr haltbar war.
Stastny war unnachgiebig und zuweilen undiplomatisch gegenüber den Klubs, gleichzeitig aber Vaterfigur, Trainer, Mentor und Entwicklungshelfer für die Spieler. Einer mäßigen WM-Quali für 1970 folgte eine verbesserte EM-Quali für 1972, ehe man die WM 1974 erst im Entscheidungsspiel gegen die punkt- und torgleichen Schweden verpasste.
1976: Helmut Senekowitsch (42)
Mit einer verpatzten EM-Quali für 1976 verspielte Stastny aber bei allen (außer den Spielern) jeden Kredit. Nach einem 1:2 in Ungarn im September 1975 war die Chance auf die Finalphase vermeintlich verspielt, tags darauf trat der bis dato längstdienende Teamchef nach dem Krieg zurück. Branko Elsner, der Wacker Innsbruck zu zwei Titeln geführt hatte, sprang ein – und hätte sogar beinahe die EM-Finalphase noch erreicht.
Da ÖFB-Präsident Heinz Gerö zurückgetreten war und erst im April des kommenden Jahres ein Nachfolger gewählt werden sollte, wollte der ÖFB auch mit dem Teamchef-Suche diese fünf Monate warten. Der Hype um die startende Wintersport-Saison mit Olympia in Innsbruck als Höhepunkt nahm zusätzlich den öffentlichen Dampf vom Kessel.
Als die Aufmerksamkeit ganz Olympia galt, verkündete ÖFB-Interimspräsident Karl Beck am 7. Februar 1976, zwei Tage nach Franz Klammers Abfahrts-Gold: VÖEST-Meistertrainer Helmut Senekowitsch wird neuer Teamchef. Die Admira, bei der Senekowitsch gerade Trainer war, reagierte verschnupft auf Becks nicht abgestimmtes Vorpreschen. Dennoch verkündete Admira-Geschäftsführer Matuschka zwei Wochen später, dass Senekowitsch nach der fünften Frühjahrs-Runde, also am 4. April 1976, offiziell seinen Dienst beim ÖFB antreten darf.
1978: Karl Stotz (51)
Senekowitsch erntete, was Stastny gesät hatte: Erstmals nach 20 Jahren qualifizierte sich Österreich wieder für eine WM, in Argentinien zog das ÖFB-Team in die Zwischenrunde der Top-8 ein und besiegte Deutschland. Mit dem neuen ÖFB-Präsidenten Karl Sekanina aber war Senekowitsch in tiefer gegenseitiger Abneigung verbunden. Dass er für die WM in Argentinien Max Merkel als Anstands-Wauwau vor die Nase gesetzt bekam, war für Senekowitsch eine Demütigung zu viel: Er dachte gar nicht daran, seinen auslaufenden Vertrag zu verlängern.
Innerhalb weniger Tage wurden der ehemalige Austria-Erfolgstrainer Karl Stotz und der Ex-Salzburg-Coach Günter Praschak als die einzigen zwei Nachfolgekandidaten benannt. Nur eine Woche nach Senekowitsch‘ Abgang trat das Präsidium zusammen, dieses wollte aber vor einer Entscheidung noch beide Herren zum Hearing laden. Dazu kam es nicht mehr: Praschak informierte den ÖFB am 10. Juli, dass er doch nicht zur Verfügung steht. Damit hatte Stotz den Zuschlag.
Fast alle WM-Helden waren weiter mit an Bord, die EM-Endrunde 1980 wurde nur hauchdünn gegen den späteren Finalisten Belgien verpasst. Danach aber qualifizierte sich das ÖFB-Team mit Platz zwei in der Quali-Gruppe hinter Deutschland für die zweite WM-Endrunde hintereinander. Dennoch wurde Stotz einen Monat nach dem letzten Match, genau am 14. Dezember 1981, von Sekanina fristlos entlassen.
1982: Felix Latzke (40)
Warum Stotz gehen musste, kam nie wirklich an die Öffentlichkeit. Sekanina schob arbeitsrechtliche Gründe vor (Stotz war nebenbei in der Privatwirtschaft tätig, das war dem ÖFB aber immer bekannt), es wird auch von einem verlorenen Machtkampf mit Hans Krankl gemunkelt (der Sekanina über einen als Psychologen deklarierten Mittelsmann zugetragen wurde). Vielleicht ist die Wahrheit auch ganz profan und Sekanina wollte sich einfach ein Denkmal setzen, indem er Ernst Happel für die WM in Spanien zum Teamchef machte.
Happel jedenfalls, gerade seit einem halben Jahr HSV-Trainer, zeigte sich sehr interessiert an diesem „Sommerjob“ und noch vor Weihnachten herrschte zwischen Sekanina und Happel grundsätzliches Einverständnis. Co-Trainer Georg Schmidt sollte bis Saisonende als Happels Abteilungsleiter in Wien fungieren. Sekaninas Vize Werner Zips vereinbarte mit DFB-Präsident Neuberger: Happel kommt nur, wenn Österreich und Deutschland nicht in die selbe WM-Gruppe gelost werden.
Am 17. Jänner 1982 wurden ÖFB und DFB aber in die selbe Gruppe gelost, das Thema Happel schien erledigt. Innerhalb von zwei Wochen wollte der ÖFB aus Ex-Teamchef Senekowitsch, dem ehemaligen Bayern-Trainer Dettmar Cramer und einem „jungen Österreicher“ wählen, es wurde aber weiter mit dem DFB verhandelt. Dieser, so stellte es Zips später dar, erteilte dem ÖFB die Erlaubnis, Happel zu verpflichten, verbot aber dem HSV gleichzeitig, Happel für den ÖFB freizugeben. Am 2. Februar gab der ÖFB auf.
Damit wurde Co-Trainer Georg Schmidt zum Verantwortlichen für die WM befördert, aber auch dabei sollte es nicht bleiben. Admira-Trainer Felix Latzke, der offenkundig mit dem „jungen Österreicher“ gemeint war, gab dem ÖFB einen Korb mit der Begründung, dass er nicht der Notnagel sein wollte. Am 16. Februar 1982 einigte man sich aber doch mit dem 40-Jährigen, dass er gemeinsam mit Schmidt die WM betreut. Der Plan war der selbe wie er mit Happel gewesen wäre: Schmidt macht bis Saisonende den Großteil der Arbeit, danach übernimmt Latzke eine zentralere Position.
1982: Erich Hof (46)
Dass Latzke nicht, wie geplant, nach der WM alleiniger Teamchef werden würde, machte spätestens die WM selbst klar. Er hatte im satten und in Teilen selbstgerechten Kader keine Autorität, schon während der Endrunde machte sich Urlaubsstimmung im Team breit. Trotz des an sich guten Abschneidens (Zwischenrunde der Top-12 erreicht) wurde die WM aufgrund der Begleitumstände und der noch höheren Erwartungen als katastrophal beurteilt.
Noch bevor die WM am 12. Juli ihr Finale erlebt hat, klopfte Sekanina bei Erich Hof an. Der sensible Hof war im Frühjahr trotz Tabellenführung bei der Austria zurückgetreten, weil es ihm an Rückendeckung von der Vereinsführung fehlte. Nach Sekaninas Urlaub wurden am 10. August die Gespräche mit Hof intensiviert, aber die endgültige Entscheidung wollte Sekanina nicht mehr treffen – am 21. August trat er als ÖFB-Präsident zurück, als Grund gab er seine Verpflichtungen als Minister in der Kreisky-Regierung an.
Den EM-Quali-Auftakt im September wollte man notfalls mit Georg Schmidt als Zwischenlösung angehen, aber dazu kam es dann doch nicht. ÖFB-Interimspräsident Walter Zips ließ am 6. September im Präsidium abstimmen und Erich Hof wurde als neuer Teamchef präsentiert, zwei Wochen vor dem ersten Quali-Spiel gegen Albanien.
1984: Branko Elsner (56)
Hof ging den Generationswechsel an und verpasste die EM 1984 in einer schweren Gruppe nur knapp; insgesamt debütierten 13 Spieler in Hofs zweijähriger Amtszeit, darunter Toni Polster. Durch einem schwachen Start in die WM-Quali für 1986 geriet Hof zunehmend in die Kritik. Nach einem überraschenden 1:0-Sieg gegen Holland stellte Hof am 21. November 1984 sein Amt zur Verfügung, mutmaßlich, um sich die Rückendeckung des neues ÖFB-Präsidenten Beppo Mauhart zu sichern.
Das Präsidium nahm Hofs Rücktritt eine Woche später aber einstimmig an und Mauhart ging sogleich auf die Suche nach einem neuen Mann. Angesichts des Hypes um das anstehende Europacup-Wiederholungsspiel von Rapid gegen Celtic konnte Mauhart – ein angenehmer Gegensatz zu den Possen unter Sekanina – in aller Ruhe sondieren und fixieren. Am 12. Dezember, drei Wochen nach dem überraschenden Hof-Rücktritt, stellte Mauhart die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen.
Branko Elsner, der schon nach dem Stastny-Rücktritt neun Jahre davor eingesprungen war, reaktivierte zunächst die alte Garde und erlitt Schiffbruch, danach folgte eine ziemlich fürchterliche EM-Quali für 1988. Aber während in der Hof-Ära alles am Teamchef abgeladen wurde, war es bei Elsner umgekehrt: Hier war die Wahrnehmung eher „Wenn die Kicker so schlecht sind, was soll der arme Branko machen?“
1987: Josef Hickersberger (39)
Schon vor dem für Österreich bedeutungslosen letzten EM-Quali-Spiel in einem leergespielten Praterstadion gegen Rumänien am 18. November 1987 gab Elser seinen folgenden Rücktritt bekannt. Ernst Happel war der logische Nachfolge-Kandidat, aber der Wödmasta war erst einige Monate zuvor mit einer fast schon unverschämten Gage vom FC Tirol zur Unterschrift bewegt worden. Mit den sieben Millionen Swarovski-Schilling pro Jahr konnte der ÖFB nicht mit.
Präsident Mauhart erklärte die Teamchef-Suche wiederum zur Chefsache, daher prallten auch die diversen medialen Eingaben an ihm ab: Rapid-Trainer Otto Baric? Paradiesvogel Adi Pinter, der mit dem GAK einen Höhenflug hinlegte? Ex-Austria-Coach Thomas Parits, der gerade frei verfügbar war? Mauhart erlegte sich wie schon vor der Elsner-Bestellung selbst einen Maulkorb auf, an den er sich eisern hielt. Am 23. Dezember bat er dann zur Pressekonferenz – mit Josef Hickersberger im Schlepptau.
Der damals 39-Jährige war seit einem Jahr Elsners Co-Trainer und gleichzeitig U-21-Teamchef gewesen, davor nur unterklassig als Spielertrainer aktiv. Die interne (und auch kostengünstige) Lösung brachte trotz durchwachsener Leistungen die Qualifikation für die WM 1990, bei der Österreich mit einem Sieg (2:1 gegen die USA) und zwei Niederlagen (je 0:1 gegen Italien und die Tschechoslowakei) in der Vorrunde ausschied.
1990: Alfred Riedl (41)
12. September 1990, Landskrona: Österreich verliert zum Auftakt der EM-Quali für 1992 gegen die Färöer. Hickersberger hatte den Anstand, nach dieser Blamage nicht an seinem Sessel zu kleben und nahm den Hut. Keine drei Tage später hatte Beppo Mauhart im Alleingang Hickersbergers Co-Trainer Alfred Riedl zum neuen Cheftrainer zum Billigtarif gemacht.
Wahrscheinlich tat er dies, um bei einer längeren Suche nicht von den (ob Mauharts Nacht-und-Nebel-Aktion sehr verärgerten) Landespräsidenten Rapid-Trainer Hans Krankl aufs Auge gedrückt zu bekommen, von dem Mauhart nichts hielt; oder Steyr-Coach Otto Baric, den Mauhart nicht mochte. In TV-Runden wurde vor allem vom gekränkten Krankl heftig gegen die Entscheidung für Riedl geschossen.
Letztlich war es auch keine besonders gute Entscheidung. Riedl agierte sprunghaft, ohne wirkliches Konzept, redete seine eigenen Spieler schlecht und vergraulte einige mit seiner Sturköpfigkeit. Riedl gewann nur ein einziges seiner acht Länderspiele und musste noch vor Ende einer in fast jeder Hinsicht katastrophalen EM-Qualifikation seinen Platz räumen.
1991: Ernst Happel (67)
Im September 1991 hatte Mauhart also genug und ließ den überforderten Riedl fallen (Co-Trainer Constantini coachte die letzten zwei Spiele) und der Präsident machte genau das Gegenteil davon, was er fast genau ein Jahr davor getan hatte: Er ließ sich demonstrativ Zeit. Er wusste: Es brauchte niemanden, der – wie Riedl – den Verfall verwaltet, sondern eine starke Persönlichkeit, die einen völligen Neustart anging.
Mauhart wehrte sich zumindest nicht mehr mit Händen und Füßen gegen Baric. Senekowitsch zu reaktivieren, hielt er für „unoriginell“. FC-Zürich-Trainer Kurt Jara würde keine Freigabe bekommen. Happel wurde genannt, aber niemand rechnete ernsthaft damit, dass er seinen gut dotierten Vertrag in Innsbruck für den Trümmerhaufen Nationalteam auflösen würde. Mit Horst Köppel, zuvor Co-Trainer beim DFB-Team und Chef-Coach bei Borussia Dortmund, sollen die Gespräche schon sehr weit gewesen sein.
Und dann wurde am 20. Dezember wirklich Ernst Happel als neuer Teamchef präsentiert. Bundeskanzler Franz Vranitzky hatte Happel ins Gewissen geredet, Tirol-Boss Gernot Langes-Swarovski gab grünes Licht, und neun Jahre nach dem ersten Anlauf klappte es doch, das Nationalteam in Ernst Happels Hände zu legen.
Kettenraucher Happel aber wusste seit Jahren um seine Lungenkrebs-Erkrankung, er wirkte auch optisch schon gealtert und etwas eingefallen. Der Eifer, mit dem er sich in das Projekt Nationalteam verschrieb, beschleunigte die für Jeden sichtbare gesundheitliche Verschlechterung immens. Nachdem Happel zehn Monate lang Mut, Forechecking und Konsequenz vermittelt hatte, starb er im November 1992.
1993: Herbert Prohaska (37)
Prohaska führte die Austria 1992 mit erst 36 Jahren zum bereits zweiten Meistertitel unter seiner Regie, verabschiedete sich danach aber im Streit mit Klub-Boss Hubert Dostal. Wenige Wochen später war er sich nicht zu schade, beim ÖFB als U-21-Teamchef anzudocken. Die Vermutung liegt nahe, dass das schon mit Blick auf den Gesundheitszustand von Happel geschah.
Nach Happels Tod bestritt wiederum Didi Constantini das noch anstehende Spiel und er sammelte mit dem starken 0:0 in Deutschland Punkte für sich – die Landespräsidenten plädierten ebenso für den Tiroler wie viele Fans. Mauhart aber zögerte. Er wusste, dass er mit Prohaska und Constantini zwei populäre Optionen in der Hinterhand hatte und fühlte bei Bremen-Coach Rehhagel und Admira-Trainer Sigi Held vor.
Nachdem der kleine Hype um Constantini nach dem Deutschland-Spiel abgeflaut war, präsentierte Mauhart am 8. Jänner 1993 Prohaska als Happel-Nachfolger. Er brachte die aussichtslose WM-Quali für 1994 zu Ende und wahrte trotz einiger schwacher Resultate bis zum letzten Spiel die Chance auf ein EM-Ticket für 1996, ehe Prohaska Österreich souverän zur WM 1998 führte. Dort war aber wiederum nach der Vorrunde (1:1 gegen Kamerun und Chile, 0:1 gegen Italien) Schluss und im März 1999 lief das ÖFB-Team in das legendäre 0:9 in Spanien.
1999: Otto Baric (66)
Zwei Tage nach dem Kegelabend in Valencia – also am 30. März 1999 – war der Rücktritt von Herbert Prohaska offiziell. Bis zur am 11. April geplanten Präsidiumssitzung wollte Mauhart einen Nachfolger haben, das nächste Spiel (daheim gegen San Marino) war im Juni angesetzt. Mauharts Einser-Kandidat war Sturm-Coach Ivica Osim, dieser winkte jedoch sofort ab: „Aber wie wäre es mit Otto Baric?“
Baric und Mauhart mochten sich nie, aber echte Alternativen boten sich nicht an. Neben Mauhart hatten noch einige Landespräsidenten Vorbehalte gegen Baric, den sie als Selbstdarsteller und Sprücheklopfer erachteten. ÖFB-Vizepräsident Leo Windtner sprach sich offen für Roy Hodgson aus, viele andere waren aber dagegen: Die Viererkette, die dem Engländer vorschwebte, galt in Österreich überwiegend immer noch als avantgardistische Spinnerei, die auf Dauer unmöglich den Libero ablösen könnte.
Am 9. April schließlich sagte Baric dem ÖFB zu. Er brachte die kaputte EM-Quali (einem 0:5 in Israel inklusive) auf Platz drei fertig. In der Quali für die WM 2002 trugen Andi Herzog in seinem letzten Frühling und Franz Wohlfahrt mit diversen gehaltenen Elfmetern das ÖFB-Team auf Quali-Gruppenplatz zwei (hinter Spanien), im Playoff gegen den späteren WM-Dritten Türkei war Österreich chancenlos.
2002: Hans Krankl (48)
Am 19. November 2001, fünf Tage nach dem 0:5 in Istanbul, hatte Baric erkannt, dass er keine Vertragsverlängerung bekommen würde und dankte ab. Im ÖFB tobte gleichzeitig in Machtkampf: Bundesliga-Präsident Frank Stronach trachtete offen nach dem Posten von ÖFB-Präsident Mauhart, dessen Amtsperiode im kommenden Frühjahr endete.
In diesem Machtkampf nahm die Suche nach einem neuen Teamchef innerhalb des ÖFB eher eine nachrangige Rolle ein. Dieses Vakuum nützte die Bundesliga, um den gerade von Tabellenschlusslicht Admira geschiedenen Hans Krankl einstimmig zu ihrem Kandidaten zu hieven. Zwar brachte Windtner wiederum Roy Hodgson in die Diskussion, aber die Konzentration galt weiterhin eher, Stronach als ÖFB-Präsident zu verhindern.
Mauhart dealte mit Stronach bei einer Marathon-Sitzung am 21. Jänner 2002 in Salzburg aus, dass er selbst nicht zur Wiederwahl antritt, wenn Stronach auch verzichtet; Friedrich Stickler wurde als Kompromiss-Kandidat Präsident. Im Gegenzug verzichtete der ÖFB auf weiteren Widerstand gegen Krankl, dem viele Landespräsidenten äußerst skeptisch gegenüber standen.
Krankl probierte in der (wegen der übermächtigen Gruppengegner Holland und Tschechien ohnehin aussichtslosen) EM-Quali für 2004 alles aus, was gerade laufen konnte. Damit erreichte er ebenso den dritten Platz wie in der Quali für die WM 2006 (hinter England und Polen), die mit einer routinierten Ü-30-Truppe um Vastic, Kühbauer, Schopp und Mayrleb absolviert wurde.
2005: Josef Hickersberger (57)
Als sich im Frühjahr 2005 abzeichnete, dass WM wohl verpasst wird, übte Krankl monatelang Druck auf Stickler aus, eine Entscheidung für die Heim-EM 2008 zu treffen – in der Hoffnung, selbst den Zuschlag zu bekommen. Stickler reagierte allergisch und blies dem 2:3 in Polen und einem 0:0 in Baku am 7. September 2005 zur Suche nach einem Krankl-Nachfolger, ohne Krankl offiziell abgeschossen zu haben.
Dazu brauchte Stickler formell den Sanctus der Präsidenten-Konferenz – aber er genoss es sichtlich, Krankl durch offensive öffentliche Nichtbeachtung vorzuführen. Als Nachfolge-Kandidaten wurden nur zwei Namen mit realistischen Chancen gehandelt: Josef Hickersberger (gerade Meister mit Rapid) oder Walter Schachner (ein Jahr zuvor Meister mit dem GAK) sollten Österreich in die Heim-EM führen. Am 25. September bestätigte Hickersberger, dass er vom ÖFB kontaktiert worden war. Das Präsidium bestätigte am 26. September, dass Krankl durch Hickersberger zu ersetzen ist.
Diese Entscheidung war erwartet worden, der Zeitpunkt einen Tag vor Rapids Champions-League-Spiel bei Juventus war aber etwas unglücklich. In seiner zweiten Amtszeit brauchte Hickersberger zwei Jahre, um den von jahrzehntelanger Misswirtschaft im Jugendbereich und von Krankls chaotischem Wirken verursachten Trümmerhaufen zu einer halbwegs funktionierenden Einheit zu formen, die sich bei der Heim-EM zumindest nicht blamierte (0:1 gegen Kroatien und Deutschland, 1:1 gegen Polen).
2008: Karel Brückner (68)
Am Tag nach dem Vorrunden-Aus bei der EM deutete Hickersberger an, weitermachen zu wollen. Eine Woche später, am 24. Juni 2008, trat er einen Tag vor seiner Bestätigung im ÖFB-Präsidium aber doch ab: Der Verstand habe über das Herz gesiegt, gab er zu Protokoll. Und, dass er seinen Co-Trainer Andreas Herzog für den geeigneten Nachfolger erachtet.
Das überrumpelte Präsidium bestellte also eine Teamchef-„Task Force“ mit Stickler und Bundesliga-Boss Martin Pucher. Zeitrahmen: Fünf Wochen. Anforderungsprofil: Keines. Stickler präferierte eine externe Lösung und verhandelte intensiv mit Mirko Slomka, der kurz zuvor trotz guten Erfolgs bei Schalke beurlaubt worden war. Seine Verpflichtung scheiterte aber am Veto von Schalke-Manager Andreas Müller. Auch über Gerard Houllier, Volker Finke und Leo Beenhakker wurde spekuliert, aber Stickler und Pucher kommentierten nichts.
Am 25. Juli 2008 verkündete Stickler seine Entscheidung, die jeden überraschte und die einschlug wie eine Bombe: Karel Brückner, gerade nach sechs überwiegend erfolgreichen Jahren mit dem tschechischen Team in Pension gegangen, übernimmt das Team. Der „weiße Vater“ wurde aber zum bitteren Flop: Fehlende Deutschkenntnisse und seine fragile Gesundheit verhinderten eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
2009: Didi Constantini (53)
Nach nur sieben Spielen war Brückners Amtszeit am 2. März 2009 schon wieder vorbei – die Trennung war die erste Amtshandlung des drei Tage zuvor gekürten Leo Windtner, der den als ÖFB-Präsidenten zurückgetretenen Stickler beerbt hatte. Die Trennung wirkte für alle wie eine Erlösung: Boulevardmedien (die mit dem schroffen Brückner nie warm wurden), ÖFB (in turbulenten Zeiten), Spieler (die sich von Brückner vernachlässigt fühlten) und Fans (wegen der schwachen Resultate und Leistungen).
Für Windtner wurden die ersten Tage im Amt zum PR-Debakel. Brückner gab an, schon Tage zuvor seinen Rücktritt eingereicht zu haben und mitnichten von Windtner entlassen worden zu sein. Dann gab Windtner Herzog – der als Brückner-Assistent nichts zu sagen, aber für alles den Kopf hinzuhalten hatte – zu verstehen, dass er ihn nicht für geeignet hielte. Nachdem Herzog sich in der „Krone“ ausweinte, musste ÖFB-Generalsekretär Ludwig die Wogen glätten. Weil Herzog sich weigerte, weiterhin den Co-Trainer zu machen, bekam er die U-21.
Windtner gab sich zehn Tage Zeit für die Teamchef-Suche, letztlich war aber schon nach drei Tagen alles erledigt. Am 5. März stellte er Didi Constantini vor, der zuvor als „Feuerwehrmann“ bei der Austria und Pasching einen guten Eindruck gemacht hatte. Er brachte die schon verhagelte WM-Quali für 2010 zu Ende und baute Teenager wie Alaba und Dragovic ein. In der Qualifikation für die EM 2012 aber wurden seine fehlenden Fähigkeiten offensichtlich.
2011: Marcel Koller (50)
Nicht nur die sportliche Misere von exakt null Pflichtspielsiegen in seinen letzten elf Monaten als Teamchef schadeten Constantini. Auch seine zunehmend grantige Miesepeterigkeit im öffentlichen Umgang („Trottelgate“), seine seltsame Sprunghaftigkeit bei manchen Personalien (Arnautovic, Stranzl) und die pathologisch wirkende Sturheit bei anderen (Ivanschitz) wurden ihm zum Verhängnis.
Am 7. September 2011, als auch die allerletzte rechnerische Mini-Chance auf die EM vorbei war, vereinbarten Windtner und Constantini: Die letzten zwei Quali-Spiele im Oktober macht er noch, aber der Vertrag wird nicht verlängert. Die Suche, bei der erstmals auch ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner zentral eingebunden war, schien trotz Matthias Sammers Absage schnell zu gehen: Es verdichteten sich binnen Tagen die Anzeichen, dass Sturm-Trainer Franco Foda in Bälde präsentiert wird.
Am 13. September trat Constantini doch sofort zurück, Ruttensteiner übernahm die beiden Spiele im Oktober. Aber Tage und Wochen vergingen, ohne dass Foda – der Wunschkandidat der Bundesliga – als neuer Teamchef bestätigt worden wäre. So schossen neue Namen aus dem Boden: Paul Gludovatz? Andreas Herzog? Lars Lagerbäck? Christoph Daum? Mit dem Namen, der am Abend des 3. Oktober 2011 durchsickerte und der tags darauf bestätigt wurde, rechnete dann aber niemand: Marcel Koller, zuvor bei Bochum und Köln unter Vertrag und danach zwei Jahre ohne Anstellung.
Im Dunstkreis des ÖFB herrschte in der Folge Enttäuschung und Empörung darüber, dass es weder ein Österreicher noch ein internationaler Top-Star wurde; diverse Landespräsidenten waren beleidigt, weil sie nicht konsultiert, sondern zu Abnickern der Entscheidung anderer degradiert wurden. Koller war aber ein Goldgriff: Fast in jedem Spiel gab es Fortschritte, auf die WM 2014 gab es bis kurz vor Schluss eine realistische Chance, die EM 2016 wurde in überragender Manier erreicht.
2017: Franco Foda (51)
Der EM-Auftritt misslang aber und auch in der WM-Quali für 2018 wirkte das Team verunsichert, beging ungewohnte Abwehrfehler und auch Koller schien keine Lösungen mehr zu finden. Was sich über Monate abgezeichnet hat, wurde am 15. September 2017 offiziell: Das ÖFB-Präsidium beschloss mehrheitlich, den auslaufenden, ausgesprochen teuren Kontrakt mit Koller nicht mehr zu erneuern. Einen Monat später verabschiedete er sich mit Siegen in seinem 53. und 54. Spiel.
Die Hälfte der Landespräsidenten und die Bundesliga hatten es aber weniger auf Koller abgesehen, sondern viel mehr auf Sportdirektor Ruttensteiner. Dieser durfte sich alibihalber am 7. Oktober um eine Vertragsverlängerung bewerben, dass er zugunsten von Peter Schöttel abgesägt wird, war aber schon Tage vorher klar. Schöttel machte sich sogleicht daran, eine Liste von zehn Kandidaten für die Koller-Nachfolge vorzulegen, binnen drei Wochen wurde eine Entscheidung versprochen.
Details aus der Liste drangen lange nicht durch. Erst, als die drei letzten Kandidaten feststanden, war klar: Es handelt sich um Andi Herzog (der Kandidat von Medien und diverser Landes-Chefs), Franco Foda (der Kandidat der Bundesliga) und Thorsten Fink als Kompromiss-Lösung. Es wurde auch bis zum Schluss um Peter Stöger und Markus Weinzierl gebuhlt, aber am 30. Oktober wurde Franco Foda vorgestellt.