Ballverliebt Classics – 25 Jahre DDR-Mauerfall: Die Wende, das Ende

Nach 78 Minuten wurde Matthias Sammer ausgewechselt. Enttäuscht vom aussichtslosen Spielstand von 0:3 ließ er sich auf einer Erste-Hilfe-Box nieder. Innerhalb von Sekunden saß ein Mann mit Fotographen-Leibchen neben ihm. „Sach ma, willste nich zu Bayer Leverkusen kommen?“ Es war kein Fotograph, sondern ein als solcher getarnter Scout des Bundesligisten, eingeschleust von Bayer-Manager Reiner Calmund. Alle anderen Beobachter der westdeutschen Vereine saßen derweil auf der Tribüne und waren damit schon im Hintertreffen.

Diese Szene, die Calmund und Sammer kürzlich in einer Sky-Doku bestätigten, zeigt nur, unter welch ungewöhnlichen Umständen das letzte Qualifikation-Spiel der DDR zur WM 1990 im Wiener Prater ablief, sechs Tage, nachdem die Mauer gefallen war. Das 0:3 sollte das letzte Pflichtspiel der Verbandsgeschichte werden. Es ist 25 Jahre her.

Österreich - DDR 3:0 (2:0)
Österreich – DDR 3:0 (2:0)

Dass die Auswahl der DDR eine echte Erfolgsgeschichte war, könnte man – dem Olympiasieg von 1976 zum Trotz – nicht behaupten. Außerhalb der SED-Diktatur war das Team eigentlich allen ziemlich egal und im Land des „real existierenden Sozialismus“ musste das Team schon alleine aus Propaganda-Zwecken so viel Staatsnähe wie möglich demonstrieren. Genau das ließ die Popularität aber sinken. Die DFV-Elf war für die eigenen Fans ein Symbol jenes Staates, der Menschen erschoss, die raus wollten.

Im Mai 1989, als sich die Bevölkerung immer mehr gegen Honecker und Co. aufzulehnen begann, blieben im Leipziger Zentralstadion drei Viertel der Zuschauerplätze beim 1:1 gegen Österreich leer. Und das hatte eben nicht vordergründig damit zu tun, dass die Mannen von Trainer Manfred Zapf fünf der letzten sechs Spiele nicht gewonnen hatte und damit die Chance auf eine WM-Teilnahme fast schon verspielt war.

Auferstanden aus Ruinen…

Schon zu ihren Klubs-Teams hatten die Ostdeutschen zuweilen ein eher ambivalentes Verhältnis, schließlich waren das zumeist keine Vereine im eigentlich Sinn, sondern Betriebssport-Gemeinschaften. Dynamo-Teams waren dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt, Lokomotive der Eisenbahn, Vorwärts dem Militär, usw. – und selbst die zehn „Fußballclub“ (darunter etwa RW Erfurt und der FC Magdeburg) unterstanden staatlicher Lenkung.

WM-Vorrunde 1974: BRD-DDR 0:1 (0:0)
WM-Vorrunde ’74: BRD-DDR 0:1

Wirklich schwer fiel es den Fans aber, Wärme zu ihrem Nationalteam aufzubauen. Einerseits freute man sich zwar, den westlichen Nachbarn im einzigen Aufeinandertreffen bei der WM 1974 mit 1:0 besiegt zu haben. Andererseits aber bildete sich schnell Neid gegenüber den Spielern, denen plötzlich Privilegien nachgesagt wurden, die dem Normalmenschen schon qua System nie zugänglich waren. Siegtorschütze Jürgen Sparwasser etwa sollte sich ob der vielen Anfeindungen bald wünschen, das Tor nie geschossen zu haben.

Aber in der Folge trieb eben auch der ausbleibende Erfolg die Fans nicht gerade in die Arme der Nationalmannschaft. WM- und EM-Endrunden wurden in schöner Regelmäßigkeit verpasst. Anders sah es auch im Herbst 1988 nicht aus, als es nach einem 2:0-Pflichheimsieg gegen Island eine 1:3-Schlappe in der Türkei gab und Teamchef Bernd Stange, ein strammer Sozialist und Stasi-Helfer, gehen musste. Statt ihm kam Manfred Zapf, ebenso strammer Sozialist, aber ein nicht annähernd so guter Trainer.

…und der Zukunft zugewandt…

DDR - Österreich 1:1 (0:1)
DDR – Österreich 1:1 (0:1)

Unter ihm gab’s ein 0:2 daheim gegen die Türken und ein 0:3 in Kiew gegen die UdSSR. Vor einem spärlichen und weitgehend apathischen Publikum in Leipzig geriet man dann auch gegen Österreich früh durch ein Polster-Tor in Rückstand und blieb trotz eines erschreckend blutleeren Auftritts nur deshalb am Leben, weil sich das ÖFB-Team früh auf Verwalten verlegte. Fünf Minuten vor Schluss besorgte ein Glücksschuss von Ulf Kirsten aus der Drehung nach einem Einwurf das 1:1.

Dennoch: Mit einer Bilanz von einem Sieg und einem Remis, dafür drei Niederlagen (darunter beide Spiele gegen Topf-5-Team Türkei) schien die WM-Qualifikation in weite Ferne gerückt. Zapf wurde entlassen und Eduard Geyer sollte retten, was zu retten war. Er hatte als Dresden-Coach gerade die Serie von zehn Titeln in Folge von Stasi-Boss Mielkes Lieblingsklub BFC Dynamo gebrochen und fügte sich mit einem 3:0 in Island ein, ehe gegen EM-Finalist Sowjetunion durch Tore von Andreas Thom (81.) und Matthias Sammer (83.) aus einem 0:1-Rückstand ein 2:1-Sieg wurde. Angesichts der 0:3-Ohrfeige, die sich Österreich in der Türkei abholte, hatte man vorm letzten Spiel in Wien plötzlich alles in eigener Hand.

Ehe der 9. November 1989 kam.

…lasst uns dir zum Guten dienen: Deutschland, einig Vaterland…

SED-Politbüro-Mitglied Günther Schabowski sollte an diesem Donnerstag Nachmittag – fünf Tage, nachdem über eine Million Menschen am Alexanderplatz gegen das Regime demonstriert hatte – der Presse verkünden: Man darf man ohne besonderen Anlass ausreisen. Und zwar ab dem nächsten Tag, dem 10. November. Diese letzte, nicht ganz unwichtige Passage, hatte Schabowski überlesen. So stotterte auf die Frage, ab wann denn der Passus in Kraft tritt etwas unbeholfen: „Das tritt… nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich!“

Prompt stürmten die Ostberliner die Mauer und überranten sie. Das Symbol der Teilung hatte seine Wirkung verloren.

Das DDR-Team befand sich zu diesem Zeitpunkt im Trainingslager vor dem Österreich-Match und allen war klar: Das kann für die eigene Karriere ebenso eine Wende sein. Genauso wie die Klubs in der Bundesliga sofort ihre Augen auf das Reservoir an DDR-Spielern warf. Vor allem Stratege Matthias Sammer (22) und Vollstrecker Ulf Kirsten (23) von Meister Dynamo Dresden und das Sturmduo von BFC Dynamo mit Andreas Thom (24) und Thomas Doll (23) standen auf den Wunschlisten ganz weit oben, auch dem 21-jährigen Mittelfeld-Motor Rico Steinmann aus Karl-Marx-Stadt (nach der Wende wieder Chemnitz) wurde Bundesliga-Potenzial beschieden.

Man bereitete sich auf das Match vor. „Aber wir hatten überhaupt keinen Fokus auf dieses Spiel“, gestand Sammer später.

gruppe 3

Der Gruppensieger und der Zweite qualifizierten sich für die WM in Italien, parallel zum Spiel Österreich-DDR empfing die Sowjetunion die Türkei. Bei einem Punktverlust der Türken war die Tür für die Konkurrenten weit offen. Weil sich aber auch die UdSSR-Kicker nicht sicher sein konnten, womöglich bei einem hohen Sieg der um Aufmerksamkeit im Westen suchenden DDR-Spieler gar noch auf Rang drei zu fallen, war auch bei Michailitschenko und Co. Vorsicht angesagt.

Bei Österreich fehlten vom Stammpersonal Kurt Russ – der rechte Flügelspieler war gesperrt – sowie Libero Heribert Weber und Spielmacher Andi Herzog. Die beiden waren gerade von einem Virus genesen, Teamchef Hickersberger traute ihnen nicht die vollen 90 Minuten zu. Vor allem, weil Österreich gewinnen MUSSTE und entsprechend Vollgas gefordert war. Herzog setzte sich ohne zu Murren auf die Bank, Weber mockte. Das letzte Riss im Tischtuch zwischen Hickersberger und seinem Kapitän. Weber fühlte sich schon länger respektlos behandelt, Hickersberger fand, dass sich Weber zu viel herausnahm.

…alte Not gilt es zu zwingen, und wir zwingen sie vereint…

Österreich - DDR 3:0 (2:0)
Österreich – DDR 3:0 (2:0)

In schnelle Not gerieten aber die Ostdeutschen in Wien. Nach einer halben Minute wurde Döschner zum ersten Rückpass zu Goalie Heyne gezwungen, nach einer Minute feuerte der zum Kapitän aufgerückte Zsak einen Weitschuss ab, und nach anderthalb Minuten versetzte Polster erstmals seinen Bewacher Lindner und schoss zum 1:0 ein.

Die fehlende Schärfe beim DDR-Team wurde schnell deutlich und noch verstärkt durch das extrem aggressive Auftreten des österreichischen Teams. Mit der unverhofften WM-Chance nach einer doch recht mäßigen Qualifikation vor Augen, war keine Spur mehr von der Lethargie vom 0:0 in Island zu sehen, von der Selbstzufriedenheit beim 1:1 in Leipzig, von der Verkrampftheit des mühsamen 2:1 über Island in Salzburg oder der kopflosen Aufgescheuchtheit vom 0:3 in Istanbul.

Weil Kirsten und Thom bei den Manndeckern Pfeffer und Pecl abgemeldet waren, war das kreative DDR-Duo Sammer/Steinmann gezwungen, die Bälle länger zu halten, um Optionen zu checken – dabei wurden sie von Zsak und Keglevits aber stets extrem schnell unter Druck gesetzt. Die deutschen Flügelspieler Kreer und Döschner kamen ebenso kaum zum Zug, vor allem der Admiraner Peter Artner degradierte den routinierten Döschner zum Statisten.

Nach den so provozierten Ballverlusten im Mittelfeld schaltete Österreich immer schnell um, suchte den bemühten Linzmaier oder vor allem den extrem schnellen Andi Ogris und natürlich Toni Polster. Der war in der WM-Quali zum Feinbild der Fans geworden, weil er zwar für Sevilla in der Primera Division Tore am Fließband erzielte, im Team aber oft einen lustlosen Eindruck machte. Der aber auch dadurch entstanden war, dass Österreich oft sehr vorsichtig und destruktiv auftrat, Stramraum-Stürmer Polster seine Stärken somit selten ausspielen konnte.

…denn es muss uns doch gelingen…

Die DDR konnte sich aus der Umklammerung kaum befreien, weil Österreich im Mittelfeld nach der Führung nichts an Konsequenz nachließ, anders als die defensive Ordnung bei den Deutschen. Das nützte nach 21 Minuten Christian Keglevits (der Offensiv-Allrounder wurde als Kampfschwein ins defensive Mittelfeld gestellt) durchbrach und einen Lufthauch von DDR-Libero Stahmann spürte. Keglevits ging zu Boden. Eine Schwalbe, aber der 40-jährige Pole Pjotr Werner, der das Spiel leitete, fiel darauf herein. Toni Polster verwandelte den Elfmeter sicher zum 2:0.

Die letzte Chance, ins Spiel zurückzukommen, bot sich den Gästen wenige Minuten später. Ernst Aigner, der auf der Libero-Position statt Heribert Weber spielte, legte an der Strafraumgrenze Andreas Thom, Referee Werner deutete erneut auf den Punkt und Rico Steinmann legte sich den Ball zurecht. Er lief an, zielte in die aus seiner Sicht linke Ecke.

Und Klaus Lindenberger klärte den Ball am Pfosten vorbei.

…dass die Sonne schön wie nie…

„Diese ganzen Ereignisse in unserem Land sind nicht spurlos an der Mannschaft vorbeigegangen. Es wurde viel diskutiert über Verträge, über Transfers, über eventuell Profifußball…“ DDR-Teamchef Geyer beklagte sich zwar auch über den geschenkten Elfmeter zum 0:2, aber er wusste auch, dass der Referee aus Polen nicht die Schuld daran trug, dass das Spiel schon in der ersten halben Stunde komplett den Bach runter gegangen war, während die Zukunft einiger seiner talentierteren Spieler in einem sehr hellen Licht sein sollte.

Für die meisten der Spieler, die an diesem 15. November 1989 in Wien das DDR-Trikot trugen, erfüllten sich diese Hoffnungen aber nicht. Das Team hatte ein Durchschnitts-Alter von 27,7 Jahren und von den Objekte der West-Begierde (Sammer, Kirsten, Thom, Doll und Steinmann) hatte noch keiner den 25. Geburtstag hinter sich. Die Routiniers, die fünf Ü-30-Kicker, blieben auf der Strecke.

Atze Döschner, der von Artner entnervt noch vor der Pause ausgewechselt wurde, spielte noch ein Jahr bei Fortuna Köln in der 2. Liga, ehe eine Knieverletzung seine Karriere 1991 beendete. Manndecker Lindner, den Polster wie einen Schulbuben aussehen ließ, spielte mit Leipzig noch ein Jahr Bundesliga, in der er (neben Libero Dieter Hecking) sportliche Prügel bezog. Keeper Heyne war noch drei Jahre die Nummer zwei in Mönchengladbach. Jörg Stübner brachte es auf fünf Bundesliga-Einsätze für Dresden. Libero Stahmann blieb Magdeburg treu und ging mit dem Klub in die Bedeutungslosigkeit des Amateur-Fußballs. Kapitän Kreer beendete seine Karriere nach einem Zweitliga-Jahr mit Leipzig.

Lediglich Manndecker Schößler (vier Jahre Stamm in Dresden) und Joker Uwe Weidemann (lange Jahre unverzichtbar beim MSV Duisburg) brachten es noch auf respektable Bundesliga-Karrieren.

…über Deutschland scheint…

Zweite Hälfte
Zweite Hälfte

Geyer brachte beim Spiel in Wien schon vor der Pause Thomas Doll statt Döschner, als die 51.000 Österreicher im Praterstadion die elf Spieler und die 4.000 mitgereisten Fans des DDR-Teams schon mit „Auf Wiedersehen“-Rufen bedachten.

Doll kam in der Folge über die rechte Angrifsseite (Kreer wechselte nach links), seine Wirkung blieb aber überschaubar. Was vor allem an der Hektik lag, mit der sein Team nach dem Seitenwechsel spielte. Viel zu überhastet gespielt versandeten die meisten Angriffe schon früh, während die Österreicher bemüht waren, das Tempo etwas herauszunehmen und vereinzelte Nadelstiche zu setzen. Wie in der 56. Minute, als Polster alleine auf Heyne zulief und dieser noch retten konnte.

Und wie fünf Minuten später, als Keglevits einen schnellen Konter in den Rücken des aufgerückten DDR-Mittelfelds anzog, Ogris vor Polster kreuzte und Keglevits den Ball zu Polster chipte. Dieser konnte die Kugel in aller Ruhe annehmen, narrte einmal mehr Lindner und sein platzierter Schuss landete zum 3:0 im Tor. Die endgültige Entscheidung in diesem Spiel, in dem zehn Minuten später Ronald Kreer nach einer Tätlichkeit an Ogris Rot sah. Die Verzweiflung und die Enttäuschung war ihm in den beinahe zwei Minuten, die er für seinen Abgang brauchte, anzusehen.

Die Augen der österreichischen Beobachter hatten sich da aber schon längst nach Simferopol gerichtet, wo sich die UdSSR gegen die Türkei schwer tat, Keeper Dassajev einmal sogar in höchster Not retten hatte müssen.

Beinahe süß, wie ORF-Kommentator Kuhn und der neben ihm auf der Tribüne sitzende Sigi Bergmann gut hörbar über das offene Mikro debattieren, ob es denn nun tatsächlich stimmte, dass die Sowjets das erlösende 1:0 schossen. Richtig putzig sogar, wie nach der Bestätigung Kuhn erklärt: „Regisseur Lucky Schmidleitner sagt, ich solle mich nicht so aufregen. Schließlich kann es ja immer noch sein, dass die Türkei das Spiel noch dreht!“

Sie drehten es nicht mehr, im Gegenteil. Die UdSSR gewann 2:0 und blieb Erster, Österreich siegte mit 3:0 und hüpfte von Platz vier auf Rang zwei und hatte sich für die WM-Endrunde qualifiziert.

…über Deutschland scheint!

Kaum eine Woche nach dem 0:3 in Wien hatte Leverkusen-Manager Calmund bereits Andreas Thom geködert, drei Wochen später war der erste reguläre Transfer nach der Wende von Ost nach West in Sack und Tüten. Bayer war sich wenig später auch mit Sammer und Kirsten einig, ehe die BRD-Regierung intervenierte und mahnte, es sollte nicht nur ein Klub, noch dazu unterstützt von einem Riesen-Werk wie Bayer, alle guten DDR-Kicker abgreifen. So kam im Sommer 1990 „nur“ Kirsten, Sammer ging zu Stuttgart.

Noch fünf weitere DDR-Spieler wechselten vor der Saison 90/91 in die Bundesliga (Rohde, Milde, Hain, Ernst und Binke), sieben in die 2. Liga. Für die Qualifikation zur EM 1992 wurden im Februar die BRD und die DDR in die selbe Gruppe gelost, obwohl die Wiedervereinigung Deutschlands längst nur noch eine Frage der Zeit war. Das erste geplante Quali-Spiel gegen Belgien fand noch als Freundschaftsspiel statt, die DDR siegte durch zwei Sammer-Tore mit 2:0.

Exakt drei Wochen später, am 3. Oktober 1990, hörte die DDR zu existieren auf. Die Wende in Deutschland war das Ende für die ungeliebte DFV-Auswahl. Am 19. Dezember 1990 debütierten Matthias Sammer und Andreas Thom für die gesamtdeutsche Nationalmannschaft. Beim 4:0 über die Schweiz erzielte Thom das 3:0.

Wenn wir brüderlich uns einen…

Die von Franz Beckenbauer nach dem WM-Titel 1990 angekündigte jahrzehntelange Unschlagbarkeit des geeinten Deutschland blieb zwar aus. Aber immerhin drei in der DDR geborene Spieler wurde 1996 Europameister (Sammer, Freund und René Schneider), sieben waren 2002 im Kader, der das WM-Finale erreichte (Ballack, Jeremies, Bernd Schneider, Jancker, Böhme, Linke und Rehmer). Von der guten und straff organisierten Jugendarbeit der DDR profitierte Deutschland.

DDR 2014Doch mit dem Niedergang der Ost-Klubs schwand auch die Zahl der guten Ost-Kicker. Mit Toni Kroos wurde nur ein einziger 2014er-Weltmeister im Gebiet der ehemaligen DDR geboren, und möchte man ein aktuelles Team von Spielern aus den neuen Bundesländern zusammen stellen, bekommt man mit den bei den 18 Bundesligisten unter Vertrag stehenden Akteuren nicht mal eines zusammen.

Dass kaum ein Klub aus der DDR den Umstieg in den Kapitalismus raus aus der geschützten Werkstätte des Systems geschafft hat, ohne zumindest einmal in einen Konkurs zu krachen, ist gut dokumentiert. Mit Union Berlin und Erzgebirge Aue (damals Wismut Aue) sind zwei Fahrstuhlklubs von damals aktuell in der 2. Liga, während sich die bestimmenden Klubs von einst – BFC Dynamo, Dresden, Magdeburg, Chemnitz, Jena, Cottbus am Ende auch der letzte Meister Rostock – auf die dritte und vierte Liga verteilen. Der aktuell und auf Sicht beste Klub am ehemaligen Staatsgebiet der DDR ist RB Leipzig.

Den gab’s zu DDR-Zeiten noch nicht.

…lasst das Licht des Friedens scheinen

Der Umsturz in der DDR war der plakativste, aber nicht der einzige im Jahr 1989 und zwei Jahre später schaffte sich dann auch die UdSSR ab. Vorbei waren damit die Zeiten, in denen WM- und EM-Qualis schön übersichtlich waren, man zum Teil mit hübschen, kleinen Vierergruppen sein Auslangen fand.

wm quali 1990

Denn mit der Wiedervereinigung fiel zwar ein Land weg, dafür zersplitterte die UdSSR und mittlerweile nehmen elf ehemalige Sowjet-Republiken an UEFA-Qualifikationen teil, aus der Tschechoslowakei wurden 1993 zwei Staaten und aus dem einen jugoslawischen Team sind bis heute sechs Nationalmannschaften geworden. Während die Gesamtzahl an europäischen Teilnehmern pro WM in etwa gleich geblieben ist.


ÖFB-Teamchef Hickersberger war im Triumph nüchtern, sagte, man habe die Qualifikation auch dem Glück zu verdanken, eine ausgeglichene (was er nicht sagte: ausgeglichen schwachen) Gruppe erwischt zu haben, in der sich die Teams fleißig gegenseitig die Punkte wegnahmen. „Wir hatten jetzt Erfolg, aber von echter Klasse sind wir noch weit entfernt“, gab Hickersberger zu Protokoll. Das junge Team – Durchschnittsalter nur 25,4 Jahre – schied in Italien nach 0:1-Niederlagen gegen Italien und die Tschechoslowakei sowie einem 2:1-Sieg über die USA als Gruppendritter nach der Vorrunde aus. Elf Monate nach dem Triumph über die DDR passierte Landskrona.

Und von den elf Versuchen seither, sich auf sportlichem Weg für WM- oder EM-Endrunden zu qualifizieren, scheiterten zehn.

Das Personal

Akteure von Österreich: Klaus Lindenberger (32 Jahre, FC Tirol, bis dahin 31 Länderspiele); Ernst Aigner (23, Austria, 2); Robert Pecl (24, Rapid, 13), Toni Pfeffer (24, Austria, 17); Peter Artner (24, Admira, 15), Christian Keglevits (28, Rapid, 10), Manfred Zsak (24, Austria, 24, Kapitän), Alfred Hörtnagl (24, FC Tirol, 5); Manfred Linzmaier (27, FC Tirol, 14); Andi Ogris (25, Austria, 22), Toni Polster (25, Sevilla, 31). Eingewechselt: Andi Herzog (21, Rapid, 12), Heimo Pfeifenberger (22, Rapid, 1). Teamchef: Josef Hickersberger (41, seit knapp zwei Jahren).

Akteure der DDR: Dirk Heyne (32 Jahre, FC Magdeburg, bis dahin 5 Länderspiele); Dirk Stahmann (31, FC Magdeburg, 44); Detlef Schößler (26, Dynamo Dredsen, 16), Matthias Lindner (33, Lok Leipzig, 20); Ronald Kreer (29, Lok Leipzig, 64, Kapitän), Jörg Stübner (33, Dynamo Dresden, 43), Matthias Sammer (22, Dynamo Dresden, 17), Rico Steinmann (21, FC Karl-Marx-Stadt, 17), Matthias Döschner (31, Dynamo Dresden, 39); Ulf Kirsten (23, Dynamo Dresden, 43), Andreas Thom (24, BFC Dynamo, 49). Eingewechselt: Thomas Doll (23, BFC Dynamo, 24), Uwe Weidemann (26, Rot-Weiß Erfurt, 9). Teamchef: Eduard Geyer (45, seit drei Monaten).

Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.