Aus Spaß am Gegner ärgern: ÖFB-Frauen eliminieren Spanien

Mit einer über 120 Minuten sehr konzentrierten Leistung und guten Nerven im Elfmeterschießen eliminieren die ÖFB-Frauen Spanien und stehen damit sensationell im Halbfinale der Europameisterschaft. Der Schlüssel dazu war, wie schon gegen Frankreich, das die gegnerische Offensivreihe von den restlichen Spielerinnen des Gegners abschnitt.

Österreich – Spanien 0:0 n.V.

Spanien zeigte bei den bisherigen Spielen – vor allem beim 0:2 gegen England, aber auch bei der von viel Panik begleiteten, peinlichen 0:1-Niederlage gegen Schottland – die Tendenz, viel Ballbesitz zu haben, aber wenig daraus zu machen. Das war auch gegen Österreich nicht anders, allerdings auch aus viel eigenem Verschulden.

Links die spanische Offensiv-Reihe, rechts die beiden Sechser und die Abwehrkette. Dazwischen: Viel Platz für Österreich, mit disziplinierter Positionierung die Zufuhr für die Angreiferinnen aus Spanien zu kappen.

Das nominelle 4-3-3 des spanischen Teams wurde wegen der hohen Positionierung von Amanda Sampedro (eigentlich ein Achter) in der Realität eher zu einem 4-2-4. War es in der Vorbereitung – vor allem beim Algarve Cup, wo Spanien ungeheuer stark war – so, dass die Abstände zwischen den Mannschaftteilen sehr eng gehalten wurden, so war hier die Offensive durch den großen Abstand von Vornherein vom restlichen Team abgetrennt.

Jagd auf zweite Bälle

Das zwang Spanien vermehrt zu längeren Bällen aus dem Rückraum. Was wohl eine Reaktion auf die viel zu horizontale Spielweise aus dem England-Spiel war, konnte durch den großen Abstand der Mannschaftsteile hier aber nicht funktionieren. Und zwar auch, weil sich Österreich die perfekte Antwort auf diese Spielanlage des spanischen Teams parat hatte.

Die ÖFB-Frauen machten diesmal nicht so sehr Jagd auf die Ballführende, sondern auf zweite Bälle. Sprich: Wenn ein längerer Ball in Richtung der spanischen Offensive segelte, wurde konsequent auf den Abpraller gegangen. Das selbe galt, wenn eine Spanierin ein kurzes Anspiel nicht sofort unter Kontrolle bringen konnte. Sofort klebte ihr eine Österreicherin auf den Füßen, sofort war der Ball weg.

Viele Weitschüsse von Spanien

Nachdem sie sich kaum in den Strafraum kombinierten konnten, versuchten es die Spanierinnen vermehrt mit Schüssen aus der zweiten Reihe. Über den Tag hatte es in Tilburg zwei, dreimal ordentlich geschüttet – der Rasen war also alles andere als staubtrocken. Aber: Die wenigsten dieser Schüsse kamen wirklich auf das Tor, und wenn, war Zinsberger zur Stelle. Auch kleine Fehler in der Abwehr (Viktoria Schnaderbeck ließ sich z.B. zweimal etwas zu viel aus der Position ziehen, zog aber jeweils das Offensivfoul) wurden nicht genützt.

Bei Österreich wurde nach Ballgewinnen schnell umgeschaltet, im die Pässe im Offensivdrittel wurden aber oft überhastet gespielt, waren zu ungenau und damit für die spanische Defensive ohne größere Probleme zu verteidigen. Im Grunde hatte Österreich im ganzen Spiel nur zwei wirkliche Torchancen (Billa 18., Prohaska 53.) – aber laut Expected-Goals-Statistik waren diese beiden Chancen alleine gefährlicher als alle spanischen Versuche.

Man sieht also: Die Torschuss-Statistik von 20:4 für Spanien erzählt nicht einmal annähernd die ganze Wahrheit. Die vermeintliche Riesen-Chance für Burger in der 70. Minute, die den Ball etwas zu spät von Feiersinger zugesteckt bekommen hat, war übrigens Abseits – das passierte Österreich recht häufig, nämlich achtmal.

Reaktionen auf entstehende Defizite

In der zweiten Halbzeit stand Österreich als Ganzes ein wenig höher und ging nun auch vermehrt auf Ballgewinne schon im Mittelfeld los, das hieß: Gezielteres Pressing auf Losada und Meseguer im Zentrum, aber auch auf die Außenspielerinnen. Auch hier allerdings wurden die Ballgewinne oftmals nicht genützt, die für die verletzte Lisa Makas eingewechselte Nadine Prohaska beispielsweise verlor relativ viele der gut erkämpften Bälle schnell wieder. Und mit Fortdauer des Spiels fand auch das Nachrücken aus dem Mittelfeld nicht mehr wie gewünscht statt, das monierte Teamchef Dominik Thalhammer in der 72. Minute auch lautstark.

Vermutlich als Reaktion darauf – also, um Spanien in Umschaltphasen nicht zu große Räume zwischen Mittelfeld und Angriff anzubieten – und wegen der in dieser Phase bemerkbaren Häufung von eher billigen Fouls, um spanische Gegenstöße zu verhindern, wurde in dieser Phase vermehrt auf 5-4-1 umgestellt. Also auf jenes System, das Österreich auch gegen Frankreich mit hoher Präzision und mit großem Erfolg eingesetzt hatte.

Österreichische Fünfer-Abwehr (links) und davor das Vierer-Mittelfeld: Kein Platz und keine Anspielmöglichkeit für Spanien im Raum zwischen den beiden Ketten.

Thalhammer meinte am Tag nach dem Spanien-Spiel sinngemäß, dass es seinem Team eine diebische Freude bereiten würde, wenn es gelingt, dass sich starke Gegner daran die Zähne ausbeißen würde. Das Stellen von Deckungsschatten (Aufgabe der Mittelfeld-Kette) und das Herstellen des richtigen Abstands der beiden Ketten (Aufgabe der Abwehr-Kette) funktionierte auch gegen Spanien annähernd perfekt.

Kleine Adaption in der Verlängerung

Verlängerung: Österreich im 5-3-1-1

Auch nach 90 Minuten hatte kein Team ein Tor erzielt, so ging es in die Verlängerung. Auch dort aber veränderte Spaniens Trainer Jorge Vilda die Spielanlage und auch das System seines Teams nicht: Sogar die eingewechselte Alexia Putellas, eigentlich eine Flügelstürmerin, übernahm genau die Sechser-Position von Vicky Losada, für die sie eingewechselt worden war.

Dominik Thalhammer jedoch adaptierte das System sehr wohl: Aus dem 5-4-1 wurde immer mehr ein 5-3-1-1, in dem Laura Feiersinger sich zentral zwischen dem Mittelfeld und Stürmerin Nina Burger positionierte. Daran änderte sich auch nichts, als Viktoria Pinther (eigentlich eine klare Sturmspitze) für Sarah Zadrazil eingewechselt wurde: Pinther reihte sich genau auf der Zadrazil-Position ein und rückte auch in die Mitte, wenn sich Feiersinger situativ wieder zurück in ihre Position im rechten Mittelfeld fallen ließ.

Gemeinsam mit Nina Burger presste Feiersinger weiterhin auf Meseguer und Putellas und nahmen ihnen so die Zeit für gezielte lange Bälle. Aber auch ganz vorne blieben sie aktiv: Noch in der 115. Minute lief Burger die spanische Torfrau Panos in hohem Tempo an, als diese einen Ball nicht sofort unter Kontrolle brachte.

Spanien versuchte es weiterhin vor allem mit Weitschüssen, die auch immer den Geruch von Gefahr hatten, aber praktisch immer nicht genau genug waren. Genau gepasst hätte nur ein Heber der eingewechselte Torrecilla in Minute 115, da war Zinsberger allerdings gerade noch zur Stelle.

So wie auch danach beim Elfmeter von Silvia Meseguer – das war, neben den fünf verwandelten Versuchen von Feiersinger, Burger, Aschauer, Pinther und Puntigam der Schlüssel zum Sieg im Elfmeterschießen.

Fazit: „Diese Mannschaft hat’n Plan!“

ARD-Kommentator Bernd Schmelzer kam nach dem Spiel mit einer begeisterten Miene in den Medienbereich unterhalb der Tribüne: „Da hat man’s wieder gesehen: Diese Mannschaft hat’n Plan!“ Und dieser wurde auch gegen Spanien immer wieder leicht adaptiert und neuen Gegebenheiten bzw. dem Kraftlevel des Teams angepasst.

Spaniens Teamchef Jorge Vilda hingegen änderte über 120 Minuten nur das Personal, aber weder wurde die Spielanlage geändert, noch das System – und auch an dem großen Loch zwischen Aufbau und Offensivreihe hat sich nichts geändert. Im Mittelfeld wurde durchaus versucht, vertikal zu agieren, aber es fehlten vorne die freien Anspielstationen.

Österreich ließ sich nie aus der Ruhe bringen, machte diszipliniert die Räume eng und hielt Spanien überwiegend bei Weitschüssen. Dass man selbst nur selten Torgefahr erzeugen konnte, rüttelte nicht am Vertrauen der ÖFB-Frauen in ihre grundsätzlichen Stärken – das sah man dann auch beim Elfmeterschießen.

Vor allem dort sprach aus den Gesichtern der österreichischen Schützinnen die Freude an ihrem Tun, und nicht die Angst vor dem Scheitern.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.