Bilanz des Algarve-Cups: Der gigantische Schatten kam 15 Minuten vor Schluss

Vier Spiele lang austesten, wie man den verletzungsbedingten Ausfall von Abwehr-Boss Carina Wenninger kompensiert. So war der Plan beim Algarve Cup. Hat funktioniert. Was nicht geplant war: Dass sich eine Viertelstunde vor Ende des letzten Spiels Laura Feiersinger schwer verletzt. Schien- und Wadenbein sind durch, die Saison für die Bayern-Legionärin vorbei. Bitter! Denn in den 345 Spiel-Minuten davor war eine kontinuierliche Steigerung erkennbar – ausgehend vom völligen Fehlstart in das Turnier.

2:3 gegen Portugal

2:3 (2:2) gegen Portugal
2:3 (2:2) gegen Portugal

„So viele individuelle Fehler…“, stöhnte Teamchef Thalhammer nach dem 2:3 zum Auftakt gegen Gastgeber Portugal. Bei dem er Heike Manhart, zuletzt als RV eingesetzt, neben Gini Kirchberger in die Zentrale zog, jene Position also, die sie auch im Klub bei Szombathely spielt. Statt ihr musste Jenny Pöltl, eigentlich immer auf links unterwegs, als Rechtsverteidigerin aushelfen. Das klappte alles zusammen überhaupt nicht. Die Abstimmung innerhalb der Kette war schlecht, Portugal konnte schnell 2:0 in Führung gehen. Bis zur Halbzeit hatte Österreich auf 2:2 ausgeglichen, aber sowohl Manhart (von Bell ersetzt) als auch Pöltl (von Tieber ersetzt) erlebten die zweite Halbzeit nicht mehr auf dem Platz. Auf das 3:2 von Portugal gab’s keine Antwort mehr.

Das Problem: Mit der wackeligen Defensive ließ sich auch der erhoffte und geplante Druck im Mittelfeld nicht ausüben. Quasi als „Folge-Fehler“: Wenn das Fundament nicht steht, kann man darauf nicht aufbauen. So gab’s gegen ein Team, das man in der letzten Quali zweimal geschlagen und das eigentlich von Österreich deutlich distanziert werden sollte, eine Niederlage. „Ein Selbstfaller“, konstatierte Thalhammer.

0:2 (0:0) gegen Nordkorea
0:2 (0:0) gegen Nordkorea

0:2 gegen Nordkorea

Für das Spiel gegen Nordkorea kehrte Manhart in die IV zurück, rechts von ihr startete aber Lisi Tieber. Im zweiten Spiel mit umformierter Abwehr war die Abstimmung schon deutlich besser, aber die schnellen Vertikal-Pässe nach Ballgewinnen, um die Sturmspitzen Burger und Makas einzusetzen, fielen Österreich sehr schwer. Grund dafür: Die sehr kompakte, flinke und disziplinierte Spielweise des im (von Nordkorea gewohnten) 4-4-1-1 spielenden Gegners – dieses Team kratzt nicht umsonst an den Top-10 in der Weltrangliste. „Dadurch haben wir keinen Zugriff auf den Raum zwischen den Linien bekommen“, nickte Thalhammer nach dem Spiel, in dem man aber selbst so solide agierte, dass man den Koreanerinnen wenig Chancen ermöglichte.

Erstaunlich bei Nordkorea waren indes vor allem die Wechsel von Teamchef Kim Kwang-Min: Er vollzog drei Spielertäusche, alle drei in der ersten Hälfte, wobei er eine nach 19 Minuten gekommene Spielerin in der 36. Minute wieder vom Feld nahm. „Er war wohl nicht ganz zufrieden, das ist aber schon etwas gar wild“, schüttelte Thalhammer den Kopf, „das sind andere Methoden als bei uns…“ In der zweiten Hälfte setzte sich dann doch die höhere Klasse durch, Nordkorea erzielte zwei Tore, Österreich kam nicht wieder ins Spiel zurück. Aber immerhin: Die Leistung war deutlich sicherer als gegen Portugal zwei Tage zuvor.

3:2 gegen Russland

3:2 (2:1) gegen Russland
3:2 (2:1) gegen Russland

Eine Knöchelverletzung bei Gini Kirchberger zwang Thalhammer im dritten Spiel, der EM-Playoff-Revanche gegen Russland, zu einem so nicht ganz geplanten Experiment, das aber gut funktionierte: Neben Manhart rückte nun Sechser Viki Schnaderbeck in die Innenverteidigung zurück. Das hatte der Teamchef eigentlich nicht wollen, weil er auf die Präsenz, die Übersicht und das Passspiel von Schnaderbeck im Mittelfeld nicht verzichten wollte. So rückte Puntigam von der Acht auf die Sechs und Sarah Zadrazil, die im ersten Spiel ganz vorne agierte, wie schon im zweiten Spiel wieder ins zentrale Mittelfeld zurück. Den Gegentreffer nach 18 Minuten glich Nina Burger postwendend aus, nach einer halben Stunde erzielte Nadine Prohaska die Führung.

„Das war phasenweise schon so, wie ich mir das wünsche und vorstelle“, lobte der Trainer. Was heißt: Die Abwehr stand zumeist sicher, der Druck im Mittelfeld war vorhanden und die Russinnen kamen nicht so recht zur Entfaltung. Auch vom 2:2-Ausgleich durch einen Elfmeter ließ sich das Team nicht aus der Bahn werfen, sondern kam dank Nina Burgers Tor kurz vor dem Schlusspfiff sogar zu einem 3:2-Erfolg.

Nur ums nochmal zu sagen: Vor anderthalb Jahren kam Russland im EM-Playoff mit einem 2:0 in St. Pölten und einem 1:1 in Rostov über Österreich drüber und man hatte konstatieren müssen: Österreich hatte Russland Schwächen aufgezeigt, sie aber nicht nützen können.

2:1 gegen Portugal

Die Gruppe C hatte Nordkorea mit drei Siegen vor den jeweils punktgleichen Teams aus Russland, Österreich und Portugal gewonnen – Russland hatte im Dreiervergleich jedoch die bessere Tordifferenz, weshalb sich im Platzierungsspiel Österreich und Portugal noch einmal trafen.

2:1 (2:0) gegen Portugal
2:1 (2:0) gegen Portugal

Diesmal netzte Nadine Prohaska nach nicht einmal drei Minuten, Sarah Zadrazil legte nach einer halben Stunde nach. Die Mannschaft war personell gegenüber dem Russland-Sieg – von der Goalie-Rotation zwischen Kristler und Zinsberger abgesehen – unverändert geblieben. Auf eine abkippende Sechs wurde verzichtet, in der Eröffnung von hinten raus mussten immer wieder lange Bälle herhalten – aber wenn man den Ball mal in der gegnerischen Hälfte hatte, sah das ganz gut aus. Der Druck auf die portugiesische Spieleröffnung war präsent, nach Ballgewinnen wurde schnell der Vorwärtsgang eingelegt. Die Laufwege von Lisa Makas waren gewohnt gut, ihr Torabschluss allerdings leider ausbaufähig.

Hinten brannte nichts an, Portugal war nur aus Standards und aus Weitschüssen in der Lage, Torschüsse zu fabrizieren. Nach der Pause brachte Thalhammer Kirchberger für Manhart, so wurde die vermutliche Variante getestet, mit der es im April wohl in die WM-Quali-Auswärtsspiele in Bulgarien und Frankreich gehen wird.

Zu beobachten war allerdings ein Phänomen, dass schon im August beim Test gegen Belgien zu sehen war: Nachdem Österreich das Spiel kontrolliert hatte, lässt ein Gegentor alles ein wenig flattern – wiewohl sicherlich auch die Kräfte eine Rolle gespielt haben dürften, angesichts der fordernden Spielweise und vier Spielen in sieben Tagen. Unmittelbar vor dem Anschlusstreffer hatte Portugal bereits einen Elfmeter vergeben.

Dass die Mannschaft nach dem Vorfall um Laura Feiersinger, die von Regina Pereira (die dafür nicht mal gelb sah) frontal umgenietet wurde, auch psychisch erledigt war, ist durchaus verständlich. Unverständlich aber, warum Portugal auch in der Nachspielzeit dieses Spiels immer noch so reinholzte, dass Lisi Tieber auch noch ausgetauscht werden musste.

Gut: Variante in der Abwehr wohl gefunden & Standards

Sehr auffällig: Waren Standards, vor allem Eckbälle, in der Vergangenheit alles andere als österreichische Stärken, schlug es beim Algarve Cup häufig nach ruhenden Bällen ein. Beide Tore im ersten Spiel gegen Portugal, das zweite Tor gegen Russland und auch das zweite Tor im letzten Spiel gegen Portugal – vier der sieben rot-weiß-roten Treffer fielen aus Eckbällen. „Es ist uns oft gut gelungen, unmittelbar vor dem Tor unsere Spielerinnen freizublocken“, nickte Thalhammer.

Nach eigenen Ecken entwickelte Österreich (hier in weiß beim 2:1 gegen Portugal) eine ungemeine Torgefahr, aber auch an Defensiv-Standards wurde gefeilt.
Nach eigenen Ecken entwickelte Österreich (hier in weiß beim 2:1 gegen Portugal) gut Torgefahr, auch an Defensiv-Standards wurde gefeilt. (Screenshot: Twitter @iDesporto)

Ebenfalls sehr positiv zu bewerten: Nach anfänglichen Problemen klappte die Variante mit Heike Manhart in der Innenverteidigung ganz gut, auch von jener mit Viktoria Schnaderbeck in der zentralen Abwehr war der Teamchef durchaus angetan. Qualitativ wird Carina Wenninger natürlich weiter fehlen, aber diese vier Spiele waren extrem wichtig, um die Abstimmung mit einer anderen Besetzung zu finden.

Schlecht: Die Feiersinger-Verletzung

Die nicht so gute Chancen-Verwertung bei Möglichkeiten aus dem Spiel heraus ist ein alter Hut, vor allem bei Lisa Makas, daran änderte leider auch dieses Turnier nichts. Das ist aber verkraftbar und daran kann man arbeiten – nicht so tragisch.

Richtig beschissen ist aber die Verletzung von Laura Feiersinger. Natürlich in erster Linie für sie selbst, auch für ihren Klub Bayern München (der neben ihr bei diesem Algarve-Cup auch die Deutsche Leonie Maier durch Kreuzbandriss verlor). Und selbstredend auch für das ÖFB-Team. Bei den letzten 28 Länderspielen war die bald 21-Jährige immer in der Startformation, ihre Energie, ihr Zug nach vorne, ihre Bereitschaft ins 1-gegen-1 zu gehen, all das ist praktisch unverzichtbar.

Inhaltlich ist die rechte Mittelfeld-Seite natürlich weniger diffizil neu zu besetzen wie ein Platz in der Innenverteidigung (wiewohl Feiersinger oft auch ins Zentrum ging, dieses zu überladen half – dafür braucht’s Gespür), aber qualitativ wird’s hart. Jelena Prvulovic kann da eine Option sein – die 18-Jährige vom Wiener Klub Landhaus ersetzte Feiersinger in der Schlussphase. Lisi Tieber hat diese Position schon im Play-Off gegen Russland gespielt, kann das auch. Jenny Pöltl, obwohl die sich links wohler fühlt, kann auch eine Überlegung wert sein. Carina Mahr spielt RM bei Vizemeister St. Pölten und ist auch im U-19-Team auf der rechten Seite daheim – war aber noch nie im Kader der A-Nationalmannschaft.

Alles Spekulation. Und ein ziemlich gigantischer Schatten über einem ansonsten vielleicht nicht superguten, aber doch zumindest ganz okayen Turnier.

(phe)

PS: Ein großer Dank an Dominik Thalhammer und Iris Stöckelmayr für die gute Zusammenarbeit während dieses Algarve Cups. Und den Genesungswünschen für Laura Feiersinger schließen wir uns natürlich an!

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Hinten links nach rechts: Teammanagerin Watzinger, Schnaderbeck, Pöltl, Zadrazil, Kirchberger, Bell, Burger, Prvulovic und Puntigam. Vorne links nach rechts: Manhart, Zinsberger, Tabotta, Kristler, Eder, Prohaska, Aschauer, Tieber, Makas und Sportpsychologin Wolf. Foto: ÖFB/Freunde des ÖFB Frauen Nationalteams (Facebook)
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Über Philipp Eitzinger

Journalist, Statistik-Experte und Taktik-Junkie. Kein Fan eines bestimmten heimischen Bundesliga-Vereins, sondern von guter Arbeit. Und voller Hoffnung, dass irgendwann doch noch alles gut wird.