WM-Geschichte für Einsteiger – Women’s World Cups

Am 6. Juni startet die siebente WM-Endrunde im Frauenfußball. Erstmals findet das Turnier in Kanada statt und seit dem ersten Turnier im November 1991 in China hat sich viel getan. Hier, quasi für Frauenfußball-Einsteiger: Die Geschichte der Weltmeisterschaften in sechs Teilen.

1991: Deutungshoheit

In erster Linie ging es der FIFA natürlich um die Deutungshoheit. In Asien gab es schon seit 1975 kontinentale Meisterschaften, in Europa seit 1984. Dazu wurde ab 1984 jährlich ein Mini-WM-Turnier außerhalb der FIFA (das sogenannte „Mundialito“, immer in Italien) durchgeführt. Ehe den Hohen Herren die Sache also außer Kontrolle gerät, ließen sie 1988 einen Testballon in Form eines eigenen Einladungs-Weltturniers in China steigen. Die Erfahrungen dieses Turniers, das Norwegen im Finale 1:0 gegen Schweden gewann, überzeugten die FIFA.

Natürlich: Es gab nur eine handvoll Teams, die halbwegs kompetitiven Frauenfußball spielten, die FIFA traute sich auch noch nicht, das Wort „World Cup“ zu verwenden (es hieß offiziell „Women’s Championship) und das Interesse außerhalb des Veranstalterlandes China war gleich Null. Aber es war einmal ein Anfang.

Die Spiele, allesamt in der Region um Guangzhou in der Nähe von Hongkong ausgetragen, waren  gut besucht, auch weil China zu den großen Favoriten zählte. Umso größer war der Schock, als man im Viertelfinale Schweden nach dem frühen 0:1 durch Pia Sundhage zwar herspielte, aber immer wieder an Goalie Elisabeth Leidinge scheiterte. Drei Tage später im Semifinale ging Schweden 1:4 gegen Norwegen unter, die USA besiegte Deutschland locker mit 5:2.

Finale 1991: USA - Norwegen 2:1 (1:1)
USA – Norwegen 2:1 (1:1)

Taktisch bewegten sich die Teilnehmer ganz im Zeitgeist – Libero und Manndeckung war angesagt. So auch im Finale, in dem sich zwei ähnliche Systeme gegenüber standen: Je drei Stürmerinnen wurden von drei Manndeckerinnen bewacht, dazu ein Libero; in der Zentrale versuchten sich jeweils drei Spielerinnen daran, das Spiel an sich zu reißen und die Sturmreihen in Szene zu setzen.

Norwegen unter dem jungen Teamchef Even Pellerud (38) hatte dort die klarere Spielidee parat – Zaborowski als zurückgezogener Sechser und Plan A in der Spieleröffnung – aber die US-Girls ganz klare Vorteile in Sachen Physis. Nicht umsonst gelangen etwa beim 7:0 im Viertelfinale gegen Taiwan gleich sechs Tore aus Standardsituationen.

Und auch das erste im Finale, als Michelle Akers nach einer Viertelstunde ihrer Bewacherin Gro Espeseth entwischte und eine weite Freistoß-Flanke von halbrechts mühelos zum 1:0 verwerten konnte. Die USA kontrollierte das Mittelfeld und damit das Spiel, aber ein fürchterlicher Fehlgriff von US-Goalie Mary Harvey, die kolossal an einer Freistoß-Flanke vorbeisegelte, ermöglichte Linda Medalen nach einer halben Stunde den 1:1-Ausgleich.

Es blieb aber dabei, dass Norwegen keinen Zugriff auf das Zentrum bekam und es so immer mehr mit langen Bällen versuchte, die US-Verteidigung aber nichts zuließ. Auf der anderen Seite war das brandgefährliche Angriffstrio mit Linksaußen Carin Jennings, Rechtsaußen April Heinrichs und Mittelstürmerin Michelle Akers deutlich besser im Spiel. Dennoch brauchte es ein Missverständnis zwischen Espeseth und Libero Heidi Støre, um Akers zwei Minuten vor Schluss das verdiente und entscheidende 2:1 zu ermöglichen.

Die USA war also erster Weltmeister und der Nukleus des Teams sollte das folgende Jahrzehnt im Frauenfußball entscheidend prägen. Allen voran natürlich Mia Hamm (die damals als 19-Jährige tatsächlich als Rechtsverteidigerin spielte), aber auch die Mittelfeld-Achse mit Julie Foudy (20) und Kristine Lilly (20) sowie die Abwehr mit Joy Fawcett (23, damals noch Biefeld) und Carla Overbeck (23, damals noch Werden). Und natürlich Michelle Akers (25), die als Routinier noch lange an Bord blieb.

1995: Norwegen – Rest der Welt 23:1

Der größte Widersacher über die folgenden Jahre sollte Final-Gegner Norwegen bleiben. Auch hier blieb der Grundstock der Mannschaft zusammen, wurde 1993 Europameister und für die Weltmeisterschaft 1995 in Schweden sowohl individuell als auch inhaltlich aufgerüstet. Pellerud hatte erkannt, dass man vor allem im physischen Bereich weiter zulegen musste und entschied sich dafür, aktiv die aggressive Schiene zu fahren. Sprich: Wütendes Pressing von Beginn an, weit in der gegnerischen Hälfte.

Das überforderte die Gegner auf das Übelste. 8:0 zum Auftakt gegen Nigeria, dann ein noch harmloses 2:0 gegen England, ehe ein 7:0 gegen Kanada folgte. Im Viertelfinale hatte Norwegen bei 3:1 gegen Dänemark ebenso keine nennenswerten Probleme.

Der Rest des Teilnehmerfeldes stand vom Beginn an im Schatten von Norwegen und hatte auch deutlich mehr mit dem unbarmherzigen Terminplan zu kämpfen – das Turnier wurde mit Gruppenphase, Viertel- und Halbfinale und dem Endspiel in nur zwei Wochen durchgepeitscht. Die Favoriten waren grundsätzlich die gleichen wie vier Jahre zuvor: Neben den Finalisten also Deutschland und China, dazu Gastgeber Schweden. Wie 1991 nahmen auch an diesem Turnier zwölf Teams teil.

Schweden scheiterte im Viertelfinale an China (also genau umgekehrt wie vier Jahre davor), weil Annica Nessvold im Elferschießen – dem ersten bei einer Frauen-WM – die Nerven versagten. Im Halbfinale blieb China dann an Deutschland mit 0:1 hängen. Am selben Tag gelang Norwegen die Final-Revanche an den Amerikanerinnen. In der ersten Hälfte rannten sie die US-Girls nieder und gingen nach einem Eckball in Führung, in der zweiten Halbzeit trafen die USA zweimal die Latte, aber nicht mehr ins Tor.

Finale 1995: Norwegen-Deutschland 2:0 (2:0)
Norwegen – Deutschland 2:0 (2:0)

Neben der extrem aggressiven Spielweise hatte Norwegen 1995 noch eine weitere neue Waffe dazubekommen: Ann-Kristin Aarønes. Die 1.82m große Stürmerin war nicht nur ein Ziel bei Standards (wie im Semifinale gegen die USA), sondern als in den Strafraum ziehende Linksaußen auch kaum zu verteidigen. Norwegen ging als haushoher Favorit in das Finale gegen das deutsche Team.

Dieses hatte unter Teamchef Gero Bisanz nichts entgegen zu setzen. Das Spielsystem mit Libero und zwei Manndeckerinnen war gegen den agilen Dreier-Angriff von Norwegen heillos überfordert, das eigentlich kreative Zentrum mit Wiegmann, Voss und Neid bekam überhaupt keine Zeit am Ball und die Stürmerinnen hingen nicht nur in der Luft, sondern agierten so schlecht, dass Birgit Prinz noch vor der Halbzeit entnervt ausgewechselt wurde.

Als Norwegen nach 37 Minuten durch Hege Riise in Führung ging, war die einzige Überraschung, dass es so lange gedauert hatte. Zur Halbzeit stand es 9:0 an Ecken und 8:2 an Torschüssen für Norwegen, wobei zwei völlig harmlose 30-Meter-Schüsschen der Deutschen gezählt wurden – und Norge-Kapitänin Heidi Støre, auf der Sechs das eigentliche Hirn der Mannschaft, gesperrt fehlte. Mariann Pettersen legte noch vor dem Seitenwechsel das 2:0 nach, danach verlegte sich Norwegen im strömenden Regen von Stockholm auf das Verwalten.

1999: One Giant Party

Wie auch das Turnier 1991 flog aber auch die WM 1995 weitgehend unter dem öffentlichen Radar. Eine große Aufwertung erfuhr der Frauenfußball danach durch die Aufnahme ins Olympische Programm und die Tatsache, dass dabei (anders als bei den Männern) keine Altersbeschränkung galt, also alle Teams in Bestbesetzung teilnahmen.

Die USA gewann die olympische Premiere daheim in Atlanta und nützte den Schwung für die Weltmeisterschaft im eigenen Land 1999. Wenn die Amis etwas können, dann ist es, Sport zu vermarkten – und das taten sie. So zahlte sich das Risiko aus, in die gigantischen NFL-Stadien in New York, Boston, Washington, Chicago und San Francisco zu gehen und das Finale in der 100.000er-Schüssel der Rose Bowl in Los Angeles zu spielen. Der Zuschauerschnitt betrug fast 40.000 pro Spiel.

An der sportlichen Gemengelage hatte sich bis 1999 aber kaum etwas geändert: Wieder waren die üblichen Verdächtigen Norwegen, USA, Deutschland und China die klaren Favoriten. Die größten Chancen wurden neben dem Gastgeber dabei China eingeräumt, schließlich hatten die Olympia-Silbernen von Atlanta den neben Mia Hamm größten Superstar dieser Zeit in ihren Reihen: Sun Wen.

Die damals 26-Jährige war das unumstrittene Oberhaupt im technisch nahezu perfekt ausgebildeten, allerdings sonst recht namenlosen Kollektiv aus dem Reich der Mitte. China radierte lässig durch die Vorrunde und eliminierte im Viertelfinale Russland 2:0. Während auch die USA und Norwegen drei lockere Vorrunden-Siege einfuhren, tat sich Deutschland schwer: Nach Unentschieden gegen Italien und der großen Überraschung des Turniers, Brasilien mit der fast glatzköpfigen Torschützenkönigin Sisi, musste man als Gruppenzweiter schon im Viertelfinale gegen die USA ran.

Trotz zweifacher Führung unterlag Deutschland 2:3, und die Amerikanerinnen besiegten im Semfinale auch Brasilien – nachdem Seleção-Keeper Maravilha schon nach fünf Minuten recht grob daneben gegriffen hatte. Titelverteidiger Norwegen geriet im anderen Halbfinale gegen China rasch 0:2 in Rückstand und kam gegen die wieselflinken, technisch starken und überwiegend kleinen Chinesinnen überhaupt nicht in die Zweikämpfe und so auch nicht ins Spiel. Am Ende hieß es 5:0 für China, Sun Wen und Co. gingen daher als Favoriten in das Finale.

USA - China 0:0 n.V., 5:4 i.E.
USA – China 0:0 n.V., 5:4 i.E.

Dort heizte Jennifer Lopez den 90.000 Zusehern vor dem Finale mit einem Super-Bowl-artigen Konzert ein, aber das Spiel selbst war ähnlich unterkühlt und zäh wie jenes der Herren fünf Jahre zuvor an gleicher Stelle. Michelle Akers, gelernte Stürmerin und mittlerweile 33 Jahre alt, hatte den Job, die Zufuhr für Sun Wen zu stoppen, und das gelang ihr. Auf der anderen Seite kam das US-Sturmtrio gegen die vielbeinige chinesische Abwehr kaum zur Geltung. Ohne eine wirkliche Torchance für eines der beiden Teams ging es in die Verlängerung.

Die größte Chance auf das Golden Goal hatte in der 100. Minute Fan Yunjie nach einem Eckball, ihr wuchtiger Kopfball hat auch US-Keeper Briana Scurry schon geschlagen, aber Kristine Lilly klärte den Ball von der Linie. So musste erstmals in einem Finale das Elfmeterschießen entscheiden.

Die ersten beiden Schützinnen trafen jeweils, ehe Liu Ailing an Scurry scheiterte – wiewohl diese schon ein wenig gar weit vor ihrem Tor gestanden hatte. Alle fünf US-Amerikanerinnen im Elferschießen waren schon 1991 Weltmeister geworden, und als Brandi Chastain (1991 noch auf der Bank) den entscheidenden Elfer zum 5:4-Sieg verwandelte, riss sie sich ihr Trikot vom Körper und sank auf die Knie – eines der ikonischen Bilder des Frauenfußballs.

2003: Last Minute Stand-in

Vier Jahre später war alles für die große Revanche zwischen den USA und China angerichtet, mit umgekehrtem Heimrecht. Doch der WM in China kam etwas Unvorhergesehens in die Quere: Die SARS-Epidemie. Viereinhalb Monate vor der Endrunde entschied die FIFA, dass es ein zu großes Risiko wäre, in diesem Umfeld eine WM abzuhalten. Der US-Verband sprang mit offenen Armen ein – man hoffte, mit einer weiteren möglichst erfolgreichen Heim-WM auch die finanziell schwer schlingernde Frauen-Profiliga WUSA zu retten. Zumindest das gelang nicht.

Die WM selbst war ein ziemliches Stoppelwerk an Austragungsorten mit Stadien zum Teil mittlerer Größe, wie sie eben gerade verfügbar waren. Es gab vom Eröffnungsspiel bis zum Semifinale ausschließlich Double-Header, also zwei Spiele im selben Stadion direkt hintereinander. Alles kein Vergleich zur Gigantomanie-WM im selben Land vier Jahre davor, aber es ging.

Norwegens alte Generation war 2000 mit Olympia-Gold abgetreten, so reduzierte sich der Favoriten-Kreis auf USA, China und Deutschland. Die zweite Reihe aber rückte nun erstmals merklich auf: Brasilien mit der 17-jährigen Zauberin Marta, Schweden mit dem Atomsturm Hanna Ljungberg/Victoria Svensson und Strategin Malin Moström, Kanada mit der jungen Christine Sinclair (20).

So schaffte es Kanada, im Viertelfinale China mit 1:0 zu eliminieren. Und so schaffte es Schweden, im Viertelfinale jenes Team aus Brasilien 2:1 zu besiegen, das in der Vorrunde Norwegen hinter sich gelassen hatte. Womit sicher war, dass einer dieser beiden Außenseiter ins Finale einziehen würde. Es sollte Schweden werden, nach einem hart erkämpften 2:1 im Semifinale.

Wenige Stunden zuvor war das andere Halbfinale das vorweggenommene Endspiel, es trafen die USA und Deutschland aufeinander. In einem atemberaubenden Spiel ging es auf und ab, auch nachdem Garefrekes das DFB-Team nach einer Viertelstunde in Front geschossen hatte. Vielen gilt dieses intensive Spiel bis heute als das beste Frauenfußball-Spiel aller Zeiten, mit dem schlechteren Ende für den Titelverteidiger und Gastgeber. Deutschland erhöhte mit Toren in den Minuten 91 und 93 auf 3:0, ein Resultat, das in seiner Klarheit dem Spiel in keinster Weise entsprach.

Deutschland - Schweden 2:1 n.V. (1:1, 0:1)
Deutschland – Schweden 2:1 n.V. (1:1, 0:1)

Die Paarung Deutschland gegen Schweden hatte sich in den Jahren davor als echter Dauerbrenner erwiesen, immer mit dem besseren Ende für das deutsche Team: Im Finale der EM 1995, im Halbfinale der schwedischen Heim-EM 1997, im Finale der EM 2001: Immer war es knapp, immer siegte Deutschland.

Auch beim Final-Anpfiff um 10 Uhr vormittags Ortszeit im Home-Depot-Center von Los Angeles – dem Heimstadion der LA Galaxy mit einem Drittel des Fassungsvermögens des Finalstadions 1999 – war Deutschland Favorit, aber Schweden hatte die Enttäuschungen der Jahre davor nicht vergessen und gestaltete das Spiel offen. Kurz vor der Halbzeit gelang Hanna Ljungberg auch das 1:0.

Quasi mit Wiederanpfiff glich zwar Maren Meinert für Deutschland aus, aber entscheidende Vorteile konnte sich auch in der Folge keines der beiden Teams erarbeiten. So ging es in die Verlängerung, wo (wie schon 1999) die Golden-Goal-Regel galt. Nach siebeneinhalb Minuten kam dann Joker Nia Künzer mit dem Kopf an eine Freistoß-Flanke von Renate Lingor – das 2:1, die Entscheidung, der erste deutsche WM-Titel.

2007: Machtdemonstration

Mit ihrem Final-Einzug bei Olympia 2004 etablierte sich Brasilien um Schweden-Legionärin Marta zu einem der ganz heißen Kandidaten auf den Titel bei der WM 2007, die nun doch in China stattfand. Spätestens mit der 4:0-Demolierung von China im zweiten Gruppenspiel konnte sich die Seleção nicht mehr aus der Rolle herausreden, Herausforderer Nummer eins für das deutsche Team zu sein.

Dieses war nämlich auch nach dem Teamchef-Wechsel von Tina Theune-Meyer zu Silvia Neid der haushohe Turnierfavorit. Praktisch konkurrenzlos wurde Deutschland 2005 zum vierten Mal hintereinander Europameister, die bullige Stürmerin Birgit Prinz war in exzellenter Verfassung und die Abwehr mit Ariane Hingst, Annike Krahn und Keeper Nadine Angerer war nur zu überwinden, wenn (seltene) individuelle Fehler passierten, wie im Olympia-Halbfinale 2004 gegen die USA. Als im WM-Eröffnungsspiel dann gleich Argentinien mit 11:0 abgeschossen wurde (das einzige zweistellige Resultat in der WM-Historie), wussten alle, woran sie waren.

Bei dieser fünften WM war erstmals die Leistungsdichte so groß, dass potenzielle Finalkandidaten schon in der Vorrunde hängenblieben. Bis dahin war die Gruppenphase für die Chefs kaum mehr als eine Aufwärm-Übung. 2007 aber blieb Schweden gegenüber Nordkorea auf der Strecke und Kanada gegen Australien. Für China kam die verschobene Heim-WM indes tatsächlich vier Jahre zu spät: Nach dem Karriere-Ende von Sun Wen versuchte man, mit Schwedens Final-Teamchefin von 2003 Marika Domanksi-Lyfors die Zeit zurück zu drehen. Nach einem überlegen geführten, aber im Abschluss harmlosen Viertelfinale gegen Norwegen war aber Schluss. Das Ende einer Ära.

Deutschland hingegen bretterte konkurrenzlos durch eine WM, die man zu einer absoluten Machtdemonstration werden ließ. In Viertel- und Halbfinale wurden mit überlegener Qualität und vor allem überlegener Physis Nordkorea und Norwegen jeweils 3:0 besiegt. Ohne Gegentor in fünf Spielen ging’s ins Finale.

Dort wartete Brasilien. Durch das US-Team war die Seleção mit ihrem Tempo, ihrer Technik und ihrem aggressiven, hohen Pressing durchgekracht wie durch eine Mannschaft überforderter High-School-Mädchen, das 0:4 war die höchste Niederlage, die ein US-Team jemals kassiert hatte. Und das nach davor 51 ungeschlagenen Spielen in Serie.

Deutschland - Brasilien 2:0 (1:0)
Deutschland – Brasilien 2:0 (1:0)

Erstmals im Turnier stand Deutschland also einem Gegner auf Augenhöhe gegenüber, und Brasilien machte es dem Titelverteidiger in der Tat extrem schwer. Vor allem die Außenstürmerinnen bereiteten den Deutschen riesige Probleme, Cristiane zog schon in den Anfangsminuten zwei Freistöße an der Strafraumgrenze, eine gelbe Karte für Garefrekes und so großartige Torchancen. Zudem drängten die Brasilianerinnen die ballführende Außenspielerin der Deutschen permanent so nach außen, dass diese nicht selten die Kugel nur noch ins Seiten-Out dreschen konnten.

Deutschland reagierte mit vorsichtiger Passivität, ließ Brasilien über die Dreierkette und vor allem Strategin Ester, die sich die Bälle von ganz weit hinten holte, gewähren. Erst mit dem etwas glücklichen 1:0 durch Birgit Prinz nach der Halbzeitpause verschaffte sich das DFB-Team einen Vorteil. Weiterhin aber dominierte Brasilien, was in der Folge zu einem Elfmeter führte – Bresonik hatte die einmal mehr mit Tempo in den Strafraum ziehende Cristiane gelegt. Aber Marta, die im Halbfinale noch eines der großartigsten WM-Tore ever erzielt hatte, scheiterte an Angerer.

Die deutsche Torfrau musste wenig später bei einem Freistoß wieder ihr ganzes Können aufbieten, Brasilien drückte – aber Simone Laudehr machte per Kopf nach einem Eckball kurz vor Schluss alles klar. Das Finale hatte Deutschland recht glücklich gewonnen, aber über den Turnierverlauf gesehen war die Titelverteidigung eine Machtdemonstration.

2011: Sommermärchen nur für die Anderen

Zwei Jahre nach dem zweiten WM-Titel in Folge wurde Deutschland einmal mehr quasi im Vorbeigehen Europameister, dazu fand die WM-Endrunde 2011 im eigenen Land statt: Der dritte Triumph in Folge war fix eingeplant, befeuert von einer Werbekampagne, die den Druck auf das DFB-Team weiter erhöhte. „Dritte Plätze sind nur was für Männer“ hieß es da von offizieller Stelle in Anspielung an die Herren.

Im größten Hype um ein Frauen-Turnier seit 1999 wurden aber zwei Dinge außer Acht gelassen: Zum einen, dass das Team von der ungewohnten allumfassenden Medien-Präsenz wie erschlagen sein würde, und dass noch andere Teams mitspielten. So quälte man sich zu einem 2:1 gegen Kanada, würgte sich zu einem 1:0 gegen Nigeria und hatte viel Mühe beim 4:2 gegen Frankreich.

Die anderen hatten an der Sommermärchen-Stimmung deutlich mehr Spaß: Brasilien, die USA, Schweden – und Japan. Die „Nadeshiko“ waren bei Olympia 2010 im Halbfinale, wurden aber nicht als wirklicher Titelkandidat gesehen. Im Viertelfinale aber hielt da verunsicherte deutsche Team 108 Minuten bei 0:0 und siegte dann dank des Joker-Tores von Karina Maruyama tatsächlich 1:0. Deutschland war in Schockstarre und das Viertelfinale zwischen Brasilien und den USA plötzlich ein vorgezogenes Endspiel.

Dass es das wahre Spiel des Turniers wurde, lag aber nicht an der Qualität (es war ein sehr nervös geführtes Match), sondern an der Dramaturgie. Die USA gingen durch ein frühes Eigentor in Führung, wurden in der Folge aber vom Referee benachteiligt: Ein Ausschluss, der keiner war; ein gehaltener Brasilien-Elfer, der umstrittenerweise wiederholt und im zweiten Versuch verwandelt wurde – mit 1:1 ging es in die Verlängerung, wo wiederum Marta aus Abseitsposition das 2:1 für Brasilien erzielte.

In diesem Spiel offenbarte sich das ganze Drama von Marta: Sie ist die mit Abstand beste Fußballerin des Planeten, aber gleichzeitig ein so unausstehlicher Kotzbrocken, dass es einem wirklich schwer fällt, sie zu mögen. Sie und auch ihre Kolleginnen nützten gegen Ende jede Gelegenheit, möglichst peinlich Zeit zu schinden. Die gerechte Strafe: Flanke Rapinoe, Kopfball Wambach, das 2:2 in der 122. Minute. Die Zuschauer in Dresden jubelten, als wäre Deutschland gerade Weltmeister geworden, so sehr hatte es sich Brasilien mit allen verscherzt. Natürlich gewann die USA das Elfmeterschießen.

Japan - USA 2:2 n.V. (1:1, 0:0)
Japan – USA 2:2 n.V. (1:1, 0:0)

Nach einem souveränen japanischen 3:1 über Schweden und einem glücklichen 3:1 der USA gegen Frankreich in den Halbfinals ging Japan wegen der souveräneren Vorstellungen bis dorthin als Favorit ins Endspiel. Dort jedoch zeigte sich die USA als das überlegene Team. Man stellte die im Turnier überragende japanische Spielmacherin Homare Sawa gut zu, hatte klare Vorteile auf den Flügel und kontrollierte auch die zweiten Bälle. Diese hatten in Japans Spielanlage große Bedeutung: Man verlagerte das Spiel mit hohen Bällen und nahm in Kauf, dass der körperlich stärkeren und größeren Gegner diese annahmen. Dafür presste man mit zwei, oft drei Leuten auf den zweiten Ball. Einmal in der gegnerischen Hälfte, sollte es flinkes Kurzpass-Spiel richten.

Als die USA nach einer Stunde in Führung ging, war dies verdient. Die Schwedin Pia Sundhage hatte das körperlich extrem starken, aber taktisch eher tumben Team nach der Halbfinal-Blamage 2007 übernommen, inhaltliche Finesse verliehen und so 2008 zum bereits dritten Mal bei vier Versuchen Olympia-Gold geholt. In diesem WM-Finale sah alles so aus, als sollte man den 1:0-Vorsprung über die Zeit verwalten, ehe ein derber Abwehr-Schnitzer in Minute 85 den Ausgleich brachte. Ein ähnliches Bild zeigte sich in der Verlängerung: Führung für die USA, kurz vor Schluss Ausgleich aus eigentlich keiner Torchance für Japan.

Anders als im Viertelfinale gegen Brasilien versagten den USA im Elferschießen aber die Nerven: Boxx, Lloyd und Heath verschossen, Japan siegte. Vier Monate nach dem verheerenden Tsunami und Fukushima ein emotionaler Triumph, der in Japan mit großer Begeisterung aufgenommen wurde.

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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.